Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.03.2018, Az. 30 W (pat) 543/16

30. Senat | REWIS RS 2018, 13015

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Natura Balance" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 207 007.6

hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] in der Sitzung vom 1. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. von Hartz

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des [X.] vom 22. August 2016 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Natura Balance

3

ist am 9. März 2016 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register unter der Nummer 30 2016 207 007.6 für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

"Klasse 3: Kosmetika;

5

Klasse 5: Diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen;

6

Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel; Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel; Online-Einzelhandelsdienstleistungen bezüglich Kosmetika und Schönheitsprodukte."

7

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 5 des [X.]es hat die Anmeldung mit Beschluss vom 22. August 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei nicht unterscheidungskräftig. Die Wortbestandteile des [X.] wiesen für die Waren und Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt auf. Der Begriff "Natura", aus dem [X.] und [X.] kommend, entspreche den [X.] Begriffen "Natur, natürlich". Der weitere [X.] "Balance" bedeute "Gleichgewicht" und weise insoweit einen beschreibenden Aussagegehalt auf, als es um eine ausbalancierte Wirkung oder Stoffzusammensetzung gehen könnte. Gerade in der Kosmetikbranche spiele der Begriff in dieser Bedeutung eine herausragende Rolle, weil die Vorstellung von Schönheit traditionell eng mit äußerlicher Symmetrie einerseits und dem Erreichen eines inneren Gleichgewichts andererseits verknüpft sei. Der angesprochene Verkehr entnehme der Wortkombination in Bezug auf die Waren der Klassen 3 und 5 und den dazu gehörenden Handelsdienstleistungen in naheliegender Weise den Sinngehalt "Natürliches Gleichgewicht" oder die schlagwortartigen Inhalte "natürlich(e)/ Natur" und "Balance/ Gleichgewicht". Damit liege ein enger beschreibender Bezug zu den Waren und Dienstleistungen vor.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

9

Sie vertritt die Ansicht, dass der angemeldeten Wortfolge Unterscheidungskraft zukomme. Der Begriff "Natura" erwecke beim angesprochenen Verkehr lediglich die Vorstellung, dass die beanspruchten Waren aus natürlichen oder umweltfreundlichen Materialen gemacht seien. Dass das Anmeldezeichen insgesamt lediglich eine Assoziation zu etwas Natürlichem hervorrufe, führe nicht dazu, dass von einer beschreibenden Wirkung auszugehen sei.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s vom 22. August 2016 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Natura Balance" Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] nicht entgegenstehen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Unrecht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] [X.] 2015, 1198 Rn. 59 - [X.]; [X.] 2012, 610 Rn. 42 - [X.]; [X.] 2008, 608 Rn. 66 f. - [X.]; [X.] [X.] 2016, 934 Rn. 9 - [X.]; [X.] 2013, 731 Rn. 11 - [X.]; [X.] 2012, 1143 Rn. 7 - [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.] 2006, 233 Rn. 45 - Standbeutel; [X.] 2006, 229 Rn. 27 - BioID; [X.] [X.] 2008, 710 Rn. 12 - [X.]; [X.] 2009, 949 Rn. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 Rn. 29 - [X.]; [X.] 2012, 1143 Rn. 7 - [X.]; [X.] 2012, 1044 Rn. 9 - [X.]; [X.] 2012, 270 Rn. 8 - Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen [X.]/[X.]; [X.] 2004, 943 Rn. 24 - SAT.2; [X.] [X.] 2014, 376 Rn. 11 - grill meister).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 Rn. 46 - [X.]; [X.] 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor; [X.] [X.] 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; [X.] 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] [X.] 2006, 850 Rn. 19 - [X.]; [X.] 2003, 1050, 1051 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.] 2014, 1204 Rn. 12 - [X.]; [X.] 2010, 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.] 2006, 850 Rn. 28 f. - [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren oder Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] [X.] 2004, 146 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT).

Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke die erforderliche (geringe) Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

a) Zu den von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreisen gehören sowohl der Fachverkehr als auch der Durchschnittsverbraucher, wobei es sich auch um Waren handelt, die teils mit Bedacht und auch nach fachkundiger Beratung nachgefragt werden.

b) Das Anmeldezeichen besteht aus der Verbindung zweier allgemein bekannter Substantive, die in ihrer konkreten Zusammenstellung - Natura Balance - in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen noch unterscheidungskräftig sind.

aa) Bei dem Begriff "Natura" handelt es sich um das [X.] Wort für Natur, welches zurückgeht auf den [X.] Begriff "natura" im Sinne von "natürliche Beschaffenheit, Natur, Schöpfung usw." (vgl. [X.], Herkunftswörterbuch, 3. Aufl., Stichwort: Natur). Dieser Bedeutungsgehalt ist jedenfalls für erhebliche Teile der beteiligten Verkehrskreise ohne weiteres erkennbar, zumal die Übereinstimmung zwischen dem betreffenden [X.]n Begriff und seinem [X.] Pendant „Natur“ besonders auffällig ist (vgl. [X.], 28 W (pat) 121/08 - Natura).

Der [X.] „Balance“, welcher der [X.] oder [X.] entlehnt ist, ist in die [X.] eingegangen und bedeutet „Gleichgewicht“ (vgl. [X.], a. a. O., Stichwort: Balance).

bb) Der angesprochene Verkehr wird den jeweiligen Sinngehalt der beiden Wortbestandteile verstehen und insoweit einen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen in dem von der Markenstelle dargelegten Sinn herstellen. Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Bezeichnung die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich nämlich nicht nur danach, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. [X.] [X.] 2004, 674 Rn. 99 - Postkantoor; [X.] 2004, 680 Rn. 40 - [X.]; [X.] [X.] 2014, 1204 Rn. 16 - [X.]). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung so weit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. [X.] [X.] 1995, 408, 409 - [X.]; [X.] [X.] 1997, 639, 640 - [X.]; [X.], 30 W (pat) 79/10 - [X.]; [X.], [X.]; 30 W (pat) 46/17 - [X.]). Dies ist vorliegend für die ganz konkrete Wortzusammensetzung zu bejahen.

Die Verbindung des Begriffs „Natura“ mit dem Begriff „Balance“ bildet eine neuartige Wortkombination, die aus sich heraus originell und insoweit auch individualisierend wirkt. Das Markenelement „Natura“, aus dem [X.] kommend, ist unüblich in der Zusammensetzung mit dem weiteren Markenelement "Balance", zumal es sich bei letzterem um ein ursprünglich aus dem [X.] bzw. [X.] kommendes Wort handelt.

In der konkreten Wortzusammensetzung hat die Markenstelle ein werbeübliches Wertversprechen gerade nicht belegt. Auch nach den Feststellungen des Senats wird im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar die [X.] Wortkombination "natural balance" oder die [X.] Wortkombination "natürliche Balance/natürliches Gleichgewicht" verwendet. Die Begriffe werden aber nicht mit dem Begriff "Natura" vermischt. Aufgrund der eigentümlichen Wortkombination ist daher davon auszugehen, dass der ungewöhnliche sprachliche Gesamteindruck der angemeldeten Bezeichnung hinreichende Unterscheidungskraft verleiht.

2. Im Hinblick auf ihre fantasievolle Wortbildung unterliegt die angemeldete Marke ungeachtet etwaiger beschreibender Anklänge auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Meta

30 W (pat) 543/16

01.03.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.03.2018, Az. 30 W (pat) 543/16 (REWIS RS 2018, 13015)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13015

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Wird zitiert von

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30 W (pat) 578/20

29 W (pat) 555/17

29 W (pat) 36/20

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