Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Gerichtskosten bei Verbandsklage: Antrag eines Verbraucherschutzverbands auf Streitwertminderung wegen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage
Der Streitwert wird in Abänderung der [X.]in dem Beschluss des [X.]- 2. Zivilsenat - vom 3. Februar 2022 für die erste und für die zweite Instanz auf jeweils 205.000 € festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 GKG).
Der Antrag des Klägers, gemäß § 12 Abs. 3 UWG anzuordnen, dass sich die Verpflichtung des [X.]zur Zahlung von Gerichtskosten nach einem seiner Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst, wird abgelehnt.
[X.]Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener gemeinnütziger Verbraucherschutzverein, hat die Ansicht vertreten, die Beklagte, eine [X.]Versicherungsgesellschaft, die den Abschluss von Lebens- und Rentenversicherungen anbietet, verstoße durch die von ihr praktizierte Überschussbeteiligung gegen die Vorgaben von § 6 Abs. 1 Satz 1 Mindestzuführungsverordnung (MindZV), indem sie Versicherungsnehmern in dem von ihr angebotenen Tarif "P R P " eine höhere Überschussbeteiligung zuteile als jenen, die zwischen Juli 1994 und Dezember 2016 in anderen Tarifen Versicherungsverträge mit einem höheren Rechnungszins abgeschlossen hätten. Des Weiteren hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit von insgesamt neunzehn Teilklauseln in den "Versicherungsbedingungen: Teil A - Baustein Altersvorsorge - Zukunftsrente P E " der [X.]sowie insgesamt sieben Angaben in den zugehörigen Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen gewandt. Der Senat hat den Streitwert für das Revisions- und Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 6. Februar 2024 (IV ZR 436/22, juris) auf 205.000 € festgesetzt, wovon 187.500 € auf die Rechtsmittel des [X.]und 17.500 € auf die Rechtsmittel der [X.]entfallen. Die Revision des [X.]und die Anschlussrevisionen beider Parteien sind erfolglos geblieben, während die Revision der [X.]teilweise erfolgreich war (Senatsurteil vom 18. September 2024 - IV ZR 436/22, juris).
In der Revisionsinstanz hat der Kläger beantragt, gemäß § 12 Abs. 3 UWG anzuordnen, dass sich seine Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtskosten nach einem seiner Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst, den er in den Vorinstanzen mit 50.000 € bewertet hat.
I[X.]Der Antrag des [X.]auf Herabsetzung des Streitwerts ist unbegründet.
1. Voraussetzung für die Herabsetzung des Streitwerts ist, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert die wirtschaftliche Lage der [X.]erheblich gefährden würde. Eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage, an die strenge Maßstäbe anzulegen sind, da auch bei einer Herabsetzung des Streitwerts der [X.]ein gewisses Kostenrisiko verbleiben soll, kann etwa vorliegen, wenn der [X.]durch die Kostenbelastung die Insolvenz droht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 - X ZR 98/14, juris Rn. 5; Köhler/[X.]in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 42. Aufl. § 12 Rn. 4.21; jeweils m.w.N.). Tritt als Kläger ein Verbraucherverband auf, ist die Frage, ob die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert nicht tragbar erscheint, nach weniger strengen Maßstäben zu beurteilen als bei Klagen von [X.](vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2016 - I ZR 24/16, GRUR 2017, 212 Rn. 11 - Finanzsanierungen; vom 28. Juni 2016 aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, VersR 2020, 47 Rn. 38 - Prozessfinanzierer II; jeweils m.w.N.). Die im öffentlichen Interesse tätigen Verbraucherverbände sind im Wesentlichen auf eine finanzielle Ausstattung aus öffentlichen Mitteln angewiesen. Angesichts dessen ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verbraucherverbands anzustellen, insbesondere ist der dem Verband bewilligte Etat für Prozesskosten zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 aaO; Köhler/[X.]aaO Rn. 4.23; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2016 - I ZR 213/15, juris Rn. 7 m.w.[X.]- Energieverbrauchskennzeichnung).
2. Nach diesen Maßstäben ist eine Anordnung, dass sich die Verpflichtung des [X.]zur Zahlung von Gerichtskosten nach einem geringeren Streitwert von 50.000 € bemisst, nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat eine erhebliche Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage nicht dargetan.
a) Er hat vorgetragen, die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage ergebe sich bereits aus der Relation zwischen dem [X.]bei ungemindertem Streitwert in diesem Verfahren und der Höhe der institutionellen Förderung, die sich im Jahr 2021 auf 973.244 € belaufen habe. Angesichts von im Jahr 2021 circa 49 eingeleiteten Verfahren seien die Auswirkungen auf weitere Aktivitäten im kollektiven Rechtsschutz zu bedenken und es sei zu Beginn dieser Verfahren nicht absehbar, wie viele von ihnen in das gerichtliche Verfahren übergingen und wie dann die Erfolgsaussichten seien. Streitwerte im sechsstelligen Bereich verursachten so hohe Kosten, dass dadurch die ohnehin bereits überschaubare Aktivität im kollektiven Rechtsschutz erheblich reduziert, wenn nicht vollständig zum Erliegen kommen würde.
b) Bei diesen Gegebenheiten ist nicht anzunehmen, dass eine Belastung des [X.]mit Prozesskosten nach dem vollen Streitwert seine wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. Seinem Vorbringen ist bereits nicht zu entnehmen, inwieweit der Prozesskostenetat durch laufende Verfahren ausgeschöpft wurde und der Umfang dieser Ausschöpfung im Zusammenwirken mit der Kostenbelastung aus dem Streitfall auf der Grundlage des festgesetzten Streitwerts zu einer erheblichen Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage führt. Allein die zahlenmäßige Angabe weiterer Verfahren vermittelt keine Informationen darüber, in welchem Umfang der Kläger Kosten auszugleichen hatte oder, umgekehrt, inwieweit ihm Kosten erstattet wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016- X ZR 98/14, juris Rn. 9). Darüber hinaus ist nicht dargetan, ob und in welchem Umfang der Kläger, falls der Prozesskostenetat überschritten sein sollte, insgesamt einer wirtschaftlichen Gefährdung unterliegt und ob er in einem solchen Fall gegebenenfalls aus anderen Einnahmequellen zu einem Ausgleich des Prozesskostenetats gelangen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 aaO).
c) Überdies hat der Kläger selbst - im Rahmen seines Antrags - eine Wertfestsetzung von 2.500 € je angegriffener [X.]angeregt, welcher der Senat bereits bei der Festsetzung des Streitwerts für den Rechtsstreit insgesamt Rechnung getragen hat.
Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Dr. Götz Piontek
Meta
23.10.2024
Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZR
vorgehend BGH, 18. September 2024, Az: IV ZR 436/22, Urteil
§ 5 UKlaG, § 12 Abs 3 UWG, § 12 Abs 4 UWG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2024, Az. IV ZR 436/22 (REWIS RS 2024, 9388)
Papierfundstellen: REWIS RS 2024, 9388
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2024, Az. IV ZR 436/22 (REWIS RS 2024, 9388)
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2024, Az. IV ZR 436/22 (REWIS RS 2024, 8253)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2024, Az. IV ZR 436/22 (REWIS RS 2024, 3395)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2024, Az. IV ZR 436/22 (REWIS RS 2024, 963)
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 03.02.2022, Az. 2 U 117/20 (REWIS RS 2022, 13856)
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 03.02.2022, Az. 2 U 117/20 (REWIS RS 2022, 13853)
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
X ZR 97/14 (Bundesgerichtshof)
X ZR 98/14 (Bundesgerichtshof)
I ZR 213/15 (Bundesgerichtshof)
Wettbewerbsrecht: Streitwertbegünstigung für Verbraucherverbände
2 U 117/20 (Oberlandesgericht Stuttgart)
Glaubhaftmachung für wirtschaftlicher Lage angepasstem Streitwert