Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 25.06.2014, Az. 20 U 71/14

20. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 9501

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Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Aufgrund des Hinweisbeschlusses wurde die Berufung zurückgenommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.

Der klagende Insolvenzverwalter begehrt nach von ihm erklärter Kündigung die Abrechnung und Auszahlung des Rückkaufswerts einer von der Insolvenzschuldnerin in Form einer Direktversicherung auf das Leben ihres Gesellschafter-Geschäftsführers genommenen Lebensversicherung.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil sein klageabweisendes Versäumnisurteil vom 26.07.2013 aufrechterhalten und – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – zur Begründung ausgeführt, dass die Insolvenzschuldnerin ihrem Geschäftsführer ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt habe, welches durch Vorbehalte eingeschränkt gewesen sei. Solange – wie im Streitfall – die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorbehalte nicht erfüllt seien, stehe das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht einem uneingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht gleich. Das Bezugsrecht des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin sei auch nicht durch sein Einverständnis zur Abtretung von Rechten und Ansprüchen aus der Lebensversicherung für den Todesfall an die Sparkasse H entfallen, da sich die Abtretung und das Einverständnis des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin nicht auch auf den Rückkaufswert der Lebensversicherung bezogen habe.

Dies hält einer rechtlichen Überprüfung durch den Senat stand.

Maßgeblich für den Inhalt des Bezugsrechts ist, welche konkrete Ausgestaltung es in den zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer vereinbarten Bedingungen erfahren hat (BGH, Urt. v. 08.06.2005, IV ZR 30/04, VersR 2005, 1134). Nach den Bestimmungen im Versicherungsschein vom 06.07.2000 sollte die versicherte Person für den Todes- wie den Erlebensfall unwiderruflich bezugsberechtigt sein. Allerdings hat sich die spätere Insolvenzschuldnerin das Recht vorbehalten, die Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, sollte das Arbeitsverhältnis zur versicherten Person vor Eintritt des Versorgungsfalles enden, es sei denn, die versicherte Person hat das 35. Lebensjahr vollendet und die Versicherung 10 Jahre bestanden bzw. das Arbeitsverhältnis 12 Jahre und die Versicherung 3 Jahre. Die grundsätzliche Unwiderruflichkeit des der versicherten Person eingeräumten Bezugsrechts wurde dadurch eingeschränkt. Solange aber die tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Vorbehalts nicht erfüllt sind, steht – wie das Landgericht im Einklang mit der insoweit einhelligen höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend erkannt hat – das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht einem uneingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht gleich und gehört in der Insolvenz des Versicherungsnehmers der Direktversicherung zum Vermögen des Bezugsberechtigten (vgl. BGH, Urt. v. 03.05.2006, IV ZR 134/05, juris, Rn. 10, VersR 2006, 1059; Urt. v. 08.06.2005, IV ZR 30/04, juris, Rn. 16, VersR 2005, 1134; Urt. v. 19.06.1996, IV ZR 243/95, juris, Rn. 18, VersR 1996, 1089; BAG, Urt. v. 26.06.1990, 3 AZR 651/88, VersR 1991, 211, 212 = BAGE 65, 208; vgl. auch Reiff, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 168 VVG Rn. 19 sowie Ganter, VersR 2013, 1078, 1079 mit weiteren Nachweisen in Fn. 32).

Soweit die Berufung darauf verweist, dass die von der Rechtsprechung für das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht entwickelten Grundsätze auf den Streitfall deshalb keine Anwendung finden würden, weil die versicherte Person als Gesellschafter-Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin nicht Arbeitnehmer sei und daher nicht dem Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) unterfallen würde, liegt diese Rüge der Berufung neben der Sache. Denn auf die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 08.06.2005 (IV ZR 30/04) – auch mit Blick auf die in den Mittelpunkt der Entscheidung gerückten Belange des Arbeitnehmerschutzes – gegen seine bisherige Rechtsprechung und die bisherige Rechtsprechung des BAG entschiedene Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei fehlendem Eintritt der versicherungsvertraglich vereinbarten Unverfallbarkeitsvoraussetzungen der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht deshalb nicht widerrufen können soll, weil der Vorbehalt dem alleinigen Zweck diene, den Arbeitnehmer zur Betriebstreue anzuhalten und dieser Zweck mit der Insolvenz des Arbeitgebers entfalle, so dass selbst das noch nicht unverfallbar gewordene Bezugsrecht nicht zur Masse gezogen werden dürfe (vgl. insoweit nunmehr auch BAG, Urt. v. 15.06.2010, 3 AZR 334/06, BAGE 134, 372 sowie zum bisherigen Streitstand Reiff, a.a.O., Vor § 150 VVG Rn. 44 und Ganter, VersR 2013, 1078, 1079 mit Fn. 33), kommt es nicht an. Im Streitfall nämlich haben die Vorbehalte im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade nicht mehr bestanden. Insoweit geht auch der Hinweis der Berufung auf die Entscheidung des Landgerichts Dresden vom 24.07.2006 (ZInsO 2006, 998) fehl, da in der ihr zu Grunde liegenden Fallgestaltung die versicherungsvertraglich vereinbarten Unverfallbarkeitsvoraussetzungen unstreitig gerade noch nicht eingetreten waren.

Die Berufung kann auch nicht damit gehört werden, dass dem klagenden Insolvenzverwalter nach den Vereinbarungen im Versicherungsschein das Recht vorbehalten  geblieben ist, Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn „die versicherte Person Handlungen begeht, die den Arbeitgeber berechtigen, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen.“ Denn unabhängig von der Frage der Geltung dieses Vorbehalts im Falle der Insolvenz sowie der durch Auslegung zu ermittelnden Reichweite des Vorbehalts genügt der pauschale Hinweis des Klägers, die versicherte Person habe als Gesellschafter-Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin diese „in die Insolvenz geführt und damit der Gesellschaft als juristische Person Schaden zugefügt“, ersichtlich nicht. Auf die Frage, ob der erstmals im Berufungsrechtszug gehaltene Vortrag der Zurückweisung gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO unterliegen würde, kommt es daher nicht an.

Das Landgericht ist schließlich mit zutreffenden Erwägungen, denen die Berufung auch nicht entgegen getreten ist, zu dem Ergebnis gelangt, dass das Bezugsrecht der versicherten Person nicht durch die (Sicherungs-) Abtretung entfallen sei. Soweit der Kläger erstinstanzlich die Auffassung vertreten hat, (allein) durch ihre Einverständniserklärung habe die versicherte Person auf ihr unwiderrufliches Bezugsrecht verzichtet, steht dies im Widerspruch zur höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Senat, Urt. v. 01.04.2009, 20 U 76/08, VersR 2010, 57 sowie – zum Pfandrecht an einer Rückdeckungsversicherung – OLG Hamm [22. Zivilsenat], Urt. v. 16.06.2011, 22 U 102/10, juris, Rn. 87, VersR 2012, 975, 979 – insoweit bestätigt durch BGH, Urt. v. 16.11.2012, V ZR 179/11, juris, Rn. 28, ZIP 2013, 384).

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.

Meta

20 U 71/14

25.06.2014

Oberlandesgericht Hamm 20. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: U

Vorgehend: Landgericht Dortmund, 2 O 393/12

§§ 159 VVG, 398 BGB

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 25.06.2014, Az. 20 U 71/14 (REWIS RS 2014, 9501)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 9501

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