Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2011, Az. V ZR 220/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7213

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZR 220/10

vom

28.
April 2011

in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 28. April 2011
durch den
Vorsitzenden Richter Prof. [X.], [X.] Lemke
und Prof. Dr.
Schmidt-Räntsch,
die Richterin [X.] und [X.] Czub
beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]
wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 29.
September
2010
aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 45.000

Gründe:
I.
Der Kläger erstritt gegen [X.]
[X.]
(im Folgenden: Schuldnerin) einen wurde im Wege der Zwangsvollstreckung das Grundstück der Schuldnerin mit einer in das Grundbuch -
Abt. [X.] lfd. Nr. 48
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eingetragenen Sicherungshypothek belastet.
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Die Schuldnerin hatte zuvor in
notarieller Urkunde ein Schuldanerkennt-und sich wegen dieser Forderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen unterworfen. Auf Grund dieses Titels war eine Sicherungshypothek des Grundbuchs des Grundstücks der Schuldnerin eingetragen worden.
Der Kläger hat gegen den Beklagten eine Klage auf Grundbuchberichti-gung durch Bewilligung der Löschung der vorrangigen Sicherungshypothek er-hoben und nach einem Hinweis des [X.] hilfsweise die Feststellung beantragt, dass der für den Beklagten eingetragenen Sicherungshypothek keine Forderung zugrunde liege und diese daher nicht entstanden sei. Das [X.] hat unter Abweisung des [X.] der Klage nach dem Hilfsantrag stattgegeben.
Der Beklagte
hat
weitere vorrangig eingetragene Grundpfandrechte von [X.] Zinsen erworben. Aus diesen Rechten hat er die [X.] des Grundstücks der Schuldnerin betrieben und nach Anhängigkeit des Rechtsstreits in zweiter Instanz das Grundstück durch Zuschlagsbeschluss des Vollstreckungsgerichts auf das
von ihm abgegebene Meistgebot von g-ten die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision will der Klä-ger in einem Revisionsverfahren die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

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II.
Das Berufungsgericht meint, die Feststellungsklage sei zulässig, weil der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung
habe, ob das zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten vereinbarte Rechtsgeschäft wirksam sei. Im Falle der Nichtigkeit der "Sicherungsforderung"
sei nämlich eine Eigentümer-grundschuld entstanden, die der Pfändung des [X.] unterliege.
Die Feststellungsklage sei jedoch unbegründet. Die für den Beklagten eingetragene Zwangshypothek (§ 867 ZPO) habe dessen Anspruch gegen die Schuldnerin aus einem notariell beurkundeten konstitutiven
Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB)
gesichert. Deshalb habe
der Kläger darlegen und beweisen müs-sen, dass dem Anspruch aus dem Schuldanerkenntnis keine Forderungen des Beklagten gegen die Schuldnerin zugrunde gelegen hätten, so dass diese ihr Schuldanerkenntnis von dem Beklagten nach § 812 Abs. 2 BGB habe kondizie-ren und ihrer Inanspruchnahme aus dem Schuldanerkenntnis den Arglistein-wand (§
242 BGB) entgegensetzen können.
Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen, weil er schon nicht aus-reichend dargelegt habe, dass die von
dem Beklagten vorgetragenen Abreden über die Abgabe des [X.] reine Erfindungen gewesen seien, die ausschließlich dem Ziel gedient
hätten, dem Beklagten eine vorteilhafte Rangstelle zum Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger zu verschaffen. Dem Beweisantrag des [X.] auf Vernehmung des Beklagten als [X.] nach § 445 ZPO sei nicht nachzugehen gewesen, weil dieser bei [X.] Anhörung nach § 141 ZPO seinen -
teilweise durch Verträge und Quittun-gen belegten
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einer Forderung in gleicher Höhe für von ihm noch vorzunehmende Instandhaltungs-arbeiten auf dem Grundstück der Schuldnerin bestätigt habe.
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[X.].
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des [X.]
auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht
eine Verletzung dieses Verfahrensgrundrechts
durch die Zurückweisung des [X.] nach §
445 Abs. 1 ZPO.
2.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, erhebliche Beweisanträge nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung zu berücksichtigen ([X.] 50, 32, 26; 69, 141, 144; NJW 2009, 1585, 1586). Gemessen daran hätte das Berufungsgericht die Klage nicht ohne die Erhebung des Beweises
als unbe-gründet abweisen dürfen.
a)
Das Berufungsgericht durfte den Beweisantrag nach § 445 Abs. 1 ZPO nicht mit dem Hinweis auf die Erklärungen des Beklagten
zurückweisen, die dieser
bei seiner Anhörung als [X.] nach § 141 ZPO zu den dem Schuld-anerkenntnis zugrunde liegenden Forderungen gegen die Schuldnerin abgege-ben hat.
aa) Die Anhörung einer [X.] nach § 141 ZPO ist keine Grundlage für die Entscheidung, ob ihr Vortrag oder derjenige des Gegners für wahr zu erachten ist

286 Abs. 1 ZPO). Die
Anhörung dient der Klärung des Sachvortrags (Senat, Ur-teil vom 19. April 2002 -
V [X.], [X.]Z
150, 334, 343), jedoch nicht Beweis-zwecken. Ein Beweiswert kommt ihr deshalb nicht zu ([X.], Urteil vom 3. Juli 1967 -
VII ZR 48/65, Rn.
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juris).
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bb) Ist das Vorbringen einer [X.] in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet, das geltend gemachte Recht zu begründen, muss das Gericht dem Beweisantritt nachgehen (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 -
V [X.], NJW-RR 2009, 1236 mwN). Weitere Anforderungen
an die Substantiierung des Sachvortrags des [X.] über die Absprachen zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten dürfen schon deshalb nicht gestellt werden, weil
der Kläger
aus eigener Wahrnehmung dazu nichts beizutragen vermag
und insoweit auf Schlussfolgerungen angewiesen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 -
V [X.], Rn. 11
juris).
cc) Die Beweiserhebung durch Vernehmung des Beklagten als [X.] durfte schließlich auch nicht deshalb unterbleiben, weil nach dem durch die [X.] präzisierten Sachvortrag des Beklagten
das Vorbringen des [X.]
über ein zur Vollstreckungsvereitelung vorgenommenes Scheingeschäft nach Ansicht des Berufungsgerichts sich als eine nicht durch weitere tatsächliche Umstände belegte, unwahrscheinliche
Annahme des [X.] darstellte. Dem steht entgegen, dass die [X.]vernehmung in jeder Hinsicht ein reines Be-weismittel ist und ebenso wenig wie die Vernehmung eines Zeugen die Glaub-haftmachung oder Wahrscheinlichkeit der in das Wissen des zu [X.] gestellten Behauptungen verlangt ([X.], Urteil vom 6. Juli 1960 -
IV ZR 322/59, [X.]Z 33, 63, 66).
b) Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das
Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (Senat, Urteil vom 18. Juli 2003 -
V
ZR 187/02, NJW 2003, 3205 mwN). So ist es hier.
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aa) Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist deshalb entscheidungser-heblich, weil die Zurückweisung des [X.] als unbegründet zur Folge hätte, dass mit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung das ([X.]) Gegenteil feststünde (vgl. [X.], Urteil vom 10. April 1986 -
VII ZR 286/85, NJW 1986, 2508, 2509). Eine solche Feststellung, die einem Erfolg ei-nes von dem Kläger erhobenen Widerspruchs gegen den Teilungsplan nach §
115 [X.] entgegenstünde, wäre nur nach einer Beweisaufnahme durch die von dem Kläger beantragte Vernehmung des Beklagten als [X.] zulässig ge-wesen.
bb) Der Aufhebung des Berufungsurteils wegen des Verstoßes gegen Art.
103 Abs. 1 GG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Beru-fungsgerichts nach §
544 Abs. 7 ZPO steht nicht entgegen, dass der allein noch im Streit befindliche, von dem Kläger hilfsweise verfolgte Feststellungsantrag nach § 256 Abs.
1 ZPO auf der Grundlage des bisherigen Sach-
und Streitstands -
entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
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unzulässig ist.
(1) Die beantragte Feststellung, dass dem Schuldanerkenntnis keine Forde-rungen des Beklagten zugrunde lagen und (deshalb) keine Sicherungshypothek entstanden ist, betrifft allein die Rechte der Schuldnerin.
Sollte das Schuldanerkenntnis von der Schuldnerin und dem Beklagten nicht gewollt und deshalb nach §
117 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen sein, ist eine der Sicherungshypothek des [X.] vorrangige Eigentümergrundschuld ent-standen (vgl. [X.], 398, 404). Die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Erwerb der Hypothek durch den Eigentümer nach § 1163 Abs. 1 Satz 1 BGB werden durch das Vollstreckungsrecht (§§ 867, 868 ZPO) nicht ausgeschlossen (Senat, Urteil vom 30. April 1976 -
V [X.], NJW 1977, 48, 49).
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War das Schuldanerkenntnis dagegen gewollt, aber nicht oder in wesent-lichem Umfang nicht durch Verbindlichkeiten der Schuldnerin unterlegt, so ent-stand zwar die das Schuldanerkenntnis absichernde Zwangshypothek und [X.] (vgl. [X.], 379, 383). Die Schuldnerin könnte in diesem Falle aber ihr Anerkenntnis
nach § 812 Abs. 2 BGB kondizieren und gegenüber der Inanspruchnahme aus dem Schuldanerkenntnis Einreden nach §
242 BGB oder §
821 BGB erheben, die sie nach §
1169 BGB auch gegenüber dem Anspruch aus der Zwangshypothek geltend machen könnte (vgl. [X.], 385, 389; BayObLG, NJW-RR 1999, 506, 507).
In beiden Fällen wäre jedoch -
auch wenn der Vortrag des [X.] in der Sache zuträfe
-
ein der Zwangshypothek des [X.] im Range vorgehendes Grundpfandrecht entstanden, das bei der Verteilung des Erlöses aus
der Ver-steigerung des Grundstücks grundsätzlich vor dem Recht des [X.] zu be-rücksichtigen ist.
(2) Die Feststellungsklage hätte daher auf der Grundlage des bisherigen Sach-
und Streitstands mangels eines schutzwürdigen Eigeninteresses des [X.] an
der begehrten Feststellung als unzulässig
abgewiesen werden müs-sen.
Zwar sind nach der Rechtsprechung des [X.] Feststel-lungsklagen in Bezug auf ein zwischen einer [X.] und einem Dritten beste-hendes
Rechtsverhältnis zulässig ([X.], Urteil
vom 16. Juni 1993 -
V[X.] ZR 222/92, [X.]Z 123, 44, 46). Voraussetzung ist aber, dass der Kläger ein rechtli-ches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses hat ([X.], Urteil vom 16. Juni 1993 -
V[X.] ZR 222/92, aaO). Solange der Kläger [X.] auf die Rechte der Schuldnerin nicht zugegriffen hat, ist für ihn die Ent-scheidung der Frage, wem (dem Beklagten oder der Schuldnerin) das seinem 21
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Recht vorgehende Grundpfandrecht an dem Grundstück zustand, ohne Bedeu-tung.
Klagen auf Feststellung der Rechtsfolgen eines erst künftig (nach [X.]) möglicherweise entstehenden Rechtsverhältnisses sind nicht nach §
256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 3a mwN).
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde kann jedoch nicht das Ziel haben, dass die Revision zuzulassen ist, um die unter Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG als unbegründet abgewiesene Feststellungsklage nach §
256 Abs. 1 ZPO nunmehr als unzulässig abzuweisen. Ein solches Verfahren stellte nämlich
ebenfalls
eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar, weil die in erster Instanz siegreiche [X.] -
wenn das Berufungsgericht
der Beurteilung der Vorinstanz in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht folgen will
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darauf vertrauen darf, so rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, dass sie darauf noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung reagieren kann
(vgl. Senat, Beschluss vom 26.
Juni 2008 -
V [X.], juris Rn. 5 mwN).
Diesem Gebot
ist durch die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zu-rückverweisung des Rechtsstreits zu einer neuen Verhandlung und Entschei-dung nach § 544 Abs. 7 ZPO zu entsprechen. Da das Berufungsgericht -
wie das erstinstanzliche Gericht
-
rechtsfehlerhaft die Zulässigkeit der Feststel-lungsklage
bejaht hat, ist dem Kläger Gelegenheit zu geben, auf den Umstand der Unzulässigkeit seines [X.] in einer neuen mündlichen Ver-handlung vor dem Berufungsgericht (durch ergänzenden Vortrag oder -
soweit gemäß §
533 ZPO zulässig
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durch eine Änderung der Klage) zu
reagieren.
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Das für die Bestimmung des Streitwerts des [X.] (§
3 ZPO) maßgebliche wirtschaftliche Interesse des [X.] bemisst sich nach den Vermögensvorteilen, die eine für ihn günstige Entscheidung nach der Versteige-rung des Grundstücks noch haben könnte. Angesichts der Zuschlagserteilung auf ein Meistgebot von 160.000

stehender Grundpfandrechte von ca. 115.000

schätzt der Senat das wirt-

Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.02.2010 -
5 [X.]/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.09.2010 -
4 U 70/10 -

Meta

V ZR 220/10

28.04.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2011, Az. V ZR 220/10 (REWIS RS 2011, 7213)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7213

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 220/10

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