Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2012, Az. 5 StR 412/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 944

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Nachschlagewerk: ja
[X.]St : ja
Veröffentlichung : ja

[X.] § 229 Abs. 1, 2, 4 Satz 1
[X.] § 249 Abs. 2

Sachverhandlung durch Anordnung und Vollzug des Selbst-
leseverfahrens.

[X.], Urteil vom 28. November 2012

5 [X.]/12

Landgericht [X.]

5 [X.]/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] VOLKES

URTEIL

vom 28.
November
2012
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
banden-
und gewerbsmäßigen Betruges

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat aufgrund
der Hauptverhand-lung vom 27.
November 2012, an der
teilgenommen haben:

[X.],

[X.],
[X.]in
Dr. [X.],
[X.],
[X.] Bellay

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt M.

,
Rechtsanwältin Gr.

als Verteidiger
für den
Angeklagten F.

,

Rechtsanwalt

H.

als Verteidiger für den
Angeklagten G.

,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

-
3
-
in der Sitzung vom 28.
November 2012 für Recht erkannt:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 7. Mai 2012 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen banden-
und gewerbs-mäßigen Betruges verurteilt, den Angeklagten F.

zu einer [X.] von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten G.

zu einer sol-chen
von drei Jahren.
Ihre Revisionen, mit denen sie die Verletzung formel-len und materiellen Rechts rügen, bleiben ohne Erfolg.

Die Nachprüfung des Urteils
aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat, wie der [X.] in seiner Antragsschrift
vom 22. Au-gust
2012 ausgeführt hat, einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur die von beiden [X.] jeweils erhobene Verfahrensrüge, dass
die im Hauptverhandlungs-termin vom 3. Januar
2012 vom
Vorsitzenden
nach § 249 Abs. 2 [X.]
ge-troffenen Feststellungen zum Selbstleseverfahren keine
fristwahrende
Sach-verhandlung
im Sinne des § 229 Abs. 1, 2 und 4 Satz 1 [X.] darstellten.

1
2
-
4
-
1. Den
Verfahrensrügen
liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Vorsitzende der [X.] verfügte mit Erlass des
Eröffnungs-beschlusses
und Terminsanberaumung, dass von
der Verlesung von
520 in

249 Abs.
2 [X.] in der Hauptverhandlung abgesehen werden solle. Die [X.] wurde den Verfahrensbeteiligten mit dem Zusatz mitgeteilt, dass bereits jetzt für die [X.], die Angeklagten und den [X.] der Staatsanwaltschaft Gelegenheit bestehe, diese Urkunden nach [X.] auf der Geschäftsstelle einzusehen.

Im [X.] bestätigten alle Verfahrensbetei-ligten, dass sie die [X.] erhalten hätten.
Der Vorsitzende ordnete bis zum elften [X.], dem 20. Dezember 2011, gemäß §
249 Abs. 2 Satz 1 [X.] hinsichtlich weiterer Urkunden das Selbstlesever-fahren an, darunter auch schriftliche Angaben von Zeugen, deren Verlesung
die [X.] gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 [X.] mit Zustimmung der [X.] zuvor beschlossen hatte.

In dem nachfolgenden [X.] am 3. Januar 2012, der von 7.50 Uhr bis 7.55 Uhr dauerte, wurden zunächst antragsgemäß zwei Pflichtverteidiger anstelle der abwesenden
Pflichtverteidiger beigeordnet. Anschließend erklärten die Schöffen und die Berufsrichter jeder für sich, dass sie vom Wortlaut der in der [X.]
genannten Urkunden und der [X.] Urkunden, für die im Laufe
der Hauptverhandlung das Selbstlesever-fahren angeordnet worden war,
durch Lesen Kenntnis genommen hätten. Es wurde des Weiteren festgestellt, dass die übrigen Verfahrensbeteiligten Ge-legenheit hatten, vom Wortlaut all dieser Urkunden selbst Kenntnis zu [X.]. Sodann ordnete der Vorsitzende zusammenfassend an, dass von der Verlesung vorgenannter Urkunden und Schriftstücke nac

249 Abs. 2 Satz

sehen werde.
Die Hauptverhandlung wurde danach unter-brochen und am 1. Februar 2012 fortgesetzt.

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6
-
5
-
2. Eine
Verletzung der Vorschriften über die Höchstdauer der [X.] gemäß § 229 Abs. 1, 2 und 4 Satz 1 [X.] liegt nicht vor.

a) Der Senat erachtet
die Anordnungen und Feststellungen des Vor-sitzenden im [X.] vom 3. Januar 2012 zur Durchfüh-rung des [X.] (§ 249 Abs. 2 Sätze 1 und
3 [X.]) als Sach-verhandlung im Sinne
der Unterbrechungsvorschriften. Eine solche liegt vor, wenn die Verhandlung den Fortgang der zur Urteilsfindung führenden Sach-verhaltsaufklärung betrifft ([X.], Urteil vom 11. Juli 2008

5 StR 74/08

und Beschluss vom 22. Juni 2011

5 [X.], [X.]R [X.]
§ 229 Abs. 1 Sachverhandlung 9 und 13
mwN).

b) Entgegen der Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesge-richtshofs
(Beschluss vom 16. Oktober 2007

3 [X.], [X.]R [X.] §
229 Abs. 1 Sachverhandlung 8)
stellen allein die Feststellungen des [X.] nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.]
schon eine inhaltliche [X.] dar.
Die
Feststellung, dass außerhalb der Hauptverhandlung eine [X.] durch Selbstlesung einer Urkunde stattgefunden hat, erschöpft
sich nicht in deren Protokollierung
(vgl. hierzu [X.], [X.] 6/2008 [X.]), sondern betrifft
den Fortgang der zur Urteilsfindung führenden Sachaufklärung. Die Berufsrichter und die Schöffen
geben auf Nachfrage des Vorsitzenden regelmäßig

wie auch hier

die festzustellende Erklärung ab, dass sie vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben; gleiches gilt für die Erklärung der übrigen Verfahrensbeteiligten, dass sie hierzu Gelegen-heit hatten.
Erst mit dem Akt der Feststellung durch den Vorsitzenden ist nach §
249 Abs. 2 Satz 3 [X.] dieser Teil einer Beweisaufnahme
durch das Selbstleseverfahren abgeschlossen. Die Urkunde kann dann zum Gegen-stand von Erklärungen (§ 257 [X.]) gemacht werden. Dem Tatgericht
ist es ohne die abschließende Feststellung verwehrt, die Urkunde zur Urteilsfin-dung heranzuziehen (§
261 [X.], vgl. [X.], Beschluss vom
28. Januar 2010

5 [X.], [X.]St 55, 31, 32).

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9
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6
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c) Der
Senat ist

abweichend von
den Ausführungen des [X.] in der Hauptverhandlung

nicht gehalten, gemäß §
132 Abs.
2 und
3
GVG beim 3. Strafsenat des [X.] anzufragen, ob er an seiner entgegenstehenden
Rechtsauffassung
festhält, weil der pro-zessuale Sachverhalt eine Besonderheit aufweist.

Der Vorsitzende der [X.] hat zwar teilweise
hinsichtlich in der
Hauptverhandlung vorausgegangener
Anordnungen des Selbstleseverfah-rens die Feststellungen nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.] getroffen; eine inso-weit auch getroffene wiederholte Anordnung mag ohne verfahrensrechtlichen Gehalt sein.
In Bezug auf die
[X.] lag aber noch keine Anordnung des [X.] durch den Vorsitzenden
vor, die
in der Hauptver-handlung
erfolgen muss, deren Inbegriff (§
261 [X.]) sie mitbestimmt. Die Verfügung des Vorsitzenden in der Terminsanberaumung, dass von
der Ver-lesung
der in dieser Liste
angeführten Urkunden gemäß § 249 Abs. 2 [X.] abgesehen werden solle, stellt noch keine Anordnung im Sinne dieser Vor-schrift, sondern lediglich eine Vorankündigung zur Verfahrensgestaltung dar
(vgl. auch [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl.,
§ 249 Rn. 68, 69). Jedenfalls insoweit bedurfte es

anders
als etwa bei einem Beschluss nach §
247a [X.]
(vgl. [X.], Beschluss vom 28. September 2011

5 [X.], [X.], 65)

in der Hauptverhandlung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.] neben
den gebotenen Feststellungen im Zusammenhang mit der Kenntnis-nahme von den Urkunden
noch einer
Anordnung des Vorsitzenden.
Diese
erfolgte ausdrücklich

so dass es auf eine etwa mögliche konkludente An-ordnung nicht ankommt

in dem hier in Streit stehenden Hauptverhand-lungstermin vom
3.
Januar 2012.
Hierdurch unterscheidet sich der prozessu-ale Sachverhalt von dem vom 3.
Strafsenat des [X.] ent-schiedenen Fall, in dem die Anordnung des [X.] an einem früheren [X.]
getroffen worden war und lediglich dessen Vollzug protokolliert wurde. Dass die Anordnung
der Feststellung des Voll-zugs des [X.] durch Kenntnisnahme und Gelegenheit hierzu nicht vorausging, sondern ihr nachfolgte, ist zwar strukturell ungeschickt (vgl. 10
11
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7
-
[X.], Beschluss vom 28. August 2012

5 StR 251/12, NJW 2012, 3319, zum Abdruck in [X.]St bestimmt), indes unschädlich (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Januar 2012

1 StR 587/11, NStZ
2012, 346, 347).

Die Anordnung des [X.] nach §
249 Abs. 2 Satz 1 [X.] stellt
unzweifelhaft eine Sachverhandlung
dar, in gleicher Weise wie eine Beweisanordnung (vgl. [X.], Urteil vom 19. April 2000

3 [X.], [X.], 2754: Beauftragung eines Sachverständigen),
die
Entgegennah-me von die Sachverhaltsaufklärung betreffenden Verteidigeranträgen
([X.], Beschluss vom 6. Juli 2000

5 [X.]3/99, [X.]R [X.] § 229 Abs. 1 Sach-verhandlung 5) oder die Ladung von Zeugen nach einem gestellten Beweis-antrag ([X.], Urteil vom 19. August 2010

3 [X.], [X.]R
[X.] §
229 Abs. 1 Sachverhandlung 11).
Allein die
kurze Dauer des Termins am [X.] steht bei dem inhaltlichen Gehalt der Verhandlung der Annahme einer Sachverhandlung nicht entgegen
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 7.
April
2011

3 [X.]/11

und vom 22.
Juni 2011

5 [X.], [X.]R [X.] §
229 Abs. 1 Sachverhandlung 12 und 13).

Basdorf Schaal [X.]

Dölp Bellay

12

Meta

5 StR 412/12

28.11.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2012, Az. 5 StR 412/12 (REWIS RS 2012, 944)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 944

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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