Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.11.2019, Az. II ZR 306/18

2. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 1423

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Gegenstand

Kapitalanlagebeteiligung an einer Schiffsgesellschaft: Pflicht zur Offenlegung der einem Gründungsgesellschafter bereits gewährten Sondervorteile im Emissionsprospekt


Leitsatz

Einem Gründungsgesellschafter oder einem mit ihm wesentlich kapitalmäßig oder personell verflochtenen Unternehmen bereits gewährte Sondervorteile müssen im Emissionsprospekt auch dann offengelegt werden, wenn sie bereits vor dem Beitritt eines Anlegers erfolgt sind, aber im Zusammenhang mit dem Anlageprojekt stehen (Festhaltung an BGH, Urteil vom 7. April 2003 - II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088; Beschluss vom 7. Juli 2015 - II ZR 104/13, juris Rn. 3).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 24. Juli 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zahlung von 23.875 € nebst Zinsen als Schadensersatz. Mit [X.] vom 30. Oktober 2006 beauftragte er die Rechtsvorgängerin der [X.] zu 3, als Treuhänderin für ihn nach einem nicht verhandelbaren [X.] jeweils einen Kommanditanteil an den fünf [X.]en der Emission H.                  zu erwerben, nämlich der [X.]     " [X.] (nachfolgend: [X.]), B.            [X.] MS "B.     M.     ",[X.]      " [X.], Reederei M.        [X.]           MS "S.          " und Reederei M.          GmbH & Co. Independence KG. Die [X.] zu 2 bis 4 waren Gründungsgesellschafter in mindestens einer der Einschiffsgesellschaften. Die Beklagte zu 1 ist die Muttergesellschaft der [X.] zu 2 und 3. Die Beklagte zu 2 war Prospekterstellerin, ihre Nebenintervenientin war Prospektgutachterin. Der Beklagte zu 4 war "Schirmherr" der Reederei M.        .

2

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] durch Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

3

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

4

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Soweit die [X.] geltend mache, es hätte im Prospekt dargestellt werden müssen, dass die [X.].             Inc. (nachfolgend: [X.].    ) als Veräußerungsgesellschaft der [X.]" eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der [X.] und mit einem Gründungsgesellschafter der [X.] und des Vertragsreeders verflochten sei, bestehe kein Prospektfehler. Die [X.] " sei bereits am 29. August 2005 erworben und übernommen worden, weshalb die mögliche Verflechtung der [X.].    als Veräußerungsgesellschaft und der [X.] für den Anleger keine Rolle mehr gespielt habe. Der Kauf sei zum Zeitpunkt der Prospekterstellung am 16. Januar 2006 bereits vollständig abgewickelt gewesen. Deshalb habe es keiner über die im Emissionsprospekt vorgenommene Aufklärung hinaus bedurft. Die [X.].       habe keine wesentlichen Aufgaben bei der Durchführung des im Prospekt beschriebenen Schiffsbetriebs übernommen, sondern sei lediglich im Vorfeld tätig gewesen. Der Kläger habe weder hinreichend substantiiert dargelegt noch Beweis dafür angeboten, dass für die [X.].      durch ihre Beteiligung ein aufklärungsbedürftiger [X.] in Form der vom Kläger behaupteten "[X.]" in Höhe von 700.000 US-$ für die Übertragung des Kaufvertrags bzw. einer Befrachtungskommission für den Abschluss des [X.] entstanden sei.

6

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Kläger über [X.] nicht aufgeklärt werden müsse, weil die Übertragung des Kaufvertrags über die [X.]     " von der [X.].       auf die [X.] zum Zeitpunkt der Prospekterstellung und damit vor dem Beitritt des [X.] bereits vollständig abgewickelt gewesen sei.

7

Die Gründungsgesellschafter der [X.] schuldeten dem Kläger vor dessen Beitritt eine sachlich richtige und vollständige Aufklärung über die Nachteile und Risiken der Beteiligung. Diese Aufklärungspflicht umfasste auch der [X.].     aufgrund der Übertragung des Kaufvertrags auf die [X.] gewährte [X.]. Da das Berufungsgericht offengelassen hat, ob die [X.].     als Veräußerungsgesellschaft der [X.]     " eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der [X.] war, ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass sie mit einem Gründungsgesellschafter der [X.] und des Vertragsreeders verflochten war.

8

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört auch eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits der Fondsgesellschaft, ihren Geschäftsführern und beherrschenden [X.]ern, und andererseits dem Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden [X.]ern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Prospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und die Aufklärung über die diesem Personenkreis gewährten Sonderzuwendungen oder [X.] ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 345; Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 1851, 1852; Urteil vom 21. [X.]ptember 2010 - [X.], [X.], 2140 Rn. 29; Beschluss vom 15. Januar 2013 - [X.], juris Rn. 7; Beschluss vom 23. [X.]ptember 2014 - [X.], juris Rn. 23; Beschluss vom 23. [X.]ptember 2014 - [X.], juris Rn. 29; Beschluss vom 24. Februar 2015 - [X.]/13, juris Rn. 11, 16; Beschluss vom 7. Juli 2015 - [X.]/13, juris Rn. 2).

9

2. Da allein kapitalmäßige oder personelle Verflechtungen bereits die Gefahr einer Interessenkollision zum Nachteil der Anleger hervorrufen können, ergreift die Aufklärungspflicht ohne Unterschied alle Zuwendungen an die [X.]er und ihre Unternehmen außerhalb des [X.]svertrags ([X.], Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 1851, 1852; Beschluss vom 15. Januar 2013 - [X.], juris Rn. 7). Dabei spielt es keine Rolle für die Aufklärungspflicht, ob die Konditionen des zugrundeliegenden Geschäfts üblich waren und der [X.] tatsächlich keine Nachteile oder sogar Vorteile gebracht haben ([X.], Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 1851, 1852; Beschluss vom 15. Januar 2013 - [X.], juris Rn. 9; Beschluss vom 24. Februar 2015 - [X.]/13, juris Rn. 24 mwN).

Zu einem richtigen Bild über die Beteiligung gehört auch das Wissen darüber, dass dem Gründungsgesellschafter die konkrete Chance eröffnet wird, zu Lasten des Vermögens der Beteiligungsgesellschaft erhebliche finanzielle [X.] zu erlangen ([X.], Beschluss vom 15. Januar 2013 - [X.], juris Rn. 9; Beschluss vom 24. Februar 2015 - [X.]/13, juris Rn. 24; Beschluss vom 7. Juli 2015 - [X.]/13, juris Rn. 2 f.). Einem Gründungsgesellschafter bereits gewährte [X.] müssen im Emissionsprospekt auch dann offengelegt werden, wenn sie bereits vor dem Beitritt eines Anlegers erfolgt sind, aber im Zusammenhang mit dem Anlageprojekt stehen ([X.], Urteil vom 7. April 2003 - [X.], [X.], 1086, 1088; Beschluss vom 7. Juli 2015 - [X.]/13, juris Rn. 3). Dass die Übertragung des Kaufvertrags über die [X.]      " von der [X.].      auf die [X.] vor dem Beitritt des [X.] bereits vollständig abgewickelt gewesen war, steht damit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Pflicht zur Offenlegung nicht entgegen.

3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen aufklärungsbedürftigen [X.] nur pauschal und unsubstantiiert behauptet, überspannt rechtsfehlerhaft die Anforderungen an den Vortrag des [X.]. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer [X.] nicht verlangt werden ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2017 - [X.], [X.]Z 217, 129 Rn. 9 mwN). Der Vortrag des [X.] zu [X.]n der [X.].     erfüllt diese Anforderungen. Er hat behauptet, die [X.].      habe für die Übertragung des Kaufvertrags auf die [X.] eine "[X.]" in Höhe von 700.000 US-$ bzw. eine Befrachtungskommission für den Abschluss des [X.] erhalten. Damit hat er konkrete Tatsachen vorgetragen, nach denen die [X.].      eine Sonderzuwendung durch eine [X.] erhalten hat.

III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird Feststellungen zur Verflechtung der [X.].         als Veräußerungsgesellschaft der [X.]     " mit einem Gründungsgesellschafter der [X.] und des Vertragsreeders, was es von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent offengelassen hat, sowie zu den vom Kläger behaupteten [X.]n zu treffen haben.

Für das weitere Verfahren weist der [X.]nat auf Folgendes hin:

Dass der Kläger den fünf Einschiffsgesellschaften nicht unmittelbar als Kommanditist, sondern lediglich mittelbar über eine Treuhänderin beigetreten ist, steht der Haftung der Beklagten nicht entgegen, da die Treugeber gemäß § 3 Nr. 4 und § 10 Nr. 2 des [X.]svertrages ([X.] ff.) im Innenverhältnis mit unmittelbaren Kommanditisten gleichgestellt worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 10 mwN). Sollte das Berufungsgericht eine [X.] bei dem Beitritt des [X.] zur [X.] bejahen, wird es weiter zu prüfen haben, ob die Beklagten jeweils dafür einzustehen haben.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Born   

      

Bernau     

      

V. Sander     

      

Meta

II ZR 306/18

19.11.2019

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 24. Juli 2018, Az: 4 U 11/18

§ 241 Abs 2 BGB, § 280 BGB, § 311 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.11.2019, Az. II ZR 306/18 (REWIS RS 2019, 1423)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 232 WM2020,169 REWIS RS 2019, 1423

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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