Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2001, Az. IV ZR 63/00

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2939

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[X.] DES VOLKESURTEILIV ZR 63/00Verkündet am:4. April 2001WeberJustizhauptsekretärinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der IV. Zivilsenat des [X.] hat durch die [X.], Prof. [X.], [X.], die Richterin [X.] und den [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2001für Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil [X.] Zivilsenats des [X.] aufgehoben.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil [X.] Zivilkammer des [X.] wird zurückgewiesen.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und [X.].Von Rechts [X.]:Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Deckungsschutz aus einerPrivathaftpflichtversicherung in Anspruch; der am 21. Februar 1979 ge-borene [X.] der Klägerin ist [X.] 3 -Am 6. April 1994 wurde eine in [X.] gelegene Lagerhalle durch [X.] erheblich beschädigt. Über den Umfang des [X.]sholte der Gebäudeversicherer des Eigentümers der [X.] ein Gutachteneines Sachverständigen ein, der - nach Besichtigung des vom [X.] am 21. April und 4. Mai 1994 - den [X.]einschließlich der Abbruch- und [X.] auf 181.364 [X.]. In der Folgezeit wurden die Brandreste abgebrochen und [X.] neu bebaut.Im Zuge der von der Polizei nach dem Brand wegen des [X.] aufgenommenen Ermittlungen wurde der [X.] derKlägerin von der Polizei am 10. Juni 1994 zunächst als Zeuge und am29. Juni 1994 als Beschuldigter vernommen. Er stritt eine Tatbeteiligungab. Am 28. August 1995 erhob die Staatsanwaltschaft [X.] u.a. gegen den[X.] der Klägerin Anklage wegen fahrlässiger Brandstiftung, die derKlägerin und ihrem [X.] am 17. November 1995 zugestellt wurde. [X.] des Amtsgerichts [X.] vom 1. Juli 1996 wurdeder [X.] der Klägerin wegen fahrlässiger Brandstiftung unter [X.] Auflage verwarnt; seine Berufung wurde durch Urteil des Landge-richts [X.] vom 17. Oktober 1996 verworfen.Der Beklagten zeigte die Klägerin den Brandschaden vom [X.] - nach Anraten des Verteidigers ihres [X.]es im Strafverfahren -mit Schreiben vom 1. Oktober 1996 an. Die Beklagte lehnte [X.] ab. Sie berief sich auf Leistungsfreiheit, weil ihr der [X.] und insbesondere die Einleitung des Ermittlungsverfahrens ge-gen den [X.] der Klägerin nicht unverzüglich angezeigt worden [X.] 4 -Der Gebäudeversicherer des Eigentümers der Lagerhalle hat der Kläge-rin mitgeteilt, den [X.] mit 162.644 DM reguliert zu haben.Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß [X.] verpflichtet sei, sämtliche (mit-) versicherte Personen vonSchadensersatzansprüchen Dritter wegen des [X.] am6. April 1994 freizustellen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben,das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt dieKlägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.Entscheidungsgründe:Das Rechtsmittel der Klägerin hat Erfolg.1. Das Berufungsgericht hält die Beklagte nicht für verpflichtet, derKlägerin und ihrem mitversicherten [X.] Deckungsschutz zu gewähren.Die Beklagte sei gemäß § 6 Abs. 3 [X.], § 6 AHB von der [X.] Leistung frei, weil die Klägerin die Obliegenheit verletzt habe, [X.] den Versicherungsfall - insbesondere aber die Einleitung [X.] gegen ihren [X.] - unverzüglich anzuzeigen(§ 153 Abs. 4 Satz 2 [X.], § 5 Nr. 2 Abs. 2 AHB). Die Obliegenheit zurAnzeige des Ermittlungsverfahrens sei mit dem 29. Juni 1994, dem Tag,an dem der [X.] der Klägerin als Beschuldigter vernommen worden sei,entstanden. Die Anzeige vom 1. Oktober 1996 sei danach nicht mehr als"unverzüglich" anzusehen. Die Klägerin habe die Obliegenheit grobfahrlässig verletzt; den [X.] (§ 6 Abs. 3 Satz 2 [X.])- 5 -habe sie nicht erbracht. Die Beklagte weise insoweit mit Recht daraufhin, daß ihr durch die verspätete Anzeige die Möglichkeit genommenworden sei, eigene Feststellungen zur Schadensursache, zur Schadens-höhe und zur Verantwortlichkeit des zur Tatzeit fünfzehnjährigen [X.]esder Klägerin zu [X.] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt die - nachseiner Auffassung vorliegende - Obliegenheitsverletzung schon [X.] zur Leistungsfreiheit der Beklagten, weil der [X.] als geführt anzusehen [X.]) Der Beweis, daß die grob fahrlässige Verletzung der Obliegen-heit weder Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch aufdie Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Lei-stung gehabt hat (§ 6 Abs. 3 Satz 2 [X.]), obliegt dem Versicherungs-nehmer. Er kann diesen negativen Beweis aber praktisch nur so führen,daß er zunächst die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkei-ten ausräumt und dann abwartet, welche Behauptungen der Versichererüber Art und Maß der Kausalität aufstellt, die der Versicherungsnehmerdann ebenfalls zu widerlegen hat. Der Versicherer muß dazu die [X.] Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses aufzeigen, in-dem er zum Beispiel vorträgt, welche Maßnahmen er bei [X.] der Obliegenheit getroffen und welchen Erfolg er sich davonversprochen hätte ([X.], 327, 336 [X.]) Das Berufungsgericht legt seinen Erwägungen - dem [X.] Beklagten folgend - zugrunde, daß die brandgeschädigte [X.] 6 -zu dem von ihm für die Erfüllung der Anzeigeobliegenheit für maßgeblicherachteten Zeitraum (unverzüglich nach der Beschuldigtenvernehmungdes [X.]es der Klägerin am 29. Juni 1994) noch nicht abgerissen, beiAnzeige der Klägerin im Oktober 1996 dagegen bereits abgerissen ge-wesen sei.Bei einem solchen Sachverhalt sind dem Versicherer nach der [X.] seines Versicherungsnehmers eigene Ermittlungen am Brandobjektzur Schadensursache und zum Schadensumfang nicht mehr möglich. [X.] kommt damit in der Regel Einfluß auf die Fest-stellung des Eintritts des Versicherungsfalles und die Feststellung oderden Umfang der Leistungspflicht des Versicherers zu. Demgemäß war [X.] Sache der Klägerin, diesen sich schon aus den tatsächlichenVerhältnissen ergebenden ursächlichen Zusammenhang auszuräumen.Das hat die Klägerin - wie das Berufungsgericht bei seinen Erwägungennicht ausreichend berücksichtigt - mit der Vorlage des Gutachtens [X.] zum [X.], das von diesem auf [X.] von Feststellungen vor Ort und vor Abriß der Lagerhalle er-stattet worden ist, sowie mit dem Hinweis auf die strafrechtlichen Er-mittlungen und Feststellungen zur Brandursache und zu den [X.] für die Brandentstehung aber auch getan. Denn [X.] zum Eintritt des Versicherungsfalles oder zur Leistungspflicht und zuderen Umfang setzen nicht notwendig eigene Ermittlungen des [X.] voraus, wenn sie sich auf der Grundlage anderweit geklärter tat-sächlicher Umstände treffen lassen. Deshalb oblag es der Beklagtendarzulegen, welche Maßnahmen sie bei rechtzeitiger Anzeige ergriffenhätte und weshalb sich daraus über die von der Klägerin aufgezeigten- 7 -Erkenntnismöglichkeiten hinausgehende Feststellungen zum Eintritt [X.] oder ihrer Leistungspflicht hätten treffen lassen. [X.] rügt mit Recht, daß es schon an ausreichendem Vortrag [X.] hierzu fehlt.aa) Was die Schadensursachen anlangt, hat die Beklagte insbe-sondere geltend gemacht, daß ihr wegen der verspäteten Anzeige dieMöglichkeit eigener Ermittlungen am Brandort genommen worden sei.Der Verlust eigener Erkenntnismöglichkeiten reicht aber zur Darlegungder Kausalität (im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.]) für sich genom-men nicht aus. Denn insoweit genügt nicht ein irgendwie gearteter [X.] auf den Gang des Feststellungsverfah-rens, sondern lediglich eine für den Versicherer im Ergebnis nachteiligeBeeinflussung der Feststellung selbst (vgl. [X.] aaO). Eine solche aberlegt die Beklagte nicht dar. Soweit sie sich darauf beruft, es fehltenFeststellungen zum Entstehungsort des [X.] und zu seiner Ausdeh-nung, wird das schon dadurch widerlegt, daß die Polizei unmittelbarnach dem Brand Feststellungen zur Brandausbruchstelle getroffen undin einem - auch der Beklagten zugänglichen - Bericht in den [X.] niedergelegt hat. Inwieweit die Beklagte bei eigenen Ermittlungenweitere Erkenntnisse in bezug auf den Eintritt des Versicherungsfallesund auf die Feststellung oder den Umfang ihrer Leistungspflicht hätteerlangen können, ist nicht dargetan.Soweit sich die Beklagte darüber hinaus darauf berufen hat, we-gen fehlender eigener Ermittlungsmöglichkeiten sei es ihr verschlossengeblieben, eigene Feststellungen zum Grad des [X.] 8 -- insbesondere zu einem vorsätzlichen Handeln des [X.]es der Kläge-rin - zu treffen, gilt nichts anderes. Woraus sich solche Erkenntnismög-lichkeiten über die im Rahmen des Strafverfahrens gegen den [X.] derKlägerin genutzten hinaus ergeben sollten, hat die Beklagte nicht vorge-tragen. Insbesondere verfängt der Hinweis nicht, ihr sei die Möglichkeitgenommen worden, noch im Zuge des Ermittlungsverfahrens die [X.] darauf hinzuweisen, daß auch ein vorsätzliches Verhalten des [X.] in Betracht kommen könnte. Denn einem solchen Verdachtmußte die Staatsanwaltschaft im Rahmen des [X.] wegen nachgehen. Wenn die Beklagte weiter meint, we-gen fehlender eigener Ermittlungsmöglichkeiten sei eine nähere Aufklä-rung darüber nicht möglich, welcher Fahrlässigkeitsgrad dem Versicher-ten zur Last falle, übersieht sie, daß ihre Leistungspflicht nur bei [X.] Versicherten ausgeschlossen ist, der sich zudem noch auf die Scha-densfolgen erstrecken muß (§ 4 II Nr. 1 AHB). Was schließlich den [X.] aufgegriffenen Vortrag der Beklagten anlangt, ihr seiwegen der verspäteten Schadensanzeige die Möglichkeit genommenworden, zeitnah zur Brandlegung eigene Feststellungen zur [X.] des Versicherten mit Blick auf § 828 Abs. 2 BGB zu treffen, fehltes an ausreichendem Vorbringen dazu, welche Maßnahmen die [X.] ergriffen hätte; der bloße Hinweis, daß insoweit "eine Prüfungausgelöst" worden wäre, genügt nicht.bb) Aber auch was die Feststellungen zum Umfang der [X.] der Beklagten anlangt, fehlt es mit Rücksicht auf das von der Klä-gerin vorgelegte Gutachten des Brandsachverständigen zum Schaden anausreichenden Darlegungen der Beklagten zum Einfluß der [X.] 9 -heitsverletzung auf solche Feststellungen. Hierzu genügte der von [X.] wiederholt gegebene Hinweis nicht, daß der vom Gebäude-versicherer ermittelte Schaden nicht mit jenem identisch sei, der sich [X.] Anspruch gegen den Versicherten aus § 823 BGB ergebe. [X.] oblag es auch insoweit, im einzelnen zu konkretisieren, [X.] zur Prüfung des Umfangs ihrer Leistungspflicht erforderlichen Fest-stellungen dem Gutachten des Brandsachverständigen nicht zu entneh-men seien, sich vielmehr nur aufgrund eigener Ermittlungen hätten tref-fen lassen. Auch an solchem Vortrag der Beklagten aber fehlt es. [X.] auch hinsichtlich der von der Beklagten besonders angeführten Ab-rißkosten. Das Gutachten über den [X.] weist solcheKosten - das zerstörte Gebäude betreffend - gesondert aus, [X.], wie die Beklagte meint, für ihre Leistungspflicht (unter [X.]) die Abbruchkosten für das unzer-störte Gebäude maßgeblich seien, hat sie nicht dargelegt, welche Fest-stellungen sie selbst und nach dem Brand bei rechtzeitiger Anzeige dazunoch hätte treffen [X.] Ist danach davon auszugehen, daß die Klägerin jedenfalls den[X.] geführt hat, so ist die Beklagte selbst dannnicht von ihrer Leistungspflicht freigeworden, wenn die Klägerin - [X.] Berufungsgericht annimmt - durch nicht unverzügliche Anzeige desgegen ihren [X.] gerichteten Ermittlungsverfahrens die Anzeigeoblie-genheit grob fahrlässig verletzt hat. Auf die gegen diese Annahme ge-richteten Revisionsangriffe kommt es deshalb nicht mehr an.- 10 -4. Unter Berücksichtigung des Klagebegehrens wird klargestellt:Der Tenor des Urteils des [X.]s vom 6. Oktober 1998 ist dahin [X.], daß die Beklagte verpflichtet ist, den versicherten Personenwegen des [X.] am 6. April 1994 Versicherungsschutz zu ge-währen.[X.] Prof. [X.] [X.] [X.] Wendt

Meta

IV ZR 63/00

04.04.2001

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2001, Az. IV ZR 63/00 (REWIS RS 2001, 2939)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2939

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