Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2009, Az. III ZR 21/09

III. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2481

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 16. Juli 2009 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 280 Abs. 1, § 652; [X.] 1994 § 7 I (1) Der in die Abwicklung eines Unfallschadens eingeschaltete Versicherungsmak-ler muss den Versicherungsnehmer regelmäßig auf die Frist zur ärztlichen Feststellung einer Invalidität und ihrer Geltendmachung gegenüber dem Versi-cherer nach § 7 I (1) [X.] (1994) hinweisen, wenn für ihn erkennbar ist, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen den Unfallversicherer ernsthaft in Betracht kommen. [X.], Urteil vom 16. Juli 2009 - [X.] - [X.] - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2009 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.], [X.], [X.] und Schilling für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] - 9. Zivilsenat in [X.] - vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des [X.] zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten als Versicherungsmakler geltend, weil dieser ihn auf die Ausschlussfrist zur Fest-stellung der Invalidität und deren Geltendmachung gegenüber der [X.] nicht hingewiesen habe und diese deshalb von der Leistung frei ge-worden sei. 1 Der Beklagte vermittelte dem als Maurermeister tätigen Kläger verschie-dene Versicherungsverträge einschließlich einer Unfallversicherung. Letzterer lagen die [X.] ([X.] 1994) zugrunde. In § 7 I (1) ist bestimmt, dass Voraussetzung für die Invaliditätsleistung des 2 - 3 - Versicherers ist, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Mona-ten ärztlich festgestellt und geltend gemacht wird. Der Kläger erlitt am 4. August 2002 einen Motorradunfall in der [X.]. Er wurde zunächst dort und später in [X.] weiter behandelt. Der [X.] unterstützte den Kläger bei der Geltendmachung der Ansprüche gegen die verschiedenen Versicherer. Die "[X.]" an den [X.] wurde vom Beklagten am 22. August 2002 erstellt, dem Kläger zur Un-terschrift vorgelegt und sodann an den Versicherer gesandt. Der [X.] sandte eine Kopie dieser Anzeige mit Schreiben vom 27. August 2002 an den Kläger zurück und bat um Vervollständigung der dort gemachten Angaben und um Unterzeichnung an den in dem Schreiben farbig markierten Stellen. Der Beklagte erhielt von diesem Schreiben erst 2004 Kenntnis. Innerhalb von einem Jahr bzw. 15 Monaten nach dem Unfall gab keiner der behandelnden Ärzte eine schriftliche Erklärung über die unfallbedingte Invalidität des [X.] ab. In der zweiten Jahreshälfte 2004 wandte sich der Beklagte, nachdem er vom Kläger über den Stand der Angelegenheit unterrichtet worden war, zunächst telefo-nisch und später schriftlich an den Unfallversicherer. Dieser berief sich jedoch auf die Ausschlussfrist des § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen und lehnte eine Zahlung ab. 3 Hierauf nahm der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in [X.]. Die Klage ist vom [X.] abgewiesen worden. Die hiergegen ge-richtete Berufung des [X.] hat teilweise in Höhe von 12.499,38 • nebst Zin-sen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. 4 - 4 - Entscheidungsgründe Die Revision hat keinen Erfolg. 5 [X.] Das Berufungsgericht hat die Klage teilweise für begründet gehalten und ausgeführt, dass der Beklagte dem Kläger aufgrund einer Nebenpflichtverlet-zung nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei, da er auf die Ausschlussfrist in § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen hätte hinweisen müssen. Er habe die "[X.]" für den Kläger bearbeitet und aufgrund der dort enthaltenen Angaben bezüglich der Verletzungen des [X.] von der ernsthaften Möglichkeit des Eintritts einer dauernden Invalidität ausge-hen müssen. Die Verletzungsfolgen des Motorradunfalls hätten auch einem medizinischen Laien hinreichend Anlass gegeben, dauernde Funktionsbeein-trächtigungen für möglich zu halten. Die Fristenregelung in § 7 der [X.] sei auch so ausgestaltet, dass regelmäßig die Gefahr bestehe, ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne die darin geregelten Vorausset-zungen für seinen Versicherungsanspruch übersehen. Der Kläger müsse sich jedoch auf den Schadensersatz ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen, da er erst im Mai 2004 dem Beklagten von der mangelnden Regulierung und dem Schreiben der Versicherung hinsichtlich der Ergänzung der "[X.]fi Mitteilung gemacht habe. 6 - 5 - I[X.] Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Der vom [X.] ausgeurteilte Betrag steht dem Kläger nach § 280 Abs. 1 BGB zu. 7 1. Zwischen den Parteien bestand ein Versicherungsmaklervertrag. Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom [X.] beauftragt und als sein Interessen- oder sogar [X.] angesehen. Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versiche-rungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm be-treuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter [X.] und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (Senatsurteile vom 14. Juni 2007 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 1503, 1504 Rn. 10 und [X.] 162, 67, 78; [X.] 94, 356, 359). Der Pflichtenkreis des [X.] umfasst grundsätzlich auch die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens, insbesondere die Erstellung einer sachgerechten Schadensanzeige ([X.] NJW-RR 2001, 602, 603; Prölss/[X.]/ [X.], [X.], 27. Aufl., nach § 48 Rn. 5). Dementsprechend hatte der [X.] den Kläger auf sein Ersuchen bei der Erstellung der "[X.]" und auch bei der weiteren Abwicklung der übrigen, ebenfalls von ihm vermittelten Versicherungen unterstützt. 8 2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall ange-nommen, dass der Beklagte seine Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist in § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen verletzt hat. 9 - 6 - a) Der Beklagte ist als Versicherungsmakler mit der Abwicklung von Schadensfällen gegenüber Versicherungen vertraut. Er ist deshalb auch [X.] sachkundig im Hinblick auf den Inhalt der Versicherungsbedingungen, die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht in vergleichbarer Weise geläu-fig sind. Deshalb darf der Versicherungsnehmer bei der Abwicklung von [X.] einen Hinweis durch den Versicherungsmakler erwarten, der in sei-nem Interesse tätig wird, soweit ihm Schäden drohen, weil er z.B. wegen der mangelnden Beachtung ihm regelmäßig nicht geläufiger Formalitäten in Gefahr gerät, seinen gesamten Versicherungsschutz zu verlieren. Insofern stellt das mögliche Verstreichen der Ausschlussfrist nach § 7 I (1) der [X.] ein erhebliches Risiko für die Versicherungsnehmer einer Unfallver-sicherung dar. Deshalb kann von einem Versicherungsmakler ein Hinweis auf den drohenden Verlust des Versicherungsanspruchs wegen Nichteinhaltung der Frist zur ärztlichen Feststellung und Geltendmachung einer eingetretenen Inva-lidität erwartet werden. Eine Belehrungsbedürftigkeit des Versicherungsneh-mers wird dabei regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn für den Versiche-rungsmakler erkennbar ist, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen die Unfall-versicherung ernsthaft in Betracht kommen. 10 Dem stehen im Gegensatz zur Auffassung der Revision weder die [X.] noch die Wertungen des Rechtsberatungsgesetzes entgegen. Es geht hier nicht um eine umfassende Rechtsberatung, sondern um eine Hinweispflicht als Nebenpflicht des [X.]. 11 - 7 - Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Revision, ein Versicherungs-nehmer sei generell nicht im Hinblick auf die Ausschlussfrist in § 7 I (1) der [X.] belehrungsbedürftig, weil nach der Rechtsprechung des [X.] zur Wirksamkeit dieser Ausschlussfrist unter dem Blickwinkel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ([X.] 162, 210, 214 ff) die einzuhaltenden Fristen nach ihrer Bedeutung für den [X.] aus sich heraus weder unklar noch schwer verständlich seien. Ebenso sei der Versicherungsnehmer zur Lektüre der Versicherungsbedingun-gen verpflichtet. Es gehöre deshalb zur Eigenverantwortung des [X.], sich über diese Ausschlussfristen in den [X.] zu informieren. Der Revision ist insoweit entgegenzuhalten, dass diese Rechtsprechung das Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer betrifft. Hier ist jedoch im Blick zu behalten, dass der Kläger und Versiche-rungsnehmer sich gerade zu seiner Interessenwahrung gegenüber dem [X.] des Beklagten als Versicherungsmakler und sachkundiger [X.] bedient, um seine Ansprüche zu wahren und durchzusetzen. Der [X.] kann sich deshalb nicht gegenüber dem Kläger als seinem Vertragspartner darauf berufen, dass der Versicherer die Erfüllung gewisser Obliegenheiten er-warten darf. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des [X.] an-erkannt, dass selbst dem Versicherer seinerseits gleichwohl Aufklärungspflich-ten gegenüber dem Versicherungsnehmer hinsichtlich der Ausschlussfristen nach § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen ([X.] 88/94) obliegen können, mit der Folge, dass er sich nach [X.] und Glauben nicht auf deren Verstreichen berufen kann (vgl. [X.] 165, 167, 169 ff; 162, 210, 218). 12 - 8 - b) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdi-gung hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte aufgrund der Schwere des erlittenen Unfalls und der ihm aus der erstellten "[X.]" bekannten Verletzungen auch als medizinischer Laie dauerhafte Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger für möglich halten und deshalb in [X.] ziehen musste, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen den [X.] bestehen könnten, was jedoch die Einhaltung der Ausschlussfristen des § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen voraussetzte. Mangels erkennbarer Fachkunde des [X.] insbesondere in der Situation wenige Tage nach dem Unfall musste der Beklagte deshalb annehmen, dass der Kläger hinsichtlich der Ausschlussfristen belehrungsbedürftig war. 13 3. Aufgrund der mangelnden Aufklärung über die Ausschlussfristen nach § 7 I (1) der Vertragsbedingungen hat der Kläger es verabsäumt, die Invalidität ärztlich feststellen zu lassen und gegenüber der Versicherung geltend zu ma-chen. Die Rüge der Revision, davon könne nicht ausgegangen werden, insbe-sondere weil der Kläger nicht einmal auf das Schreiben der Versicherung vom 27. August 2002, mit dem er zur Ergänzung seiner "[X.]" aufgefordert worden sei, reagiert habe, greift nicht durch. Der Kläger war [X.] der mangelnden Information durch den Beklagten nicht über den drohen-den Verlust seiner Ansprüche wegen der nicht rechtzeitigen Geltendmachung bzw. ärztlichen Feststellung der Invalidität informiert. Deshalb musste er nicht zwingend die Vorstellung haben, allein durch Zeitablauf - unbeschadet der [X.] Verjährung - seinen Versicherungsschutz verlieren zu können. Es ist vielmehr nicht erkennbar, dass der Kläger bei entsprechender Belehrung darauf verzichtet hätte, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. 14 - 9 - 4. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Beklagten, im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts habe ein überwiegendes Mitverschulden des [X.] vorgelegen, das zu einem Anspruchsausschluss führe. Auch insoweit führt die Revision an, dass wegen der mangelnden Information des Beklagten über das Schreiben der Versicherung im Hinblick auf die Ergänzung der "[X.]" ein besonders schwerer Verstoß gegen die eigenen Oblie-genheiten vorliege, der dazu führe, dass im Verhältnis zum Beklagten der Klä-ger allein den eingetretenen Schaden tragen müsse. 15 Die vorzunehmende Abwägung der Verantwortlichkeit zwischen [X.] und [X.] gehört grundsätzlich in den Bereich tatrichterlicher Wür-digung. Sie ist deshalb mit der Revision nur begrenzt angreifbar. Das [X.] kann lediglich nachprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kom-menden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen [X.] und Erfahrungssätze verstoßen hat (st. Rspr. vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 2007 - [X.]/06 - NJW 2007, 1063 Rn. 7 m.w.N.). 16 Die hier vorgenommene Abwägung des Berufungsgerichts hält der recht-lichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat den Umstand der [X.] Reaktion des [X.] auf das Schreiben vom 27. August 2002 gegen-über der Versicherung und die unterbliebene Unterrichtung des Beklagten hier-über grundsätzlich in seine Abwägung einbezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese in vollkommen unsachgemäßer Art und Weise erfolgt sei. Vielmehr ist - wie bereits ausgeführt - zu berücksichtigen, dass das Verhalten des [X.] auf das Schreiben der Versicherung vom 27. August 2002 gerade dadurch [X.] sein kann, dass ihm die nötige Information über die drohende Aus- 17 - 10 - schlussfrist wegen der Pflichtverletzung des Beklagten fehlte und er deshalb hinsichtlich der damit verbunden Risiken im Unklaren war. [X.] [X.] [X.]

[X.] Schilling Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 09.08.2007 - 5 O 301/06 - [X.] in [X.], Entscheidung vom 18.12.2008 - 9 [X.]/08 -

Meta

III ZR 21/09

16.07.2009

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2009, Az. III ZR 21/09 (REWIS RS 2009, 2481)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2481

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