Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2010, Az. 2 StR 274/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 3577

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 274/10 vom 8. September 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 8. September 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revisionen des Angeklagten und des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2009 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten [X.] in Tateinheit mit ge-fährlicher Körperverletzung schuldig ist. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufge-hoben. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Ange-klagten, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landge-richts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen des Angeklagten und des [X.] werden verworfen. 4. Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Ausla-gen zu tragen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten [X.] zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete [X.] des Angeklagten, mit der er eine Verletzung formellen und materiellen 1 - 3 - Rechts rügt, führt zur Ergänzung des Schuldspruchs und zur Aufhebung im Strafausspruch (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen war sie als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revision des [X.] hat ebenfalls die Ergänzung des Schuld-spruchs zur Folge, bleibt aber im Übrigen ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). 2 1. [X.] hält hinsichtlich bei-der Revisionsbegründungen rechtlicher Überprüfung stand. Er ist jedoch unter Berücksichtigung der [X.] begangenen gefährlichen Körperverletzung, die die Kammer versehentlich nicht in den [X.] aufgenommen hat (vgl. [X.]), zu ergänzen. 3 Entgegen der Rüge der Nebenklage begegnet die Annahme des Landge-richts, der Angeklagte habe nicht heimtückisch gehandelt, da der Nebenkläger beim tödlichen Angriff nicht arglos gewesen sei, keinen durchgreifenden Be-denken. Die Kammer hat zwar ausdrücklich nur darauf abgestellt, dass der [X.] schon beim ersten Anblick des Angeklagten mit einer körperlichen Auseinandersetzung gerechnet habe, weil er dessen 15-jährige Tochter sexuell belästigt hatte, und dass er sich deshalb sogleich, ohne den Angeklagten auch nur zu begrüßen, entfernen wollte. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich aber, dass die fehlende Arglosigkeit des [X.] auch zu Beginn der mit Tötungsvorsatz begangenen Handlung noch andauerte. Dies steht der Annah-me der Heimtücke entgegen (vgl. BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 7 und 13). Nach den Feststellungen der Kammer hat der An-geklagte den Nebenkläger im Folgenden nämlich angehalten und unvermittelt gefragt, was dieser mit seiner Tochter mache, und sodann, als er den Eindruck hatte, der Nebenkläger grinse ihn verhöhnend an, den [X.] gefasst. Vor diesem Hintergrund begegnet die Annahme, der Nebenkläger sei nicht arg-4 - 4 - los gewesen, keinen Bedenken, da insbesondere die Frage nach der Tochter des Angeklagten die Befürchtungen des [X.] verstärken musste. Dem steht nicht entgegen, dass der Nebenkläger bis zuletzt nicht bemerkt hatte, dass der Angeklagte ein Messer mit sich führte, und sich somit in der Gefähr-lichkeit des zu erwartenden Angriffs verschätzt haben kann (vgl. insoweit BGHR StGB § 211 Heimtücke 13). 2. Auf die Revision des Angeklagten war das Urteil im Strafausspruch aufzuheben. Die Bestimmung des Strafrahmens ist fehlerhaft. 5 a) Das [X.] hat sich rechtfehlerhaft nicht mit der Frage auseinan-dergesetzt, ob die Voraussetzungen eines minderschweren Falls des versuch-ten Totschlags im Sinne des § 213 [X.]. 1 oder [X.]. 2 StGB vorlagen. Unter den gegebenen Umständen hätte es sich zu einer Erörterung gedrängt sehen müs-sen. Schon zur Prüfung der zwingenden Strafmilderung nach § 213 [X.]. 1 StGB bestand Anlass, da die Kammer davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe erst an diesem Abend von den sexuellen Übergriffen des [X.] auf sei-ne Tochter erfahren und habe den Gesichtsausdruck des [X.] als verhöhnend und deshalb provozierend empfunden, was bei ihm zu einer affek-tiven Erregung und dem spontanen [X.] geführt habe ([X.]). [X.] hätte es der Erörterung bedurft, ob die allgemeinen Strafmilderungs-gründe die Annahme eines sonst minderschweren Falles nach § 213 [X.]. 2 StGB rechtfertigen konnten. Bereits an dieser Stelle wären zugunsten des [X.] die Strafmilderungsgründe, die das Gericht im Rahmen der konkreten Strafzumessung angeführt hat (Teilgeständnis, ernsthafte Reue, Handeln auf-grund von Ärger, Wut und Erregung aufgrund der Übergriffe auf seine Tochter, spontaner [X.], keine erhebliche dauerhafte körperliche Beeinträchti-gung des Opfers, Erstverbüßer), unter Berücksichtigung der [X.] zu würdigen gewesen. Hätten nach der Bewertung des Tatrichters die 6 - 5 - allgemeinen Strafmilderungsgründe allein zur Begründung eines minderschwe-ren Falls nicht ausgereicht, hätte auch der [X.] des § 23 Abs. 2 StGB neben allen anderen, in den Urteilsgründen dargestellten [X.] und Erschwerungsgründen im Rahmen einer Gesamtbewertung [X.] werden müssen. b) Der Strafausspruch kann auf diesem Rechtsfehler beruhen. Zwar hat das Gericht die Strafe dem wegen Versuchs gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Doch schon der einfach gemilderte Strafrah-men des § 213 StGB (ein Jahr bis zehn Jahren Freiheitsstrafe) wäre für den Angeklagten günstiger, wobei auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei zutreffender Gesamtwürdigung selbst der Strafrahmen des § 213 StGB we-gen eines - zur Begründung des minderschweren Falles womöglich nicht benö-tigten - vertypten [X.] noch einmal herabgesetzt worden wäre. 7 - 6 - Angesichts der nicht unerheblichen Strafe in Höhe von sechs Jahren kann der [X.] nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei einem anderen Strafrahmen zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre. Die Strafe muss deshalb neu zugemessen werden. 8 [X.] [X.] Prof. Dr. Schmitt ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. [X.]

Meta

2 StR 274/10

08.09.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2010, Az. 2 StR 274/10 (REWIS RS 2010, 3577)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3577

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 274/10 (Bundesgerichtshof)

Versuchtes Tötungsdelikt: Mordmerkmal der Heimtücke; notwendige Prüfung eines minder schweren Fall des Totschlags


2 StR 290/12 (Bundesgerichtshof)


2 StR 449/07 (Bundesgerichtshof)


2 StR 463/10 (Bundesgerichtshof)


1 StR 14/19 (Bundesgerichtshof)

Strafrahmenwahl bei minder schweren Fällen neben gesetzlich vertypten Milderungsgründen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 274/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.