Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2011, Az. XI ZR 215/09

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6647

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XI ZR 215/09
Verkündet am:

17. Mai 2011

Herrwerth,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17.
Mai
2011
durch den [X.] Dr.
Joeres als Vorsitzenden
und
die Rich-ter Dr.
Ellenberger, [X.],
Dr.
Matthias
und Pamp
für Recht erkannt:
Auf die Revision des
Klägers
wird das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 8.
Juni 2009
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der
Kläger, Deutscher
mit Wohnsitz in [X.], verlangt
von der [X.], einem Brokerhaus mit Sitz im US-Bundesstaat [X.]

, [X.] wegen Verlusten im Zusammenhang mit Terminoptionsgeschäften an [X.] Börsen.
Die der [X.] unterliegende Beklagte arbeitet weltweit mit Vermittlern zusammen, denen sie über eine Online-Plattform den Zugang zur Ausführung von Wertpapiergeschäften an Börsen in den USA er-möglicht, den diese mangels einer dortigen Zulassung sonst nicht hätten. Die 1
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Vermittler können die Kauf-
und Verkaufsorders ihrer Kunden sowie ihre eige-nen anfallenden Provisionen und Gebühren in das Online-System der [X.] eingeben, wo sie vollautomatisch bearbeitet und verbucht werden.
Einer dieser Vermittler ist die auf Seiten der [X.] dem Streit beige-tretene

[X.]

AG (im Folgenden: [X.]) mit Sitz in M.

, die über eine [X.] aufsichtsrechtliche Erlaubnis als selbstständiger [X.] verfügte.
Der Geschäftsbeziehung zwischen der [X.] und [X.]
lag
ein Verrechnungsabkommen ("Fully disclosed clearing agreement") [X.]. Vor dessen Zustandekommen hatte die Beklagte geprüft, ob [X.] über eine aufsichtsrechtliche Erlaubnis verfügte und ob gegen sie
aufsichtsrechtliche Ver-fahren in [X.] anhängig waren. Nach den Regelungen des Verrech-nungsabkommens war
die Beklagte unter anderem verpflichtet, für die vom Vermittler geworbenen Kunden Einzelkonten einzurichten und hierüber die in Auftrag gegebenen Transaktionen abzuwickeln. Alle aufsichts-
und privatrecht-lichen Pflichten zur Information der Kunden wurden durch das Verrechnungs-abkommen dem Vermittler übertragen. Die Beklagte sollte
den Kunden die vom Vermittler angewiesenen Provisionen auf deren Konten belasten und von die-sen Beträgen ihre eigene Vergütung abziehen.
Der Kläger schloss nach vorausgegangener Werbung mit der in D.

ansässigen B.

& K.

GmbH (im Folgenden: B.), die zu [X.] in Geschäftsbeziehung stand, einen formularmäßigen Geschäftsbesorgungs-vertrag über die Besorgung und Vermittlung von Termingeschäften. Darin ver-pflichtete sich
B. unter anderem zur Vermittlung eines Brokereinzelkontos bei der [X.] und ließ sich für ihre Tätigkeit in erheblichem Umfang sowohl fixe Gebühren als auch tätigkeitsabhängige Gebühren versprechen.
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4
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Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertra-ges unterzeichnete der Kläger im Jahr
2003
ein ihm
vorgelegtes englischspra-chiges Vertragsformular der [X.] ("Option Agreement and Approval Form"), das in Ziffer
15 seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch eine Schiedsklausel enthält. Die Beklagte unterzeichnete den Vertrag nicht.
Im [X.] daran eröffnete die Beklagte für den Kläger
ein [X.], auf das
der Kläger insgesamt 44.800

einzahlte. Nach Ende der Ge-schäftsbeziehung erhielt der
Kläger 555,98

Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage einen Betrag in Höhe von 44.244,02

sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 891,93

geltend, wobei das [X.] ausschließlich auf deliktische Schadensersatzansprüche unter anderem wegen Beteiligung der [X.] an einer vorsätzlichen sitten-widrigen Schädigung gestützt wird. Die Beklagte ist dem in der Sache entgegen getreten und hat zudem die fehlende internationale Zuständigkeit [X.]r Gerichte gerügt sowie unter Berufung auf die in Ziffer
15 ihrer Geschäftsbedin-gungen enthaltene
Schiedsklausel die Unzulässigkeit der Klage
geltend ge-macht.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des
Klägers
zurückgewiesen. Mit der -
vom Senat zugelassenen
-
Revision verfolgt der
Kläger sein
[X.] weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei zulässig. Die internationale Zuständigkeit [X.]r Ge-richte folge aus §
32 ZPO. Die Einrede der Schiedsvereinbarung greife nicht durch. Die in Ziffer
15 der Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsklausel sei gemäß §
37h WpHG unwirksam, weil der Kläger [X.]
sei.
Die Klage sei aber nicht begründet. Dem
Kläger stehe gegen die [X.] nach dem anwendbaren [X.]n Recht ein Schadensersatzanspruch we-gen unerlaubter Handlung nicht zu. Aus Sicht der [X.] sei der Kläger ter-mingeschäftserfahren gewesen, so dass weder eine Aufklärungspflicht der [X.] noch der [X.] [X.] ihm gegenüber
bestanden habe.

II.
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung von B.
gegenüber dem Kläger
und eine Beihil-fe der [X.] dazu (§§
826, 830 BGB) nicht verneint werden.
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen.
a) Das Berufungsgericht hat zutreffend die -
auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende
-
internationale Zuständigkeit [X.]r Gerichte bejaht. Nach dem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vortrag der Klägerseite ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß der hier 9
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-
anwendbaren Regelung des §
32 ZPO gegeben (vgl. u.a. Senatsurteile vom 9.
März 2010 -
XI
ZR 93/09, [X.], 365 Rn.
18
f. und vom 8.
Juni 2010 -
XI
ZR 349/08, [X.], 2025 Rn.
17 und XI
ZR 41/09, [X.], 2032 Rn.
17).
b) Der Geltendmachung eines Anspruchs wegen
Beihilfe zu einer vor-sätzlichen sittenwidrigen Schädigung steht auch die durch die Beklagte [X.] Einrede des [X.] nicht entgegen. Der Kläger ist nach den bin-denden Feststellungen des Berufungsgerichts [X.], so dass die in Ziffer
15 der Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsklausel, auf welche die Beklagte sich stützt, nach §
37h WpHG unverbindlich ist (vgl. Senatsurteile vom 9.
März 2010 -
XI
ZR 93/09, [X.], 365 Rn.
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f. und vom 8.
Juni 2010 -
XI
ZR 349/08, [X.], 2025 Rn.
21
f., jeweils mwN).
2. Rechtsfehlerhaft ist demgegenüber die Begründung, mit der das [X.] die Klage, soweit sie auf die Teilnahme der [X.] an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§
830, 826 BGB) gestützt wird, als unbegründet abgewiesen hat.
a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsge-richt seiner Beurteilung [X.]s Deliktsrecht zugrunde gelegt hat (vgl. u.a. Senatsurteil vom 9.
März 2010 -
XI
ZR 93/09, [X.], 365 Rn.
29
ff.).
b) Hingegen
hält die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht der [X.] wegen Teilnahme an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß §§
826, 830 BGB verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand. In diesem Zusammenhang hat
das Berufungsgericht gemeint, es fehle
aus der maßgeblichen Sicht der [X.]
bereits an einer Haupttat der B., weil der
Kläger aus Sicht der [X.] nicht aufklärungsbe-dürftig gewesen sei. Dies ist rechtsfehlerhaft. Nach der Rechtsprechung des 15
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-
7
-
Senats
kommt bei Geschäften der vorliegenden Art eine Verneinung der [X.] allenfalls dann in Betracht, wenn der Anleger die negativen Auswirkungen der hohen Gebührenaufschläge des Vermittlers auf sein Verlust-risiko positiv kennt (Senatsurteil
vom 21.
Oktober 2003 -
XI
ZR 453/02, [X.], 2242, 2244
f.), er also weiß, dass er praktisch chancenlos ist. Im Übrigen haftet, wie
der Senat in seinem nach Erlass der Berufungsentscheidung ergan-genen Urteil vom 9.
März 2010 (XI
ZR 93/09, [X.], 365,
Rn.
24
ff.) zu einem vergleichbaren Fall entschieden hat,
ein außerhalb des banküblichen Effektenhandels tätiger gewerblicher Vermittler von Terminoptionen
-
wie hier B.
-,
der von vornherein chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil vermittelt, nicht nur aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen unzureichender Aufklärung über die Chancenlosigkeit der Geschäfte, sondern auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach §
826 BGB.
Einem solchen Vermittler geht es nur darum, hohe Gewinne zu erzielen, indem er möglichst viele Geschäfte realisiert, die für den Anleger aufgrund überhöhter Gebühren und Aufschläge chancenlos sind. Sein Geschäftsmodell zielt damit von vornherein ganz bewusst darauf ab, uninformierte, leichtgläubige Men-schen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leicht-sinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu [X.] (vgl. Senatsurteile vom 22.
November 2005 -
XI
ZR 76/05, [X.], 84, 87 und vom 2.
Februar 1999 -
XI
ZR 381/97, [X.], 540, 541).

III.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und 19
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Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Senats (u.a. Urteile vom 9.
März 2010 -
XI
ZR 93/09, [X.], 365 Rn.
23
ff. sowie
vom 25.
Januar 2011 -
XI
ZR 195/08, [X.], 543 Rn.
21
ff.,
XI ZR
350/08, [X.], 548 Rn.
30
ff., XI
ZR 100/09, [X.], 645 Rn.
34
ff. und XI
ZR 106/09, [X.], 735 Rn.
37 ff.) und insoweit [X.] ergänzendem Vortrag der Parteien Feststellungen zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des
Klägers
durch
[X.] [X.] und zu einer Teilnah-me der [X.] daran gemäß §§
826, 830 BGB zu treffen haben.
Einer vorsätzlichen Teilnahme steht vorliegend nicht entgegen, dass die Vermittlung [X.] und die Anweisung der ein-zelnen Kauf-
und Verkaufsorders für den Anleger nicht über den Vermittler -
hier [X.]
-
selbst (dazu Senatsurteil vom 9.
März 2010 -
XI
ZR 93/09, [X.], 365 Rn.
40
ff.), sondern über einen dem Vermittler -
nicht aber dem Broker
-
vertraglich verbundenen [X.] erfolgten. Beihilfe im Sinne von §
830 BGB setzt weder eine kommunikative Verständigung von Haupttäter und Gehil-fen auf einen gemeinsamen Tatplan noch eine Mitwirkung des Gehilfen bei der Tatausführung voraus (vgl. [X.], Urteil vom 31.
Januar 1978 -
VI
ZR 32/77, [X.]Z 70, 277, 285; Senatsurteil vom 26.
Oktober 2004 -
XI
ZR 279/03, [X.], 28, 29, jeweils mwN); ausreichend ist vielmehr jede bewusste Förderung der fremden Tat. Hat der Broker in einem solchen Fall in Kenntnis der hohen Missbrauchsgefahr dem Vermittler ohne vorherige Prüfung seines Geschäfts-modells bewusst und offenkundig den unkontrollierten Zugang zu seinem Onli-ne-System eröffnet und ihm gleichzeitig ausdrücklich die Einschaltung von Un-tervermittlern gestattet, findet er sich mit der Verwirklichung der erkannten Ge-fahr ab und nimmt damit die Schädigung von Anlegern durch ein hierbei prakti-20
21
-
9
-
ziertes [X.] Geschäftsmodell billigend in Kauf. Die durch den Broker gegenüber dem Vermittler ausgesprochene Gestattung, im Rahmen seines un-kontrolliert
gebliebenen Geschäftsmodells [X.] einzuschalten, erwei-tert nicht nur den Kreis der Beteiligten, sondern steigert auch eine dem Broker bekannte Missbrauchsgefahr (Senatsurteile vom 25.
Januar 2011 -
XI
ZR 195/08, [X.], 543 Rn.
33, XI
ZR
350/08, [X.], 548 Rn.
42, XI
ZR 100/09, [X.], 645 Rn.
48, XI
ZR 105/09, juris Rn.
40, XI
ZR 106/09, [X.], 735 Rn.
51 und XI
ZR 156/09, juris Rn.
41).

Joeres

Ellenberger

[X.]

Matthias

Pamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.07.2008 -
11 [X.]/07 -

O[X.], Entscheidung vom 08.06.2009 -
I-6 U 112/08 -

Meta

XI ZR 215/09

17.05.2011

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2011, Az. XI ZR 215/09 (REWIS RS 2011, 6647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6647

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