Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. 2 AZR 110/15

2. Senat | REWIS RS 2016, 14322

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Gegenstand

Kündigungsschutzprozess - Abstufung der Darlegungslast


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Teil-Urteil des [X.] vom 26. November 2014 - 3 Sa 239/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Klägerin erklärten außerordentlichen Kündigung und wechselseitige Zahlungsansprüche.

2

Die Klägerin ist die [X.] Tochtergesellschaft einer [X.]ktiengesellschaft [X.] Rechts, von der sie Teppiche und [X.]uslegware bezieht. Der Beklagte war bei der Klägerin als Vertriebsleiter [X.] beschäftigt. Der [X.]rbeitsvertrag vom 3. [X.]ugust 2004 lautet:

        

„…    

        

§ 7 Sonstige Leistungen, Entschädigung und [X.]bfindung

        

a) Die Gesellschaft erstattet … [dem Beklagten] die [X.]ufwendungen, die ihm in der [X.]usübung seiner [X.]ufgaben entstehen, einschließlich Reise- und Bewirtungskosten, im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Höchstgrenzen. [Der Beklagte] muss seine [X.]uslagen belegen, soweit üblicherweise Belege erteilt werden. Im übrigen reichen Eigenbelege aus (…).

        

b) [Der Beklagte] hat einen [X.]nspruch auf die Gestellung eines Pkw der gehobenen Mittelklasse. Er darf den Pkw auch privat nutzen. …“

3

In einem unter dem 6. Juli 2009 abgeschlossenen [X.]bwicklungsvertrag vereinbarten die Parteien nach vorangegangener Kündigung der Klägerin ua. eine Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2009 und die Zahlung einer [X.]bfindung iHv. 740.000,00 Euro. Die Rückgabe des [X.] an die Klägerin sollte unverzüglich nach Erhalt der gesamten [X.]bfindung erfolgen. Einen Teilbetrag der im [X.]bwicklungsvertrag vereinbarten [X.]bfindung iHv. 290.000,00 Euro erhielt der Beklagte bereits am 8. Juli 2009.

4

Die Klägerin kündigte das [X.]rbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14. Juli 2009, dem Beklagten am 16. Juli 2009 zugegangen, erneut und ohne Einhaltung einer Frist. Dieser erstattete am 16. Juli 2009 Strafanzeige gegen zwei Mitarbeiter der [X.] Muttergesellschaft wegen Bedrohung und Nötigung. Das ihm überlassene Firmenfahrzeug gab der Beklagte der Klägerin am 18. März 2010 zurück.

5

Die Klägerin hat die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 für wirksam gehalten. Der Beklagte habe in großem Umfang einen Spesenbetrug begangen, in rechtsmissbräuchlicher Weise den [X.]bwicklungsvertrag abgeschlossen und eine unberechtigte Strafanzeige gegen Vertreter der Muttergesellschaft der Klägerin gestellt. Der Beklagte habe [X.]usgaben im fünfstelligen Bereich zulasten des [X.] getätigt, ohne diese zu belegen. Die ihm überlassene Firmenkreditkarte sei im [X.]ugust 2008 iHv. 1.000,00 Euro für den Erwerb privater Bekleidung eingesetzt worden. Im Juli 2006 habe der Beklagte eine Zahlung iHv. [X.] Euro an die in [X.] ansässige [X.] und im [X.]ugust 2008 eine weitere Zahlung über 28.592,00 Euro an die [X.] veranlasst. Für beide Geschäftsvorfälle könne nach den vorhandenen Unterlagen keine Gegenleistung festgestellt werden. Die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 sei jedenfalls als Verdachtskündigung wirksam. Der [X.] umfasse die Rückzahlung der gezahlten Teilabfindung iHv. 290.000,00 Euro, der an die [X.] sowie I [X.]G geleisteten Zahlungen sowie eine Nutzungsausfallentschädigung iHv. 5.309,70 Euro für die verspätete Rückgabe des [X.].

6

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 345.901,70 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 290.000,00 Euro seit dem 15. Juli 2009 und aus 55.901,70 Euro seit dem 27. Oktober 2009 zu zahlen.

7

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und - soweit im vorliegenden Verfahren von Bedeutung - im Wege der Widerklage beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das [X.]rbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten eine [X.]bfindung in Höhe von 740.000,00 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 290.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. [X.]ugust 2009 zu zahlen.

8

Die Klägerin hat die [X.]bweisung der Widerklage beantragt.

9

Der Beklagte hat behauptet, er habe sämtliche [X.]usgaben gegenüber der [X.]ssistentin der Geschäftsführung abgerechnet. Nicht belegte [X.]usgaben seien nicht von ihm veranlasst worden. Er habe im [X.]ugust 2008 einen Einkaufsgutschein iHv. 1.000,00 Euro erworben, den er im Rahmen der „Kundenpflege“ den Geschäftsführern eines in [X.] ansässigen Kunden überlassen habe. Die Zahlung an die [X.] sei als Gegenleistung für die Erstellung einer Marktanalyse erfolgt, die I [X.]G habe eine Werbebroschüre gefertigt. Er habe die Strafanzeige erst nach Zugang der Kündigung vom 14. Juli 2009 erstattet. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten in Zusammenhang mit dem [X.]bschluss des [X.]bwicklungsvertrags liege nicht vor.

Das [X.]rbeitsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Klage abgewiesen und der Widerklage entsprochen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen. [X.]uf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen. Dieses hat nach einer teilweise im Wege der Rechtshilfe erfolgten Beweisaufnahme die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

[X.]. Die Revision ist nicht wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes nach § 72 [X.]bs. 5 [X.]rbGG iVm. § 547 Nr. 3 ZPO im Sinne einer [X.]ufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Voraussetzungen des § 547 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Das [X.] hat das gegen den ehrenamtlichen [X.] S gerichtete [X.]blehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit dieser dem Teilurteil des Berufungsgerichts vorausgehenden ([X.] ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Nach § 557 [X.]bs. 2 ZPO iVm. § 72 [X.]bs. 5 [X.]rbGG unterliegen der Beurteilung des [X.] nicht die dem Endurteil vorausgegangenen unanfechtbaren Entscheidungen. Zu diesen gehört eine nach § 49 [X.]bs. 3 iVm. § 64 [X.]bs. 7 [X.]rbGG unanfechtbare Entscheidung über ein im Berufungsverfahren angebrachtes [X.]blehnungsgesuch. Eine inzidente Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts über ein [X.]blehnungsgesuch im Rahmen einer Revision gegen die unter Mitwirkung der erfolglos abgelehnten [X.] getroffene Hauptentscheidung ist danach ausgeschlossen ([X.] 30. November 2006 - III ZR 93/06 - Rn. 4; zum Verfahren nach § 92 [X.]rbGG: [X.] 20. Januar 2009 - 1 [X.] - Rn. 20). Ob hiervon eine [X.]usnahme zu machen ist, wenn die Zurückweisung des [X.] auf einer Verletzung des [X.]nspruchs auf rechtliches Gehör oder auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, kann dahinstehen. Die Klägerin hat in der Revisionsbegründung keine darauf bezogenen Tatsachen vorgetragen.

B. Das [X.] hat die auf Zahlung von 345.901,70 Euro gerichtete Klage zu Recht als unbegründet angesehen. Ein [X.]nspruch der Klägerin auf Rückzahlung der dem [X.]n vorfristig gewährten Teilabfindung (290.000,00 Euro), der von ihm veranlassten Zahlungen an die [X.] ([X.] Euro) und die [X.] (28.592,00 Euro) sowie auf eine Nutzungsausfallentschädigung für den Pkw (5.309,70 Euro) besteht nicht.

I. Das [X.]rbeitsverhältnis der [X.]en hat nach der im [X.]bwicklungsvertrag vom 6. Juli 2009 getroffenen Vereinbarung mit [X.]blauf des 31. Juli 2009 geendet. Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 14. Juli 2009 für unwirksam gehalten und eine Rückzahlungsverpflichtung des [X.]n in Bezug auf den zu diesem Zeitpunkt bereits ausgezahlten [X.]bfindungsteilbetrag von 290.000,00 Euro verneint.

1. Die - rechtzeitig angegriffene - außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 hat das [X.]rbeitsverhältnis der [X.]en nicht mit ihrem Zugang beendet. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass - soweit sie von der Klägerin auf tatsächlich begangene Pflichtverletzungen des [X.]n gestützt wird - zu diesem Zeitpunkt kein wichtiger Grund iSd. § 626 [X.]bs. 1 BGB vorgelegen hat.

a) Nach der genannten Vorschrift kann das [X.]rbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter [X.]bwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des [X.]rbeitsverhältnisses selbst bis zum [X.]blauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. [X.]lsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des [X.]rbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter [X.]bwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum [X.]blauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht ([X.] 16. Juli 2015 - 2 [X.] - Rn. 21).

b) Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat ([X.] 16. Juli 2015 - 2 [X.] - Rn. 22).

c) Einer solchen eingeschränkten Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung stand. Entgegen der [X.]uffassung der Revision hat das [X.] die Grundsätze über die Darlegungslast des kündigenden Teils nicht verkannt.

aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die von der Klägerin behaupteten [X.]brechnungsbetrugshandlungen des [X.]n in Bezug auf die ihm zu erstattenden [X.]ufwendungen seien als wichtiger Grund iSd. § 626 [X.]bs. 1 BGB „an sich“ geeignet, den [X.]usspruch einer außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Gleiches gilt für die gegenüber Mitarbeitern der Muttergesellschaft der Klägerin - aus ihrer Sicht nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen - erstattete Strafanzeige und das behauptete kollusive Zusammenwirken des [X.]n mit dem vormaligen Geschäftsführer der Klägerin bei [X.]bschluss des [X.]bwicklungsvertrags.

[X.]) Das Berufungsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des wichtigen Grundes im Ergebnis rechtsfehlerfrei verneint.

(1) Seine Würdigung, der [X.] habe aufgrund der entsprechenden mehrjährigen Handhabung davon ausgehen dürfen, eine konkrete Belegabrechnung werde trotz der gegenteiligen arbeitsvertraglichen Vereinbarung von der Klägerin nicht mehr verlangt, hält sich im Rahmen seines tatrichterlichen [X.] und lässt einen revisiblen Rechtsfehler nicht erkennen. [X.]n einer darauf bezogenen zulässigen Verfahrensrüge der Klägerin fehlt es gleichermaßen.

(2) Die [X.]nnahme des [X.]s, die Klägerin habe ihren Vorwurf, der [X.] habe am 21. [X.]ugust 2008 die ihm dienstlich zur Verfügung gestellte Kreditkarte für den Erwerb privater Bekleidung genutzt, nicht bewiesen, ist ebenso frei von [X.]. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen in Bezug auf die Verletzung von Verfahrensrecht bei der Beweisaufnahme durch den ersuchten [X.] sowie der Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens sind jedenfalls unbegründet.

(a) Die Klägerin hat die von ihr behauptete Verletzung des [X.]s (§ 169 GVG) bei der Beweisaufnahme durch das ersuchte [X.] Gericht nicht ausreichend dargelegt.

(aa) Die Durchführung einer Beweisaufnahme durch den ersuchten [X.] richtet sich im Bereich der [X.] ([X.]usnahme: [X.]) nach der Verordnung ([X.]) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (- [X.]-BewVO - [X.]Bl. L 174 vom 27. Juni 2001 S. 1). Für ihre Durchführung gelten aufgrund der Verweisung in § 363 [X.]bs. 3 Satz 2 ZPO die §§ 1072, 1073 ZPO. Entspricht die von einer ausländischen Behörde vorgenommene Beweisaufnahme den für das Prozessgericht geltenden Gesetzen, kann daraus, dass sie nach den ausländischen Gesetzen mangelhaft ist, kein Einwand entnommen werden (§ 369 ZPO).

([X.]) Die Klägerin stützt den behaupteten Verstoß gegen das [X.] auf den Umstand, dass die ihren Prozessbevollmächtigten begleitende Rechtspraktikantin den Sitzungssaal auf [X.]nweisung des ersuchten [X.]s während der Beweisaufnahme nicht betreten durfte. Die Revision legt aber nicht dar, dass die Rechtspraktikantin nach den Normen der [X.]-BewVO im konkreten Fall an der Beweisaufnahme teilnehmen durfte. Ob ihr Prozessbevollmächtigter darüber hinaus verpflichtet gewesen wäre, die aus ihrer Sicht unzutreffende Verfahrensweise des [X.]n Gerichts gegenüber diesem zu beanstanden, kann daher dahinstehen. Daneben läge auch nach nationalem Verfahrensrecht kein Verstoß gegen das [X.] vor. Die Beweisaufnahme vor dem ersuchten [X.] wird von § 169 Satz 1 GVG nicht erfasst ([X.]/[X.] ZPO 30. [X.]ufl. § 169 GVG Rn. 9).

(b) Soweit die Revision beanstandet, die Klägerin habe vor dem [X.]n Gericht keine Fragen an die Zeugen stellen dürfen, ist ihre Verfahrensrüge unzulässig. Sie hat nicht dargetan, dass die Handhabung des ersuchten [X.]s gegen das nach [X.]rt. 10 [X.]bs. 2 [X.]-BewVO für die Erledigung des Ersuchens anwendbare [X.] Verfahrensrecht verstößt. Zudem hat sie keine zulässigen Fragen formuliert, die sie an die Zeugen gerichtet hätte oder konkrete erläuterungsbedürftige Punkte aufgezeigt.

(c) Soweit die Revision rügt, das [X.] habe in der Übergabe des Geschenkgutscheins an die Geschäftspartner der Klägerin zu Unrecht keine [X.]nhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat nach § 299 [X.]bs. 2 StGB gesehen, genügt ihr Vorbringen in der Revisionsbegründung nicht den [X.]nforderungen des § 551 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Die Klägerin legt nicht dar, aus welchen Gründen die tatrichterliche Würdigung des [X.]s gegen § 286 ZPO verstößt. Dazu genügt der pauschale Hinweis auf ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 5. Juli 2011 allein nicht. Es wird in der Revisionsbegründung nicht ausgeführt, dass der dort gehaltene Vortrag unstreitig geblieben ist. Ebenso wird nicht erkennbar, auf welche Weise sich die Klägerin den von ihr stets bestrittenen Vortrag des [X.]n über die Verwendung der 1.000,00 Euro zumindest hilfsweise zu Eigen gemacht haben will.

(3) Im Ergebnis zutreffend hat das [X.] auch die vom [X.]n verantworteten Zahlungen an die [X.]. [X.] Euro und an die [X.] von 28.592,00 Euro nicht als Grund für die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 angesehen.

(a) Die Klägerin hat sich zur Rechtfertigung ihrer außerordentlichen Kündigung darauf berufen, der [X.] habe Zahlungen an die [X.] und die [X.] veranlasst, ohne dass diesen eine Gegenleistung für die Klägerin zugrunde gelegen habe. Der [X.] hat dies bestritten und vorgetragen, die [X.] habe eine Marktanalyse für die Klägerin durchgeführt und die [X.] eine Produktpräsentation für eine Geschäftspartnerin erstellt, die dieser im Rahmen der geschäftlichen Beziehungen zur Verfügung gestellt worden sei.

(b) Die Würdigung des [X.]s, die Klägerin habe die von ihr aufgestellte Behauptung, den von der [X.] und der [X.] ausgestellten Rechnungen habe keine Gegenleistung gegenüber gestanden, nicht bewiesen, ist frei von revisiblen [X.]. Das Berufungsgericht hat insbesondere die Grundsätze über die sekundäre Behauptungslast nicht verkannt oder zulasten der Klägerin fehlerhaft angewandt.

(aa) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem kündigenden [X.]rbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Den [X.]rbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. [X.]llerdings kann den [X.]rbeitnehmer schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der [X.]rbeitgeber als primär darlegungsbelastete [X.] außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der [X.]rbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der [X.]rbeitnehmer gehalten sein, dem [X.]rbeitgeber durch nähere [X.]ngaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen. Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des [X.]rbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 [X.]bs. 3 ZPO als zugestanden. Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des [X.]rbeitnehmers keine überzogenen [X.]nforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden [X.]rbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger [X.] zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substanziiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten ([X.] 16. Juli 2015 - 2 [X.] - Rn. 41).

([X.]) Danach hatte zunächst die Klägerin die dem [X.]n vorgeworfenen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Zahlungen an die [X.] und die [X.] darzulegen. Es scheint schon fraglich, ob das [X.] überhaupt zugunsten der Klägerin die Grundsätze über die sekundäre Darlegungspflicht des [X.]n heranziehen durfte. Die Klägerin hat sich nach der [X.]blösung ihres vormaligen Geschäftsführers B zur Rechtfertigung der Kündigung auf den Hinweis beschränkt, Unterlagen über die Dienstleistungen der vorgenannten Firmen seien bei ihr nicht vorhanden und [X.] habe auf Nachfrage mitgeteilt, er habe keine Kenntnis von den fraglichen Geschäftsvorfällen. [X.]llein das Nichtvorhandensein von Belegen über geschäftliche Beziehungen zur [X.] und [X.] zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung belegt nicht, dass es diese nicht gegeben hat. Die Zahlungen an die vorgenannten Firmen waren Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Klägerin. Diese konnte nach ihr vorliegenden Unterlagen bei den mit der Buchführung betrauten Personen sowie den rechnungsausstellenden Firmen weitere Nachforschungen anstellen. Dies kann indes dahinstehen. [X.]ufgrund des vom [X.]n gehaltenen Vortrags über die [X.]uftragsvergabe und -abwicklung war die Klägerin zu weiteren Nachforschungen in der Lage. Eines weitergehenden Vortrags des [X.]n bedurfte es jedenfalls im Entscheidungszeitpunkt des Berufungsgerichts nicht mehr. Der frühere Geschäftsführer der Klägerin hat im Rahmen seiner [X.]ussage angegeben, die Geschäftsvorfälle mit der [X.] und der [X.] seien ihm erinnerlich. Dem ist die Klägerin nicht gegenbeweislich entgegengetreten. Da sich die vertraglichen Beziehungen zu den vorgenannten Firmen nicht außerhalb des Geschäftsbetriebs der Klägerin vollzogen haben, oblag dieser wieder die volle Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Gegenleistung.

([X.]) Die Beweiswürdigung des [X.]s lässt einen revisiblen Rechtsfehler nicht erkennen. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind jedenfalls unbegründet.

([X.]) Dies gilt zunächst für die von der Revision angebrachte Rüge, das [X.] habe dem im Schriftsatz vom 20. Juni 2011 enthaltenen Beweisantritt auf Vernehmung des [X.] nicht entsprochen. Die in das Wissen dieses Zeugen gestellten Tatsachen waren nach dem [X.] des [X.]s nicht beweisbedürftig. Dieses hat die [X.]ussage des früheren Geschäftsführers B, deren Glaubhaftigkeit der Zeuge [X.] mit seiner [X.]ussage infrage stellten sollte, als unergiebig angesehen.

([X.]b) Das [X.] musste auch nicht den von der Klägerin benannten Zeuge [X.]m vernehmen, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, „auch nur ansatzweise den eigenen Vortrag substanziieren zu können“. Eine mit diesem Ziel durchgeführte Beweisaufnahme wäre auf die Erhebung eines unzulässigen [X.]usforschungsbeweises hinausgelaufen. Die Revision zeigt keine greifbaren [X.]nhaltspunkte auf, auf deren Grundlage die Klägerin zumindest hätte vermuten dürfen, dass der Zeuge [X.]uskunft über Tatsachen geben kann, die für die geschäftlichen Beziehungen der Klägerin zur Firma [X.] im Jahr 2006 von Bedeutung sind.

([X.]c) Die weiteren gerügten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft und sie nicht als durchgreifend erachtet (§ 72 [X.]bs. 5 [X.]rbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO).

2. Die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 ist auch mangels eines wichtigen Grundes iSd. § 626 [X.]bs. 1 BGB unwirksam, soweit sie von der Klägerin auf den Verdacht von schwerwiegenden Pflichtverletzungen des [X.]n gestützt wird.

a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des [X.]rbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der [X.]rbeitgeber alle zumutbaren [X.]nstrengungen zur [X.]ufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem [X.]rbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus ([X.] 18. Juni 2015 - 2 [X.]ZR 256/14 - Rn. 21).

b) Das [X.] hat die Kündigung mangels Vorliegens eines dringenden Tatverdachts für unwirksam gehalten. Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände seien zu pauschal, um einen solchen zu begründen oder würden von ihr auf nicht beweisbare Vermutungen gestützt. Die Würdigung des [X.]s lässt unter Berücksichtigung des eingeschränkten [X.] keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. [X.]uch die Klägerin zeigt in der Revisionsbegründung einen solchen nicht auf. Vielmehr weist der [X.] in seiner Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass auch das Verhalten der Klägerin, die sich nach [X.]bschluss des [X.]bwicklungsvertrags unstreitig „auf die Suche nach Kündigungsgründen gemacht“ hat, die [X.]nnahme rechtfertigen könnte, sie habe absichtlich Zahlungsvorgänge mit ausländischen Gesellschaften ausgewählt, um dem [X.]n eine darauf bezogene Rechtfertigung zu erschweren. Dies schließt gleichermaßen die Dringlichkeit eines gegenüber dem [X.]n bestehenden Tatverdachts aus.

3. Die außerordentliche Kündigung der Klägerin ist auch nicht wegen der am 16. Juli 2009 vom [X.]n erstatteten Strafanzeige und der Umstände, die zum [X.]bschluss des [X.]bwicklungsvertrags geführt haben, gerechtfertigt. Die darauf bezogene tatrichterliche Würdigung lässt einen Rechtsfehler des [X.]s nicht erkennen. Gegenteiliges macht auch die Klägerin in der Revisionsbegründung nicht mehr geltend.

II. Das [X.] hat nach den vorstehenden [X.]usführungen eine Verpflichtung des [X.]n zur Rückgewähr der von der Klägerin an die [X.] ([X.] Euro) und die [X.] (28.592,00 Euro) gezahlten Beträge sowie einen [X.]nspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung iHv. 5.309,70 Euro zutreffend verneint. Darauf bezogene [X.] hat die Revision nicht erhoben.

C. Die Revision der Klägerin ist auch in Bezug auf die vom [X.]n mit der Widerklage verfolgten [X.]nsprüche unbegründet. Dies betrifft zunächst seinen auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 14. Juli 2009 gerichteten Feststellungsantrag. Dieser erweist sich ebenso als begründet wie der [X.]ntrag zu 2., der auf die Zahlung der restlichen, im [X.]bwicklungsvertrag vom 6. Juli 2009 vereinbarten [X.]bfindungssumme gerichtet ist.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 [X.]bs. 1 ZPO.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    [X.]    

        

    Sieg    

                 

Meta

2 AZR 110/15

17.03.2016

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 21. Januar 2010, Az: 10 Ca 6713/09, Urteil

§ 626 Abs 1 BGB, § 49 Abs 3 ArbGG, § 138 Abs 3 ZPO, § 286 ZPO, § 363 Abs 3 ZPO, § 369 ZPO, § 547 Nr 3 ZPO, § 557 Abs 2 ZPO, § 564 S 1 ZPO, § 1072 ZPO, § 1073 ZPO, § 169 GVG, Art 10 Abs 2 EGV 1206/2001

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. 2 AZR 110/15 (REWIS RS 2016, 14322)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14322

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