Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.06.2022, Az. V ZR 132/21

5. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 3222

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld: Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Löschung der Grundschuld bei Pfändung und Einziehung des Anspruchs; Voraussetzungen des Rückgewähranspruchs; Anspruch des Sicherungsgebers auf Teilfreigabe einer Sicherheit; konkludente Kündigung einer weiten Sicherungsabrede; Kündigungsrecht des Vollstreckungsgläubigers


Leitsatz

1. Die Pfändung und Einziehung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld umfasst grundsätzlich das Recht des Vollstreckungsgläubigers, im Wege der Vollstreckung die Löschung der Grundschuld zu verlangen.

2. Wann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber die Grundschuld zurückgewähren muss, bestimmt sich nach der Sicherungsvereinbarung. Ist ein weiter Sicherungszweck vereinbart, der eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, kann die Rückgewähr erst dann verlangt werden, wenn eine solche Revalutierung endgültig nicht mehr in Betracht kommt; das ist (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung endet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde (Fortführung von Senat, Urteil vom 19. April 2013 - V ZR 47/12, BGHZ 197, 155 Rn. 12).

3. Der Anspruch des Sicherungsgebers auf Teilfreigabe einer Sicherheit setzt den Eintritt einer insoweit endgültigen Übersicherung des Sicherungsnehmers und damit den Wegfall des Sicherungszwecks voraus. Das ist bei einer weiten Sicherungsvereinbarung (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer beendet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde.

4. Im Verlangen auf Rückgewähr einer nicht oder nicht voll valutierten Grundschuld liegt regelmäßig die konkludente Kündigung einer weiten Sicherungsabrede.

5. Der Vollstreckungsgläubiger, der einen Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr einer Grundschuld pfändet, ist nicht berechtigt die Sicherungsvereinbarung oder die Geschäftsbeziehung zum Sicherungsnehmer zu kündigen; die Pfändung des Rückgewähranspruchs verschafft ihm nicht das Kündigungsrecht.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 31. Mai 2021 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die beklagte Sparkasse steht seit 1993 mit [X.]     (nachfolgend: Sicherungsgeber) in einer Geschäftsbeziehung. Der Sicherungsgeber führt bei der [X.] ein Girokonto als Pfändungsschutzkonto, für welches ihm kein Kreditrahmen eingeräumt ist. Im April 2021 wies das Konto einen Sollsaldo von 3,50 € auf. Weitere zu sichernde Forderungen der [X.] gegenüber dem Sicherungsgeber bestehen derzeit nicht.

2

Der Sicherungsgeber ist Eigentümer einer Eigentumswohnung. Zugunsten der [X.] sind in Abteilung III des Grundbuchs unter der laufenden Nummer 3 eine brieflose Grundschuld in Höhe von 95.000 DM nebst 15 % Jahreszinsen sowie unter der laufenden Nummer 4 eine brieflose Grundschuld in Höhe von 50.000 DM nebst 15 % Jahreszinsen eingetragen. In der Zweckerklärung des Sicherungsgebers aus dem [X.] heißt es, dass die Grundschulden nebst Zinsen und Nebenleistung zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der [X.] gegen den Sicherungsgeber aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung dienen. Ferner enthält die Zweckerklärung folgende Bestimmung:

„1.6 Freigabe der Sicherheiten

Sobald die Sparkasse wegen aller ihrer Ansprüche - auch bedingter oder befristeter - gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, ist sie - auf entsprechendes Verlangen - verpflichtet, ihre Rechte aus der/den Grundschuld(en) freizugeben. Sie ist schon vorher auf Verlangen zur Freigabe verpflichtet, soweit sie die Grundschuld(en) nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche nicht mehr benötigt.“

3

Ziffer 4 der Zweckerklärung enthält den Hinweis, dass ergänzend die [X.] der [X.] Vertragsbestandteil sind und diese in den Kassenräumen der Sparkasse zur Einsichtnahme aushängen/ausliegen. Nr. 22 der [X.] enthält folgende Regelung:

„Die Sparkasse ist auf Verlangen zur Freigabe von Sicherheiten nach ihrer Wahl verpflichtet, soweit der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der Sparkasse nicht nur vorübergehend um mehr als 10 v.H. übersteigt.“

4

Der Sicherungsgeber hat gegenüber dem klagenden Land Steuerschulden nebst Zinsen in Höhe von 40.586,59 €. Aufgrund vollstreckbarer Anträge des [X.] sind im Januar 2015 in das [X.] unter den laufenden [X.]. 5 und 6 zugunsten des klagenden [X.] Zwangssicherungshypotheken in Höhe von 4.447,40 € und 40.536,59 € eingetragen worden.

5

Wegen der Steuerschulden des Sicherungsgebers erließ das Finanzamt gegenüber dem Sicherungsgeber und der [X.] im Januar 2015 mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, mit denen unter anderem Ansprüche des Sicherungsgebers auf Rückgewähr oder Teilrückgewähr der zugunsten der [X.] eingetragenen Grundschulden sowie das Recht des Sicherungsgebers auf Zustimmung zur Löschung aus § 1183 BGB gepfändet wurden.

6

Das klagende Land verlangt von der [X.], die Löschung der Grundschulden zu bewilligen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt das klagende Land seinen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

7

Das Berufungsgericht meint, der [X.] des Sicherungsgebers gegen die Beklagte sei zwar mit Abschluss der Sicherungsabrede und der Eintragung der Grundschulden in das Grundbuch entstanden. Er sei aber nicht fällig, weil die aufschiebende Bedingung, unter der er stehe, noch nicht eingetreten sei. Erst nach [X.] müsse der Sicherungsnehmer auf Verlangen die Grundschulden zurückgewähren. Zeitpunkt und Form der Rückgewährverpflichtung bestimme die Sicherungsvereinbarung. Bei der hier vorliegenden weiten Sicherungsvereinbarung, die eine Revalutierung der Grundschulden erlaube, trete die aufschiebende Bedingung nicht schon mit der Tilgung der Verbindlichkeit ein, die Anlass für die Bestellung der Grundschulden gewesen sei. Eine Rückgewähr könne erst dann verlangt werden, wenn der [X.] endgültig entfalle, weil keine Revalutierung mehr in Betracht komme. Dass eine Neuvalutierung noch erfolgen könne, erscheine nicht ausgeschlossen. Unbeschadet dessen fehle es auch deshalb an dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung, unter der der gepfändete [X.] stehe, da nach der Zweckerklärung die Verpflichtung zur Freigabe erst auf Verlangen des Sicherungsgebers eintrete. An einem derartigen Freigabeverlangen fehle es. Die Geltendmachung des Freigabeanspruchs durch das klagende Land genüge nicht, denn in der [X.] liege eine konkludente Kündigung der Sicherungsvereinbarung, zu der nur der Sicherungsgeber und nicht auch der Pfändungsgläubiger berechtigt sei.

II.

8

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

9

1. Das Berufungsgericht stellt rechtsfehlerfrei und von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen fest, dass das klagende Land Ansprüche des Sicherungsgebers gegen die Beklagte auf Rückgewähr der Grundschuld wirksam gepfändet (§§ 321 Abs. 1, 309 AO) und sich zur Einziehung hat überweisen lassen (§§ 314, 315 AO).

a) Bei den Grundschulden handelt es sich um Sicherungsgrundschulden, welche alle bestehenden und künftigen Forderungen der Beklagten gegen den Sicherungsgeber aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung absichern. Ein Sicherungsgeber hat aus dem [X.] gegen den Sicherungsnehmer einen durch den Wegfall des [X.]s aufschiebend bedingten schuldrechtlichen Anspruch auf Abtretung, auf Verzicht oder auf Aufhebung des nicht valutierten Teils der Grundschulden (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2016 - [X.], NJW 2016, 3239 Rn. 8), der bereits vor [X.] abgetreten (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 2013 - [X.], [X.]Z 197, 155 Rn. 7 mwN) und gepfändet werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - [X.] 131/16, NJW 2018, 710 Rn. 11).

b) Mit Überweisung der gepfändeten Forderung wird der Vollstreckungsgläubiger ermächtigt, das Recht des Vollstreckungsschuldners im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. [X.], 396, 398). Die Pfändung und Einziehung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld umfasst daher grundsätzlich das Recht des Vollstreckungsgläubigers, im Wege der Vollstreckung die Löschung der Grundschuld zu verlangen. Soweit unter Hinweis auf das Verbot der zwecklosen Pfändung (§ 803 ZPO) vertreten wird, eine Pfändung mit dem Ziel der Löschung der Grundschuld sei unzulässig, weil die Vollstreckung in den [X.] keine Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers bewirke (vgl. Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld, 4. Aufl., Rn. 931; [X.], [X.], [X.] f.), überzeugt dies jedenfalls nicht, wenn der Pfändungsgläubiger - wie hier - gleichzeitig Gläubiger eines nachrangigen Rechts ist. Denn er hat ein unmittelbares Interesse an der Löschung der Grundschuld, da sich sein Recht mit Löschung der Grundschuld im Rang verbessert, (vgl. [X.]/[X.], Kreditsicherung durch Grundschulden, 10. Aufl., Rn. 920; [X.]/[X.], [X.], 17. Aufl., Rn. F.120).

2. Richtig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass dem Sicherungsgeber gegen die Beklagte kein Anspruch auf vollständige oder teilweise Rückgewähr der Grundschulden zusteht.

a) Unverzichtbare Voraussetzung für einen [X.] ist, dass die aufschiebende Bedingung, unter der der gepfändete [X.] steht, eingetreten ist. Denn erst ab [X.] muss der Sicherungsnehmer dem Pfändungsgläubiger die Grundschuld zurückgewähren (Senat, Urteil vom 19. April 2013 - [X.], [X.]Z 197, 155 Rn. 11). Wann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber die Grundschuld zurückgewähren muss, bestimmt sich nach der Sicherungsvereinbarung. Bei einem engen [X.], bei dem die Grundschuld nur der Sicherung einer bestimmten Verbindlichkeit dient, tritt die aufschiebende Bedingung schon mit der Tilgung der Anlassverbindlichkeit ein. Ist dagegen ein weiter [X.] vereinbart, der eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, kann die Rückgewähr erst dann verlangt werden, wenn eine solche Revalutierung endgültig nicht mehr in Betracht kommt; das ist (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung endet (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 2013 - [X.], [X.]Z 197, 155 Rn. 12; [X.], Urteil vom 19. April 2018 - [X.], [X.]Z 218, 261 Rn. 65) oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde (vgl. [X.]/[X.], Kreditsicherung durch Grundschulden, 10. Aufl., Rn. 602; [X.], [X.] 2011, 897, 899).

Soweit dem Urteil des [X.] vom 10. November 2011 ([X.], [X.]Z 191, 277 Rn. 14, 16) zu entnehmen sein könnte, dass die aufschiebende Bedingung bei einer weiten Sicherungsvereinbarung schon mit der vollständigen Tilgung der Schulden eintritt und die zulässige Revalutierung nur als auflösende Bedingung anzusehen ist, hat der [X.]. Zivilsenat auf Anfrage des erkennenden Senats mitgeteilt, dass er daran nicht festhält.

b) Daran gemessen besteht mangels [X.]s kein Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr der Grundschulden.

aa) Zutreffend verneint das Berufungsgericht zunächst einen [X.] aus der Sicherungsvereinbarung.

(1) Nach der formularmäßigen Zweckerklärung dienen die bestellten Grundschulden zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Beklagten gegen den Sicherungsgeber aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung. Diese weite Sicherungsvereinbarung gestattet die Neuvalutierung der zugunsten der Beklagten bestellten Grundpfandrechte. Die Pfändung und Einziehung des [X.]s durch das klagende Land steht einer nachträglichen Neuvalutierung der Grundschulden im Rahmen der bestehenden Sicherungsvereinbarung nicht entgegen. Denn der Pfändungsgläubiger hat den Anspruch auf Rückgewähr nur in der Form gepfändet, wie er nach der Sicherungsvereinbarung besteht (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 2013 - [X.], [X.]Z 197, 155 Rn. 14 für die insoweit vergleichbare Rechtsposition des Zessionars). Der Pfändungsgläubiger muss vor der Pfändung getroffene Abreden zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer gegen sich gelten lassen. Er kann ebenso wenig wie der Zessionar des [X.]s verlangen, dass der Sicherungsgeber den [X.] fällig werden lässt (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 150 Rn. 20; [X.], Urteil vom 11. Februar 1988 - [X.] ZR 77/87, NJW-RR 1988, 972 f.). Deshalb kann der Sicherungsnehmer trotz der Pfändung des [X.]s die Grundschuld neu valutieren, wenn eine wirksame weite Sicherungsabrede getroffen wurde (vgl. [X.]/[X.], Kreditsicherung durch Grundschulden, 10. Aufl., Rn. 911; [X.]/[X.], [X.], 17. Aufl., Rn. [X.]). Das ist auch hier möglich, weil die Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Sicherungsgeber einschließlich der Sicherungsvereinbarung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unverändert besteht.

(2) Eine Beendigung der Geschäftsbeziehung oder der Sicherungsvereinbarung kann das klagende Land, wie das Berufungsgericht zutreffend sieht, auch nicht durch die Geltendmachung des [X.]s herbeiführen. Der Vollstreckungsgläubiger, der einen Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr einer Grundschuld pfändet, ist nicht berechtigt, die Sicherungsvereinbarung oder die Geschäftsbeziehung zum Sicherungsnehmer zu kündigen; die Pfändung des [X.]s verschafft ihm nicht das Kündigungsrecht (vgl. [X.], Pfändung und Vollstreckung im Grundbuch, 6. Aufl., § 4 Rn. 116; [X.], [X.], S. 201 f.; [X.], Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band III, [X.]; [X.]/[X.], [X.], 17. Aufl., Rn. F.118).

bb) Ein [X.] des Sicherungsgebers ergibt sich auch nicht aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, denn aus diesen folgen keine weitergehenden Ansprüche als aus der Sicherungsvereinbarung. [X.] verpflichtet die Beklagte zwar, ihre Rechte aus der Grundschuld auf Verlangen des [X.] freizugeben, wenn sie wegen ihrer Ansprüche befriedigt ist. Damit ist aber nur das Recht des [X.] angesprochen, den [X.] jederzeit zu kündigen, wenn die Grundschuld nicht mehr valutiert (vgl. [X.]/[X.], BGB [2019], [X.]. zu §§ 1191 ff. Rn. 167; [X.]/[X.], Kreditsicherung durch Grundschulden, 10. Aufl., Rn. 735).

3. Entgegen der Ansicht der Revision besteht auch kein Anspruch auf Freigabe der Grundschulden in Teilen.

a) Zwar bestimmt Nr. 1.6 Abs. 1 Satz 2 der [X.]. Nr. 22 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, dass die Beklagte schon vor vollständiger Befriedigung aller ihrer Ansprüche auf Verlangen zur Freigabe verpflichtet ist, soweit sie die Grundschuld(en) nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche nicht mehr benötigt bzw. soweit der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der Beklagten nicht nur vorübergehend um mehr als 10 v.H. übersteigt. Die Voraussetzungen für eine Teilfreigabe liegen jedoch nicht vor, da die Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Sicherungsgeber einschließlich der Sicherungsvereinbarung unverändert fortbesteht.

b) Aus der Treuhandnatur des [X.]s ergibt sich ungeachtet eines ausdrücklich vereinbarten Freigabeanspruchs die Pflicht des [X.], die Sicherheit schon vor Beendigung des Vertrags zurückzugewähren, wenn und soweit sie endgültig nicht mehr benötigt wird. Diese Pflicht folgt gemäß § 157 BGB aus dem fiduziarischen Charakter der Sicherungsabrede sowie der Interessenlage der Vertragsparteien. Soweit Sicherheiten nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt werden, ist ihr weiteres Verbleiben beim Sicherungsnehmer ungerechtfertigt (vgl. [X.], Beschluss vom 27. November 1997 - [X.] und 2/97, [X.]Z 137, 212, 219). Wenn sich aus der Sicherungsvereinbarung nichts anderes ergibt, muss daher die Grundschuld in diesen Fällen auf Verlangen des Sicherungsgebers auch in Teilen zurückgewährt werden (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 2013 - [X.], [X.]Z 197, 155 Rn. 12; Urteil vom 8. Dezember 1989 - [X.], NJW-RR 1990, 455; [X.], Urteil vom 19. April 2018 - [X.], [X.]Z 218, 261 Rn. 65).

c) Entgegen der Ansicht der Revision liegt eine lediglich vorübergehende Übersicherung des [X.] nicht nur dann vor, wenn eine Revalutierung oder das Entstehen sonstiger zu sichernder Forderungen gegen den Sicherungsgeber konkret absehbar ist und bevorsteht. Vorübergehend ist eine Übersicherung bei einer weiten Sicherungsabrede vielmehr solange, bis sie endgültig ist (vgl. [X.], Beschluss vom 27. November 1997 - [X.] und 2/97, [X.]Z 137, 212, 219). Der Anspruch des Sicherungsgebers auf Teilfreigabe einer Sicherheit setzt daher nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] den Eintritt einer insoweit endgültigen Übersicherung des [X.] und damit den Wegfall des [X.]s voraus (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 2013 - [X.], [X.]Z 197, 155, Rn. 12; [X.], Urteil vom 14. Mai 1996 - [X.], [X.]Z 133, 25, 30; Urteil vom 10. November 2011 - [X.], [X.]Z 191, 277 Rn. 16; Urteil vom 19. April 2018 - [X.], [X.]Z 218, 261 Rn. 65). Das ist bei einer weiten Sicherungsvereinbarung (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer beendet (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 2013 - [X.], [X.]Z 197, 155, Rn. 12) oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde (vgl. [X.]/[X.], Kreditsicherung durch Grundschulden, 10. Aufl., Rn. 602; [X.], [X.] 2011, 897, 899). Denn dann ist eine Revalutierung der Grundschuld ungeachtet des vereinbarten weiten [X.]s sicher ausgeschlossen (vgl. [X.], Urteil vom 10. November 2011 - [X.], [X.]Z 191, 277 Rn. 15). An einer Beendigung der gesamten Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Sicherungsgeber oder einer Änderung oder Kündigung der Sicherungsvereinbarung mangelt es aber, wie vorstehend bereits ausgeführt (vgl. Rn. 17).

d) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht schließlich an, dass das klagende Land ein Teilfreigabeverlangen nicht wirksam geltend machen kann. Im Verlangen auf Rückgewähr einer nicht oder nicht voll valutierten Grundschuld liegt zwar regelmäßig die konkludente Kündigung einer weiten Sicherungsabrede, da die Kündigung nicht ausdrücklich erklärt werden muss (vgl. [X.]/[X.], Kreditsicherung durch Grundschulden, 10. Aufl., Rn. 737). Die Pfändung des [X.]s verschafft dem Vollstreckungsgläubiger aber kein Kündigungsrecht (vgl. hierzu oben Rn. 18).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Haberkamp     

      

Hamdorf

      

Malik     

      

Laube     

      

Meta

V ZR 132/21

02.06.2022

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 31. Mai 2021, Az: I-5 U 71/20

§ 1191 BGB, § 309 AO, § 314 AO, § 315 AO, § 321 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.06.2022, Az. V ZR 132/21 (REWIS RS 2022, 3222)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3222 NJW 2022, 2544 REWIS RS 2022, 3222 MDR 2022, 1035-1037 REWIS RS 2022, 3222


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 U 71/20

Oberlandesgericht Hamm, 5 U 71/20, 31.05.2021.


Az. V ZR 132/21

Bundesgerichtshof, V ZR 132/21, 02.06.2022.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 U 71/20 (Oberlandesgericht Hamm)


V ZR 47/12 (Bundesgerichtshof)

Sicherungsgrundschuld: Schadensersatzanspruch gegen den Sicherungsnehmer bei Nichterfüllung des Rückgewähranspruchs nach Wegfall des Sicherungszwecks; Eintritt der …


V ZR 47/12 (Bundesgerichtshof)


V ZR 178/13 (Bundesgerichtshof)

Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank für eine Grundschuld zur Kreditsicherung: Formularmäßige Beschränkung des Anspruchs auf Rückgewähr …


V ZR 178/13 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.