Bundessozialgericht, Urteil vom 20.02.2020, Az. B 14 AS 17/19 R

14. Senat | REWIS RS 2020, 2305

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind [X.] gemäß § 63 [X.] nach Aufrechnungen des beklagten Jobcenters.

2

Nach einem erfolgreichen Vorverfahren der Kläger - eine Mutter und zwei ihrer minderjährigen Kinder - hatte der Beklagte entschieden, er werde deren außergerichtliche Kosten erstatten, soweit sie notwendig gewesen und nachgewiesen seien. Außerdem hatte er die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erkannt (Bescheide vom 14.10.2015). Die Kläger machten 595 Euro Anwaltskosten für die Vertretung im Vorverfahren geltend. Der Beklagte erklärte, er erkenne diesen Betrag in voller Höhe an, rechne aber mit Forderungen gegenüber den Klägern in unterschiedlicher Höhe auf (Schreiben vom 5.11.2015). Die nach Aufrechnung im Verhältnis zu einer Klägerin noch verbliebenen 82,78 Euro glich er bei der Bevollmächtigten aus.

3

Das [X.] hat auf die Klage der Kläger und eines weiteren Kindes den Beklagten zu Freistellung von den noch geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von 512,22 Euro verurteilt (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die zugelassenen Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Die von dem Beklagten in voller Höhe anerkannten [X.] seien nicht erloschen. Sie richteten sich auf Freistellung und seien mangels Gleichartigkeit iS von § 387 BGB nicht mit den Geldforderungen des Beklagten aufzurechnen.

4

Der Senat hat die Revision zugelassen. Das weitere minderjährige Kind hat seine Klage zurückgenommen. Der Beklagte rügt eine Verletzung von § 63 [X.]. Erstattungsansprüche nach dieser Vorschrift zielten auf Zahlung. Zu § 257 BGB entwickelte Grundsätze seien nicht heranzuziehen.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2018 sowie das Urteil des [X.] vom 28. August 2017 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist nach Rücknahme der [X.]lage des weiteren minderjährigen [X.]indes unbegründet. Das [X.] hat die auf die Ansprüche der [X.]läger bezogene Berufung des Beklagten zu Recht zurückgewiesen und damit die Verurteilung des Beklagten zum Ausgleich von noch 512,22 Euro durch das [X.] bestätigt.

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die Pflicht des Beklagten zur Übernahme des aus der [X.]ostennote der Bevollmächtigten der [X.]läger noch offenen Betrags. Dass die Gebührenabrechnung dem Grunde nach berechtigt war, ist nach den bestandskräftigen Entscheidungen vom 14.10.2015 über die [X.]ostenlast (§ 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X) und die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Bevollmächtigten (§ 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 [X.]B X) nicht mehr zu prüfen.

9

Durch seinen [X.]ostenfestsetzungsverwaltungsakt (§ 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]B X) vom 5.11.2015 hat der Beklagte die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 595 Euro vollumfänglich anerkannt; auch ihre Höhe ist damit nicht im Streit. Vor der [X.] hat der Beklagte geregelt, er erkenne die vollen Anwaltskosten an. Die [X.]ostenfestsetzung bezieht sich damit auf die gesamte [X.]ostennote und nicht nur auf die gezahlten 82,78 Euro.

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Streitigkeiten wegen der [X.]osten eines isolierten Vorverfahrens (§§ 78 ff [X.]) sind keine [X.]osten des Verfahrens iS von § 144 Abs 4 [X.] (stRspr; vgl B[X.] vom 12.12.2019 - [X.] [X.]/18 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Wegen der Höhe der offenen [X.]ostennote war die Berufung statthaft, nachdem sie das [X.] in seinem Urteil zugelassen hat (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]).

Zutreffende [X.]lageart ist die echte Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]). Mit dieser [X.]lageart kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Leistung in diesem Sinne ist [X.], Dulden oder Unterlassen (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 54 Rd[X.] 37; zur Zahlung aus einem nicht aufgehobenen Bewilligungsverwaltungsakt B[X.] vom [X.] - 10 RV 23/79 - B[X.]E 50, 82 = [X.] 1500 § 54 [X.]), demgemäß auch die freistellende Zahlung als Unterfall der bewilligten [X.]ostenerstattung.

Dem [X.]lageziel steht kein weiterer Verwaltungsakt entgegen, mit dem Rechte der [X.]läger aus dem [X.]ostenfestsetzungsverwaltungsakt wieder beseitigt worden sind (vgl § 39 Abs 2 [X.]B X) und der deswegen hätte angefochten werden müssen. Eine hierfür erforderliche Regelung (§ 31 [X.]B X) hat der Beklagte erkennbar nicht treffen wollen und stattdessen Aufrechnungen erklärt (vgl B[X.] vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R - [X.] 4-1200 § 52 [X.] Rd[X.]7; zur Verrechnung B[X.] vom 31.8.2011 - [X.] 2/10 - B[X.]E 109, 81 = [X.] 4-1200 § 52 [X.], Rd[X.]5). Wegen der Aufrechnungen hat er nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] weder Aktivitäten entfaltet, die Verwaltungsverfahren mit dem Ziel des Abschlusses durch Verwaltungsakt hätten sein können (vgl § 8 [X.]B X), noch seine Entscheidungen als Verwaltungsakte bezeichnet oder anderweitig den Eindruck erweckt, er habe durch Verwaltungsakte über die Aufrechnungen entschieden (vgl zur Entscheidung in der Form des Verwaltungsakts, ohne dass die Merkmale des § 31 [X.]B X gegeben sind [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 31 [X.]B X, [X.], Stand Dezember 2011; B[X.] vom [X.] RJ 39/02 R - B[X.]E 91, 68 = [X.] 4-1300 § 31 [X.] Rd[X.]2). Die nach den [X.]en durch den Beklagten vorgenommene Erläuterung, es ergebe sich nur noch ein zu begleichender Anspruch in Höhe von 82,78 Euro, ist kein (feststellender) Verwaltungsakt und auch keine gesonderte Teilablehnung der Auszahlung.

3. Die [X.]läger haben die geltend gemachten Ansprüche auf vollen Ausgleich der vom Beklagten festgesetzten 595 Euro. Den Aufrechnungen stand ein [X.] entgegen.

a) Zwar hat der Beklagte, weil er die [X.] der [X.]läger nicht durch Zahlung erfüllen wollte, Aufrechnungen durch öffentlich-rechtliche Willenserklärungen erklärt. Hierzu war er grundsätzlich berechtigt (vgl zur Aufrechnung als Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts B[X.] vom 9.6.1988 - 4 RA 9/88 - B[X.]E 63, 224, 230 = [X.] 1300 § 48 [X.]7 S 135 mwN; B[X.] vom 15.12.1994 - 12 R[X.] 69/93 - B[X.]E 75, 283, 284 ff = [X.] 3-2400 § 28 [X.] ff; B[X.] vom [X.] [X.]R 21/03 R - B[X.]E 93, 137 = [X.] 4-2500 § 137c [X.]; zur Verrechnung B[X.] vom 31.8.2011 - [X.] 2/10 - B[X.]E 109, 81 = [X.] 4-1200 § 52 [X.]; allgemein zum Meinungsstand B[X.] vom 16.12.2009 - [X.] [X.] 43/07 R - Rd[X.]5; vgl auch [X.] vom 27.10.1982 - 3 C 6/82 - [X.]E 66, 218, 221; [X.] vom [X.] - VII R 148/83 - [X.], 482, 487). Welche Anforderungen indes im Einzelnen bei einer sozialrechtlichen Überformung der entsprechend anzuwendenden Vorschriften des [X.] an eine wirksame Aufrechnung zu stellen wären und inwieweit einzelne spezialgesetzliche Vorschriften des [X.]B II als abschließend verstanden werden müssen, kann offen bleiben. Jedenfalls bestand ein [X.].

b) Die Aufrechnung von [X.]n aus § 63 [X.]B X mit [X.] eines Jobcenters aufgrund der Überzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II verstößt gegen ein normatives [X.].

Auch eine Aufrechnung, die die Vorgaben der §§ 387, 388 [X.] erfüllt, ist ausgeschlossen, wenn sie gegen ein gesetzliches oder vertragliches Verbot verstößt. Gesetzliche [X.] können ausdrücklich angeordnet sein oder sich aus dem Sinn und Zweck einer Vorschrift ergeben ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Würdinger, jurisP[X.]-[X.], § 387 Rd[X.] 71, Stand 17.8.2017; ähnlich Wagner in [X.], [X.], 15. Aufl 2017, § 387, Rd[X.], nach dem neben ausdrücklichen gesetzlichen [X.]n auch die Natur der Rechtsbeziehungen oder der Zweck der geschuldeten Leistung die Aufrechnung ausschließen können). [X.] sind [X.] auf den Vorrang der Effektiverfüllung zurückzuführen. Bei diesem Vorrang geht es darum, den an der Aufrechnung beteiligten Gläubigern der Hauptforderung den Leistungsgegenstand zur tatsächlichen Verfügung zu erhalten, sei es auch nur im Interesse Dritter (Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate sowie das Erlöschen der Schuldverhältnisse aus anderen Gründen, 2. Aufl 1994, S 258).

Das [X.] gegenüber den [X.]lägern als Inhabern der [X.] ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 63 [X.]B X. Auf dessen Regelungen beruht der [X.]ostenfestsetzungsverwaltungsakt des Beklagten, mit dem er die geltend gemachten Aufwendungen anerkannt hat.

§ 63 [X.]B X berechtigt [X.], die Erstattung der Aufwendungen zu verlangen, die ihnen durch ihr erfolgreiches oder nur wegen der Heilung von Verfahrens- oder Formfehlern erfolgloses Vorgehen gegen einen Verwaltungsakt entstanden sind. Ob und in welchem Umfang Aufwendungen dem Grunde nach zu erstatten sind, richtet sich (ausgenommen § 63 Abs 1 Satz 2 [X.]B X) ausschließlich nach dem Erfolg des Widerspruchs (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-1300 § 63 [X.]0 Rd[X.]0 ff). Der Erstattungsanspruch kompensiert zugleich den Umstand, dass die Verwaltung die an sie auf Art 20 Abs 3 GG gestützte Erwartung, sie werde nach Gesetz und Recht handeln, nicht erfüllt.

Die Vorschrift übernimmt weitgehend die [X.]ostenregelung zum verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren in § 80 [X.], die bewusst eingeführt worden war, um die zuvor umstrittene und vom [X.] des [X.] abgelehnte [X.]ostenerstattungspflicht bei einem Erfolg des Widerspruchs im isolierten Vorverfahren aufgrund für das gerichtliche Verfahren geltender [X.]ostenerstattungsvorschriften zu ermöglichen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum [X.], BT-Drucks 7/910 [X.] mwN; [X.] vom 1.11.1965 - GrSen 2.65 - [X.]E 22, 281).

Ergänzend regelt § 63 Abs 2 [X.]B X, unter welcher Voraussetzung Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für die Vertretung durch Bevollmächtigte besteht. Dazu muss die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen sein. Wegen der [X.]omplexität des Sozialrechts ist die Rechtslage für den Bürger regelmäßig schwer zu erfassen, schon aus diesem Grund ist die Zuziehung [X.] Bevollmächtigter (zB [X.], Rentenberater, Rechtsanwalt, vgl § 73 Abs 2 Satz 2 [X.]) in der Regel notwendig. Zugleich rechtfertigen die Gesichtspunkte eines fairen Verfahrens und einer gewissen Waffengleichheit die Hinzuziehung eines sachkundigen Bevollmächtigten (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 63 Rd[X.] 50, Stand Febr[X.]r 2015; zur Inanspruchnahme von Rechtsrat und anwaltlicher Vertretung als geeignete Maßnahme zur Steigerung der Effektivität des Vorverfahrens [X.] vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 91). Dessen Einschaltung ist bei einem [X.] nach den Regeln der [X.]ostenerstattung für das Vorverfahren im Ergebnis "kostenlos" ([X.] vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).

Die [X.]ostenerstattung nach § 63 [X.]B X hat bei unbemittelten [X.]n mehrere Funktionen. Sie sichert die [X.] vor der [X.]ostenlast bei einem erfolgreichen isolierten Vorverfahren ab, sie gibt im Wege des [X.] den Bevollmächtigten die Sicherheit, ihre Gebühren und Auslagen auch bei Vertretung von unbemittelten [X.]n zu erhalten und sie steht dafür, dass auch unbemittelte [X.] Anwälte finden, die zu ihrer Vertretung bereit sind, weil sie im Erfolgsfall dieselbe Vergütung erwarten können, wie bei bemittelten Mandanten.

Diese Funktionen werden vereitelt, wenn bevollmächtigte Anwälte, sei es, dass [X.] - wie hier - selbst Inhaber des Anspruchs nach § 63 [X.]B X bleiben, dass sie ihren Anspruch an die Bevollmächtigten abgetreten haben (vgl B[X.] vom 20.2.2020 - [X.] [X.]) oder dass der Anspruch wegen § 9 Satz 2 des Gesetzes über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen auf Bevollmächtigte übergegangen ist ([X.]; vgl B[X.] vom 20.2.2020 - [X.] [X.]), damit rechnen müssen, dass der Rechtsträger, der die [X.]osten des Vorverfahrens zu erstatten hat, seinerseits mit Forderungen gegenüber [X.]n wirksam aufrechnen kann.

Das erfolgreiche Bemühen der [X.] um die [X.]orrektur rechtswidriger Verwaltungsakte ginge bei der Zulässigkeit der Aufrechnung von [X.]n aus einem Vorverfahren letztlich allein zu ihren Lasten. Dieses Ergebnis weicht ohne erkennbare Rechtfertigung vom prozess[X.]len [X.]ostenrecht ab, dem das "[X.] und [X.]" zugrunde liegt (vgl § 197a Abs 1 letzter Halbsatz [X.] iVm § 154 Abs 1 VwGO; § 135 Abs 1 FGO; § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-1300 § 63 [X.]0 Rd[X.]9) oder bei dem es maßgeblich zu beachten ist (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014, § 193 Rd[X.]8 ff). Endet das Vorverfahren zum Nachteil der [X.] und haben sie später im [X.]lageverfahren Erfolg, erfasst der gerichtliche Ausspruch zur [X.]ostenerstattung auch das Vorverfahren (vgl B[X.] vom 20.10.2010 - [X.] R 15/10 R - [X.] 4-1500 § 193 [X.] 6 Rd[X.]0; B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-1300 § 63 [X.]5 Rd[X.]0 ff). Bei hinreichender Aussicht auf Erfolg und der wegen der regelmäßigen Prozesskostenhilfebedürftigkeit von Empfängern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II vorzunehmenden Prozesskostenhilfebewilligung sichert das [X.] aus § 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 126 Abs 2 Satz 1 ZPO das Beitreibungsrecht des Rechtsanwalts und damit auch dessen Bezahlung für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren. Die [X.]osten des Vorverfahrens erfasst § 126 Abs 2 Satz 1 ZPO aber nicht.

Dass für das gerichtliche Verfahren Mechanismen vorgesehen sind, die aus Gründen der [X.] aus Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 und 3 GG (vgl [X.] vom 23.6.1999 - 1 BvR 984/89 - NJW 1999, 3186; [X.] vom 3.3.2014 - 1 BvR 1671/13 - NZS 2014, 336) den Ausgleich von Aufwendungen finanziell bedürftiger Rechtsschutzsuchender wegen ihrer Vertretung ohne Abschläge gegenüber den Aufwendungen von [X.] sichern, ist auch für den [X.]ostenerstattungsanspruch aus § 63 [X.]B X zu würdigen (vgl zum Gleichlauf von [X.] und [X.] [X.] vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).

Das Grundgesetz verbürgt sich mit dem Anspruch aus Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 und 3 GG - für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt iVm Art 19 Abs 4 GG - für grundsätzlich gleiche Chancen von [X.] und [X.]n bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich. Der [X.] ist einem solchen [X.] gleichzustellen, der bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden [X.]osten berücksichtigt und vernünftig abwägt ([X.] vom 14.10.2008 - 1 BvR 2310/06 - [X.]E 122, 39, 49; [X.] vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88, 89).

§ 63 [X.]B X setzt durch die Verbindung der [X.]ostenerstattung mit dem Erfolg des Widerspruchs den Anspruch auf [X.] um. Mit der uneingeschränkten Anknüpfung an den Erfolg des Widerspruchs tritt § 63 [X.]B X jedem Versuch entgegen, die Erstattung an individuelle Eigenschaften von [X.]n zu knüpfen. Solche Eigenschaften sind, sofern es um Aufwendungen durch die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe geht, erst bei der [X.] zu berücksichtigen. Hier werden die grundsätzlich beim Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II vorliegenden unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse in den allermeisten Fällen durch den Bemessungsgesichtspunkt der Bedeutung der Angelegenheit ausgeglichen (vgl B[X.] vom [X.] - B 4 AS 21/09 R - B[X.]E 104, 30 = [X.] 4-1935 § 14 [X.], Rd[X.] 38).

Die gebotene Gleichstellung Bemittelter und [X.]r bezieht sich auch auf die Unterstützung bei der Rechtswahrnehmung durch Bevollmächtigte, wenn deren Hinzuziehung notwendig ist. Rechtsanwälte und andere entgeltlich tätige Bevollmächtigte sind auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Auftraggeber angewiesen. Müssen sie befürchten, ihre Vergütung nicht über den Ausgleich nach § 63 [X.]B X zu erhalten, werden sie die Übernahme der Vertretung ablehnen. Je gezielter Jobcenter zur Aufrechnung von [X.] angewiesen werden, desto weniger wird es Leistungsberechtigten gelingen, anwaltliche Beratung und Vertretung zu erlangen (vgl auch [X.], [X.]b 2017, 314, 316 zum "Praxishandbuch für das Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz" der [X.] für Arbeit).

Bei Widersprüchen im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II sind [X.] oftmals auf rechtskundige Vertretung angewiesen. Denn aufgrund der Abhängigkeit dieser Leistungen von sich ändernden Bedarfen und zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sind [X.] der Jobcenter gegen Leistungsbezieher nichts ungewöhnliches (vgl zur Größenordnung nur BT-Drucks 19/12241 vom [X.]: 2 883 472 Erstattungsbescheide im Jahr 2018). Das gilt erst recht im Zusammenhang mit der vorläufigen Bewilligung von Leistungen nach dem [X.]B II (§ 41a [X.]B II; vgl zur Leistungserbringung im Voraus § 42 Abs 1 [X.]B II; zur Untauglichkeit des Erlasses von endgültigen Verwaltungsakten in Fällen, in denen der Sachverhalt nicht endgültig aufgeklärt ist B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 112, 221 = [X.] 4-1300 § 45 [X.]2, Rd[X.]7 f), bei deren endgültiger Festsetzung sonst zu würdigende Vertrauensschutzgesichtspunkte (vgl § 45 Abs 2 [X.]B X) nicht zu prüfen sind. Daher geht es häufig um konkrete Einzelheiten der Anspruchsberechnung, die von [X.] regelmäßig nicht als mangelhaft erkannt werden können.

Der Zugriff der Jobcenter wegen solcher [X.] auf von ihnen an Leistungsberechtigte nach dem [X.]B II zu erbringende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist durch § 43 [X.]B II beschränkt. Dieser aus verfassungsrechtlichen Gründen beschränkte Zugriff auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl zuletzt [X.] vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - NZS 2020, 13, 16) kann nicht auf [X.]osten des Anspruchs auf [X.] umgangen werden.

Die zum Vorverfahren erlassenen gesetzlichen Regelungen - einschließlich derjenigen zur [X.]ostenerstattung - sind schließlich im Lichte des Art 19 Abs 4 GG auszulegen und begrenzen den einseitigen Zugriff auf Forderungen der [X.] zusätzlich. Das gilt auch, wenn sich einem Vorverfahren kein gerichtliches Verfahren anschließt. Denn aus Sicht durch einen Verwaltungsakt Belasteter ist das Vorverfahren bei den in § 78 Abs 1 Satz 1, Abs 3 [X.] genannten Verfahrensarten zwingend. Erst nach Abschluss des Vorverfahrens ist die für eine anschließende [X.]lage gegen Verwaltungsakte gesetzliche Prozessvoraussetzung erfüllt (vgl § 78 Abs 1, Abs 3 [X.]; vgl nur B[X.] vom 18.3.1999 - B 12 [X.]R 8/98 R - [X.] 3-1500 § 78 [X.] 3 S 5 mwN; B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 78 Rd[X.] 3). Welchen Ausgang das Vorverfahren nimmt, können [X.] bei der kostenauslösenden Inanspruchnahme [X.] Unterstützung regelhaft nicht prognostizieren. Bei einer Aufrechnung würden sie trotz ihres Erfolgs im Ergebnis ihre Aufwendungen selbst zu tragen haben. Den [X.] ihrer Bevollmächtigten sind sie nämlich weiterhin ausgesetzt.

Da im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nach der [X.] dem Grunde nach nicht um existenzsichernde Leistungen gestritten wird und das Verfahren bis auf die Streitigkeiten über den Einspruch gegen die [X.]indergeldfestsetzung (vgl § 77 EStG) ohnehin keine Erstattung der Aufwendungen der Beteiligten vorsieht (vgl dazu auch [X.] vom 23.7.1996 - [X.]/96 - [X.]E 180, 529), bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des [X.] zur Aufrechnung mit [X.] gegen prozess[X.]le [X.] aus der FGO (vgl dazu zuletzt [X.] vom 16.3.2016 - [X.]/15).

Aus § 126 Abs 2 Satz 1 ZPO und § 43 [X.], die gesetzliche [X.] regeln, lässt sich nichts gegen ein [X.] aus dem Sinn und Zweck des § 63 [X.]B X herleiten. [X.] gesetzliche [X.] stehen neben denjenigen, die sich aus dem Sinn und Zweck einer Vorschrift ergeben und lassen diesen Raum. Daraus, dass der Gesetzgeber in § 126 Abs 2 Satz 1 ZPO das Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts sichert, ergeben sich keine Auswirkungen für ein [X.] aus § 63 [X.]B X. Im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind allein Regelungen für das Gerichtsverfahren getroffen. Im Übrigen beruhen beide [X.] allein auf der Sicherung des anwaltlichen Gebührenanspruchs (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.] Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl 2017, § 43 Rd[X.] 5, 8), während es bei dem aus § 63 [X.]B X abgeleiteten [X.] um den Anspruch des unbemittelten Mandanten wegen des Gebots der [X.] geht.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.].

Meta

B 14 AS 17/19 R

20.02.2020

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 28. August 2017, Az: S 66 AS 24139/15, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.02.2020, Az. B 14 AS 17/19 R (REWIS RS 2020, 2305)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2305

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

1 BvR 1671/13

1 BvR 2310/06

1 BvL 7/16

VII B 102/15

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