Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.12.2018, Az. 2 WD 12/18

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2018, 653

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Gegenstand

Fahrlässige Tötung eines Radfahrers auf einer Dienstfahrt


Leitsatz

Verursacht ein Soldat auf einer Dienstfahrt fahrlässig einen Verkehrsunfall, bei dem ein Mensch zu Tode kommt, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Dienstgradherabsetzung.

Tatbestand

1

Der frühere Soldat trat 1981 in die [X.] ein. Mit Wirkung vom 1. Januar 1991 wurde er unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in der [X.] zum Oberfeldwebel ernannt. Im November 1992 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Zuletzt wurde er im März 2012 zum [X.] ernannt. Mit Ablauf des 30. September 2017 wurde er in den Ruhestand versetzt.

2

Nach verschiedenen Vorverwendungen wurde er zum ... unter Wechsel der Truppengattung von der [X.] zur [X.] zum ... nach ... versetzt. Der frühere Soldat war u.a. viermal zum [X.] nach [X.] kommandiert worden.

3

Die letzte planmäßige Beurteilung des früheren Soldaten vom 29. September 2010 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Schnitt mit "8,50". Der frühere Soldat sei ein erfahrener, umsichtiger und zielstrebig handelnder Portepeeunteroffizier mit hohem Engagement, der pragmatisch, zweckmäßig, ergebnisorientiert und bedacht handele. Er habe seit vielen Jahren eine kontinuierliche Entwicklung vollzogen, verfüge über hohes Fachwissen und hohe Einsatzbereitschaft und sei bei Kameraden und Vorgesetzten anerkannt. Der nächsthöhere Vorgesetzte beschrieb den früheren Soldaten als Teamplayer mit Verantwortungs- und Pflichtgefühl. Er hob Eigeninitiative, Leistungsbereitschaft und Fachkompetenz des früheren Soldaten hervor und befürwortete die Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn mit besonderem Nachdruck.

4

Vor dem [X.] hat der frühere Disziplinarvorgesetzte Kapitänleutnant A. den früheren Soldaten ebenfalls als mustergültigen, loyalen und im gesamten [X.] sehr anerkannten Soldaten charakterisiert. Er würde ihn mit "8,00" oder besser beurteilen. Nach dem Unfall sei der frühere Soldat einige Zeit nicht im Dienst gewesen, habe dann aber wieder zuverlässig gearbeitet. In der Presse sei über den Unfall ohne Nennung des Soldatenstatus des [X.] berichtet worden. [X.] Äußerungen aus dem Kameradenkreis über den früheren Soldaten wegen des Vorfalles habe es nicht gegeben.

5

Der frühere Soldat ist Träger der Ehrenmedaille der [X.] und der Einsatzmedaille der [X.] für den [X.]. Er hat 2006, 2012, 2013 und 2014 Leistungsprämien erhalten. Der letzte Auszug aus dem [X.] verweist auf zwei förmliche Anerkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung sowie die sachgleiche strafgerichtliche Verurteilung.

6

Die aktuelle Auskunft aus dem [X.] enthält den Eintrag des im sachgleichen Strafverfahren ergangenen rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts ... vom 9. August 2016, in dem gegen den früheren Soldaten wegen fahrlässiger Tötung eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr auf Bewährung verhängt wurde. Im [X.] wurde ihm die Zahlung von 3 000 € an den [X.] gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr auferlegt. Mit Beschluss vom 5. September 2018 ist die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden.

7

....

Entscheidungsgründe

8

1. Das Verfahren ist nach Anhörung des früheren Soldaten mit Verfügung des Kommandeurs Kommando ... vom 22. November 2016 eingeleitet worden. Der Anhörung der Vertrauensperson hatte er widersprochen. Nach Gewährung von [X.] hat die [X.] ihm mit [X.] vom 21. Februar 2017 vorgeworfen, auf einer Dienstfahrt fahrlässig einen Menschen getötet zu haben.

9

2. Die [X.] des [X.] hat mit Urteil vom 8. Januar 2018 festgestellt, dass der frühere Soldat ein Dienstvergehen begangen hat und das Verfahren im Übrigen eingestellt.

Ihrer Entscheidung legt die Kammer folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

"Der frühere Soldat leistete als [X.] Dienst im ... . Das ... war zum ... neu aufgestellt worden, der frühere Soldat hatte die Herausforderung, eine neue Dienststelle mitaufzubauen, gern angenommen. Da er für die Koordination der Materialbewirtschaftung häufig Dienstreisen unternehmen musste, bestand für ihn eine Dauerdienstreiseanordnung zu den häufigsten Orten seiner Besprechungen.

In dieser Daueranordnung war auch genehmigt worden, dass Dienstreisen mit Privatfahrzeug geleistet werden konnten, wenn kein Dienstfahrzeug zur Verfügung stand.

Am ... hatte er sich erneut, wie schon häufiger, auf eine Dienstreise zu einer Besprechung in [X.] begeben. Er hatte sich in seiner Dienststelle abgemeldet und war in Uniform unterwegs. Auf dem Weg von B. nach [X.] verließ er die Autobahn in Höhe ... und fuhr weiter auf der Landesstraße L ... in Richtung [X.] Auf dem Teilstück der Strecke zwischen ... und ..., die Strecke führte durch Wald, fuhr er einen Radfahrer, den an der Unfallstelle verstorbenen ..., von hinten kommend an. Der Radfahrer wurde durch das Fahrzeug des früheren Soldaten angeschoben und beschleunigt, der Radfahrer wurde in die Windschutzscheibe des Autos des früheren Soldaten und anschließend über das Dach geschleudert und fiel in den Seitenstreifen der Straße. Der Radfahrer verstarb noch an der Unfallstelle."

Weiter gibt das [X.] die bindenden Feststellungen des sachgleichen Strafurteils wie folgt wieder:

"Am ... gegen 08:20 Uhr befuhr der Angeklagte als Führer des [X.] ... die Landesstraße ... im [X.] aus Richtung ... kommend in Richtung der [X.] fahrend.

Aus Unaufmerksamkeit oder weil er von der tiefstehenden aufgehenden Sonne geblendet wurde, kam der Angeklagte mit den rechten Rädern des von ihm geführten Fahrzeuges von der Fahrbahn ab und in das rechtsseitig der Landesstraße gelegene [X.].

In der Folge erfasste er mit seinem Fahrzeug, das eine Geschwindigkeit von mindestens 85 km/h, möglicherweise bis zu 105 km/h fuhr, den auf der Landesstraße fahrenden und am ... geborenen Geschädigten ..., der - wie der Angeklagte - ebenfalls die Landesstraße ... in Richtung ... befuhr und der sich mit dem Fahrrad - den Regeln der Straßenverkehrsordnung völlig entsprechend - in einem Abstand von 0,3 bis 0,4 m zum Fahrbahnrand befand.

Durch die Kollision des von dem Angeklagten geführten Fahrzeuges mit dem Fahrrad des Geschädigten wurde dieser auf die Motorhaube des von dem Angeklagten geführten Fahrzeuges aufgeworfen, in der weiteren Folge auf das Fahrzeugdach geschleudert und dann auf das rechtsseitig der Straße gelegene Bankett abgeworfen.

Durch die Wucht des Aufpralls verstarb der Geschädigte noch an der Unfallstelle.

Hätte der Angeklagte seine Fahrspur eingehalten und dem Geschädigten genügend Aufmerksamkeit geschenkt, wäre er nicht auf das [X.] geraten und hätte den Geschädigten nicht mit seinem Fahrzeug erfasst. Bei der Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes bei einer Vorbeifahrt an dem Geschädigten wäre es zu dem Unfall und zum Tode des Geschädigten nicht gekommen."

Die Kammer selbst stellt weiter fest:

"Als weitere Ursache für das Abkommen des früheren Soldaten von der Fahrbahn ist nach Bewertung der Kammer auch ein Sekundenschlaf möglich. Anhaltspunkte für eine Übermüdung, etwa zu wenig Schlaf in der Nacht vor Fahrtantritt oder starke körperliche Anstrengung, konnte die Kammer aber nicht feststellen, sodass die eigentliche Ursache für das Abkommen von der Fahrbahn weder im Strafverfahren noch im Disziplinarverfahren geklärt werden konnte. Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Soldat Umstände, die jedermann hätte berücksichtigen können, oder Vorsichtsregeln, die jedermann hätten einleuchten müssen, nicht beachtet hat, konnte die Kammer nicht feststellen."

Der frühere Soldat habe damit fahrlässig gegen seine Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 [X.]) und zum innerdienstlichen Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 [X.]) verstoßen.

Die Eigenart des Dienstvergehens werde durch ein einmaliges fahrlässiges Fehlverhalten geprägt. Maßgeblich sei die Bedeutung der verletzten Pflichten zum treuen Dienen und zum Wohlverhalten. Das Dienstvergehen habe keine nachteiligen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb, jedoch schwerste Folgen für das Unfallopfer gehabt. Das fahrlässige Handeln mildere die Schwere des Fehlverhaltens. Die Grundsätze einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat seien auf Fahrlässigkeitstaten nicht anwendbar. Die Schuld des früheren Soldaten liege in einem kurzzeitigen Nachlassen seiner Aufmerksamkeit und Konzentration, nicht in einem aus anderem Grund verkehrswidrigen Verhalten. Sie sei daher gering. Seine Persönlichkeit sei vorbildlich. Führung und Leistung lägen im Spitzenbereich. Trotz der ihn stark belastenden psychischen Folgen der Tat habe er sehr gute Leistungen erbracht und hohen Arbeitseifer und Einsatzbereitschaft gezeigt. Als Soldat in [X.] hafte er verschärft. Es liege weder grob verkehrswidriges noch rücksichtsloses Vorverhalten oder Vorsatz vor. Für die disziplinarische Ahndung sei nicht das Ergebnis, sondern das Ausmaß der Pflichtwidrigkeit ausschlaggebend. Zu sanktionieren sei eine kurze Pflichtvergessenheit in einem gefahrgeneigten Lebensbereich, der Teilnahme am Straßenverkehr. Bei einem Soldaten im aktiven Dienst wäre ein kurzes Beförderungsverbot angemessen. Dies sei nach dem Eintritt in den Ruhestand nicht mehr zulässig. Einer Ruhegehaltskürzung stehe § 16 Abs. 1 Nr. 2 [X.] entgegen. Daher sei das Verfahren einzustellen.

3. Gegen das Urteil hat die [X.] beschränkt auf die Bemessung der Maßnahme Berufung fristgerecht eingelegt. Die Kammer habe ein kurzes Beförderungsverbot als Ausgangspunkt der [X.] für aktive Soldaten gesehen. Dies sei nach dem Urteil des [X.] vom 25. August 2017 - 2 [X.] 2.17 - der Schwere der Tat nicht angemessen. Zwar liege keine vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung vor. Jedoch sei der frühere Soldat im dienstlichen Auftrag mit seinem [X.] unterwegs gewesen. Er sei nach den bindenden Feststellungen des Strafurteils infolge grober bis gröbster Fahrlässigkeit ohne äußere Einflüsse von der Fahrbahn abgekommen und habe einen regelkonform fahrenden Radfahrer getötet. Diese Umstände seien bei der Bemessung nicht angemessen berücksichtigt. Die Höhe der Freiheitsstrafe indiziere das Gewicht der Tat. Der frühere Soldat sei auch nicht vollumfänglich geständig gewesen.

Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 [X.] form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.

Das von der [X.] eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der [X.] hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des [X.]s seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage ohne Bindung an das Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

1. Das [X.] hat festgestellt, dass der frühere Soldat auf einer Dienstfahrt am ... aus Unachtsamkeit einen Radfahrer mit seinem PKW angefahren und getötet sowie dadurch fahrlässig seine Pflichten aus §§ 7 und 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] verletzt hat. Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den [X.] damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom [X.] nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der [X.] nicht mehr von der [X.], sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von [X.] wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der [X.]", vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 [X.] 11.07 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 26 m.w.[X.]). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 [X.] Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen nicht leicht, weil der frühere Soldat in [X.] zentrale Dienstpflichten verletzt hat.

[X.] ergibt sich bereits daraus, dass der frühere Soldat gegen seine Pflicht aus § 7 [X.] zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, in erheblichem Umfang verstoßen und kriminelles Unrecht begangen hat; er ist auch entsprechend rechtskräftig verurteilt worden.

Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 [X.]) hat Gewicht. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des [X.] der [X.] und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, BVerwG, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 [X.] 20.09 - juris Rn. 27 - m.w.[X.] - und vom 4. Mai 2011 - 2 [X.] 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat als Oberstabsfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 [X.]) und daher gemäß § 10 [X.] zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet war (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 [X.] 7.08 - m.w.[X.], vom 13. Januar 2011 - 2 [X.] 20.09 - Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - 2 [X.] 2.10 - juris Rn. 30). Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Beispiel, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht.

b) Das Dienstvergehen hatte gravierende nachteilige Auswirkungen im Hinblick auf den vom früheren Soldaten verschuldeten Tod eines Menschen. Gewicht haben auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb, weil der frühere Soldat in der Folge des Geschehens psychisch erkrankte und etwa drei Monate lang nicht oder nur eingeschränkt Dienst leisten konnte. Ein erheblicher Schaden für das Ansehen der [X.] ist nicht eingetreten, weil in der Lokalpresse zwar nach der in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Aussage des Zeugen Kapitänleutnant ... über den Vorfall berichtet worden, dort aber nicht auf den Soldatenstatus des Täters hingewiesen worden war. Allerdings ist der Beruf des früheren Soldaten Gegenstand der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ... gewesen, an der auch eine Angehörige des Opfers teilgenommen hatte. Zudem war der frühere Soldat in Uniform unterwegs und es gab nach seiner Einlassung in der Berufungshauptverhandlung zumindest eine unbeteiligte Unfallzeugin, die ihn erstversorgte. Damit ist zumindest einem eingeschränkten Personenkreis bekannt geworden, dass ein Soldat einen Verkehrsunfall mit tödlichen Folgen verursacht hatte.

c) [X.] sind bei der Bemessung weder erschwerend noch mildernd einzustellen, weil sie sich nicht mehr ermitteln lassen.

d) [X.] des uneingeschränkt schuldfähigen früheren Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er fahrlässig gehandelt hatte. Fahrlässige Pflichtverletzungen sind grundsätzlich milder zu ahnden als vorsätzliche (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 [X.] 14.13 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 46 Rn. 34).

Es bedarf keiner Entscheidung, ob für fahrlässige Pflichtverletzungen ein Milderungsgrund in den Umständen der Tat eingreifen kann, der dem für vorsätzliche Pflichtverletzungen anerkannten Milderungsgrund der einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat entspricht. Denn angesichts des Gutachtens der [X.] zum Unfallhergang vom ..., der Aussage des Gutachters ... vor dem Amtsgericht und den Angaben des früheren Soldaten zu den Umständen des Unfalles gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Zusammenprall mit dem Fahrradfahrer auf einer kopflosen, unüberlegten Kurzschlussreaktion des früheren Soldaten beruhte. Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich zur Überzeugung des [X.]es, dass der frühere Soldat zum Zeitpunkt des Unfalles weder durch schwierige Verkehrsverhältnisse noch durch Geschehnisse in seinem Fahrzeug abgelenkt war. Vielmehr war er weder übermüdet noch alkoholisiert in einem ihm vertrauten Fahrzeug auf einer ihm bekannten Strecke auf einem gut einsehbaren, völlig geraden Streckenabschnitt bei trockenen Straßenverhältnissen mit zulässiger Geschwindigkeit unterwegs. Dass er gleichwohl von der Fahrbahn abkam und einem vorschriftsgemäß vor ihm fahrenden Radfahrer erst im Moment des [X.] bemerkte, spricht dafür, dass er als routinierter Fahrer auf eine einfache Alltagssituation aus Unterforderung und Langeweile mit einem Nachlassen der gebotenen Konzentration reagierte, nicht aber durch kopfloses Versagen unter dem Einfluss einer von Zeitdruck geprägten situativen Überforderung.

e) Im Hinblick auf die [X.] "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sind dem früheren Soldaten seine sehr guten Leistungen in der Vergangenheit, ausgewiesen durch Leistungsprämien, förmliche Anerkennungen und Ehrenmedaillen sowie die letzte planmäßige Beurteilung, zugute zu halten. Für ihn spricht auch, dass die Tat nach dem Persönlichkeitsbild des früheren Soldaten ausweislich der Beurteilungen und dem vom [X.] von ihm in der Berufungshauptverhandlung gewonnenen Eindruck persönlichkeitsfremd war. Hohes Gewicht kommt weiter der Bewährung in zahlreichen Auslandseinsätzen zu (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 [X.] 1.18 - Rn. 33).

Der frühere Soldat hat sich auch nachbewährt. Seine Beurteilungen bewegten sich bereits vor dem Dienstvergehen im Spitzenbereich. Die hier durch die Bekundungen des [X.] vor dem [X.] auch nach dem Dienstvergehen vom früheren Soldaten erbrachten Spitzenleistungen und die tadelfreie Führung während eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens kommen einer Nachbewährung gleich und sind mit gleich hohem Gewicht für den Soldaten sprechend zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2017 - 2 [X.] 14.16 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 53 [X.] und Rn. 40).

3. Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände steht im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 [X.] und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Verhängung einer Ruhegehaltskürzung § 16 Abs. 1 Satz 2 [X.] entgegen, so dass das gerichtliche Disziplinarverfahren von der Vorinstanz im Ergebnis zu Recht nach § 108 Abs. 3 Satz 1 [X.] eingestellt worden ist.

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der [X.] in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 [X.] 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine [X.] für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der [X.]".

Verursacht ein Soldat auf einer Dienstfahrt fahrlässig einen Verkehrsunfall, bei dem ein Mensch zu Tode kommt, ist Ausgangspunkt der [X.] die Dienstgradherabsetzung.

In der Rechtsprechung des [X.]s ist geklärt, dass jedenfalls dann, wenn durch eine vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung fahrlässig der Tod eines Menschen verursacht wird, die Dienstgradherabsetzung auch bei außerdienstlichem Verhalten Ausgangspunkt der [X.] ist (BVerwG, Urteil vom 25. August 2017 - 2 [X.] 2.17 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 54 Rn. 52 ff).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dieser Fallkonstellation einerseits durch das Fehlen des erschwerenden Elementes der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung, andererseits handelt es sich um ein grundsätzlich in Bezug auf die Zwecke des [X.]. Dass eine innerdienstliche fahrlässige Tötung nach Tat und Schuld grundsätzlich mit der nach außen sichtbaren Maßnahme der Dienstgradherabsetzung angemessen sanktioniert ist, ergibt sich indes aus einem Wertungsvergleich mit anderen Fällen innerdienstlichen vorschriftenwidrigen Umgangs mit gefährlichen Gegenständen:

Ein Beförderungsverbot ist Ausgangspunkt der [X.] bei einer fahrlässigen Verletzung von Sorgfaltspflichten im Umgang mit Munition, auch wenn sich die dadurch begründete Gefahr nicht in einem Schaden realisiert (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Juni 1991 - 2 [X.] 27.90 - BVerwGE 93, 100 ff., vom 9. Februar 1993 - 2 [X.] 24.92 - BVerwGE 93, 352 und vom 7. Mai 2013 - 2 [X.] 20.12 - Rn. 60). Tritt - wie hier - sogar der denkbar gravierendste Schaden ein, nämlich der Verlust von Menschenleben, fordert dieser Umstand grundsätzlich eine schärfere Maßnahmeart. Wer einen Menschen fahrlässig tötet, ist in der Regel härter zu sanktionieren als jemand, der lediglich fahrlässig die Gefahr schwerster Schäden begründet.

Dem entspricht, dass die Herabsetzung im Dienstgrad grundsätzlich eine angemessene Ahndung von Verfehlungen im Zusammenhang mit vorsätzlichen Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften im Umgang mit Schusswaffen darstellt (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Mai 2011 - 2 [X.] 9.10 - [X.] 449 § 7 [X.] Nr. 55 Rn. 51 m.w.[X.], vom 12. Dezember 2013 - 2 [X.] 40.12 - juris Rn. 47, und vom 12. November 2015 - 2 [X.] 1.15 - juris Rn. 48). Der [X.] bewertet zudem auch das das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von Kameraden, sind (BVerwG, Urteil vom 23. April 2015 - 2 [X.] 7.14 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 48 Rn. 51 ff. m.w.[X.]). Insbesondere ist für die befehlswidrige Anlegung von [X.] an Munition und Pyrotechnik und deren unsachgemäße Lagerung eine Dienstgradherabsetzung regelmäßig angemessen (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 2 [X.] 13.15 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 51 [X.] und Gründe). Bei der dienstlichen Teilnahme am Straßenverkehr fahrlässig einen Menschen zu töten, ist somit kein weniger gewichtiges Dienstvergehen.

b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 [X.] normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten [X.] eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der [X.] die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der [X.] bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

Für den früheren Soldaten sprechen mit erheblichem Gewicht die in seiner Person und seinen Leistungen liegenden Aspekte, insbesondere die Nachbewährung und die Persönlichkeitsfremdheit der Tat. Die bei der Bestimmung des Ausgangspunktes der [X.] noch nicht berücksichtigten und daher noch erschwerend einzustellenden Auswirkungen des Dienstvergehens auf den innerdienstlichen Bereich, also der mehrmonatige Ausfall der Arbeitskraft des Soldaten und seine [X.] ändern daran nichts. Die mildernden Aspekte überwiegen vorliegend die erschwerenden so deutlich, dass der Übergang zu der nächstniedrigen Maßnahmeart geboten ist. Dies ist gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 1 [X.] die Kürzung des Ruhegehaltes.

c) Der Verhängung dieser Maßnahme steht allerdings im Hinblick auf die im sachgleichen Strafverfahren bereits verhängte Strafe § 16 Abs. 1 Nr. 2 [X.] entgegen. Nach dieser Vorschrift darf gegenüber einem früheren Soldaten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit neben einer unanfechtbaren Strafe nur dann wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung des Ruhegehalts verhängt werden, wenn dies zusätzlich zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung oder zur Wahrung des Ansehens der [X.] erforderlich ist. Zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung ist die Verhängung einer Ruhegehaltskürzung nicht geboten. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass von dem Dienstvergehen die Gefahr einer negativen Beispielswirkung ausgehen würde, der entgegen gewirkt werden müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2012 - 2 [X.] 8.11 - juris Rn. 26). Angesichts des nur sehr eingeschränkten Kreises der Öffentlichkeit, der von dem Dienstvergehen Kenntnis erlangt hat, ist auch eine ernsthafte Beeinträchtigung des Ansehens der [X.] durch das Fehlverhalten nicht festzustellen.

3. [X.] folgt §§ 139 Abs. 2, 140 Abs. 3 Satz 1 [X.].

Meta

2 WD 12/18

11.12.2018

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Urteil

Sachgebiet: WD

vorgehend Truppendienstgericht Nord, 8. Januar 2018, Az: N 6 VL 5/17, Urteil

§ 16 Abs 1 Nr 2 WDO 2002, § 38 Abs 1 WDO 2002, § 58 Abs 2 WDO 2002, § 58 Abs 7 WDO 2002, § 108 Abs 3 S 1 WDO 2002, § 7 SG, § 17 Abs 2 S 1 SG, § 222 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.12.2018, Az. 2 WD 12/18 (REWIS RS 2018, 653)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 653

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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