Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2014, Az. 4 StR 562/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7160

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 562/13

vom
12. März
2014
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 12.
März 2014 gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
357 StPO
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22.
Februar 2013 mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben,
a)
im Fall
II.1 der Urteilsgründe;
b)
in den Fällen
II.2
zu
1 und II.2 zu
2 der Urteilsgründe; in-sofern bleiben die Feststellungen zum äußeren [X.] jedoch aufrechterhalten;
c)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
d)
im Ausspruch über die Einziehung

auch soweit es die Mitangeklagte I.

betrifft

der bei den Angeklagten
sichergestellten Laptops mit [X.], der bei den Angeklagten sichergestellten Kameras und der bei dem Angeklagten sichergestellten Mappe mit [X.] und DVDs.
2.
Im
Umfang der Aufhebung wird die Sache
a)
im
Fall
II.1 der Urteilsgründe an das Amtsgericht

Straf-richter

Bochum zurückgegeben,
b)
in den Fällen
II.2 zu
1 und II.2 zu
2 der Urteilsgründe
so-wie hinsichtlich der Gesamtstrafe und der
Einziehung zu neuer Verhandlung und Entscheidung

auch über die -
3
-
Kosten
der Rechtsmittel

an eine andere Jugendkam-mer des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, sexuellen
Missbrauchs
eines Kindes und Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und
drei Monaten und die nicht revidierende Mitangeklagte I.

wegen schwe-
ren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes und mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es unter anderem die Einzie-

mit zugehörigen Lade-Angeklagten S.

sichergestellten Mappe mit [X.] und DVDs angeordnet.
Die Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen [X.]; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.

1
-
4
-
1.
Die Verurteilung des Angeklagten im Fall
II.1 der Urteilsgründe wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften kann nicht bestehen bleiben, weil das [X.] für die Entscheidung sachlich nicht zuständig war.
Das [X.] hat mit Beschluss vom 29.
August 2012 das beim Amtsgericht

Strafrichter

Bochum rechtshängige Verfahren gegen den Ange-klagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften übernommen und zu dem bei ihm bereits rechtshängigen Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und anderem hinzuverbunden. Dieser Beschluss ist unwirksam, weil die Verbindung neben der örtlichen auch die sachliche [X.] betraf und deshalb nur durch das [X.] als dem gemeinschaftlichen oberen Gericht (§
4 Abs.
2 StPO) angeordnet werden konn-te (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
April 2013

2
StR
127/13, [X.], 321; Urteil vom 23.
März 2006

3
StR
458/05, Rn.
2; Urteil vom 30.
August 1968

4
StR
335/68, [X.]St 22, 232, 234
f.). Da die Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit vom Revisionsgericht nach §
6 StPO von Amts wegen zu beachten ist und eine Nachholung der Verbindungsentscheidung durch den Senat nicht erfolgen konnte (vgl. [X.], Beschluss vom 8.
August 2001

2
StR
285/01, [X.], 257, bei [X.]), war das Verfahren wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in entsprechender Anwendung des §
355 StPO an das [X.] zurückzugeben (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Mai 2000

4
StR
105/00, Rn.
6).
2.
Die auf §
176a Abs.
2 Nr.
1 StGB gestützte Verurteilung des Ange-klagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in den Fällen
II.2 zu
1 und II.2
zu
2 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Be-denken.
2
3
4
-
5
-
a)
Nach den Feststellungen führte die Mitangeklagte I.

am 9.
Dezem-
ber 2011 gegen 10.00
Uhr in einem Zeitraum von 20

Vibratoren abwechselnd mehrfach über teils kürzere, teils längere Zeiträume in den [X.] und die Vagina ihrer zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alten Tochter

ein. Das Geschehen wurde von dem Angeklagten zur eigenen
sexuellen Befriedigung mit seiner Digitalkamera gefilmt. Zwischenzeitlich
forder-te er die Mitangeklagte I.

auf, das Gleitgel zu erneuern. Kurz bevor der An-
geklagte die Videoaufzeichnung abbrach, äußerte er gegenüber der Mitange-klagten I.

II.2 zu
1 der Urteils-
gründe). Gegen Abend desselben Tages wiederholte sich dieses Geschehen in einem in etwa entsprechenden Zeitraum, wobei der Angeklagte hiervon nun-mehr Fotos fertigte (Fall
II.2
zu
2 der Urteilsgründe).
b)
Diese Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte jeweils eines schweren sexuellen Missbrauchs gemäß §
176a Abs.
2 Nr.
1 StGB schuldig gemacht hat.
Der Tatbestand des §
176a Abs.
2 Nr.
1 StGB ist hinsichtlich der [X.] der sexuellen Handlung §
177 Abs.
2 Satz
2 Nr.
1 StGB nachgebil-det (vgl. BT-Drucks.
13/8587 S.
31
f.) und stellt eine Qualifikation gegenüber §
176 Abs.
1 und 2 StGB dar. Als Täter nach §
176a Abs.
2 Nr.
1 StGB kann chend §
176 Abs.
1 StGB Körperkontakt zu dem Kind aufnimmt ([X.], Beschluss vom 26.
August 1998

2
StR
357/98, [X.], 321, 322, bei [X.]; Urteil vom 7.
September 1995

1
StR
236/95, [X.]St 41, 242, 243) und dabei mit ihm den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper 5
6
7
-
6
-
verbunden sind ([X.] in: [X.], 12.
Aufl., §
176a Rn.
45; vgl. [X.], [X.] vom 8.
November 2011

4
StR
468/11, [X.], 45; Urteil vom 22.
April 1999

4
StR
3/99, [X.]R StGB §
177 Abs.
2 Satz
2 Nr.
1 Mittäter
1, jeweils zu §
177 Abs.
2 Satz
2 Nr.
1 StGB) oder wer entsprechend
§
176 Abs.
2 StGB das Kind dazu bestimmt, eine der genannten Handlungen an einem [X.] vorzunehmen oder von diesem an sich vornehmen zu lassen (vgl. [X.], Urteil vom 30.
September 2004

4
StR
134/04, [X.], 152, 153; [X.] in: [X.], 12.
Aufl.,
§
176a Rn.
46). Nach den Feststellungen hat nur die [X.] I.

an dem Tatopfer eine mit dem Eindringen in dessen Körper ver-
bundene sexuelle Handlung (Einführen der Vibratoren) vorgenommen. Dass der Angeklagte auf die Geschädigte eingewirkt hat, damit sie die Missbrauchs-handlungen der Mitangeklagten I.

an sich vornehmen lässt, kann den Fest-
stellungen ebenfalls nicht entnommen werden.
c)
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entschei-dung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren [X.] können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich. Dabei wird der neue Tatrichter auch zu [X.] haben, ob sich der Angeklagte einer Anstiftung oder einer Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch gemäß §
176a Abs.
2
Nr.
1, §§
26, 27
StGB schuldig gemacht hat.
3.
Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen
II.1 und II.2 zu
1 und
2 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
4.
Die ohne jede nähere Erläuterung aus §
74 StGB hergeleitete Ent-p-tops mit [X.] und der 8
9
10
-
7
-
hat
schon deshalb keinen Bestand, weil weder die Urteilsformel noch die
Urteilsgründe eine hinreichende Bezeichnung der betroffenen Gegenstände enthalten und deshalb weder für die Vollstreckungsbehörde, noch für die Betei-ligten Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. dazu [X.], [X.] vom 20.
Juni 2007

1
StR
251/07, [X.], 427
f.; Urteil vom 15.
März 1994

1
StR
179/93, Rn.
40, insoweit in [X.]St 40, 97 und [X.], 390 nicht abgedruckt). Da dieser Rechtsfehler auch die Mitangeklagte I.

betrifft, war die Aufhebung insoweit auf sie zu erstrecken (§
357 Satz
1
StPO).
Sofern sich die Einziehung auch auf den bei dem Angeklagten im Fall
II.1 der Urteilsgründe sichergestellten Laptop und die im Fall
II.2 zu
1 verwendete Digitalkamera bezieht, wird ihr auch durch die insoweit erfolgte Aufhebung des Schuldspruchs die Grundlage entzogen. Gleiches gilt für die im Fall
II.1 sicher-gestellten 18
[X.]/DVDs.
Im Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß §
184b Abs.
4 StGB wird zu beachten sein, dass nur die verwendeten Speichermedien
als Beziehungsgegenstände nach §
184b Abs.
6 Satz
2 StGB zwingend einzuziehen sind, während der für Lade-
und Speichervorgang verwendete Computer nebst Zubehör als Tatwerk-zeug lediglich der fakultativen Einziehung nach §
74 Abs.
1 2.
Alt.
i.[X.]. §
184b Abs.
6 Satz
3 StGB unterliegt. In beiden Fällen ist im Hinblick auf den Grund-satz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob gemäß §
74b Abs.
2 StGB die
Einziehung zunächst vorbehalten bleibt und weniger einschneidende Maßnah-men zu treffen sind, wenn auch auf diese Weise der [X.] erreicht
werden kann
([X.], Urteil vom 16.
Januar 2014

4
StR
370/13, Rn.
21;
[X.] vom 8.
Februar 2012

4
StR
657/11, [X.], 319; Beschluss vom 11
12
-
8
-
11.
Januar 2012

4
StR
612/11, Rn.
5; Beschluss vom
28.
November
2008

2
StR
501/08, [X.]St 53, 69 Rn.
3). Dies könnte hier durch eine endgültige Löschung der inkriminierten Bilddateien geschehen (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Januar
2012

4
StR
612/11, Rn.
3).
Mutzbauer
Cierniak
Franke

Bender
Quentin

Meta

4 StR 562/13

12.03.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2014, Az. 4 StR 562/13 (REWIS RS 2014, 7160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7160

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4 StR 562/13

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