Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2016, Az. VIII ZR 97/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 11690

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:100516BVIIIZR97.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 97/15
vom

10. Mai 2016

in dem Rechtsstreit

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Der VII[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 10. Mai 2016 durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.] Achilles, die Richterin Dr.
Fetzer sowie [X.] Bünger und Kosziol

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 18 des [X.] vom 16. März 2015 auf-gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.]s, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das [X.] werden nicht erhoben.
Der Streitwert für das [X.] wird auf 92

auf den Kläger zu

Gründe:
[X.]
Die Kläger sind seit dem 1. Juli 1994 Mieter einer Wohnung der [X.] in [X.], die
mit asbesthaltigen Fußbodenplatten ausgestattet worden war. Mit Schreiben vom 11. März 2013 teilte die Beklagte den Mietern des [X.]
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komplexes mit, solange die Platten nicht beschädigt seien, gehe keine Gefähr-dung von ihnen aus.
Die Kläger behaupten, soweit im [X.] von Interesse, die verlegten Fußbodenplatten hätten bei Überlassung der [X.] -
als in [X.] schon ein Asbestverbot gegolten habe -
Schnittkan-ten aufgewiesen; dort seien Asbestfasern ausgetreten. Zum Beweis haben sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
Das Amtsgericht hat die auf Schmerzensgeld, Schadensersatz, Feststel-lung der Ersatzpflicht für alle materiellen und immateriellen Schäden, Rücker-stattung überzahlter Miete sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten ge-richtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den nachfolgenden Be-weisbeschluss erlassen, der dem Prozessbevollmächtigen der Kläger am 16.
Januar 2015 zugestellt worden ist:
"[X.] Es soll Beweis erhoben werden über die Behauptung der Kläger, be-reits an den Schnittkanten der ursprünglich in ihrer Wohnung verlegten Fußbodenplatten, die dadurch entstanden seien, dass man die [X.] Asbestfasern ausgetreten, wodurch eine Gesundheitsgefährdung bestanden habe,

-Geol. W.

R.

I[X.] Die Einholung des Gutachtens wird davon abhängig gemacht, dass die Kläger binnen zwei Wochen einen [X.] in Höhe von

Da der [X.] nicht fristgerecht bis zum 30. Januar 2015 entrichtet worden ist, hat das Berufungsgericht mit Verfügung vom 16. Februar 2015 Termin zur mündlichen Berufungsverhandlung für den 16.
März 2015 an-beraumt. Am 18.
Februar 2015 -
vor der mündlichen Verhandlung -
ist der an-geordnete [X.] bei der Gerichtskasse eingegangen.
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Das Berufungsgericht hat von der Einholung des [X.] abgesehen, die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgen.

I[X.]
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfor-dert (§
543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungs-erheblicher Weise verletzt. Dies führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, so-weit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Bedeutung, im [X.] ausgeführt:
Ein Schadensersatzanspruch aus § 536a Abs. 1 BGB, gestützt auf den behaupteten Faseraustritt aus den Schnittkanten bei der Überlassung der [X.] bereits verlegter
Fußbodenplatten, sei nicht gegeben, weil die Kläger beweisfällig geblieben seien. Aufgrund der nicht fristgerechten Einzahlung des [X.]es sei der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverstän-digengutachtens gemäß § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Ausführung des [X.] hätte das Verfahren verzögert, weil eine Erstattung des Gutachtens bis zum Verhandlungstermin offensichtlich nicht möglich gewesen wäre. Die verspätete Einzahlung des [X.]es verstoße gegen die Prozessförderungspflicht (§
282 ZPO) und beruhe auf gro-5
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ber Nachlässigkeit. Unabhängig davon sei die Zurückweisung des [X.] gemäß §
356 ZPO beziehungsweise nach §§
379, 402 ZPO angezeigt, weil seine Zulassung zu einer Verzögerung des Prozesses geführt hätte.
2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Bleibt wie im vorliegenden Fall ein Angriffs-
oder Verteidigungsmittel einer [X.] deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter es in offenkundig fehlerhafter Anwendung von Präklusionsnormen zu Unrecht zurückgewiesen hat, so ist zugleich das rechtliche Gehör der [X.] verletzt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Juli 2012 -
VIII ZR 273/11, [X.], 3787 Rn. 9; vom 2. September 2013 -
VII
ZR 242/12, juris Rn.
7; vom 15. Juli 2014 -
VI [X.], juris Rn. 5; jeweils mwN).
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können weder ei-ne verschuldensunabhängige Haftung aus §
536a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
BGB, die gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch Schmerzensgeld umfasst, noch die unbescha-det davon bestehenden Rechte des Mieters aus § 536 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (Senatsurteil vom 3. Juli 2013 -
VIII ZR 191/12, NJW 2013, 2660 Rn. 8) [X.] werden.
a) Hat das Gericht die Akten nach Erlass eines [X.] ge-mäß §
379 Satz 2, § 402 ZPO wegen nicht fristgerechter Einzahlung des [X.] durch den [X.] nicht an den Sachverständigen ver-sandt, sondern Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt, so kann zwar unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2, § 525 ZPO der Beweisantrag auch dann als verspätet zurückgewiesen werden, wenn der Kostenvorschuss bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch eingezahlt wird ([X.], Urteil vom 5. Mai 1982 -
VIII [X.], NJW
1982, 2559 unter 2 b; Beschluss vom
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27. November 1997 -
III ZR 246/96, NJW
1998, 761 unter 1 b; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 379 Rn. 7).
Jedoch hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 ZPO, wonach Angriffs-
und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht werden oder entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, zurückgewiesen werden können, wenn ihre Zulas-sung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des [X.] verzögern würde und die Verspätung auf grober Fahrlässigkeit beruht, aus Gründen als gegeben erachtet, die im Prozessrecht keine Stütze mehr fin-den.
aa) Bereits die Fristsetzung zur Einzahlung des [X.]es blick auf die bereits dem Prozessbevollmächtigen der Kläger [X.] zur Prüfung sowie zur Korrespondenz mit den Klägern (beziehungsweise deren Rechts-schutzversicherer) sowie der auch ihnen gebührenden [X.] zur Prüfung des [X.] und zur Bewirkung der -
nicht unbedeutenden -
Zahlung unverhältnismäßig kurz und deshalb unwirksam (vgl. [X.], NJW-RR 2010, 717, 718; NJW 1986, 731 f.; [X.]/[X.], aaO, § 379 Rn.
6; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 13. Aufl., § 379 Rn.
7; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 379 Rn. 17; [X.], 6.
Aufl., §
379 Rn.
5; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 36.
Aufl., §
379 Rn. 1).
bb) Auch eine Verzögerung des Verfahrens im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO durch die nicht fristgerechte Einzahlung des [X.]es kann hier nicht angenommen werden, weil im gegebenen Fall ohne jeden Aufwand erkennbar ist, dass die Verspätung allein nicht kausal für eine Verzögerung ist (vgl. [X.] 75, 302, 316 f.; [X.], NJW 1995, 1417 f.; [X.], Urteil vom 3.
Juli 2012 -
VI [X.], [X.], 2808 Rn. 12, mwN). Unter Berücksich-12
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tigung der zu erwartenden [X.]spanne, die die Befunderhebung durch den Sachverständigen in Anspruch nimmt, sowie des den [X.]en gebührenden angemessenen [X.]raums zur Stellungnahme (§
411 Abs. 4 ZPO) drängt sich ohne weitere Erwägungen auf, dass ein Sachverständigengutachten bei fristge-rechter Einzahlung des [X.]es bis zum 30. Januar 2015 nicht innerhalb von sechs Wochen bis zur mündlichen Berufungsverhandlung hätte eingeholt werden können.
[X.]) Überdies hat das Berufungsgericht zu der für eine Zurückweisung er-forderlichen groben Nachlässigkeit keine Feststellungen getroffen. [X.] Nach-lässigkeit im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO liegt nur dann vor, wenn eine [X.] ihre Pflicht zur Prozessförderung in besonders gravierender Weise vernachlässigt, wenn sie also dasjenige unterlässt, was nach dem Stand des Verfahrens jeder [X.] als notwendig hätte einleuchten müssen ([X.], Urteile vom 24. September 1986 -
VIII ZR 255/85, NJW 1987, 501 unter II 2 b [X.]; vom 15. Oktober 2002 -
X [X.], NJW
2003, 200 unter II 6 b; jeweils mwN). Die diesen Vorwurf begründenden Tatsachen muss das Gericht in seinem Urteil feststellen ([X.], Urteil vom 15. Oktober 2002 -
X [X.], aaO; Beschluss vom 2. September 2013 -
VII ZR 242/12, aaO Rn.
13). Daran fehlt es hier. Die nicht fristgerechte Zahlung des [X.]es indiziert noch keine grobe Fahrlässigkeit (vgl. [X.], [X.], 1327; [X.]/[X.], 4.
Aufl., § 379 Rn. 10).
[X.]) Ferner fehlt es im gegebenen Fall an der Ausübung des dem [X.] bei der Entscheidung nach § 296 Abs. 2 ZPO eingeräumten Er-messens (vgl. [X.] 69, 145, 150; [X.], [X.], 1327; [X.], Urteil vom 21. September 1982 -
VI [X.], [X.], 1281 unter II 3; Beschluss vom 2. September 2013 -
VII ZR 242/12, aaO Rn. 15). Die vom Berufungsge-richt gewählte Formulierung, wonach der Beweisantrag als verspätet zurückzu-15
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weisen "war", spricht im Gegenteil dafür, dass es sich als gebunden angesehen hat.
ee) Ohnehin hätte eine Zurückweisung als verspätet nicht bereits [X.] der mündlichen Berufungsverhandlung vom 16.
März 2015 ausgespro-chen, sondern erst nach einem Hinweis des Gerichts und Gelegenheit zur Äu-ßerung erfolgen dürfen (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 -
IV ZR 230/11, juris Rn. 18 f.; Urteil vom 25. Oktober 2013 -
V [X.], NJW
2014, 550 Rn. 25; [X.]/[X.], aaO, §
139 Rn. 19, § 296 Rn. 32).
b) Auch gemäß § 379 Satz 2, §
402 ZPO durfte das Berufungsgericht nicht von der Beweiserhebung absehen, weil -
wie ausgeführt -
die Frist zur Zahlung des [X.]es unter den gegebenen Umständen zu kurz bemessen (vgl. [X.]/[X.]/[X.], ZPO, aaO, § 402 Rn. 14) und die verspä-tete Zahlung des [X.]es offenkundig nicht kausal für eine [X.] war (siehe [X.], Beschluss vom 10. Februar 2011 -
VII ZR 155/09, NJW-RR 2011, 526 Rn. 7).
c) Nach § 356 ZPO durfte das Berufungsgericht -
selbst wenn, was hier offen bleiben kann, diese Bestimmung nicht ohnehin von den Sondervorschrif-ten der § 379 Satz 2, §
402 ZPO verdrängt werden sollte (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 356 Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 356 Rn. 10, 31, § 379 Rn. 2;
[X.], aaO, §
356 Rn. 1; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 356 Rn. 3; anders wohl [X.]/[X.]/[X.], aaO, §
356 Rn. 4) -
die Beweiserhe-bung schon deshalb nicht unterlassen, weil die Kläger den ihnen auferlegten [X.] vor der mündlichen Berufungsverhandlung entrichtet haben
(vgl. [X.], Urteil vom 16. März 2009 -
II
ZR 32/08, [X.], 1598 Rn. 16; siehe auch Urteil vom 20. März 2007 -
VI
ZR 254/05, NJW 2007, 2122 Rn. 15).

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3. Das angefochtene Urteil beruht auf der dargestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das [X.] nach Beweisaufnahme zu einem den Klägern günstigeren Ergeb-nis gekommen wäre. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs.
7 ZPO). Dabei macht der Senat von den [X.] des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO sowie -
hinsichtlich der Kosten des [X.]s -
des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Ge-brauch.
[X.]
[X.]
Dr. Fetzer

[X.]
Kosziol
Vorinstanzen:
AG [X.]-Charlottenburg, Entscheidung vom 10.03.2014 -
237 [X.]/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.03.2015 -
18 [X.]/14 -

20

Meta

VIII ZR 97/15

10.05.2016

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2016, Az. VIII ZR 97/15 (REWIS RS 2016, 11690)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11690

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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