Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.06.2013, Az. 10 B 1/13

10. Senat | REWIS RS 2013, 5001

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Gegenstand

Passpflicht; Identitätssicherung; Reiseausweis für Flüchtlinge; Wiederaufnahmepflicht des ausstellenden Staates


Leitsatz

Die Erfüllung der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (juris: AufenthG 2004) dient nicht allein der Feststellung der Identität des Passinhabers. Vielmehr gewährleisten ein gültiger Pass oder Passersatz wie der Reiseausweis nach Art. 28 GFK (juris: FlüAbk) auch die Verpflichtung zur Wiederaufnahme der betreffenden Person durch den das Dokument ausstellenden Staat.

Gründe

1

Die Beschwerde der [X.]n ist begründet. Die [X.] rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO). Wegen dieses [X.], auf dem die Entscheidung beruht, verweist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurück.

2

Die [X.] beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht es unterlassen hat, von Amts wegen aufzuklären, ob der Kläger zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfüllte. Zwar verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter oder - wie hier - ein Behördenvertreter nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Tatsache, dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist aber dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (stRspr, etwa Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = [X.] 451.902 Europ. [X.] u. Asylrecht Nr. 21 jeweils Rn. 13 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

3

Das Berufungsgericht hätte Anlass zur Aufklärung der Frage sehen müssen, ob der [X.] Reiseausweis für Flüchtlinge gemäß Art. 28 GFK, den der Bevollmächtigte des [X.] dem Gericht mit Schriftsatz vom 27. Januar 2011 in Kopie vorgelegt hat ([X.]. 195 <199> d.A.), zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch gültig war. Die [X.] weist in der Beschwerdebegründung mit Recht darauf hin, dass die Erfüllung der Passpflicht eine Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 [X.] darstellt. Der Kläger kann seiner Passpflicht auch durch Vorlage eines gültigen Passersatzes nachkommen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Als Passersatz gilt nach § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 [X.] auch der Reiseausweis für Flüchtlinge im Sinne von Art. 28 GFK. Einen solchen hat der Kläger zwar in Kopie vorgelegt. Die Vertreterin der [X.]n hat das Berufungsgericht ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung aber darauf hingewiesen, "es sei noch genau zu klären, ob ein aktuelles visierfähiges Reisedokument des [X.] vorliege" (S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2012). Spätestens aufgrund dieses Hinweises hätte sich dem Gericht eine entsprechende Aufklärung aufdrängen müssen, denn der in Kopie überreichte Reiseausweis gemäß Art. 28 GFK war bis zum 21. Oktober 2011 befristet ([X.]. 199 d.A.).

4

Zutreffend weist die [X.] in ihrer Beschwerdebegründung des Weiteren darauf hin, dass die vom Kläger in Kopie vorgelegte, bis 2015 gültige [X.] Aufenthaltserlaubnis kein Reisedokument darstellt. Zwar kann die Identität des [X.] auch durch andere Dokumente als den Reiseausweis nach Art. 28 GFK nachgewiesen werden. Der Gesetzgeber verlangt aber in § 5 Abs. 1 Nr. 4 [X.] die Erfüllung der Passpflicht als weitere, zur Identitätsklärung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a [X.] hinzutretende Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Denn nur ein Pass oder ein Passersatz wie der Reiseausweis nach Art. 28 GFK gewährleisten im Rahmen ihrer Geltungsdauer auch die Verpflichtung zur Wiederaufnahme der betreffenden Person durch den das Dokument ausstellenden Staat im Fall der Notwendigkeit oder des Wunsches zur Rückkehr (vgl. hierzu Ziffer 3.04 der [X.] zum [X.] vom 26. Oktober 2009, GM[X.] 2009, 877 und Paragraph 13 des Anhangs zur GFK, BG[X.] II 1953, 559 <585>).

5

Auf die von der Beschwerde weiter geltend gemachten Zulassungsgründe kommt es nicht mehr entscheidend an.

Meta

10 B 1/13

17.06.2013

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 23. Oktober 2012, Az: OVG 2 B 13.10, Urteil

§ 3 AufenthG 2004, § 5 Abs 1 Nr 4 AufenthG 2004, § 1 Abs 3 Nr 2 AufenthV, § 3 Abs 1 AufenthV, § 3 Abs 3 Nr 1 AufenthV, Art 28 FlüAbk, § 86 Abs 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.06.2013, Az. 10 B 1/13 (REWIS RS 2013, 5001)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5001

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