Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.05.2003, Az. 1 StR 529/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2003, 3120

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[X.] DES VOLKESURTEIL1 StR 529/02vom13. Mai 2003in der Strafsachegegen1.2.wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 13. Mai 2003,an der teilgenommen haben:[X.] am [X.] [X.] am [X.]. Wahl,[X.],[X.],[X.],Staatsanwalt als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt - für den Angeklagten [X.] -Rechtsanwalt - für die Angeklagte [X.]- als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. Juli 2002 werden verworfen.Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel sowiedie dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen.Die Formel des landgerichtlichen Urteils wird in III. wie folgt er-gänzt: "Hinsichtlich der weitergehenden Schmerzensgeld- [X.] des [X.] wird von einer [X.] Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten A. [X.] - unter Freispre-chung im übrigen - wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern [X.] mit sexuellem Mißbrauch von [X.] in drei Fällen undwegen Körperverletzung in fünf Fällen, in zwei der Fälle in Tateinheit mit Frei-heitsberaubung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs [X.] 4 -Die Angeklagte S. [X.] hat das [X.] wegen schweren se-xuellen Mißbrauchs von Kindern in drei Fällen sowie wegen Körperverletzungin Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheits-strafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auch sie wurde im übrigenfreigesprochen.Außerdem wurden die Angeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, anden Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,-- n-sen über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2002 zu bezahlen.Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten [X.] der Angeklagten haben keinen Erfolg.I.Das [X.] hat festgestellt:Der im Januar 1993 geborene Nebenkläger [X.] [X.] ist [X.] desseit 1998 von der Mutter des Kindes geschiedenen Angeklagten A. [X.] . Seit Mai 2000 lebte dieser mit der Angeklagten S. [X.]zusam-men und zwar vom 16. Juli 2000 bis 24. Juni 2001 in einer Wohnung inE. . [X.] [X.] besuchte seinen damals [X.] mit der Mutter sorgeberechtigten Vater regelmäßig in der Wohnung [X.]. Dort wurde das Kind in der Zeit von [X.] 2000 bis Ende [X.] von den Angeklagten körperlich mißhandelt und sexuell mißbraucht. [X.] einzelnen nicht mehr genau feststellbaren Tagen - "die letzte solche Hand-lung geschah in den [X.] Pfingstferien 2001" - ereignete sich zumin-dest folgendes:- 5 -Zweimal steckte der Angeklagte A. [X.] einen Finger in [X.] seines [X.]es, der hierzu von der - insoweit nicht angeklagten - S. [X.] auf dem Bett der Angeklagten festgehalten wurde, und "popelte darinherum". [X.] machte dies der Angeklagte A. [X.] in Ab-wesenheit der Angeklagten. Einmal geschah dies durch die Angeklagte S. [X.], während A. [X.] Zigaretten holte. An zwei anderen Tagennahm die Angeklagte S. [X.] den Penis des Kindes in den Mund undlutsche daran, während der insoweit nicht angeklagte A. [X.] diesemdie Augen zuhielt. Außerdem fesselten die Angeklagten [X.] [X.] min-destens [X.] mit Ketten - sie hingen an der Wand des Schlafzimmers - anArmen und Füßen sowie über den Bauch an einen Stuhl, verbanden ihm miteinem Tuch die Augen und ließen ihn so jeweils etwa eine Stunde lang alleinesitzen. [X.]verspürte Angst und Schmerzen. An drei weiteren Tagenschlug der Angeklagte A. [X.] dem Kind in der Küche mit einer stetsauf dem Eßtisch bereit liegenden Schöpfkelle - Gedächtniskeule genannt -kräftig schmerzhaft auf den Kopf.Mit Ausnahme eines vom Angeklagten A. [X.] eingeräumtenSchlages mit der Schöpfkelle bestreiten die Angeklagten die Tatvorwürfe. [X.] stellen sie jeglichen sexuellen Mißbrauch in Abrede. Die [X.] stützt sich bei Ihren Feststellungen zum Tatgeschehen im wesentlichen aufdie "glaubhaften und unbefangenen" Angaben von J. [X.] .II.1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom [X.] [X.] dargelegten Gründen [X.] 6 -2. Auch die Überprüfung des Urteils des [X.]s aufgrund der Sach-rüge deckt bei beiden Angeklagten keinen durchgreifenden Rechtsfehler zuderen Nachteil auf. Insbesondere genügt die Beweiswürdigung den [X.], die an die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussage eines Hauptbe-lastungszeugen zu stellen sind, wenn im wesentlichen Aussage gegen [X.] steht, objektive Beweisanzeichen fehlen und die [X.] im Hinblickauf ihre Aufklärungspflicht die Zuziehung eines aussagepsychologischenSachverständigen für geboten erachtet hat (vgl. dazu [X.]St 45, 164; [X.],Urteil vom 23. Oktober 2002 - 1 StR 274/02). Die [X.] würdigt - wennauch knapp - alle hier in Betracht kommenden Gesichtspunkte, die gegen ei-nen fehlenden Erlebnishintergrund der Angaben des Kindes sprechen (Un-wahrhypothese). Sie setzt sich ebenso mit der Aussagegenese auseinander,wie mit wechselnden Darstellungen, Fehlerinnerungen und Widersprüchen inden Angaben des kindlichen Zeugen. Dabei stützt sich die [X.] nichtnur auf das Sachverständigengutachten - deren Anknüpfungstatsachen undsonstige zum Verständnis und zur Beurteilung der Schlüssigkeit [X.] sie im hier gebotenen Umfang mitteilt - einer Psychologin sowie er-gänzend auf die sachverständigen Darlegungen eines Kinderarztes und Psy-chologen, sondern auch auf die Beobachtungen des behandelnden Kinderarz-tes und der Lehrerin des Kindes sowie weiterer sachkundiger Zeugen, die die-ses betreuten oder behandelten. Die [X.] erkennt in J. [X.] schließlich "ein aufgewecktes, frisches und auch kontaktfreudiges, örtlich undzeitlich orientiertes, aussagetüchtiges" - und schon gar nicht geisteskrankes -Kind, das sich in der Hauptverhandlung ohne Scheu zunächst spontan, [X.] überlegt äußerte und dessen Aussage im Kernbereich von Kon-- 7 -stanz und Detailreichtum geprägt ist und insoweit tatsächlich Erlebtes wieder-gibt.Rechtsfehlerfrei gelangt die [X.] schließlich zu folgender Be-wertung: "Die Entstehung der Aussage von [X.] [X.] deutet nicht dar-auf hin, daß das Kind von seiner Mutter zu einer Belastung der beiden Ange-klagten beeinflußt worden wäre." Die Angaben des aussagetüchtigen Zeugen[X.] [X.] "gegenüber der Kriminalpolizei, der Sachverständigen unddem Gericht sind im Kernbereich konstant geblieben. Gegenstand der Aussagewaren jeweils Schläge seines [X.] mit der Schöpfkelle, das gemeinschaftli-che Fesseln im Schlafzimmer sowie der sexuelle Mißbrauch durch [X.] der Angeklagten [X.]und das Eindringen in seines Anus durch einenFinger seines [X.]." Die detailreichen Schilderungen des Jungen weisen si-gnifikante Realkennzeichen auf mit raum-zeitlichen Verknüpfungen sowie [X.]. Vor diesem Hintergrund wird - wie die [X.] imeinzelnen überzeugend darlegt - die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht [X.] erschüttert, daß er sich hinsichtlich der Anzahl der Tathandlungen [X.] erinnerte, sich bei der Anordnung der Möblierung teilweise irrte, sichbezüglich des Ortes der Fesselung im Schlafzimmer und der Anzahl sowie [X.] der dabei verwendeten Ketten korrigierte, sich über die Beschädigungenan der Schlafzimmertür bei seinem - im übrigen besonders plastisch und über-zeugend geschilderten - Versuch, seine Schwester, zu befreien, falsche [X.] machte, und er die weitere Tathandlung der Angeklagten S. [X.]erst in der Hauptverhandlung benannte. [X.] zu [X.] oder zu beschönigen, versuchte er [X.] 8 -Der mangelnden Erinnerung des geschädigten Kindes an die [X.] hat die [X.] in der [X.] dadurch Rechnung getragen, daß sie die Verurteilung auf die zwei-felsfrei sicher feststellbare Mindestzahl von Taten beschränkte und die Ange-klagten im übrigen [X.], beziehungsweise - hinsichtlich des auch beiS. [X.] angeklagten Vorwurf des Schlagens mit der Schöpfkelle - [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat.[X.] Verurteilung der Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld istfrei von [X.]. Beide haften als Gesamtschuldner. Die [X.]hat zwar zur Begründung des Anspruchs auch auf den durch die einzelnenTathandlungen - etwa die Schläge mit der Schöpfkelle allein durch den Ange-klagten A. [X.] - unmittelbar verursachten Schmerz abgestellt. [X.] waren jedoch die infolge aller Taten - insbesondere derjenigendes sexuellen Mißbrauchs - und deren unmittelbare Auswirkungen insgesamtverursachten länger andauernden körperlichen und psychischen Beeinträchti-gungen, wie Angstzustände, Alpträume, erhöhte Aggressivität und Einkoten.Dies haben beide Angeklagte gemeinsam verursacht. Für die [X.] (§ 847 Abs. 1 BGB) haften sie deshalb als Gesamtschuldner (§ 840Abs. 1 BGB) und zwar - zumindest - in den beiden Fällen der Fesselung anden Stuhl als Mittäter (§ 830 Abs. 1 BGB), im übrigen als [X.] (vgl. [X.] Thomas BGB 61. Aufl. § 840 Rdn. 2).- 9 -Das [X.] hat der bezifferten Schmerzensgeldforderung ("minde-stens 12.500,-- vollem Umfang, sondern nur in Höhe von 10.000,-- entsprochen. Zutreffend hat die [X.] davon abgesehen, die [X.] Klage in der Urteilsformel abzuweisen, sie hat vielmehr - im Ergebnis -von einem Ausspruch über den weitergehenden Antrag abgesehen (§ 405Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StPO). Denn im Adhäsionsverfahren kommt - entgegenden mißverständlichen Ausführungen des [X.]s in den Urteilsgründen -eine Klageabweisung nicht in Betracht. Der Nebenkläger kann, soweit seinemAntrag nicht entsprochen wurde, sein Ziel anderweitig weiter verfolgen (§ 406Abs. 3 Satz 2 StPO). Der Sache nach handelt es sich hier bei der Entschei-dung der [X.] im Adhäsionsverfahren um ein Teilendurteil (vgl. LR-Hilger StPO 25. Aufl. § 406 Rdn. 8; [X.], [X.], [X.], 145 [156]). Das - auch teilweise - Absehen von einer Entscheidung ist [X.] auf § 406 Abs. 3 Satz 2 StPO zur Verdeutlichung ausdrücklich zu te-norieren. Denn dieser Ausspruch - Absehen von einer Entscheidung - beendetdie Rechtshängigkeit des vermögensrechtlichen Anspruchs ([X.] Aufl. § 405 Rdn. 15). Der [X.] hat deshalb die Formel des landgerichtli-chen Urteils entsprechend ergänzt.[X.]Wahl [X.] Kolz [X.]

Meta

1 StR 529/02

13.05.2003

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.05.2003, Az. 1 StR 529/02 (REWIS RS 2003, 3120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3120

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