Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2013, Az. 10 AZR 846/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 2449

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Gegenstand

Nachtzuschlag - regelmäßige oder unregelmäßige Nachtarbeit


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 4. Juli 2012 - 6 Sa 1834/11 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. November 2011 - 5 Ca 2515/11 - wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung und der Revision.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe eines Zuschlags für geleistete Nachtarbeit. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Einheitliche Manteltarifvertrag für die Brauereien im Lande [X.] vom 29. August 1995 idF vom 19. Oktober 2001 (nachfolgend: [X.]) Anwendung. Dieser enthält zur Nachtarbeit nachstehende Regelungen:

        

§ 6   

        

Mehr-, Nacht-, Nachtschicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

        

...     

        

3.    

Nachtarbeit ist die in der [X.] zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeit. (Als Nachtarbeit gilt auch diejenige [X.], die im Rahmen einer Schicht in diese Nachtzeit fällt.)

        

4.    

Nachtschichtarbeit ist die regelmäßig in der [X.] von 22:00 bis 06:00 Uhr geleistete Arbeit. Eine Verlegung der [X.] ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat möglich.

                 

Regelmäßige Nachtarbeit ist auch diejenige Arbeitszeit, die in einem gleichmäßigen betrieblichen Geschehensablauf (z. B. betrieblicher Rhythmus) geleistet

wird, wenn sie eine [X.] vorher angekündigt ist.

                 

Unregelmäßige Nachtarbeit ist sonstige Nachtarbeit mit Ausnahme der Schichtarbeit, die in die Nachtzeit fällt.

                 

Macht ein Arbeitnehmer vertretungsweise ohne die Ankündigungsfrist gem. Abs. 2 weniger als eine [X.] Nachtdienst, so gilt sie als unregelmäßige Nachtarbeit.

                 

...     

        

§ 7     

        

Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Nachtschicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

        

1.    

Die Zuschläge betragen für angeordnete

                 

...     

                 

B.    

Nachtarbeit

                          

a)    

regelmäßige Nachtarbeit und Nacht-

        
                                   

schichtarbeit

25 %   

                          

b)    

unregelmäßige Nachtarbeit

50 %   

                          

c)    

Nachtarbeit, die gleichzeitig Mehrarbeit

        
                                   

ist     

75 %   

                 

...“   

        

2

Bei der Beklagten gilt darüber hinaus ein Haustarifvertrag vom 19. Dezember 2006 über „Abweichende Arbeitszeitregelungen zur Beschäftigungssicherung bei der [X.], [X.]“ (nachfolgend: [X.]). Nach dessen Präambel haben die geltenden [X.] Geltung wie bisher, soweit im [X.] keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Nach Ziff. 9 Abs. 6 [X.] erfolgt die Änderung der regelmäßigen Arbeitszeiten einschließlich Freizeiten für einzelne Arbeitnehmer bzw. Gruppen von Arbeitnehmern in der Regel mit der Schichtplanung (donnerstags für die nächste Arbeitswoche).

3

Die Beklagte teilte der Klägerin am 5. August 2010 (Donnerstag) mit, dass sie vom 8. bis zum 12. August 2010 außerplanmäßig zum Nachtdienst eingeteilt sei. Die Klägerin leistete in dieser [X.] 40 Nachtarbeitsstunden, welche die Beklagte mit dem Zuschlag von 25 % für regelmäßige Nachtarbeit abgerechnet hat.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Zuschlag von 50 % für unregelmäßige Nachtarbeit zu.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr 178,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2010 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das [X.] hat sie abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat nach § 7 Ziff. 1 Abschn. [X.]. [X.]. § 6 Ziff. 4 Abs. 4 [X.] Anspruch auf Zahlung eines [X.] von 50 %. Die streitbefangene Nachtarbeit „gilt“ als unregelmäßige Nachtarbeit.

9

I. Der [X.] unterscheidet [X.] (§ 6 Ziff. 4 Abs. 1 [X.]), regelmäßige Nachtarbeit (§ 6 Ziff. 4 Abs. 2 [X.]) und unregelmäßige Nachtarbeit (§ 6 Ziff. 4 Abs. 3 [X.]). Unregelmäßige Nachtarbeit liegt nur vor, wenn die Nachtarbeit nicht als [X.], als regelmäßige Nachtarbeit oder als Schichtarbeit, die in die Nachtzeit fällt, geleistet wird. Schichtarbeit soll nicht als unregelmäßige Nachtarbeit vergütet werden. § 6 Ziff. 4 Abs. 4 [X.] bestimmt davon eine Ausnahme: Nachtdienst, der kürzer ist als eine [X.] und der vertretungsweise ohne Einhaltung der Ankündigungsfrist gemäß Abs. 2 (von einer [X.]) geleistet wird, „gilt“ als unregelmäßige Nachtarbeit.

II. Die Voraussetzungen des § 6 Ziff. 4 Abs. 4 [X.] liegen vor.

1. Die Klägerin hat angeordnete Nachtarbeit iSv. § 6 Ziff. 3 [X.] geleistet. Sie hat vom 8. bis zum 12. August 2010 in der [X.] zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr gearbeitet.

2. Sie hat keine [X.] iSv. § 6 Ziff. 4 Abs. 1 [X.] geleistet. [X.] ist die regelmäßig in der [X.] von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr geleistete Arbeit. Der Arbeitnehmer muss hier nach seinem regelmäßigen Schichtrhythmus [X.] leisten. Die Klägerin war außerhalb ihrer regelmäßigen Arbeit außerplanmäßig in der Nachtschicht tätig.

3. Die Klägerin hat keine regelmäßige Nachtarbeit iSv. § 6 Ziff. 4 Abs. 2 [X.] geleistet.

a) Regelmäßige Nachtarbeit kann nach § 6 Ziff. 4 Abs. 2 [X.] „auch“ diejenige Arbeitszeit sein, die in einem gleichmäßigen betrieblichen Geschehensablauf geleistet wird. Dies ist zB regelmäßig im Betrieb anfallende Nachtarbeit außerhalb eines Schichtrhythmus (einmalige wöchentliche Anlagenwartung oder Verladearbeiten zur Nachtzeit).

b) Regelmäßige Nachtarbeit muss eine [X.] vorher angekündigt sein. Die streitbefangene Nachtarbeit wurde jedoch vollständig ohne Einhaltung der Ankündigungsfrist geleistet (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Dass nach Ziff. 9 Abs. 6 [X.] die Änderung regelmäßiger Arbeitszeiten in der Regel mit der Schichtplanung (donnerstags für die nächste Arbeitswoche) vorgenommen wird, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da der [X.] die Ankündigungsfrist des § 6 Ziff. 4 Abs. 2 [X.] nicht modifiziert. Er enthält umfangreiche Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung, verhält sich aber nicht zu Nachtarbeit und ihrer Vergütung.

4. Obwohl die Klägerin weder [X.] noch sonstige regelmäßige Nachtarbeit geleistet hat, liegt unregelmäßige Nachtarbeit gemäß § 6 Ziff. 4 Abs. 3 [X.] nicht vor; die Klägerin hat Schichtarbeit geleistet, damit greift die Ausnahmeregelung des § 6 Ziff. 4 Abs. 3 [X.].

5. [X.] „gilt“ aber nach § 6 Ziff. 4 Abs. 4 [X.] als unregelmäßige Nachtarbeit.

a) Die Ankündigungsfrist von einer [X.] wurde nicht eingehalten. Die Klägerin hat „vertretungsweise“ Nachtarbeit geleistet, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt haben. Sie hat an fünf Arbeitstagen hintereinander und damit weniger als eine [X.] gearbeitet.

b) Entgegen der Auffassung des [X.] bedeutet „[X.]“ nicht „[X.]“. Bereits der Wortlaut spricht für eine kalendarische, nach allgemeinen Regeln (§§ 187, 188 Abs. 2 BGB) zu berechnende Woche. Dies bestätigt die Tarifsystematik. Der [X.] normiert in § 6 Ziff. 4 Abs. 2 eine Ankündigungsfrist von einer „[X.]“. Es kann nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien einem mehrfach verwendeten Begriff grundsätzlich einen vom Wortsinn abweichenden Bedeutungsgehalt geben oder ihn einmal im Wortsinn und [X.] in einem anderen Sinn verstehen wollen; dies gilt umso mehr, als im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Schicht- und Arbeitszeitmodelle die Tarifanwendung anderenfalls uneinheitlich wäre und die Bedeutung der Norm im Einzelfall erst ermittelt werden müsste. An diesem Tarifverständnis vermag § 3 Abs. 1 [X.] nichts zu ändern, der lediglich besagt, dass die wöchentliche Arbeitszeit grundsätzlich auf fünf Tage der Woche zu verteilen ist. Ist die wöchentliche Arbeitszeit innerhalb von fünf Tagen bzw. fünf Nächten geleistet, ist der [X.]raum einer [X.] noch nicht erfüllt. [X.] die [X.] erst dann ab und leistet der Arbeitnehmer danach keinen Nachtdienst mehr, hat dieser weniger als eine [X.] gedauert. Der Zweck der Tarifbestimmung, kurzzeitige Umstellungen höher zu vergüten, gebietet keine einschränkende Auslegung des Begriffs der [X.].

III. [X.] ist der Höhe nach unstreitig, der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

IV. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    [X.]    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Simon    

        

    A. Effenberger    

                 

Meta

10 AZR 846/12

25.09.2013

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dortmund, 8. November 2011, Az: 5 Ca 2515/11, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2013, Az. 10 AZR 846/12 (REWIS RS 2013, 2449)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2449

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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