Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.09.2011, Az. 26 W (pat) 507/10

26. Senat | REWIS RS 2011, 3537

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Weingärten WIR SIND DIE WINZER (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 045 625.6

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 7. September 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.], des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 vom 14. Dezember 2009 aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 33 des [X.] hat die Anmeldung der für die Waren

2

„33: Alkoholische Getränke, ausgenommen Biere“

3

bestimmten farbigen Bildmarke

Abbildung

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mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 gemäß § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehle. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei den Wortbestandteilen der angemeldeten Marke handele es sich um eine sprachüblich gebildete, sloganartige Wortfolge. In dieser sei der Bestandteil „Weingärten“ die Pluralform des [X.] Begriffs „[X.]“, mit dem eine mit Weinreben bepflanzte Fläche bezeichnet werde. Der folgende Satz „[X.] DIE [X.]“ sei eine werbeübliche, subjektbezogene Aussage in der Form des pluralis [X.], die dazu geeignet sei, den Verbraucher anzusprechen und auf die besondere Qualität eines Weines hinzuweisen. Der beschreibende Einsatz von mit den Worten „Wir sind…“ eingeleiteten Aussagen in der Werbung sei aus dem [X.] ersichtlich, in dem Aussagen wie „Wir sind die Köche“, „Wir sind Informatik“ oder „Wir sind [X.]“ verwendet würden. Die Gesamtbezeichnung „Weingärten - [X.] DIE [X.]“ werde vom Verkehr daher nur als ein werbender Hinweis mit dem Ziel, dass der Kunde sich mit dem Herstellungsbetrieb der so gekennzeichneten Waren identifizieren möge, und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst. Auch die grafische und farbliche Gestaltung könne der angemeldeten Marke nicht zur Unterscheidungskraft verhelfen. Einfachen grafischen Gestaltungen oder Verzierungen des [X.] sowie einfachen Hintergrund- und Hervorhebungsmustern, an die sich der Verkehr durch häufige Verwendung in der Werbung gewöhnt habe, fehle die Fähigkeit, beschreibenden Wortbestandteilen zur Unterscheidungskraft zu verhelfen. Die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke, die sich in einer viereckigen, leicht geschwungen dargestellten, etikettenartigen Fläche in dunkelblauer Farbe mit goldenen Rändern erschöpfe, halte sich im werbeüblichen Rahmen und werde vom Verkehr deshalb nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel, sondern als bloßes Blickfangmittel aufgefasst.

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Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, bereits die Kombination der Wortelemente „Weingärten“ und „[X.] DIE [X.]“ sei ungewöhnlich und phantasievoll. Das Besondere dabei sei die Abfolge und die gedankliche Verquickung der Örtlichkeit „Weingärten“ mit der Person der Winzer. Aber selbst dann, wenn davon ausgegangen werde, dass es sich bei den Wortbestandteilen der angemeldeten Marke um rein beschreibende Angaben handele, weise die angemeldete Marke wegen ihrer konkreten grafischen Gestaltung die notwendige Unterscheidungskraft auf. Sämtliche farbigen und bildlichen Merkmale zusammengenommen gingen über eine einfache, werbeübliche Gestaltung hinaus. Weinetiketten wiesen üblicherweise eine rechteckige Form bzw. eine Form auf, die sich der Form der Flasche oder des Flaschenhalses anpasse. Die Gestaltung eines Weinetiketts in Form einer Welle sei unüblich. Demgegenüber sei die pauschale Behauptung der Markenstelle, die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke bewege sich im Rahmen des [X.], nicht geeignet, die Zurückweisung wegen fehlender Unterscheidungskraft zu rechtfertigen.

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Die Anmelderin beantragt,

7

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des [X.] vom 14. Dezember 2009 aufzuheben.

II

8

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die in der Anmeldung aufgeführte Ware stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 [X.] nicht entgegen.

9

Der angemeldeten Marke fehlt für alkoholische Getränke insbesondere nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Unterscheidungskraft im Sinne der vorstehenden Bestimmung bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. [X.] GRUR 2006, 233, 235 Rdn. 45 - Standbeutel; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - [X.]). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - [X.]; [X.], 395, 397, Rdn. 18 - [X.] m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen mit seiner Eintragung in das Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2006, 608, 610, Rdn. 59 - [X.]; [X.] GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - [X.]). Um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu überwinden, reicht nach ständiger Rechtsprechung des [X.] allerdings jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft aus (vgl. z. B. [X.], 850, Rdn. 28 - [X.]).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Zwar handelt es sich bei dem in der angemeldeten Marke enthaltenen Wortbestandteil „Weingärten“, dem Plural des Begriffs „[X.]“, um eine für die unter den Oberbegriff „alkoholische Getränke, ausgenommen Biere“ fallende Ware „Weine“ um eine beschreibende Angabe, die so bezeichnete Weine dahingehend beschreibt, dass sie aus Reben gekeltert worden sind, die aus Weingärten stammen. Auch bei dem in der angemeldeten Marke weiter enthaltenen Satz „[X.] DIE [X.]“ handelt es sich um eine nach sprachlichen Vorbildern in der Werbesprache und im allgemeinen Sprachgebrauch - z. B. „Wir sind Papst“ - gebildete [X.], mit der sprachregelgerecht und schlagwortartig zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich bei so bezeichneten Weinen und anderen alkoholischen Getränken um solche handelt, die von Winzern erzeugt und abgefüllt worden sind, wobei auch die gewählte sprachliche Form „[X.] …“ angesichts ihrer Üblichkeit in der Werbung und der Alltagssprache vom Durchschnittsverbraucher dieser Waren nicht mehr als Hinweis auf ein einzelnes Unternehmen, sondern nur noch als eine die fachliche Kompetenz und die damit einhergehende Qualität der Erzeugnisse zum Ausdruck bringende, anpreisende Aussage verstanden wird. Entsprechend gebildeten Bezeichnungen ist vom [X.] in den letzten Jahren deshalb bereits wiederholt die Unterscheidungskraft abgesprochen worden (vgl. [X.] PAVIS PROMA, 28 W (pat) 522/10, [X.]; 25 W (pat) 59/02, 17.07.2003 - We create brands; 28 W (pat) 127/09, 27.10.2010 - [X.]; [X.], 21.04.2006 - [X.] QUALITY TO LIGHT; [X.]/04-2, 02.05.2005 - we make sure).

Trotz des beschreibenden Charakters der einzelnen Wortelemente der angemeldeten Marke weist diese jedoch entgegen der Ansicht der Markenstelle in ihrer Gesamtform das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft auf.

Für die Schutzfähigkeit einer aus sachbezogenen Einzelelementen bestehenden mehrteiligen Marke ist nicht ausschlaggebend, ob die einzelnen Wortbestandteile unterscheidungskräftig sind, sondern ob der durch sie gebildeten Gesamtaussage die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung zukommt ([X.] GRUR 2004, 680, Nr. 24 - [X.]; [X.], 608, Nr. 41 - [X.]; [X.], 534, Nr. 42 - [X.]; BGH [X.], 1002, Nr. 29 - [X.]). Zwar wird eine aus beschreibenden Begriffen bestehende Wortbildung im Allgemeinen ebenfalls als beschreibend angesehen werden, sofern kein merklicher Unterschied zwischen der Neubildung und der bloßen Summe der Bestandteile besteht. Ein derartiger relevanter Unterschied setzt sprachliche oder begriffliche Besonderheiten voraus, welche die gewählte Verbindung als ungewöhnlich erscheinen lassen. Maßgeblich ist letztlich, ob der durch die Kombination bewirkte Gesamteindruck über die Zusammenstellung beschreibender Elemente hinausgeht oder sich in deren bloßer Summenwirkung erschöpft ([X.] a. a. O. Nr. 34-37 - [X.]; a. a. O. Nrn. 45 und 69 - [X.]; [X.] 2009, Nr. 13 - My World).

Die unmittelbare Abfolge der Bezeichnungen „Weingärten“ und „[X.] DIE [X.]“ weist insoweit eine begriffliche Besonderheit auf, als durch die Bezugnahme des Wortes „[X.]“ auf das vorangehende Wort „Weingärten“ diese Weinanbauflächen als Winzer definiert werden. Auf Grund dessen ist die Verbindung aller Wortelemente der angemeldeten Marke ungewöhnlich, was auch ein angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher von Weinen und anderen alkoholischen Getränken erkennen wird. Schon deshalb vermittelt die angemeldete Marke einen über die bloße Aneinanderreihung beschreibender Angaben hinausgehenden, ausreichenden herkunftshinweisenden Gesamteindruck.

Zur Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke trägt zudem die grafische und farbliche Gestaltung der angemeldeten Marke maßgeblich bei. Die grafische Ausgestaltung einer aus sachbezogenen Angaben bestehenden Marke vermag einen über die sachliche Aussage hinausgehenden schutzfähigen Gesamteindruck dann zu bewirken, wenn sie entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, die über einfache und gebräuchliche Gestaltungen oder Verzierungen hinausgehen (BGH [X.], 710, Nr. 20 - [X.]; GRUR 2009, 954, Nr. 16 - Kinder III). Zwar vermögen gebräuchliche Schriftarten, einzelne grafische Elemente wie Striche oder farbige Ausgestaltungen im Allgemeinen die Unterscheidungskraft beschreibender Wortbestandteile einer Marke nicht zu begründen, weil sie vom Verkehr regelmäßig nur als das Bemühen um die Erreichung eines ästhetisch anspruchsvollen Gesamtbildes und nicht als herkunftskennzeichnende Elemente bewertet werden. Jedoch kann die Verbindung solcher ausschließlich schutzunfähiger Bild- und [X.] die Eintragungsfähigkeit begründen, weil auch Bestandteile, die für sich gesehen nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination eine hinreichende Unterscheidungskraft aufweisen können ([X.] 2011, 65, Nr. 12 - Buchstabe T mit Strich). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Summe und die Art der Verbindung der einzelnen, sich im Rahmen des Üblichen bewegenden Ausgestaltungen geht über eine werbeübliche Gestaltung hinaus. Zur Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke trägt neben der mehrfarbigen Wellenform des Etiketts maßgeblich auch die Art der Verbindung der einzelnen Wortelemente der Marke bei, die insoweit eine auffällige Besonderheit im [X.] aufweist, als der Buchstabe „g“ des Wortes „Weingärten“ in die Wortfolge „[X.] DIE [X.]“ hineinragt und beide Wortbestandteile der angemeldeten Marke miteinander verklammert.

Angesichts der dargestellten begrifflichen und grafischen Besonderheiten der angemeldeten Marke ist davon auszugehen, dass der Verkehr die angemeldete Marke nicht nur als eine beschreibende bzw. die Waren anpreisende Angabe, sondern als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen wird.

Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] steht der Eintragung der angemeldeten Marke für die in der Anmeldung aufgeführten Waren nicht entgegen. Angesichts der begrifflichen und grafischen Besonderheiten der angemeldeten Marke besteht kein Allgemeininteresse an der Freihaltung der angemeldeten Wort-Bild-Kombination zu Gunsten der Mitbewerber der Anmelderin. Der Beschwerde der Anmelderin war daher stattzugeben.

Meta

26 W (pat) 507/10

07.09.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.09.2011, Az. 26 W (pat) 507/10 (REWIS RS 2011, 3537)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3537

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