Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2006, Az. VIII ZR 94/05

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5568

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 18. Januar 2006 P o t s c h Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 214 Abs. 2 Satz 1, 556 Abs. 3 Satz 3, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Der sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ergebende Bereicherungsanspruch ei-nes Wohnungsmieters, der die wegen Versäumung der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossene Betriebskosten-nachforderung des Vermieters bezahlt hat, ist nicht in entsprechender Anwendung des § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen. [X.], Urteil vom 18. Januar 2006 - [X.] - [X.] AG [X.] ([X.]) - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2006 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die Rich-ter Dr. Leimert, [X.], [X.] sowie die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der zehnten Zivil-kammer des [X.]s [X.] vom 6. April 2005 aufgehoben. Die Berufung des [X.]n gegen das Urteil des Amtsgerichts [X.] ([X.]) vom 7. Dezember 2004 wird zurückgewiesen. Der [X.] hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger war Mieter einer in [X.]

gelegenen Wohnung des [X.], für die er neben der Miete vereinbarungsgemäß Vorauszahlungen auf die Betriebskosten entrichtete. Das Mietverhältnis endete zum 31. Dezember 2003. Mit Schreiben vom 26. Januar 2004 teilte der [X.] dem Kläger die Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum vom 1. November 2001 bis zum 31. Dezember 2002 mit. Die sich daraus ergebende Nachforderung in Höhe von 185,89 • beglich der Kläger. 1 - 3 - In dem vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger den [X.]n nach zweimaliger vergeblicher Mahnung auf Rückzahlung des vorgenannten Betra-ges nebst Verzugszinsen mit der Begründung in Anspruch genommen, die Nachforderung sei wegen Versäumung der einjährigen Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen ge-wesen, was er bei der Zahlung - unbestritten - nicht gewusst habe. Ferner hat der Kläger die Erstattung einer vorgerichtlich entstandenen anwaltlichen Ausla-genpauschale in Höhe von 3,70 • verlangt. Das Amtsgericht hat den [X.]n antragsgemäß verurteilt und die Berufung zugelassen. Das [X.] hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die [X.] des erstinstanzlichen Urteils. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. 3 [X.] Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.] 2005, 238 veröf-fentlicht ist, hat ausgeführt: 4 Der geltend gemachte Bereicherungsanspruch bestehe nicht. Die [X.] des [X.] auf den Anspruch aus einer Betriebskostenabrechnung, des-sen Geltendmachung nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB n.F. ausgeschlossen ge-wesen sei, könne nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückgefordert werden, weil die Rückforderung nach § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB analog ausge-schlossen sei. Die Zahlung auf die verspätet vorgelegte [X.] sei mit der Zahlung auf eine verjährte Forderung vergleichbar. Sie sei auf 5 - 4 - eine Abrechnung von tatsächlich angefallenen Betriebskosten erfolgt. Daher sei der vorliegende Fall gerade mit dem des § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB vergleichbar, denn eine Forderung solle zur Schaffung von Rechtssicherheit nach gewisser und bestimmter Zeit nicht mehr geltend gemacht werden können. Der Zweck der Regelung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB n.F. liege in dem Schaffen einer Abrechnungssicherheit sowie der Vermeidung von Streit. Gerade die Vermei-dung von Streitigkeiten sei aber nur dann gewährleistet, wenn eine Zahlung auf eine verfristete Abrechnung nicht zurückverlangt werden könne. I[X.] Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. 6 1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den vom Kläger gegen den [X.] geltend gemachten Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der von ihm beglichenen Nachforderung in Höhe von 185,89 • aus der Betriebskostenrechnung für den Zeitraum vom 1. November 2001 bis zum 31. Dezember 2002 verneint. 7 a) Die Voraussetzungen des vorbezeichneten Anspruchs sind gegeben. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht aus. Der Kläger hat dem [X.] zum Ausgleich seiner Nachforderung in der Betriebskostenabrechnung vom 26. Januar 2004 185,89 • gezahlt. Diese Leistung ist ohne Rechtsgrund erfolgt, da die Nachforderung des [X.]n ausgeschlossen ist. 8 Gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB, der auf den hier in Rede ste-henden Abrechnungszeitraum vom 1. November 2001 bis zum 31. Dezember 2002 Anwendung findet (Art. 229 § 3 Abs. 9 EGBGB), ist die Betriebskostenab-rechnung dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach [X.] des Abrechnungszeitraums mitzuteilen; nach Ablauf dieser Frist ist die [X.] - 5 - tendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. [X.] hat der [X.] dem Kläger die Betriebskostenabrechnung für den Zeit-raum vom 1. November 2001 bis zum 31. Dezember 2002 mit Schreiben vom 26. Januar 2004 nicht fristgemäß mitgeteilt. Da nicht ersichtlich ist, dass der [X.] die Versäumung der Frist nicht zu vertreten hat, und entsprechender Tatsachenvortrag von der Revisionserwiderung auch nicht aufgezeigt wird, ist die Geltendmachung der Nachforderung ausgeschlossen. Angesichts dessen hat der Kläger seine Zahlung an den [X.]n ent-gegen der Ansicht der Revisionserwiderung auf eine nicht bestehende Schuld und damit ohne Rechtsgrund geleistet. Bei nicht fristgerechter Abrechnung ver-liert der Vermieter den Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten (so [X.] die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Miet-rechtsreformgesetz [im Folgenden nur: Gesetzentwurf], BT-Drucks. 14/4553, [X.]). Die Regelung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, die auf § 20 Abs. 3 Satz 4 NMV zurückgeht, enthält ebenso wie diese Vorschrift eine Ausschlussfrist (Ge-setzentwurf, BT-Drucks. aaO, S. 51; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. aaO, S. 87; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschus-ses, BT-Drucks. 14/5663, S. 79; ferner Senatsurteil vom 17. November 2004 - [X.] ZR 115/04, NJW 2005, 219 unter [X.]; Senatsurteil vom 9. März 2005 - [X.] ZR 57/04, NJW 2005, 1499 unter [X.]). Der Ablauf einer Ausschlussfrist führt - anders als der Ablauf einer Verjährungsfrist - nicht zu einer bloßen Ein-redebefugnis gegenüber einem fortbestehenden Recht, sondern hat den Unter-gang des Rechts zur Folge (vgl. [X.] 122, 23, 24; [X.]/[X.], 4. Aufl., [X.], Vor § 194 [X.]. 10; [X.]/[X.], BGB [2004], [X.]. zu §§ 194 ff. [X.]. 13, [X.]. m.w.Nachw.). Der Schuldner, der nach Ablauf einer Ausschlussfrist Leistungen auf einen untergegangenen Anspruch erbringt, leis-tet ohne Rechtsgrund und kann somit das Geleistete aus dem Gesichtspunkt 10 - 6 - der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern (Mansel/ [X.], [X.] [2002], § 2 [X.]. 9). 11 b) § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach das zur Befriedigung eines [X.] Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, steht dem Berei-cherungsanspruch des [X.] nicht entgegen. Diese Bestimmung ist hier ent-gegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht analog anwendbar. Allerdings ist die entsprechende Heranziehung einzelner für die Verjährung geltender [X.] auf Ausschlussfristen nach der Rechtsprechung des [X.] nicht schlechthin ausgeschlossen; vielmehr ist von Fall zu Fall nach Sinn und Zweck der [X.]eiligen Bestimmung zu entscheiden, inwieweit [X.] auf Ausschlussfristen auch dann anzuwenden sind, wenn nicht ausdrücklich auf sie verwiesen wird ([X.] 122, 23, 25; 112, 95, 101; 84, 101, 108; 73, 99, 101 f.). Danach kommt hier eine analoge Anwendung des § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht in Betracht. Der Ausschluss der Rückforderung nach § 214 Abs. 2 BGB beruht dar-auf, dass der Anspruch durch die Verjährung nicht erlischt und der Gläubiger deswegen durch die Leistung des Schuldners nur das erhalten hat, worauf er trotz der Verjährung einen - wenn auch einredebehafteten - Anspruch besaß ([X.]/[X.], aaO, § 214 [X.]. 9). Nach Ablauf einer Ausschluss-frist erlischt das betroffene Recht gemäß den vorstehenden Ausführungen (un-ter II 1 a) hingegen, so dass eine gleichwohl noch erbrachte Leistung dann auf eine nicht mehr bestehende Schuld erfolgt. Daher ist § 214 Abs. 2 BGB nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf Ausschlussfristen nicht entsprechend an-wendbar ([X.]/[X.], aaO, § 214 [X.]. 9; [X.]/[X.], aaO, § 214 [X.]. 39). Dies gilt auch für die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB (a.[X.], [X.], 4. Aufl., G [X.]. 73 mit Verweis auf das Berufungsurteil). 12 - 7 - Sinn und Zweck des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB rechtfertigen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine andere Beurteilung. Die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB und der durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB angeord-nete Ausschluss von Nachforderungen nach Fristablauf dienen der [X.] für den Mieter und sollen Streit vermeiden (Gesetzentwurf, BT-Drucks. 14/4553, [X.]). Sie gewährleisten eine zeitnahe Abrechnung, damit der Mieter in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ab-rechnungszeitraum entweder über ein sich zu seinen Gunsten ergebendes Guthaben verfügen kann oder Gewissheit darüber erlangt, ob und in welcher Höhe er mit einer Nachforderung des Vermieters rechnen muss (Senatsurteil vom 17. November 2004, aaO, unter [X.]). Daraus lässt sich nicht herleiten, dass dem Mieter, der in Unkenntnis der Ausschlussfrist geleistet hat, ein berei-cherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch versagt ist. 13 c) Dem Bereicherungsanspruch des [X.] steht entgegen der von dem [X.]n in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung auch kein deklaratori-sches Schuldanerkenntnis des [X.] entgegen. 14 Vor der Mietrechtsreform war es allerdings herrschende Meinung, dass in der vorbehaltlosen Zahlung einer Abrechnungsnachforderung durch den Mie-ter ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu sehen sei, das den Ausschluss nachträglicher Einwendungen zur Folge habe (vgl. [X.]t-Futterer/Langen-berg, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 BGB, [X.]n. 403 f.; [X.]/[X.], BGB [2003], § 556 [X.]. 133, [X.]. m.w.Nachw.). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Auffassung auch noch nach der Mietrechtsreform berechtigt ist oder ob und inwieweit der Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses nunmehr die dem Mieter gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB zukommende Ein-wendungsfrist von einem Jahr und das Verbot dem Mieter nachteiliger Rege-lungen in § 556 Abs. 4 BGB entgegenstehen (vgl. dazu [X.]t-Futterer/ 15 - 8 - [X.], aaO, [X.]n. 407 ff.; [X.]/[X.], aaO, [X.]. 134; [X.]/[X.], aaO, § 556 [X.]n. 102 f.; [X.], [X.], 937, 940; [X.], [X.] 2004, 1572, 1581, [X.]. m.w.Nachw.). Unabhängig davon kommt hier ein dem Bereicherungsanspruch des [X.] [X.] Schuldanerkenntnis schon deswegen nicht in Betracht, weil ein solches Anerkenntnis nur die Einwendungen des Schuldners ausschließt, die dieser bei Abgabe der Erklärung kannte oder mit denen er zumindest rech-nete (Senatsurteil [X.] 69, 328, 331; [X.], Urteil vom 9. Februar 1998 - II ZR 374/96, [X.], 656 unter 1 m.w.Nachw.). Der Kläger wusste aber bei der vorbehaltlosen Zahlung gerade nicht, dass die Betriebskostennachforderung des [X.]n wegen Versäumung der Nachforderungsfrist ausgeschlossen ist, und rechnete hiermit auch nicht. d) Aus dem gleichen Grunde kann sich der [X.] entgegen der [X.] der Revisionserwiderung gegenüber dem Bereicherungsanspruch des [X.] schließlich auch nicht auf Vertrauensschutz (§ 242 BGB) berufen (vgl. dazu einerseits [X.]t-Futterer/[X.], aaO, [X.]. 413, andererseits [X.], Handbuch der Mietnebenkosten, 9. Aufl., [X.]. 3273 a). 16 2. Die Nebenforderungen ergeben sich aus §§ 280, 286, 288 BGB. 17 - 9 - II[X.] 18 Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, da es weiterer tatsächlicher Feststel-lungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klage nach den vorstehenden Ausführungen begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben, und das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts ist wieder herzustellen. [X.] Dr. Leimert [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 07.12.2004 - 3 C 284/04 - [X.], Entscheidung vom 06.04.2005 - 10 S 8/05 -

Meta

VIII ZR 94/05

18.01.2006

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2006, Az. VIII ZR 94/05 (REWIS RS 2006, 5568)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5568

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