Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. KVR 23/98

Kartellsenat | REWIS RS 2007, 3363

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[X.][X.] 19. Juni 2007 in der [X.]- 2 - [X.] hat am 19. Juni 2007 durch den Präsiden-ten des [X.] Prof. [X.], [X.] [X.] und [X.] Raum, Prof. [X.] und [X.] beschlossen: Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Der Wert des Verfahrensgegenstandes beträgt bis zur übereinstim-menden [X.]rklärung der [X.]rledigung in der Hauptsache 511.291,88 •. [X.] beträgt der Gegenstandswert 36.420,60 •. Gründe: 1 I. Das betroffene [X.] fordert u.a. im Rahmen der Vergabe von Stra-ßenbauaufträgen eine so genannte [X.], mit der sich die Bieter für den Fall der Auftragsvergabe verpflichten, ihre zur [X.]rledigung des [X.] Mitarbeiter nicht unter den jeweils geltenden [X.] Lohntarifen zu ent-lohnen. Diese Übung ging zunächst auf ein entsprechendes Rundschreiben der [X.] zurück. Diese Maßnahme des betroffenen [X.] richtete sich in erster Linie gegen tarifvertraglich nicht gebundene Bieter mit Sitz in [X.] oder in den neuen [X.], für die aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags für das Bauhauptgewerbe ein Mindestlohn von 16 DM (West) oder 15,14 DM (Ost) 2 - 3 - galt; dieser Mindestlohn war nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz auch für aus-ländische Arbeitgeber maßgeblich. Die [X.] Tariflöhne lagen deutlich höher, der [X.] für einen Facharbeiter etwa bei 25,26 DM. Das [X.] hat diese Maßnahme mit der Begründung beanstan-det, bei der Vergabe von [X.] verstoße die beschriebene Übung gegen das [X.] und [X.] nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. (jetzt § 20 Abs. 1 GWB) sowie gegen das [X.] nach § 15 GWB a.F., und es dem betroffenen Land untersagt, [X.] nur an Unternehmen zu vergeben, die eine solche [X.]rklärung abgegeben haben, die [X.]rklärung bei Vergabe derartiger Aufträge zum Vertragsbestandteil zu machen und Auftragnehmer bei einem Verstoß von der Vergabe öffentlicher Aufträge aus-zuschließen. Ferner hat das [X.] dem betroffenen Land verboten, das in Rede stehende Rundschreiben in Bezug auf Straßenbauarbeiten in [X.] zu lassen, seine Adressaten über die Außerkraftsetzung in Unkenntnis zu halten und mit neuen Rundschreiben vergleichbaren Inhalts oder auf sonstige Weise auf die Bezirke mit dem Ziel einzuwirken, das untersagte Verhalten durchzusetzen ([X.]/[X.]). Die gegen diese Untersagungsverfügung gerichtete Be-schwerde des betroffenen [X.] hat das [X.] zurückgewiesen ([X.]/[X.]). 3 Hiergegen hatte sich die (zugelassene) Rechtsbeschwerde gerichtet, mit der das betroffene Land seinen Antrag auf Aufhebung der Untersagungsverfügung weiterverfolgt hat. Das [X.] war der Rechtsbeschwerde entgegenge-treten. 4 Während des [X.] ist das [X.] Vergabegesetz ([X.]) vom 9. Juli 1999 (GVBl. S. 369) in [X.] getreten. § 1 dieses Gesetzes schreibt den Vergabestellen die Forderung einer [X.] vor, ohne da-5 - 4 - nach zu unterscheiden, ob das Land als Nachfrager von Bauleistungen eine marktbeherrschende Stellung innehat und deswegen Normadressat des § 20 Abs. 1 GWB ist. Mit [X.]uss vom 18. Januar 2000 ([X.]/[X.]) hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und die Sache gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 [X.]G dem [X.] zur [X.]ntscheidung über die Frage vorgelegt, ob § 1 Abs. 1 Satz 2 des [X.] [X.] vom 9. Juli 1999 mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, mit Art. 31 GG Œ i.V. mit § 5 [X.] und i.V. mit § 20 Abs. 1 GWB Œ sowie mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar ist. Das Bundes-verfassungsgericht hat diese Frage mit [X.]uss vom 11. Juli 2006 ([X.]/[X.] 1273) bejaht. Daraufhin hat das [X.] erklärt, dass es aus der streitgegenständlichen Verfügung keine Rechte mehr herleite. Beide Beteiligten haben das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. 6 II. Aufgrund der übereinstimmenden [X.]rledigungserklärungen hat der Senat nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, und zwar hinsichtlich beider gerichtlicher Instanzen; denn der [X.]uss des [X.]s ist im Umfang der Hauptsacheerledigung auch im Kostenpunkt unwirksam geworden ([X.], [X.]. v. 29.10.1985 Œ KVR 4/83, [X.]/[X.], 2208 [X.]/[X.]. Reisebüro). 7 Nach § 78 GWB i.V. mit § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist über die Kosten des in der Hauptsache für erledigt erklärten [X.] nach billigem [X.]rmessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dabei genügt eine summarische Prüfung der [X.]rfolgsaussicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ([X.] [X.]/[X.], 8 - 5 - 2208 [X.]/[X.]. Reisebüro; [X.], [X.]. v. 16.11.1999 Œ KVR 10/98, [X.]/[X.] 420, 421 Œ [X.]rledigte Beschwerde; [X.]. v. 31.5.2006 Œ KVR 1/05, [X.]/[X.] 1783, 1785 Œ Call-Option). Danach sind die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben, ohne dass abschließend darüber zu entscheiden ist, ob das betroffene Land ohne das Inkrafttreten des [X.] [X.] voraussichtlich unterlegen wäre. 9 10 1. Das [X.] hat sich durch die [X.]rklärung, aus der angegriffenen Untersagungsverfügung keine Rechte mehr herleiten zu wollen, schon deswegen nicht freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben, weil es damit einer nach-träglichen Gesetzesänderung Rechnung getragen hat (vgl. [X.], [X.]. v. 10.12.1993 Œ I B 133/92, juris [X.]. 3). Für die unter [X.] zu treffende Kostenentscheidung kommt es in einem solchen Fall darauf an, wie der Rechtsstreit ohne die Gesetzesänderung voraussichtlich entschieden worden wä-re (vgl. [X.] in [X.] Kommentar zum Kartellrecht, § 78 GWB 1999 Rdn. 21; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 2. Aufl., § 161 Rdn. 91). Allerdings kann es gerechtfertigt sein, der Behörde die Mehrkosten aufzuer-legen, wenn sie die [X.]rklärung, aus der Untersagungsverfügung keine Rechte mehr herleiten zu wollen, nicht unmittelbar nach der Gesetzesänderung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt abgibt (vgl. [X.] NVwZ 1989, 47, 48; zu § 91a ZPO: [X.], [X.]. v. 28.3.1996 Œ 5 U 819/95, juris; [X.], [X.] 2006, 2563; [X.]/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rdn. 25). Diese [X.]in-schränkung findet aber dann keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der zu [X.] Kostenentscheidung offen ist, ob das Gesetz, das der angegriffenen [X.] die Grundlage entzogen hat, mit vorrangigem Gemeinschaftsrecht verein-bar ist. Wie der Senatsentscheidung vom 18. Januar 2000 unter [X.] zu entneh-men ist ([X.] [X.]/[X.] 297, 306 f.; vgl. ferner [X.] [X.]/[X.] 1273, 11 - 6 - 1274; Vorlagebeschluss des OLG Celle v. 3.8.2006 Œ [X.]/[X.] 1261), stehen im Streitfall derartige Bedenken im Raum, die ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 [X.]G erforderlich gemacht hätten. Unter diesen Umständen gereicht es dem [X.] nicht von vornherein zum Nachteil, dass es die [X.]rklä-rung, aus der Untersagungsverfügung keine Rechte mehr herleiten zu wollen, nicht unmittelbar nach Inkrafttreten des [X.] [X.] abgegeben hat. 12 2. Die vom betroffenen Land aufgeworfene Frage nach der Unternehmensei-genschaft des [X.] kann im summarischen Verfahren nicht abschließend [X.] werden. Im Vorlagebeschluss vom 18. Januar 2000 ([X.]/[X.] 297 Œ Ta-riftreueerklärung II) ist der Senat von der Unternehmenseigenschaft des [X.] als selbstverständlich ausgegangen. Grundlage hierfür war die ständige Recht-sprechung des [X.], wonach die öffentliche Hand als Unterneh-men im Sinne der Bestimmungen des [X.] Kartellrechts tätig wird, wenn sie im Rahmen der Beschaffung Waren oder Leistungen nachfragt und sich dabei der Formen des Privatrechts bedient. Auf die Frage, ob die mit den Mitteln des [X.] beschafften Waren oder Dienstleistungen im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand verwendet werden sollen, kommt es dabei nicht an ([X.]Z 36, 91, 103 Œ [X.]; [X.], [X.]. v. 12.3.1991 Œ KZR 26/89, [X.]/[X.] 2707, 2714 [X.]; [X.]. v. [X.] 3/93, [X.]/[X.] 2919, 2921 Œ orthopädisches Schuhwerk; [X.]. v. 11.12.2001 Œ KZR 5/00, [X.]/[X.] 839, 841 [X.]; [X.]. v. 24.6.2003 Œ KZR 32/01, [X.]/[X.] 1144, 1145 [X.]). Demgegenüber ha-ben das Gericht erster Instanz und der Gerichtshof der [X.]uropäischen Gemein-schaften in Übereinstimmung mit der [X.]uropäischen Kommission in den in der Rechtssache F[X.]NIN ergangenen [X.]ntscheidungen für das [X.] Kartellrecht angenommen, dass der nichtwirtschaftliche Charakter der späteren Verwendung des erworbenen [X.]rzeugnisses den Charakter der [X.]inkaufstätigkeit bestimmt ([X.]uG, [X.]. v. 4.3.2003 Œ T-319/99, [X.]. 2003, [X.] [X.]. 36 ff. = [X.]/[X.] [X.]U-R 688; - 7 - [X.]uGH, [X.]. [X.], [X.]/03, [X.]. 2006, [X.] [X.]. 26 = [X.]/[X.] [X.]U-R 1213). Die Frage, ob aufgrund dieser [X.]ntscheidungen Anlass besteht, die gefes-tigte Rechtsprechung zum [X.] im [X.] Recht einer Über-prüfung zu unterziehen, kann im summarischen Verfahren nicht beantwortet wer-den. 3. Unter diesen Umständen entspricht es im Hinblick auf den ungewissen Ausgang, den das Verfahren ohne die Regelung im [X.] Vergabegesetz ge-nommen hätte, billigem [X.]rmessen, die Kosten des Verfahrens gegeneinander auf-zuheben. 13 [X.]

Raum

Meier-Beck

Kirchhoff
Vorinstanz: KG [X.], [X.]ntscheidung vom 20.05.1998 - Kart 24/97 -

Meta

KVR 23/98

19.06.2007

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. KVR 23/98 (REWIS RS 2007, 3363)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3363

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