Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.10.2021, Az. III R 7/19

3. Senat | REWIS RS 2021, 1571

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Gegenstand

Keine erweiterte Kürzung bei erstmaliger Grundstücksverwaltung im Laufe des Erhebungszeitraums


Leitsatz

NV: Befasst sich eine neu gegründete Kapitalgesellschaft erst Monate nach ihrer Eintragung in das Handelsregister mit der Verwaltung eigenen Grundbesitzes, kann sie die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen, da sie in diesem Fall nicht ausschließlich grundstücksverwaltend tätig ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 11.12.2018 - 8 K 8131/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die im ... 2014 mit einem Stammkapital von 25.000 € als Vorratsgesellschaft errichtet wurde. Sie wurde --noch unter anderer [X.] am ...2014 in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb von Grundstücken sowie deren Verwaltung. Die Klägerin erwarb durch [X.] mehrere in [X.] belegene Grundstücke zum Kaufpreis von ca. ... Mio. €. Übergang von Nutzen und Lasten war der ...2014. Die Klägerin erklärte für das Streitjahr (2014) einen Gewinn aus der Vermietung der Grundstücke von 67.624,60 €. Sie beantragte in der Gewerbesteuererklärung die erweiterte Kürzung des [X.] nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des [X.] ([X.]) in Höhe von 82.308 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) berücksichtigte die Kürzung nicht, weil die Grundstücke zu Beginn des Erhebungszeitraums noch nicht zum Betriebsvermögen der [X.] gehört hätten. Das F[X.] erließ am 24.06.2016 einen Gewerbesteuermessbescheid, in dem ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 82.394 € ausgewiesen und ein [X.] von 2.880 € festgesetzt wurde. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch. Zur Begründung trug sie vor, sie habe bis zum [X.] keine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet und sei niemals originär gewerblich tätig gewesen. Sie habe somit ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet.

2

Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließend erhobene Klage (Urteil des [X.] vom 11.12.2018 - 8 K 8131/17, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2019, 1221). Zur Begründung führte das [X.] aus, die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 [X.] richte sich nach dem Einheitswert des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes. Maßgebend sei der Einheitswert, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Ende des Erhebungszeitraums laute. Beim Erwerb eines Grundstücks im Laufe eines Erhebungszeitraums sei daher keine Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 [X.] möglich. Da die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] an die Stelle der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 [X.] trete, könne sie nur dann beansprucht werden, wenn eine Kürzung nach der letztgenannten Vorschrift möglich sei. Für das Ergebnis spreche auch der Wortlaut des § 20 [X.]bs. 1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV), da das [X.] bei [X.]nwendung des § 9 Nr. 1 [X.] ohne Einschränkung gelte.

3

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit der Revision. Zur Begründung trägt sie vor, der [X.] ([X.]) habe im Urteil vom 15.03.2000 - I R 17/99 ([X.]E 192, 353, [X.] 2001, 251) entschieden, dass sich das aus § 20 [X.]bs. 1 Satz 2 GewStDV ergebende [X.] ausschließlich auf die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 [X.] beziehe, nicht jedoch auf die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.]. [X.]uch bei [X.]en, die zu Beginn eines Erhebungszeitraums bereits über Grundbesitz verfügten und unterjährig weiteren Grundbesitz hinzukauften, sei unstreitig, dass für die hinzuerworbenen Objekte die erweiterte Kürzung in [X.]nspruch genommen werden könne. Die Muttergesellschaft habe sie --die [X.] erst unter ihren Vorratsgesellschaften ausgewählt, als klar gewesen sei, welche [X.] den Grundbesitz erwerben solle, sodass zuvor nicht festgestanden habe, für welche [X.] der von der Muttergesellschaft beauftragte Vertreter handeln werde.

4

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den [X.] vom 24.06.2016 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 28.03.2017 dahingehend zu ändern, dass der [X.] auf 0 € herabgesetzt wird.

5

Das F[X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Zur Begründung führt es aus, die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung müssten während des gesamten Erhebungszeitraums vorliegen. Dies sei hier nicht der Fall. Der Erhebungszeitraum habe mit der Eintragung der Klägerin in das Handelsregister begonnen. Die Klägerin habe jedoch erst ab dem ...2014 Grundbesitz verwaltet. Sie sei bereits zuvor tätig gewesen, da sie ihr Vermögen, nämlich die Stammeinlage, verwaltet und den Grundstückserwerb vorbereitet habe. Im Wege der [X.] sei zu beanstanden, dass das [X.] die tatsächlichen Feststellungen rechtsfehlerhaft getroffen habe.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

8

Die Revision ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] nicht beanspruchen kann.

9

1. Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 [X.] wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung); maßgebend ist der Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes vor dem Ende des [X.]. Stattdessen kann nach § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, auf Antrag die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des [X.] gekürzt werden, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Dieser Teil des [X.] geht nicht in die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ein und wird so im Ergebnis nicht mit Gewerbesteuer belastet (grundlegend hierzu Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 25.09.2018 - GrS 2/16, [X.]E 263, 225, [X.], 262, m.w.N.).

2. Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] ist u.a., dass das Unternehmen "ausschließlich" eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt, abgesehen von den in § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 [X.] zugelassenen Ausnahmen ([X.]surteil vom [X.] - III R 36/17, [X.]E 267, 406, [X.], 405, m.w.N.). Die in § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] genannte Verwaltung eigenen [X.] ist nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes stattfindet, nicht aber, wenn sie vor Beginn oder nach dem Ende einer begünstigten Grundstücksverwaltung die alleinige Tätigkeit darstellt (Güroff in Glanegger/Güroff, [X.], 10. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz 27b, m.w.N.).

a) Der Begriff der Ausschließlichkeit ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 12.07.1999 - I B 5/99, [X.]/NV 2000, 79, sowie vom 14.04.2000 - I B 104/99, [X.]/NV 2000, 1497; [X.]-Urteile vom 19.10.2010 - I R 1/10, [X.]/NV 2011, 841; vom 26.02.2014 - I R 47/13 , [X.]/NV 2014, 1395, sowie vom 26.02.2014 - I R 6/13, [X.]/NV 2014, 1400; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.[X.], § 9 Nr. 1 Rz 23; Wagner in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 2019, § 9 Nr. 1 Rz 79; [X.]/[X.]/[X.], § 9 [X.] Rz 69).

b) In zeitlicher Hinsicht hat dies zur Folge, dass der Unternehmer während des gesamten [X.] der gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] begünstigten Tätigkeit nachgehen muss. Dies folgt aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer ([X.]-Urteile vom 29.03.1973 - I R 199/72, [X.]E 109, 138, [X.] 1973, 563; in [X.]/NV 2014, 1395, und in [X.]/NV 2014, 1400, und [X.]surteil in [X.]E 267, 406, [X.], 405; [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], Rz 76). Die erweiterte Kürzung kann nicht zeitanteilig gewährt werden (Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.[X.], § 9 Nr. 1 Rz 23c; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 9 Nr. 1 Rz 131). Am Erfordernis einer ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es daher, wenn ein Unternehmer das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des [X.] veräußert und danach nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt ([X.]-Urteil vom 20.01.1982 - I R 201/78, [X.]E 135, 327, [X.] 1982, 477; [X.]-Beschlüsse in [X.]/NV 2000, 79, und in [X.]/NV 2000, 1497; [X.]-Urteile vom 19.12.2007 - I R 46/07, [X.]/NV 2008, 930, unter II.3.; in [X.]/NV 2011, 841; in [X.]/NV 2014, 1395, sowie in [X.]/NV 2014, 1400; ebenso Wagner in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], Rz 82). Eine "technisch bedingte" Ausnahme wird bei einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr, zugelassen ([X.]-Urteil vom 11.08.2004 - I R 89/03, [X.]E 207, 40, [X.] 2004, 1080).

3. Für den Streitfall bedeuten diese Grundsätze, dass die Klägerin die erweiterte Kürzung nicht beanspruchen kann, weil sie nicht während des gesamten [X.] i.S. von § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] tätig war. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Klägerin und der (abgekürzte) Erhebungszeitraum (§ 14 Satz 3 [X.]) begannen am ...2014, dem [X.] in das Handelsregister ([X.]/[X.]/[X.], § 2 [X.] Rz 241). Danach galt die gesamte Tätigkeit der Klägerin als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 [X.]). In der [X.] bis zum ...2014 befasste sich die Klägerin jedoch nach ihrem eigenen Vortrag nicht mit der Verwaltung oder Nutzung von Grundbesitz; Gegenteiliges lässt sich auch den Feststellungen des [X.] nicht entnehmen. Damit scheidet eine erweiterte Kürzung aus. Denn ebenso wenig, wie das Erfordernis der Ausschließlichkeit gewahrt ist, wenn sich ein Unternehmen nach dem Verkauf des letzten oder einzigen Grundstücks bis zum Ende des [X.] nicht mehr mit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes befasst, ist es erfüllt, wenn in dem Unternehmen im Laufe eines [X.] erstmals eine solche Tätigkeit ausgeübt wird.

4. Die vom [X.] in den Vordergrund gestellte Frage, ob die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] deshalb nicht erfüllt sind, weil der Grundbesitz nicht zum 01.01.2014 zum Betriebsvermögen der [X.] noch nicht existierenden-- Klägerin gehört hatte, ist demnach nicht entscheidungserheblich. In § 20 Abs. 1 Satz 2 GewStDV ist bestimmt, dass für die Frage, ob und inwieweit Grundbesitz zum Betriebsvermögen gehört, der Stand zu Beginn des Kalenderjahres maßgeblich ist ([X.]). Das [X.] hat jedoch selbst auf das [X.]-Urteil in [X.]E 192, 353, [X.] 2001, 251 hingewiesen. Darin hat der [X.] entschieden, dass sich § 20 Abs. 1 GewStDV lediglich auf die pauschale Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 [X.] bezieht, nicht aber auf die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 [X.] (später offengelassen in [X.]/NV 2011, 841).

5. Eine pauschale Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 [X.] scheidet aus, da zum 01.01.2014 für die erst im Streitjahr 2014 gegründete Klägerin naturgemäß noch keine Einheitswerte von Grundstücken festgestellt worden waren.

6. Auf die vom [X.] als Gegenrüge erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht mehr an, da die Revision bereits auf der Grundlage des vom [X.] festgestellten Sachverhalts zurückzuweisen ist.

7. [X.] beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 7/19

27.10.2021

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 11. Dezember 2018, Az: 8 K 8131/17, Urteil

§ 9 Nr 1 S 2 GewStG 2002, § 9 Nr 1 S 1 GewStG 2002, GewStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.10.2021, Az. III R 7/19 (REWIS RS 2021, 1571)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1571

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