Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.05.2010, Az. I R 105/08

1. Senat | REWIS RS 2010, 6922

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Gegenstand

Gemeinschafts- und Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverfahrens nach § 50a Abs. 4, Abs. 5 EStG 1997 - Keine Schätzung von Betriebsausgaben im Steuerabzugsverfahren - Anwendungsvorrang des EU-Rechts rechtfertigt nicht eine verschärfende Anwendung einer anderen Norm - Erfassung der Umsatzsteuer als Einnahme bei Anwendung der sog. Nullregelung


Leitsatz

1. NV: Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass die aufgrund der sog. Nullregelung (§ 51, 52 UStDV 1999 a.F.) nicht erhobene Umsatzsteuer zu den Einnahmen i.S. des § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des UntStFG gehört.

2. NV: Entgegen der gesetzlichen Regelung kann der Vergütungsschuldner aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts Betriebsausgaben geltend machen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Einnahmen stehen und ihm vom Vergütungsgläubiger mitgeteilt wurden (Anschluss an Senatsurteil vom 24. April 2007 I R 39/04, BFHE 218, 89, BStBl II 2008, 95). Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn der Vergütungsschuldner die Höhe der Aufwendungen sicher kennt. Eine Schätzung von Betriebsausgaben ist im Steuerabzugsverfahren nicht zulässig. Auf die so ermittelte Bemessungsgrundlage ist der gesetzliche Steuersatz des § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des UntStFG anzuwenden (entgegen BMF-Schreiben vom 5. April 2007, BStBl I 2007, 449).

3. NV: Gegen die Abzugsverpflichtung eines Vergütungsschuldners nach § 50a Abs. 4 EStG 1997 i.d.F. des UntStFG bestehen dem Grunde nach keine verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Bedenken.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Steueranmeldung über den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 des im Streitjahr 2001 geltenden Einkommensteuergesetzes 1997 i.d.[X.] Unternehmenssteuerreform vom 20. Dezember 2001 ([X.], 3858, [X.], 35 --EStG 1997 n.F.--).

2

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die in [X.] eine Konzertagentur betreibt. Im 1. Quartal 2001 schloss sie Verträge mit Künstlern, Künstlergruppen und Agenturen, die in [X.], [X.] und den [X.] ansässig waren und die Staatsangehörigkeit des entsprechenden Staates besaßen bzw. nach den Vorschriften des betreffenden Staates gegründet worden waren. Für das erste Quartal 2001 meldete sie [X.] gemäß § 50a Abs. 4 EStG 1997 n.F. an. In der Anlage zu der Anmeldung listete sie die Gruppen/Vertragspartner, die auf die einzelnen Vertragspartner ([X.]) entfallende Bemessungsgrundlage, den Steuersatz (26,75 %) sowie den Steuerbetrag von insgesamt 213.356,66 DM, ohne Angabe der Steuerart, auf. Gegen die Anmeldung legte sie fristgerecht Einspruch ein, den der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) als unbegründet zurückwies.

3

Im Klageverfahren verständigten sich die Beteiligten darauf, dass die geschuldeten Vergütungen hinsichtlich der Ertragsteuern in der Weise "brutto" vereinbart waren, dass die Klägerin die Steuern zu Lasten der [X.] einbehalten durfte, wie es in Bezug auf die vereinbarten Gagen auch geschehen war. Demgegenüber waren die Vergütungen hinsichtlich der Umsatzsteuer "netto" in der Weise vereinbart, dass sie insoweit ohne Abzug geschuldet waren.

4

Das Finanzgericht (FG) [X.] gab der Klage mit Urteil vom 15. Oktober 2008  2 [X.] teilweise statt (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 410).

5

Dagegen haben sowohl die Klägerin als auch das [X.] Revision eingelegt.

6

Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das [X.] sowie die angefochtene Steueranmeldung für I/2001 betreffend die Künstlergruppe … aufzuheben und im Übrigen dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Quellensteuer auf 25 % nach Abzug von 50 % Betriebsausgaben herabgesetzt wird.

7

Das [X.] hält das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft, da zur Bemessung der [X.] gemäß § 50a Abs. 4 EStG 1997 n.F. die aufgrund der sog. "Nullregelung" nach § 52 Abs. 2 der im Streitjahr 2001 geltenden Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV 1999 a.F.) nicht erhobene Umsatzsteuer nicht einbezogen worden sei. Es beantragt, das Urteil des FG [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

In Übrigen beantragen die Beteiligten wechselseitig, die Revision des anderen Beteiligten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Dessen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus. Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] feststellen müssen, in welcher Höhe die aufgrund der sog. Nullregelung nicht erhobene Umsatzsteuer auf [X.] entfiel, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der [X.] ([X.]) oder des [X.] ([X.]) besaßen oder die nach den Vorschriften eines Mitgliedstaates gegründet wurden und in einem Mitgliedstaat ansässig waren ([X.]/[X.]-[X.]).

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

1. Zutreffend hat das [X.] erkannt, dass die Klägerin als Vergütungsschuldnerin zur Anfechtung der von ihr selbst abgegebenen Steuererklärung (§ 50a Abs. 5 Satz 2 f. EStG 1997 n.F., § 73e Satz 2 der [X.] [X.]) berechtigt ist. Als Vergütungsschuldnerin kann sie das Bestehen ihrer [X.] mit dem Rechtsbehelf gegen die Steueranmeldung, die gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gilt, überprüfen lassen (vgl. zur ständigen Rechtsprechung [X.]surteile vom 17. November 2004 [X.], [X.] 2005, 892, und vom 28. Januar 2004 [X.], [X.], 174, [X.] 2005, 550).

2. Die Einkünfte der ausländischen Künstler aus ihren Auftritten im Inland und der ausländischen Kapitalgesellschaften unterliegen dem Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, [X.]. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, Nr. 3 EStG 1997 n.F. Die Klägerin war als Vergütungsschuldnerin verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung der [X.] vorzunehmen und die einbehaltene Steuer an das [X.] abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG 1997 n.F.).

a) Bedenken gegen die Bestimmtheit der als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkenden Steueranmeldung bestehen nicht. Dabei kann offenbleiben, ob § 119 Abs. 1 [X.] anwendbar ist. Denn zum einen ist die Steuerfestsetzung jedenfalls durch die Bezeichnung "Steuerabzug in den Fällen des § 50a Abs. 4 EStG" hinreichend bestimmt und zum anderen beruht sie auf den eigenen Angaben der Klägerin (§ 73e Satz 2 EStDV 2000).

b) Dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 n.F. unterliegen die Einahmen der [X.]. Die Berechnung der Einnahmen ist zwischen den Beteiligten nur insoweit streitig, als das [X.] die Umsatzsteuer auf die hinzugerechneten Einnahmen ihrerseits nicht als weitere Einnahme berücksichtigt hat. Zu Recht wendet das [X.] ein, dass dies nicht im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des [X.]s steht. Bei Anwendung der sog. Nullregelung gemäß § 52 Abs. 2 UStDV 1999 a.F. erzielt der ausländische Unternehmer danach eine Einnahme i.S. des § 8 Abs. 1 EStG 1997 n.F. in Gestalt der Befreiung von seiner Umsatzsteuerschuld, die in Höhe der geschuldeten Umsatzsteuer anzusetzen ist (vgl. [X.]surteile vom 30. Mai 1990 [X.]/89, [X.], 97, [X.] 1990, 967; vom 8. Mai 1991 [X.], [X.] 1992, 291; vom 19. November 2003 [X.], [X.], 37, [X.] 2004, 560; [X.] vom 17. November 2004 [X.]/01, [X.] 2005, 690). Diese Rechtsprechung hat zwar Kritik erfahren (vgl. z.B. [X.], EStG, § 50a [X.] 8; Maßbaum in [X.]/[X.]/[X.], EStG/[X.], § 50a EStG [X.]; [X.] in [X.], EStG, 9. Aufl., § 50a EStG [X.] 21). Der [X.] hält aber in Anbetracht dessen, dass §§ 51, 52 UStDV 1999 a.F. vom Veranlagungszeitraum 2002 an durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 ([X.], 3794, [X.], 4) aufgehoben und durch das sog. Reverse-Charge-Verfahren in § 13b Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 i.d.[X.] 2001 --mit der Konsequenz des Nichteinbezugs der Umsatzsteuer in die [X.] (vgl. Schreiben des [X.] --[X.]-- vom 1. August 2002, [X.], 709; [X.], ebenda; [X.], ebenda)-- ersetzt worden sind, schon aus [X.] an seiner Rechtsprechung fest. Es bleibt also dabei, dass die Umsatzsteuer bei allen [X.]n als weitere Einnahme zu berücksichtigen ist.

c) Dem Grunde nach geht das [X.] zu Recht davon aus, dass im [X.] --entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG 1997 n.F.-- unmittelbar im Zusammenhang mit den Einnahmen stehende Betriebsausgaben von der [X.] abgezogen werden können. Der [X.], jetzt Gerichtshof der [X.] ([X.]), hat mit Urteil vom 3. Oktober 2006 [X.]/04 "[X.]" ([X.]. 2006, [X.]) entschieden, dass das [X.]verfahren bei beschränkt Steuerpflichtigen und die damit einhergehende Haftung des [X.] grundsätzlich mit [X.]-Recht, insbesondere der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, Art. 50 des [X.] [X.] ([X.]), jetzt Art. 56, Art. 57 des [X.] Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V) i.d.[X.] zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.] (Amtsblatt der [X.] 2007 Nr. [X.]), vereinbar sind, sofern im [X.]verfahren die im unmittelbaren Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben des beschränkt steuerpflichtigen [X.]/[X.]-[X.]s, die er dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, geltend gemacht werden können (vgl. dazu [X.]surteil vom 24. April 2007 [X.], [X.], 89, [X.] 2008, 95).

Als Betriebsausgaben können nach diesen Grundsätzen auch die von den [X.]/[X.]-[X.]n geschuldeten Umsatzsteuern, die bereits als Einnahme aufgrund der Wirkung der Nullregelung berücksichtigt wurden, als Betriebsausgaben abgezogen werden. Das vom [X.] in seiner Entscheidung in [X.]. 2006, [X.] genannte Erfordernis der "Mitteilung" der Kosten steht dem Abzug nicht entgegen. Einer ausdrücklichen Mitteilung der [X.] bedurfte es angesichts der sicheren Kenntnis des Betrags seitens der Klägerin nicht. In diesem Punkt ist der Rechtsstreit aber noch nicht entscheidungsreif. Denn das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe die aufgrund der Nullregelung nicht erhobene Umsatzsteuer auf [X.]/[X.]-Vergütungsläubiger entfiel.

d) Eine Schätzung weiterer Betriebsausgaben hat das [X.] aufgrund der Verhältnisse im Streitfall zu Recht abgelehnt. Das [X.] hat für den [X.] bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 [X.]O), dass der Klägerin keine weiteren Kosten, z.B. für Ton, Licht, Agenten oder Manager, von den [X.]/[X.]-[X.]n mitgeteilt wurden. Zutreffend weist das [X.] darauf hin, dass das [X.] einer Schätzung entgegensteht. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist es zur Herstellung der Gemeinschaftsrechtskonformität notwendig, aber auch ausreichend, wenn im [X.] nur die im unmittelbaren Zusammenhang mit der steuerpflichtigen Tätigkeit stehenden, vom [X.] "mitgeteilten" Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Eine weiter gehende Einschränkung des § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG 1997 dahin, dass auch vom [X.] nicht mitgeteilte Betriebsausgaben nach Maßgabe von § 162 [X.] zu schätzen und in Abzug zu bringen wären, erfordert der Anwendungsvorrang des [X.]-Rechts mithin nicht. Vielmehr kann der Steuerschuldner seine Erwerbsaufwendungen im Nachhinein im Rahmen eines Erstattungsbegehrens geltend machen (vgl. [X.]surteil in [X.], 89, [X.] 2008, 95).

e) Auf den nach Abzug der Umsatzsteuer (bezogen auf die [X.]/[X.]-[X.]) ermittelten Nettobetrag ist der gesetzliche Steuersatz von 25 % (§ 50a Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 n.F.) anzuwenden. Dagegen kann das [X.] (vgl. auch [X.]-Schreiben vom 5. April 2007, [X.], 449) nicht mit Erfolg unter Hinweis auf Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 3/260, [X.], 61; BTDrucks 12/1108, [X.]; BTDrucks 13/4839, [X.]) einwenden, dem gesetzlichen Steuersatz liege bereits ein pauschaler Betriebsausgabenabzug zugrunde.

Denn selbst wenn das zuträfe, böte der Umstand, dass aufgrund Gemeinschaftsrechts bestimmte Betriebsausgaben abgezogen werden können, keine Handhabe, den gesetzlich festgelegten Steuersatz zu überschreiten (ablehnend auch [X.] in [X.], a.a.[X.], § 50a [X.] 30; [X.]/[X.], Der Betrieb 2007, 1430, 1432; [X.]/Schön, Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2007, 658, 662; [X.], [X.] 2007, 842, 843; [X.], Beihefter zu Heft 17, [X.] --DStR-- 2008, 25, 32; [X.]/[X.], § 50a EStG [X.] 12; Schauhoff/ [X.]/[X.], Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der [X.], 2008, [X.] ff; kritisch auch [X.], Pressemitteilung IP/08/144 vom 31. Januar 2008). Der Anwendungsvorrang des [X.]-Rechts kann zwar --wie im Fall des § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG 1997-- ggf. zur geltungserhaltenden Reduktion einer nationalen Steuernorm führen, nicht aber zur (eingriffsverschärfenden) Extension einer an diese Norm anknüpfenden anderen Vorschrift, die ihrerseits [X.] unbedenklich ist.

Ebenso wenig könnte das geltend gemachte Motiv des Gesetzgebers bei der Bemessung des Steuersatzes dazu führen, die aufgrund Gemeinschaftsrechts in Abzug zu bringenden mitgeteilten unmittelbaren Betriebsausgaben erst ab einer bestimmten Schwelle --wie die im [X.]-Schreiben in [X.], 449 geltend gemachten 50 % der [X.] zu berücksichtigen. Denn damit würden die Vorgaben des [X.] in dem Urteil in [X.]. 2006, [X.], nach dem der Betriebsausgabenabzug ohne weitere Voraussetzungen zu erfolgen hat, missachtet.

Der [X.] sieht auch keine Veranlassung den Abzugsbetrag nicht nach dem linearen Tarif des § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 n.F., sondern nach dem für unbeschränkt Steuerpflichtige geltenden tariflichen Steuersatz zu berechnen. Soweit der [X.] zum Erstattungsverfahren (§ 50d Abs. 1 Satz 2 ff. EStG 1997 n.F.) entschieden hat, dass die Grundfreiheiten des [X.]-Vertrags einer nationalen Regelung, welche die Einkünfte [X.] einer definitiven Besteuerung zu einem einheitlichen Steuersatz von 25 % durch Steuerabzug unterwirft, nur dann entgegen stehen, wenn die Besteuerung, nach welcher die Einkünfte Gebietsansässiger besteuert werden, im Vergleich niedriger ist (vgl. [X.]-Urteil vom 12. Juni 2003 [X.]/01 "[X.]" ([X.]. 2003, [X.], [X.] 2003, 859; vgl. dazu [X.]surteile vom 24. April 2007 [X.], [X.], 83, [X.] 2008, 132, und in [X.], 174, [X.] 2005, 550), sind diese Grundsätze nicht auf das dem Erstattungsverfahren vorgelagerte [X.] übertragbar (ebenso [X.], Steuer und Wirtschaft International --[X.]-- 2007, 17, 25 ff.; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 50a [X.] 30; anders [X.] Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 19. Oktober 2006 2006/14/0109, Beilage zur [X.] Steuer-Zeitung 2007, 117). Denn die dadurch erforderliche Vergleichsberechnung setzt einerseits einen Überblick über die Gesamtjahreseinkünfte des [X.]s voraus, die der Vergütungsschuldner im Zeitpunkt des [X.], an den die Haftung anknüpft, nicht haben kann. Andererseits sind im [X.] nur die im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Aufwendungen abzugsfähig; die sonstigen Aufwendungen können ohnehin erst im Erstattungsverfahren geltend gemacht werden.

3. Das [X.] verstößt nicht gegen die Grundfreiheiten und die sonstigen Bestimmungen des [X.]-Vertrags.

a) Die von dem Steuerabzug ausgehende Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49, Art. 50 [X.] (Art. 56, Art. 57 A[X.]V) ist durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Effizienz der Beitreibung zu gewährleisten. Das [X.]verfahren ist ein legitimes Mittel, um die steuerliche Erfassung der Einkünfte einer außerhalb des Besteuerungsstaates ansässigen Person sicherzustellen und zu verhindern, dass die betreffenden Einkünfte sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Staat der Leistungserbringung unversteuert bleiben (vgl. [X.]-Urteil in [X.]. 2006, [X.]).

Der erkennende [X.] sieht sich in dieser Einschätzung durch das [X.]-Urteil vom 22. Dezember 2008 [X.]/07 "Truck Center" ([X.] 2009, 135) zur Niederlassungsfreiheit bestätigt. Der [X.] erkennt darin die unterschiedlichen Steuererhebungsformen als logische Folge der unterschiedlichen Besteuerung von gebietsansässigen und gebietsfremden Vergütungsempfängern an. Er stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, dass gebietsansässige Empfänger unmittelbar der Kontrolle der dortigen Steuerverwaltung mit der Möglichkeit der Zwangsbeitreibung unterliegen, während diese Steuerverwaltung bei gebietsfremden Zahlungsempfängern auf die Unterstützung der Steuerverwaltung des [X.] angewiesen sei. Diese Begründung rechtfertigt nicht nur die unterschiedliche Behandlung von [X.] gegenüber [X.] innerhalb der [X.], sondern auch gegenüber beschränkt Steuerpflichtigen, die in [X.] ansässig sind. Ausgehend von dieser Entscheidung erübrigen sich auch Ausführungen zu etwa mit dem [X.] verbundenen Liquiditätsnachteilen. Denn der [X.] stellt auch darauf ab, dass neben der fehlenden Vergleichbarkeit der Sachverhalte, die unterschiedlichen Steuerregelungen den gebietsansässigen Zahlungsempfängern nicht notwendigerweise einen Vorteil verschaffen, da sie Einkommen- oder Körperschaftsteuervorauszahlungen leisten müssen und der für Zwecke der Vorauszahlungen zugrunde zu legende Steuersatz höher sein kann als bei den im [X.] einzubehaltenden Steuern. Dass es insoweit zu Lasten ausländischer Künstler nicht zu einer endgültigen Benachteiligung kommt, wird nach Auffassung des erkennenden [X.]s durch die Vergleichsberechnung im Erstattungsverfahren sichergestellt. Zutreffend hat das [X.] dargelegt, dass außerdem mit der Freistellung und dem Kontrollmeldeverfahren (vgl. § 50d Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 3 EStG 1997 in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, § 52 Abs. 59a EStG 1997 n.F.) weitere Maßnahmen zur Abmilderung etwaiger Nachteile im [X.]verfahren zur Verfügung stehen.

Des Weiteren bleibt das [X.]verfahren jedenfalls bis zur Geltung der Richtlinie 2001/44/[X.] des Rates vom 15. Juni 2001 zur Änderung der Richtlinie 76/308/[X.] über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des [X.] für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen und bezüglich der Mehrwertsteuer und bestimmter Verbrauchsteuern --[X.]-Beitreibungsrichtlinie-- (Amtsblatt der [X.]en 2001 Nr. L 175, 17) i.V.m. dem Gesetz zur Durchführung der [X.]-Beitreibungsrichtlinie i.d.F. vom 3. Mai 2003 ([X.], 654) aus europarechtlicher Sicht unbeanstandet. Für die Beurteilung des entscheidungserheblichen Zeitraums stellt der [X.] auf den Zeitraum der Auszahlung der Vergütung und nicht den Zeitpunkt des Erlasses des [X.] ab (vgl. [X.]-Urteil in [X.]. 2006, [X.], [X.]. 39 i.V.m. [X.]. 19 f.; anders [X.], [X.] 2007, 17, 24). Im Übrigen ist selbst für das [X.] zu bezweifeln, ob die zwischenstaatlich vereinbarte Amtshilfe bei der Beitreibung von Steuerforderungen geeignet ist, die vom [X.] geschilderten und anerkannten Vorteile des [X.]verfahrens in Frage stellen zu können (vgl. [X.]sbeschluss vom 29. November 2007 [X.], [X.], 214, [X.] 2008, 195).

b) Die Vereinbarkeit des [X.]s mit dem (seinerzeitigen) [X.]-Vertrag wird aus den vorgenannten Gründen durch die Regelungen der jeweils einschlägigen [X.] ([X.]) nicht berührt. Die dort enthaltenen Regelungen zur Amts- und [X.] können die Notwendigkeit des [X.]s nicht in Frage stellen. Auch der [X.] hat den [X.]-Regelungen keine Relevanz beigemessen, eine effektive Steuererhebung zu gewährleisten (vgl. [X.]-Urteil in [X.]. 2006, [X.]). Insoweit ist es nicht entscheidungserheblich, dass nach der Rechtslage in den Jahren, in denen der Abzug hätte vorgenommen werden müssen, gemäß den [X.] oder aufgrund sonstiger bilateraler Abkommen [X.] zu leisten gewesen wäre. Die in den Streitjahren möglichen grenzüberschreitenden Amtshilfe- oder Vollstreckungsersuchen konnten nach Auffassung des [X.]s die Nachteile, die der Finanzverwaltung aus ihrer fehlenden Ermittlungsmöglichkeit auch im [X.]-Ausland erwachsen, nicht ausgleichen.

c) Soweit die Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des [X.]s den Kultur- und Bildungsauftrag der [X.] (jetzt: [X.]) nach Art. 151 [X.] (jetzt Art. 167 A[X.]V) anführt, ist dem nicht zu folgen. Ein Anspruch auf Anwendung eines bestimmten Besteuerungsverfahrens oder eine steuerliche Privilegierung gegenüber inländischen Künstlern lässt sich daraus nicht herleiten.

d) Da das unterschiedliche Besteuerungsverfahren bei [X.] und [X.] sachlich gerechtfertigt ist, d.h. einen legitimen Zweck verfolgt und verhältnismäßig ist, liegt der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Art. 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundrechte vom 4. November 1950 i.V.m. Art. 1 des Zusatzprotokolls vom 20. März 1952 nicht vor (vgl. zu Rechtfertigungsanforderungen [X.], Urteil vom 23. Oktober 1990 Nr. 17/1989/177/233, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 1404). Auch das allgemeine [X.]-Diskriminierungsverbot nach dem Vorbild des Art. 24 des [X.] ist aus diesem Grund nicht verletzt. Eine unzulässige Diskriminierung liegt nicht allein darin, dass nicht ansässige Personen aus praktischen Erwägungen in einem anderen Verfahren besteuert werden als ansässige Personen, soweit sich keine höhere Gesamtsteuerbelastung für den Nichtansässigen im Vergleich zum Ansässigen ergibt (vgl. [X.]surteil vom 22. April 1998 [X.], [X.], 89). Aufgrund der Möglichkeiten der Freistellung und dem Erstattungsverfahren gelten selbst für in einem Drittstaat ansässige Künstler vergleichbare Bedingungen, so dass auch der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Art. 15 Abs. 3 der [X.]-Menschenrechtscharta, ungeachtet der Frage, ob dessen sachlicher Schutzbereich ("Arbeitsbedingungen") überhaupt eröffnet ist, nicht vorliegt.

e) Der [X.] sieht schließlich keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des [X.] einzuholen. Die Auslegung der Dienstleistungsfreiheit und der sonstigen europarechtlichen Bestimmungen ist hinsichtlich der streitentscheidenden Vorschrift in Anbetracht der bereits vorliegenden gefestigten Spruchpraxis des [X.] nicht zweifelhaft, so dass die Voraussetzungen für eine Vorlage des Streitfalls nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V nicht erfüllt sind (vgl. zur fehlenden Vorlageverpflichtung bei offenkundiger Rechtslage [X.]-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "[X.]", [X.]E 1982, 3415).

4. Die Verpflichtung zur Vornahme des [X.] begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Soweit in der Literatur kritisiert wird, die Auswahl der Besteuerungstatbestände der beschränkten Steuerpflicht, an die das [X.] anknüpft, erscheine unzulänglich und in ihrer Gesamtheit ungereimt (vgl. [X.], Beihefter zu Heft 17, [X.], 25, 27; Staringer in [X.], Band 31, [X.], 151; zweifelnd [X.] in [X.], a.a.[X.], § 50a [X.] 2), rechtfertigt dies keine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das [X.] ([X.]) nach Art. 100 GG. Trotz systematischer Bedenken an der Auswahl der Besteuerungsobjekte und der damit einhergehenden Besteuerungslücken bei nicht erfassten Einkünften mit Inlandsbezug hält sich die gesetzliche Regelung noch im Rahmen des dem Gesetzgeber --angesichts der Vielfalt wirtschaftlicher Betätigungsmöglichkeiten mit unterschiedlich starkem [X.] zustehenden weiten Entscheidungsspielraums. Auch das [X.] hat die Verfassungsmäßigkeit der beschränkten Steuerpflicht ausländischer Künstler und des [X.] nicht beanstandet (vgl. [X.]-Beschluss vom 9. Februar 2010  2 BvR 1178/07, [X.] 2010, 327). Im Übrigen könnte die Klägerin durch eine Ausdehnung der Steuerpflicht auf andere Steuergegenstände keine Besserstellung für sich selbst erreichen.

5. Das [X.] ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Meta

I R 105/08

05.05.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 15. Oktober 2008, Az: 2 K 218/07, Urteil

§ 50a Abs 4 S 2 EStG 1997 vom 20.12.2001, Art 49 EG, Art 50 EG, Art 56 AEUV, Art 57 AEUV, § 51 UStDV 1999, § 52 UStDV 1999, § 162 AO, Art 3 Abs 1 GG, § 50d Abs 1 S 2 EStG 1997 vom 23.10.2000, Art 24 OECDMustAbk, Art 14 MRK, Art 1 MRKZProt, § 13b Abs 1 Nr 1 UStG 1999 vom 20.12.2001, § 50a Abs 5 S 2 EStG 1997 vom 20.12.2001

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.05.2010, Az. I R 105/08 (REWIS RS 2010, 6922)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6922

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

7 K 50/16

7 K 52/16

Zitiert

2 BvR 1178/07

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