Bundessozialgericht, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R

1. Senat | REWIS RS 2012, 6536

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankengeld - Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen für jeden Bewilligungsabschnitt - einzige ärztliche Feststellung - Begründung des Krankengeldanspruchs für mehrere Zeitabschnitte


Leitsatz

1. Streiten Versicherter und Krankenkasse über Krankengeld für mehrere Zeitabschnitte, treffen den Versicherten zur Begründung seines Anspruchs alle Obliegenheiten, die sich daraus ergeben, dass die Erfüllung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen für jeden Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen sind.

2. Eine einzige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kann einen Anspruch auf Krankengeld für mehrere Zeitabschnitte begründen und weitere Meldungen der Arbeitsunfähigkeit erübrigen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld ([X.]) vom 13.4. bis 3.12.2004.

2

Der 1955 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versichert. Nach Beendigung einer Beschäftigung als angestellter Kfz-Meister bewilligte ihm die [X.] ausgehend von einem Leistungsvermögen von 40 Wochenstunden vom 16.5.2002 bis 18.7.2003 Arbeitslosengeld [X.]). Der Kläger war ab 7.6.2003 fortlaufend [X.] wegen Spinalkanalstenose arbeitsunfähig krank und erhielt ab 19.7.2003 von der Beklagten [X.]. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung ([X.]) bestätigte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit ([X.]) und regte wegen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine medizinische Reha-Maßnahme vor Ablauf der [X.] in einer orthopädischen Fachklinik an. Die [X.] bewilligte dem Kläger berufsfördernde, nicht aber die beantragten medizinischen Reha-Leistungen (Bescheid vom 18.2.2004), zu denen sich der Kläger indes gesundheitlich nicht in der Lage sah. Arzt S. bescheinigte der Beklagten, dass der Kläger weiterhin arbeitsunfähig sei; der [X.]punkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar, zumal sich alles noch verschlechtert habe (15.3.2004). Die Beklagte entschied aufgrund eines weiteren [X.]-Gutachtens (keine weitere [X.] innerhalb von 14 Tagen; 6.4.2004), [X.] wegen Beendigung der [X.] nur noch bis 12.4.2004 zu zahlen (Bescheid vom 6.4.2004). Mit seinem dagegen am [X.] erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, das Gutachten sei nicht nachvollziehbar, da sich seine Befunde entsprechend der Einschätzung des Arztes S. verschlechtert hätten. Auf der Grundlage weiterer Beurteilungen ([X.] [X.]: [X.] zutreffend, langjähriges [X.] [X.], leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens drei Stunden täglich möglich) wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.12.2004). Während das [X.] die Beklagte nach Beweiserhebung zur [X.]-Zahlung verurteilte, weil der Kläger ab 13.4.2004 nicht zu vollschichtiger Arbeit fähig gewesen sei (Urteil vom 31.5.2007), wies das L[X.] die auf [X.]-Gewährung bis 3.12.2004 gerichtete Klage ab: Der Kläger habe es versäumt, nach dem 12.4.2004 seine [X.] ärztlich feststellen zu lassen und die Feststellung der Beklagten zu melden (Urteil vom 17.9.2008). Den am 19.12.2008 gestellten Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 10.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.]). Klage (Gerichtsbescheid vom 19.8.2010) und Berufung sind ohne Erfolg geblieben: Es fehle eine ärztliche [X.]-Feststellung ab 13.4.2004 und deren Meldung (L[X.]-Urteil vom 1.2.2011).

3

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 46 S 1 [X.] und § 49 Abs 1 Nr 5 [X.]B V. Ihn hätten im laufenden Rechtsbehelfsverfahren keine weiteren Obliegenheiten zur ärztlichen [X.]-Feststellung und Meldung getroffen.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 1. Febr[X.]r 2011 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 19. August 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 6. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 zurückzunehmen und dem Kläger Krankengeld für die [X.] vom 13. April 2004 bis zum 3. Dezember 2004 zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 1. Febr[X.]r 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]G). Das angefochtene [X.]-Urteil ist aufzuheben, denn es verletzt materielles Recht. Der erkennende Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Die [X.], den Senat bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um abschließend über den geltend gemachten [X.]-Anspruch auf der Grundlage des § 44 Abs 1 S 1 und [X.] zu entscheiden. Es steht nicht fest, dass der Kläger vom 13.4. bis 3.12.2004 arbeitsunfähig war (dazu 1.). Die Entscheidung des [X.] erweist sich weder ganz noch teilweise aus anderen Gründen als zutreffend (dazu 2.).

8

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (vgl § 44 Abs 1 S 1 [X.]B X). Wenn feststeht, dass der Kläger vom 13.4. bis 3.12.2004 arbeitsunfähig war, hat die Beklagte ihm für diese [X.] [X.] unter Rücknahme des Bescheides vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2004 zu gewähren. In diesem Falle ist sie nämlich von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist, und hat deshalb die Sozialleistung [X.] zu Unrecht nicht erbracht.

9

1. Nach § 44 Abs 1 Halbs 1 [X.] haben Versicherte ua Anspruch auf [X.], wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ein nach § 5 Abs 1 [X.] (in der Krankenversicherung der Arbeitslosen <[X.]>) versicherter Arbeitsloser ist in diesem Sinne arbeitsunfähig, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Das [X.] stellt sich in der [X.] nicht als Ersatz für Ausfall des früher auf Grund Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts dar, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit (vgl [X.], 72, 77 = [X.]-2500 § 44 [X.]; [X.], 19 = [X.]-2500 § 44 [X.], Rd[X.]6 zu zeitlichen Leistungseinschränkungen kranker Arbeitsloser, vgl auch mit zustimmender Anmerkung [X.] 2005, 591 ff; [X.] 2005, 187; [X.], 247 = [X.]-2500 § 44 [X.], [X.]; ferner [X.], 59 = [X.]-4300 § 125 [X.], Rd[X.]). Entscheidend für die Beurteilung der [X.] Arbeitsloser sind im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist die Zumutbarkeit insoweit auch krankenversicherungsrechtlich an § 121 [X.]B III aF (ab 1.4.2012: § 140 [X.]B III nF durch Art 2 [X.]8 Gesetz vom 20.12.2011, [X.]) zu messen ([X.], 247 = [X.]-2500 § 44 [X.], [X.], vgl auch [X.] 2005, 591 ff; [X.] 2005, 187). Hat die Arbeitsverwaltung dem Arbeitslosen ein konkretes Arbeitsangebot nicht unterbreitet, liegt krankheitsbedingte [X.] vor, wenn der Arbeitslose gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in einem Umfang (zB vollschichtig) zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des [X.]-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat (vgl zum Ganzen [X.], 182 = [X.]-2500 § 44 [X.], Rd[X.]7 ff, 24; zustimmend zB [X.] in [X.] Komm, Stand 1.12.2011, § 44 [X.] RdNr 45 ff; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2010, § 44 Rd[X.]6; [X.] in [X.], Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.9.2011, [X.], § 44 [X.] Rd[X.]07g).

Es fehlen - aufgrund seiner Rechtsauffassung konsequent - Feststellungen des [X.] dazu, dass der Kläger ab 13.4. bis 3.12.2004 gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage war, die Arbeiten vollschichtig zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des [X.]-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hatte. Das [X.] bejahte zwar nur eine untervollschichtige Arbeitsfähigkeit im ersten Klageverfahren, die Beklagte bestritt diese aber mit ihrer dagegen gerichteten Berufung, ohne dass in der Folgezeit eine für das Revisionsgericht bindende Feststellung erfolgt ist. Die fehlenden Feststellungen wird das [X.] nachzuholen haben.

2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind die übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten [X.]-Anspruchs erfüllt, und es greifen keine Einwendungen hiergegen durch.

a) Die [X.] des [X.] vom 13.4. bis 3.12.2004 war ärztlich festgestellt. Anspruch auf [X.] entsteht nach § 46 S 1 [X.] von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der [X.] folgt. Bereits am 15.3.2004 bescheinigte Arzt S. der Beklagten, dass [X.] weiterhin bestehe und der [X.]punkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei. Die Erkrankung habe sich gegenüber dem Bericht an den [X.] vom 17.11.2003 noch verschlimmert.

Die zeitlich weit über den 13.4.2004 hinausreichende Bescheinigung des (Vertrags-)Arztes S. ist nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil die Beklagte entschied, die [X.]-Zahlung an den Kläger mit dem 12.4.2004 zu beenden. Wird das [X.] abschnittsweise gewährt, ist zwar das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des [X.] für jeden weiteren [X.] neu zu prüfen (vgl [X.], 247 = [X.]-2500 § 44 [X.], RdNr 22 mwN). Dieser Grundsatz schließt es indes nicht aus, eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener [X.], die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasst, als für § 46 S 1 [X.] ausreichend anzusehen. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - der Versicherte sich mit Rechtsbehelfen gegen die Entscheidung seiner [X.] wendet, die [X.]-Zahlung noch innerhalb des [X.]raums zu beenden, für den ein Arzt bereits [X.] festgestellt hat. Die Feststellung muss nicht zwingend durch einen Vertragsarzt erfolgen (vgl B[X.] [X.]-2200 § 182 [X.]2 S 53 f; [X.] in der Literatur: [X.] in [X.], Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.9.2011, [X.], § 46 [X.] RdNr 24 f; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand September 2011, § 44 Rd[X.]2; [X.] in [X.] Komm, Stand 1.12.2011, § 46 [X.] Rd[X.]0; [X.] in [X.], Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand Januar 2012, § 44 [X.] Rd[X.]6: nur nicht bei einem Notfall iS von § 76 Abs 1 S 2 [X.]; widersprüchlich [X.] in LPK-[X.], 3. Aufl 2009, § 46 Rd[X.]). Mit der Notwendigkeit einer ärztlichen, nicht unbedingt vertragsärztlichen Feststellung harmoniert, dass unbeschadet des § 91 Abs 6 [X.] die Regelungen in den [X.]-Richtlinien ([X.]) über den [X.]punkt der [X.]-Feststellung und ihren retro- und prospektiven Feststellungszeitraum den leistungsrechtlichen [X.]-Tatbestand nicht ausgestalten (zur bloß vertragsärztlichen Pflicht, [X.]-Bescheinigungen zeitlich nach den [X.]-[X.] einzugrenzen, vgl B[X.] [X.]-2500 § 44 [X.] RdNr 25 mwN). Entsprechendes gilt für die Art und Weise der ärztlichen [X.]-Feststellung. Sie erfüllt auch dann die Voraussetzungen des § 46 S 1 [X.], wenn sie nicht auf dem durch § 5 Abs 1 oder § 6 Abs 1 [X.]-[X.] dafür vorgesehenen Vordruck (Muster [X.] bzw 17) erfolgt.

Die [X.] ist zwar zur Beendigung von [X.]-Zahlungen vor Ablauf ärztlich bescheinigter [X.] befugt. Denn der erkennende Senat misst dem Attest mit der ärztlichen Feststellung der [X.] lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme bei. Sie bildet eine Grundlage für den über den [X.]-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der [X.], ohne dass [X.] und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (stRspr, vgl B[X.] [X.]-2500 § 44 [X.] RdNr 28 mwN). Die [X.] kann sich insoweit aber nicht auf das Fehlen einer ärztlichen [X.]-Feststellung berufen, obwohl ihr eine solche Feststellung vorliegt, sie aber lediglich die Verhältnisse abweichend beurteilt.

Die Rechtsauffassung des erkennenden Senats entspricht nicht nur Wortlaut und Regelungssystem, sondern auch Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender [X.] sollen beim [X.] Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der [X.] und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl bereits B[X.]E 24, 278, 279 = [X.] [X.]6 zu § 182 [X.] RS mwN zur Entstehungsgeschichte der im [X.] insoweit unveränderten Regelung; B[X.]E 26, 111, 112 = [X.] [X.]9 zu § 182 [X.] 17 f; [X.], 72, 81 = [X.]-2500 § 44 [X.]0 S 39). Dementsprechend ist grundsätzlich für die Beurteilung der [X.] der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im [X.]punkt der ärztlichen Feststellung maßgebend (stRspr vgl zB B[X.] [X.]-2500 § 44 [X.]2 Rd[X.]3; B[X.] [X.]-2500 § 44 [X.]4 RdNr 21; [X.] in [X.] Komm, Stand 1.12.2011, § 44 [X.] Rd[X.], 6). Als Regelfall geht das Gesetz davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche [X.] feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb kann zB grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten [X.] akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezieht, die er bei [X.] nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in der gesamten [X.] zu Unrecht als arbeitslos statt - richtigerweise - als arbeitsunfähig behandelt worden (vgl [X.], 72, 83 = [X.]-2500 § 44 [X.]0 S 41; zum Ganzen B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]6 mwN). Missbrauch und praktische Schwierigkeiten stehen dagegen nicht in Rede, wenn die [X.] - wie hier die Beklagte - pflichtgemäß (§ 275 [X.]) eine [X.]-Bescheinigung überprüft und der bescheinigten Beurteilung dann nicht folgt.

b) In Einklang mit diesen Grundsätzen kann sich die Beklagte - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - auch nicht mit Erfolg auf ein Ruhen des [X.]-Anspruchs nach § 49 Abs 1 [X.] [X.] berufen. Danach ruht der Anspruch auf [X.], solange die [X.] der [X.] nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der [X.] erfolgt. Auch diese Regelung findet nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck keine Anwendung, wenn ein Versicherter - wie hier der Kläger - sich fristgerecht mit Rechtsbehelfen gegen die Entscheidung seiner [X.] wendet, die [X.]-Zahlung - abweichend von einer ihr vorliegenden [X.]-Bescheinigung - noch innerhalb des [X.]raums zu beenden, für den ein Arzt ihm [X.] bescheinigt hat.

§ 49 Abs 1 [X.] [X.] soll die [X.] nämlich ebenso wie die Ausschlussregelung des § 46 S 1 [X.] lediglich davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten [X.]-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen. Die Norm soll der [X.] die Möglichkeit erhalten, die [X.] zeitnah durch den [X.] überprüfen zu lassen, um [X.] entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] ist die Gewährung von [X.] deshalb bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (vgl zB B[X.]E 29, 271, 272 = [X.] zu § 216 [X.] 6 RS; B[X.] [X.] [X.]1 zu § 216 RVO; B[X.]E 38, 133, 135 = [X.] 2200 § 182 [X.] S 8; B[X.]E 56, 13, 14 f = [X.] 2200 § 216 [X.], [X.]; B[X.] [X.] 2200 § 216 [X.]1; B[X.]E 85, 271, 276 = [X.]-2500 § 49 [X.] f). Mit Blick darauf muss die [X.] der [X.] vor jeder erneuten Inanspruchnahme des [X.] auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Dies hat auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der [X.] über die Weitergewährung des [X.] neu zu befinden ist (stRspr, vgl nur B[X.]E 85, 271, 275 f = [X.]-2500 § 49 [X.]). Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der [X.] grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner [X.] melden, will er das Erlöschen (vgl dazu Beschluss des Senats vom 16.12.2003 - [X.] KR 24/02 B - mwN) oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden.

Wie bei der ärztlichen Feststellung handelt es sich auch bei der Meldung der [X.] um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist in diesem Sinne sowohl die Ausschlussregelung des § 46 S 1 [X.] als auch des § 49 Abs 1 [X.] [X.] strikt zu handhaben (vgl zum Ganzen, auch zu den Einschränkungen bei Umständen im Verantwortungsbereich der [X.]n B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]8 mwN; [X.] in [X.] Komm, Stand 1.12.2011, § 49 [X.] Rd[X.]3; ablehnend zu § 49 Abs 1 [X.] [X.] bei Weitergewährung von [X.] [X.] in [X.], Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.9.2011, [X.], § 49 [X.] Rd[X.]10a). Liegt der [X.] dagegen eine ärztliche [X.]-Mitteilung zwecks Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für [X.] vor, die die Rechtsposition des Versicherten erkennbar stützt, bedarf es keiner weiteren [X.]-Meldung.

Die gleichen Grundsätze gelten auch für [X.]räume, in denen Versicherter und [X.] über das Bestehen von [X.] als Voraussetzung eines [X.]-Anspruchs streiten. Der Versicherte muss auch in einer solchen Situation - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - alle Obliegenheiten beachten, um seinen [X.]-Anspruch zu erhalten. Er muss sich deshalb bei befristeten [X.]-Feststellungen vor Fristablauf erneut seine [X.] ärztlich bescheinigen lassen und dafür Sorge tragen, dass die [X.] hiervon Kenntnis erlangt. Die [X.] kann ihm nicht entgegenhalten, dass er sich - der Unsicherheit Rechnung tragend - mit seinem Restleistungsvermögen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt und [X.] erhält. Hat die [X.] allerdings Kenntnis von einer ärztlichen [X.]-Bescheinigung und davon, dass der betroffene Versicherte weiterhin [X.] beansprucht, sind die Obliegenheiten nach § 46 und § 49 Abs 1 [X.] [X.] auch insoweit erfüllt. Einer zusätzlichen Information der [X.] bedarf es in diesem Rahmen nicht.

c) Die Höchstdauer des [X.]-Anspruchs gemäß § 48 Abs 1 S 1 [X.] ist nicht überschritten. Danach erhalten Versicherte [X.] ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der [X.] wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der [X.] an. [X.] bis 3.12.2004 hält sich in diesem Rahmen, da der 7.6.2003 der [X.] der [X.] war.

d) Die zeitlichen Grenzen des § 44 [X.] sind beachtet, denn die [X.]-Zahlung betrifft einen [X.]-Anspruch für einen Teil des Jahres 2004. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden nach dieser Regelung Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen [X.]raum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der [X.]punkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des [X.]raumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Der Kläger stellte den Überprüfungsantrag im Dezember 2008.

e) Wenn das [X.] feststellt, dass [X.] im og [X.]raum bestand, wird es auch zu klären haben, in welchem Umfang der dem Grunde nach gegebene streitbefangene [X.]-Anspruch ggf nach § 107 [X.]B X als erfüllt gilt.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten.

Meta

B 1 KR 20/11 R

10.05.2012

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Reutlingen, 19. August 2010, Az: S 9 KR 4376/09, Gerichtsbescheid

§ 44 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB 5, § 46 S 1 Nr 2 SGB 5, § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 7 SGB 5, § 5 Abs 1 AURL, § 6 Abs 1 AURL

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R (REWIS RS 2012, 6536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6536

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