Bundessozialgericht, Urteil vom 15.08.2018, Az. B 12 R 4/18 R

12. Senat | REWIS RS 2018, 4791

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Gegenstand

Betriebsprüfung - Beitragsnachforderung - Altersteilzeitvereinbarung - Absenkung des Arbeitsentgelts - Berechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach der Gleitzonenformel


Leitsatz

Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge sind nach der Gleitzonenformel zu berechnen, wenn sich das Arbeitsentgelt aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung auf einen Betrag innerhalb der Gleitzone verringert.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 22. März 2017, der Gerichtsbescheid des [X.] vom 25. Oktober 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2014 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 1524,30 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Nachforderung von [X.]n.

2

Die beigeladene Arbeitnehmerin war beim Kläger abhängig beschäftigt. Sie hatte mit dem Kläger eine Altersteilzeitvereinbarung geschlossen und ab 1.1.2008 ihre wöchentliche Arbeitszeit von ursprünglich 16 auf acht Stunden reduziert. Ab diesem [X.]punkt verringerte sich ihr monatliches Arbeitsentgelt von bisher 900 auf 450 Euro, das sich ab 1.1.2009 auf 490 Euro und ab 1.4.2012 auf 540 Euro erhöhte. Der Kläger zahlte aus diesen [X.] [X.], die er jeweils nach den für Arbeitsentgelte in der sog Gleitzone (400,01 bis 800 Euro/Monat; seit 1.1.2013: 450,01 bis 850 Euro/Monat) geltenden Spezialvorschriften berechnete.

3

Die beklagte [X.] ([X.]) beanstandete bei ihrer im Dezember 2013 beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung diese Beitragsberechnung. Die für Arbeitsentgelte in der Gleitzone geltenden Vorschriften seien nach dem gemeinsamen Rundschreiben vom 25. Februar 2003 nicht anzuwenden, wenn sich das Arbeitsentgelt auf Grund einer Altersteilzeitvereinbarung verringere und deshalb in die Gleitzone falle. Die Beklagte forderte vom Kläger demgemäß für die [X.] von Januar 2009 bis Dezember 2012 [X.] in Höhe von 1524,30 Euro nach (Bescheid vom 12.12.2013) und wies den Widerspruch hiergegen zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.5.2014).

4

Klage und Berufung hiergegen sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des [X.] vom 25.10.2016, Urteil des L[X.] vom 22.3.2017). Das L[X.] hat wie bereits das [X.] ausgeführt, die Gleitzonenregelung sei ihrem Zweck nach nicht anzuwenden, wenn sich das Arbeitsentgelt auf Grund einer Altersteilzeitvereinbarung verringere. Die zum [X.] eingeführte Gleitzonenregelung habe das Ziel, [X.] auch bei [X.] im Niedriglohnsektor zu setzen, indem der Arbeitnehmer nicht bereits ab Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze mit einem nach dem vollen Beitragssatz berechneten Arbeitnehmeranteil belastet werde. Die Gleitzonenregelung vermeide, dass bei [X.] knapp über der Geringfügigkeitsgrenze möglicherweise netto weniger Arbeitsentgelt ausgezahlt werde als bei Entgelten um oder unter der Geringfügigkeitsgrenze und Arbeitnehmer durch diese Beitragsbelastung von der Aufnahme einer Arbeit im Niedriglohnsektor über der Geringfügigkeitsgrenze abgehalten würden.

5

Der Kläger hat Revision eingelegt und eine Verletzung von § 20 Abs 2 [X.]B IV und § 163 Abs 10 [X.]B VI gerügt. Das Gesetz sehe Ausnahmen von der Gleitzonenregelung nur für Arbeitsentgelte von Personen in Berufsausbildung vor, nicht jedoch für Arbeitsentgelte, die durch eine Altersteilzeitvereinbarung in diese Zone fielen.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 22. März 2017, den Gerichtsbescheid des [X.] vom 25. Oktober 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2014 aufzuheben.

7

Die Beklagte hält das L[X.]-Urteil für zutreffend und beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des [X.] ist begründet. Die Beklagte fordert von ihm mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1524,30 Euro nach. Das [X.] hätte die hiergegen erhobene Klage nicht abweisen, das L[X.] die Berufung gegen den Gerichtsbescheid nicht zurückweisen dürfen. Die beklagte [X.] war im Rahmen ihrer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung im Grundsatz für den Erlass eines Beitragsnachforderungsbescheides sachlich zuständig (dazu 1.). Der von ihr erlassene Nachforderungsbescheid ist jedoch rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die für Beschäftigte geltende Grundregel, dass Bemessungsgrundlage ihres Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag das Arbeitsentgelt in seiner vollen Höhe ist (dazu 2.a), wird vorliegend durch die Gleitzonenregelung des § 20 Abs 2 [X.]B IV (idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] <[X.]>, [X.]) iVm § 226 Abs 4 [X.]B V, § 163 Abs 10 [X.]B VI (jeweils idF des [X.] vom [X.] und des Gesetzes zur Änderung des [X.], zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom [X.] ), § 344 Abs 4 [X.]B III (idF des [X.] 2006 <[X.]> vom 29.6.2006 , des Gesetzes vom [X.] und des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 ) sowie § 57 Abs 1 S 1 [X.]B XI (idF des GKV-W[X.] ) modifiziert (dazu 2.b). [X.] gilt entgegen der Ansicht der beklagten [X.] auch für Arbeitsentgelte, die sich auf Grund einer Altersteilzeitvereinbarung auf einen Betrag innerhalb der Gleitzone verringert haben (dazu 3.).

1. Die beklagte [X.] war im Rahmen ihrer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung sachlich zuständig, die Beitragsberechnung des [X.] zu überprüfen und ggf Beiträge durch Verwaltungsakt nachzufordern.

Die Beiträge für [X.] Gesetzes versicherte Beschäftigte in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der [X.] Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt (vgl § 28d S 1 und 2, § 28e Abs 1 S 1 [X.]B IV, jeweils idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009 iVm § 253 [X.]B V, § 60 Abs 1 S 1 und 2 [X.]B XI idF des GKV-W[X.] vom [X.] , § 174 Abs 1 [X.]B VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002 und § 348 Abs 2 [X.]B III). Der beklagte Träger der Rentenversicherung ist berechtigt und verpflichtet, beim Arbeitgeber zu prüfen, ob dieser seine Meldepflichten und seine sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag erfüllt; insbesondere ist dabei die Richtigkeit der Beitragszahlung zu prüfen (§ 28p Abs 1 S 1 [X.]B IV idF der Bekanntmachung vom 23.1.2006 ). Im Rahmen dieser Betriebsprüfung erlässt er auch Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber (§ 28p Abs 1 S 5 [X.]B IV idF vom 23.1.2006 ).

2. Der von der beklagten [X.] im Rahmen der Betriebsprüfung erlassene Nachforderungsbescheid ist rechtswidrig. Die Beiträge waren abweichend vom gesetzlichen Regelfall (dazu a) nach der für Arbeitsentgelte zwischen 400,01 und 800 Euro geltenden [X.] zu berechnen (dazu b).

a) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird ermittelt, indem der in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung maßgebliche Beitragssatz auf die Bemessungsgrundlage angewendet wird. Bemessungsgrundlage ist in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie der [X.] Pflegeversicherung - bis zur Beitragsbemessungsgrenze - das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (vgl § 226 Abs 1 S 1 [X.] 1 [X.]B V, § 57 Abs 1 S 1 [X.]B XI idF des GKV-W[X.] vom [X.] , § 162 [X.] 1 [X.]B VI, § 342 [X.]B III). [X.], der Beitragssatz wird zur Ermittlung des [X.] mit dem vollen Betrag des ([X.] multipliziert. Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen sodann jeweils die Hälfte dieses Betrags, wobei der Arbeitnehmeranteil im Lohnabzugsverfahren vom Arbeitgeber bei der Lohnzahlung einbehalten und mit dem Arbeitgeberanteil an die [X.] abgeführt wird.

b) Bei Arbeitnehmern, die gegen ein monatliches Arbeitsentgelt bis zum oberen Betrag der Gleitzone (§ 20 Abs 2 [X.]B IV [X.]) mehr als geringfügig beschäftigt sind, ist beitragspflichtige Einnahme der Betrag, der sich aus der sog [X.] ergibt (§ 163 Abs 10 [X.]B VI, § 226 Abs 4 [X.]B V, jeweils idF des GKV-W[X.] vom [X.] , § 344 Abs 4 [X.]B III idF des [X.] vom 29.6.2006 , des Gesetzes zur Änderung des [X.], zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom [X.] und des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 sowie § 57 Abs 1 S 1 [X.]B XI idF des GKV-W[X.] ). Eine Gleitzone liegt nach § 20 Abs 2 [X.]B IV [X.] bei einem Beschäftigungsverhältnis mit einem daraus erzielten Arbeitsentgelt von 400,01 bis 800 Euro im Monat vor, das die Grenze von 800 Euro im Monat regelmäßig nicht überschreitet; bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen ist das insgesamt erzielte Arbeitsentgelt maßgebend. Die [X.] modifiziert bei [X.] in der Gleitzone die Berechnung des auf den Arbeitnehmer entfallenden Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Sie lautet: [X.] + (2 - F) x ([X.] - 400), wobei [X.] das Bruttoarbeitsentgelt und F den jährlich im [X.] verlautbarten Gleitzonenfaktor bezeichnet.

Die [X.] bewirkt, dass der Beitragssatz zur Ermittlung des Arbeitnehmeranteils in der Gleitzone auf einen Betrag angewendet wird, der unterhalb des tatsächlichen [X.] liegt und somit für den Arbeitnehmer zu einer geringeren Beitragsbelastung führt. Für den Arbeitgeber bleibt es hingegen dabei, dass er einen auf ihn entfallenden (hälftigen) Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu tragen hat, der sich ergibt, wenn der Beitragssatz auf das der Beschäftigung zugrundeliegende Arbeitsentgelt angewendet wird (vgl § 168 Abs 1 [X.] 1d [X.]B VI, § 346 Abs 1a [X.] 1 [X.]B III und § 58 Abs 5 S 2 [X.]B XI, jeweils idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] <[X.]> sowie § 249 Abs 4 [X.]B V idF des Gesetzes vom [X.] und des [X.] vom 22.12.2011 ).

Im konkreten Fall heißt dies, dass die beigeladene Arbeitnehmerin Beiträge zB im Jahr 2009 nicht aus dem vereinbarten Arbeitsentgelt von 490 Euro monatlich zu tragen hatte, sondern ihr Beitragsanteil nach Anwendung der [X.] ausgehend von einem fiktiven Arbeitsentgelt von (nur) 411,63 Euro/Monat zu berechnen war. Der Arbeitgeberanteil hingegen war ausgehend vom tatsächlichen Bruttolohn von 490 Euro zu berechnen und vom Arbeitgeber der Beigeladenen zu tragen. In dieser Weise hat der Kläger die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den streitigen Zeitraum (1.1.2009 bis 31.12.2012) auch berechnet und an die zuständige Einzugsstelle gezahlt.

3. [X.] ist in Fällen, in denen sich das Arbeitsentgelt auf Grund einer Altersteilzeitvereinbarung so verringert, dass es in die Gleitzone fällt, entgegen der Ansicht der Beklagten nicht ausgeschlossen. Diese meint, das mit der Gleitzonenregelung verfolgte Ziel, einen Anreiz zur Aufnahme von Teilzeitbeschäftigungen zu schaffen, indem die Beitragsbelastung für Arbeitnehmer abgesenkt werde, treffe ua bei Beschäftigten in Altersteilzeit nicht zu. Sie wendet deshalb die Gleitzonenregelung auf diesen Personenkreis nicht an. Dies findet weder im Gesetzeswortlaut (dazu a) noch in der Entstehungsgeschichte (dazu b) eine Grundlage.

a) Das Gesetz sieht weder in der Legaldefinition der Gleitzone (vgl § 20 Abs 2 [X.]B IV [X.]) noch in den besonderen Vorschriften der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie der [X.] Pflegeversicherung über die Beitragsbemessung (§ 163 Abs 10 [X.]B VI, § 226 Abs 4 [X.]B V, jeweils idF des GKV-W[X.] vom [X.] , § 344 Abs 4 [X.]B III idF des [X.] vom 29.6.2006 , des Gesetzes zur Änderung des [X.], zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom [X.] und des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 sowie § 57 Abs 1 S 1 [X.]B XI idF des GKV-W[X.] ) und Beitragstragung (§ 168 Abs 1 [X.] 1d [X.]B VI, § 346 Abs 1a [X.] 1 [X.]B III und § 58 Abs 5 S 2 [X.]B XI, jeweils idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] <[X.]> sowie § 249 Abs 4 [X.]B V idF des Gesetzes vom [X.] und des [X.] ) Ausnahmen von der Gleitzonenregelung für bestimmte Personengruppen oder Sachverhalte vor.

b) Die Entstehungsgeschichte der durch Art 2 des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.]) ins Gesetz eingefügten Definition der Gleitzone (§ 20 Abs 2 [X.]B IV [X.]) sowie die Änderung der oben genannten Vorschriften über die Beitragstragung und Beitragsbemessung (vgl Art 1 [X.] 3c und [X.] 3d, Art 3 [X.] 5 und [X.] 7, Art 4 [X.] 7b und [X.] 10, Art 6 [X.] 2 des Gesetzes vom [X.] ) lassen ebenfalls nicht den Schluss zu, dass die Gleitzonenregelung in Fällen von Altersteilzeitarbeit keine Anwendung findet.

Die genannten Regelungen waren im ursprünglichen Gesetzentwurf noch nicht vorgesehen (vgl BT-Drucks 15/26). Auch der Beschluss des federführenden [X.] sah eine Gleitzonenregelung noch nicht vor. Diese geht vielmehr auf eine Beschlussempfehlung des [X.] (BT-Drucks 15/202) zurück, der [X.] und Bundesrat gefolgt sind. Der Bundesrat hatte den Vermittlungsausschuss ua mit der Bitte angerufen, für Beschäftigungsverhältnisse im [X.] zwischen 500 und 800 Euro "abgestufte" Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen einzuführen. Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses selbst enthält keine Begründung.

Anhaltspunkte für die mit der Gleitzonenregelung verfolgten Ziele des Gesetzgebers ergeben sich allerdings aus dem vom Bundesrat ([X.]) und der [X.]/[X.] eingebrachten Gesetzentwurf (BT-Drucks 15/23) "zur Aktivierung kleiner Jobs ([X.])". Dieser Gesetzentwurf wurde vom [X.] zwar abgelehnt (vgl Bericht BT-Drucks 15/91 S 9). Er sah aber - ähnlich wie die spätere Gleitzonenregelung - vor, dass bei [X.] zwischen 400 und 800 Euro der Arbeitnehmeranteil nur aus einem - tabellarisch - gekürzten Arbeitsentgelt zu berechnen ist. Zur Begründung wurde ausgeführt (BT-Drucks 15/23 S 7): "Vollständig neu ist die Schaffung der so genannten niedrig entlohnten Beschäftigungen mit einem Arbeitsentgelt zwischen 400 und 800 Euro. Bei diesen werden Arbeitnehmer zukünftig entlastet, da der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag vermindert ist. Die Abgabenlast für den Arbeitnehmer setzt nicht sofort voll ein, sondern wird im Rahmen eines verwaltungspraktikablen Einschleifmodells linear auf den normalen Beitragssatz angehoben." Und im Besonderen Teil der Begründung heißt es (BT-Drucks 15/23 S 8 zu [X.] 5 <§ 23c>): "Die Bestimmung regelt die Entlastung von den Sozialversicherungsbeiträgen für die betreffenden Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich. (...) Der Arbeitgeberanteil bleibt unberührt. Die Entlastung erfolgt möglichst gleitend, um falsche Anreizwirkungen durch Sprünge zu vermeiden. Die verbleibende Stufung soll für Transparenz sorgen und die Anwendung in der Praxis bei geringfügigen nachträglichen Korrekturen am Lohn erleichtern."

Im Hinblick auf den vom Bundesrat und [X.] schließlich angenommenen Beschlussvorschlag des Vermittlungsausschusses für eine Gleitzonenregelung hat der Bundesrat den Gesetzentwurf "[X.]" für gegenstandslos erklärt (vgl [X.] 934/02).

Die Begründung des Entwurfs des "[X.]es" lässt keine beabsichtigte Beschränkung auf bestimmte Personengruppen oder Sachverhalte erkennen. Vielmehr geht es um eine Beitragsentlastung im sog Niedriglohnbereich oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze, ohne Rücksicht darauf, weshalb ein Arbeitsentgelt im Niedriglohnbereich erzielt wird. Zwar ging es beim [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.]) wie auch bei den drei weiteren Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (sog [X.]) darum, in einer um die Jahrtausendwende weltweiten Konjunkturkrise die auch in [X.] herrschende hohe Arbeitslosigkeit durch zahlreiche Maßnahmen und Anreizstrukturen abzubauen. Insoweit dürfte es mit der Gleitzonenregelung in erster Linie um Anreizstrukturen für Arbeitslose zur Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung oder einer gering entlohnten Beschäftigung auch durch Verringerung ihrer Beitragslast im Niedriglohnsektor gegangen sein. Die Gesetz gewordene Regelung war und ist jedoch nicht auf zuvor Arbeitslose oder sonstige Personengruppen beschränkt. Einziges Tatbestandsmerkmal für die Inanspruchnahme der Beitragsprivilegierung für Beschäftigte ist die Höhe ihres Arbeitsentgelts zwischen 400,01 und 800 Euro (seit 1.1.2013: zwischen 450,01 und 850 Euro).

Der Senat sieht auch keine Gründe, die eine teleologische Reduktion des § 20 Abs 2 [X.]B IV [X.] im Sinn ihrer Nichtanwendung auf ein Altersteilzeitentgelt in der Gleitzone nahelegen und verfassungsrechtlich rechtfertigen könnten.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 1 VwGO.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 GKG.

Meta

B 12 R 4/18 R

15.08.2018

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Konstanz, 25. Oktober 2016, Az: S 4 R 1610/14, Gerichtsbescheid

§ 344 Abs 4 SGB 3 vom 29.06.2006, § 344 Abs 4 SGB 3 vom 15.07.2009, § 344 Abs 4 SGB 3 vom 20.12.2011, § 346 Abs 1a Nr 1 SGB 3, § 20 Abs 2 SGB 4 vom 23.12.2002, § 28d SGB 4, § 28e Abs 1 S 1 SGB 4, § 28p Abs 1 S 5 SGB 4 vom 23.01.2006, § 226 Abs 4 SGB 5 vom 26.03.2007, § 226 Abs 4 SGB 5 vom 15.07.2009, § 249 Abs 4 SGB 5 vom 23.12.2002, § 249 Abs 4 SGB 5 vom 22.12.2011, § 163 Abs 10 SGB 6 vom 26.03.2007, § 163 Abs 10 SGB 6 vom 15.07.2009, § 168 Abs 1 Nr 1d SGB 6 vom 23.12.2002, § 57 Abs 1 S 1 SGB 11 vom 26.03.2007, § 58 Abs 5 S 2 SGB 11 vom 23.12.2002, § 1 Abs 1 AltTZG 1996

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.08.2018, Az. B 12 R 4/18 R (REWIS RS 2018, 4791)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4791

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