Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. V ZB 191/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15053

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:250118BVZB191.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

25. Januar 2018

in der [X.]sache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 361; FamFG § 68 Abs. 3 Satz 1, § 420 Abs. 1 Satz 1
Bei einem überbesetzten Spruchkörper kann zum beauftragten [X.] nur ein [X.] bestimmt werden, der nach dem kollegiumsinternen [X.] im Zeitpunkt der Übertragungsentscheidung mit der Sache befasst ist.
[X.], Beschluss vom 25. Januar 2018 -
V [X.] -
LG Ingolstadt

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 25. Januar 2018
durch die Vorsitzende [X.]in Dr.
[X.], die [X.]in Weinland und die [X.] Dr.
Kazele, Dr.
Göbel und Dr.
Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] -
2. Zivilkammer -
vom 5.
September 2017 wird auf
Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass [X.] in allen Instanzen nicht erhoben werden.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, versuchte am 24.
Juni 2017 mit
dem Zug aus [X.] kommend
in das [X.]. Da er über keine aufenthaltslegitimierenden
Dokumente verfügte, verweigerte die beteiligte Behörde ihm die Einreise. Mit Beschluss vom 30.
Juni 2017 hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde Haft zur Sicherung der Zurückweisung des Betroffenen nach [X.] bis zum
15.
September 2017 angeordnet. Auf dessen
Beschwerde hat das [X.] die Haftdauer auf den Zeitraum bis zum 12.
September 2017 beschränkt und das Rechtsmittel
im Üb-rigen zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene, der 1
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am 11.
September 2017 nach [X.] zurückgeführt worden ist, festzustellen, durch den Beschluss des Amtsgerichts und des [X.]s in seinen Rechten verletzt zu sein.

II.

Nach Auffassung des [X.] sind die Voraussetzungen für die Anordnung der [X.] nach §
15 Abs.
5 Satz
1 AufenthG ge-geben. Der Haftantrag der beteiligten Behörde genüge den Anforderungen ge-mäß §
417 Abs.
2 FamFG. In materieller Hinsicht liege eine Zurückweisungs-entscheidung vor, die nicht unmittelbar habe vollzogen werden können. Die Freiheitsentziehung genüge auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der [X.] sei gewahrt.
Die Verkürzung der Haftzeit beruhe darauf, dass für den 11. September 2017 ein Flug nach [X.] habe [X.] werden können.

III.

Die gemäß § 70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach §
62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§
71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist -
mit Ausnahme der von Amts wegen zu ändernden Kos-tenentscheidung des [X.] -
unbegründet.

1. Das Verfahren des [X.] leidet entgegen den
von der Rechtsbeschwerde erhobenen [X.] an keinen Verfahrensfehlern.

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a) Nicht zu beanstanden ist die von einem Mitglied des [X.] durchgeführte persönliche Anhörung des Betroffenen und die Verwertung des [X.] durch die Kammer in der Spruchbesetzung.

aa) Hält
das Beschwerdegericht gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Anhörung des Betroffenen für angezeigt, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, mit der Anhörung ein Mitglied des [X.] als beauftragten [X.] zu befassen. Insoweit gelten die Regeln der Zivilprozessordnung, die sowohl die Vernehmung von Zeugen als auch die Vernehmung von Parteien durch den beauftragten [X.]
erlauben (§
375 Abs. 1 ZPO und § 451 i.V.m. § 375 ZPO), entsprechend. Eine solche Übertragung scheidet nach der Rechtsprechung des Senats allerdings aus, wenn bereits im Zeitpunkt der Übertragungsentscheidung feststeht,
dass es auf die Glaubwürdigkeit des Betroffenen und nicht nur auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage ankommt (Senat, Beschluss vom 13.
Juli 2017 -
V
ZB
69/17,
InfAuslR
2017, 454
Rn.
10). Dass ein solcher Ausnahmefall hier bei der Über-tragungsentscheidung
vom 16. August 2017 vorgelegen hat, macht die Rechts-beschwerde nicht geltend.

[X.]) Sie hält das Vorgehen des [X.] vielmehr deshalb für verfahrensfehlerhaft, weil bei einem überbesetzten Spruchkörper beauftragter [X.] nur derjenige [X.] sein könne, der aufgrund des [X.]s an der Entscheidung mitwirke. Hier sei aber Vorsitzender [X.] am [X.] P.

, auf den die Anhörung des Betroffenen übertragen worden sei und der die Anhörung auch durchgeführt habe, nicht Mitglied des [X.] gewesen, der über die Haftanordnung des Amtsgerichts und die [X.] der angeordneten Haft entschieden habe. Letzteres ist zutreffend, vermag aber einen Verfahrensfehler nicht zu begründen.
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(1) Richtig ist
allerdings, dass bei einem überbesetzten Spruchkörper zum beauftragten [X.] nur ein
[X.] bestimmt werden kann, der nach dem kollegiumsinternen Geschäftsverteilungsplan mit der Sache befasst ist
(vgl. [X.] ZPO/Bach, [X.]. 15.9.2017, § 355 Rn. 16.2). Gehört ein
[X.] zwar dem (überbesetzten) Spruchkörper
-
bei einem [X.] der Kammer -
an, ist er aber nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zur Mitwirkung an dem Verfahren berufen, scheidet seine Beauftragung mit einer Beweisaufnahme
oder einer Anhörung aus. Hierfür kommt es aber entscheidend auf den Zeit-punkt an, zu dem die Übertragung
beschlossen wird
(unklar insoweit Wieczo-rek/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 361 Rn. 3).
Demgegenüber ist es unerheb-lich, ob der beauftragte [X.] tatsächlich an der Schlussentscheidung
mit-wirkt. Dies lässt sich im Zeitpunkt der Übertragungsentscheidung nicht sicher feststellen, da nicht auszuschließen ist, dass der beauftragte [X.] an der Mitwirkung der Schlussentscheidung verhindert ist oder dem Spruchkörper nicht mehr angehört. Dies ändert aber nichts an der Ordnungsmäßigkeit der Übertra-gung der Anhörung auf ihn.

(2) Hier war der Vorsitzende [X.] am [X.] P.

im Zeitpunkt des [X.] vom 16. August 2017 zur Mitwirkung an dem Beschwerdeverfahren berufen, so dass er auch mit der Durchführung der Anhö-rung beauftragt werden konnte.

(3) Eine
andere Frage ist es, ob bei einer ordnungsgemäßen Übertra-gung der Anhörung auf ein Mitglied des zur Entscheidung berufenen [X.] das Ergebnis dieser Anhörung verwertet werden darf, obwohl -
wie hier
-
der beauftragte [X.] an der Schlussentscheidung nicht mitwirkt. Dies ist grundsätzlich und auch hier zu bejahen. Zwar muss auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisauf-8
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nahme (vgl. §
355 Abs.
1 ZPO) beachtet werden, wenn das Gericht eine förmli-che Beweisaufnahme anordnet (vgl. hierzu etwa [X.]/Sternal, FamFG, 19.
Aufl., §
30 Rn.
19 f.). Es entspricht aber ständiger
Rechtsprechung des [X.], dass ein Wechsel in der Besetzung des Gerichts nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht generell die Wiederholung der [X.] erfordert. Frühere Zeugenaussagen können vielmehr im Wege des [X.] durch Auswertung des [X.] werden. Das Gericht darf bei der Beweiswürdigung allerdings
nur das be-rücksichtigen, was auf der Wahrnehmung aller an der Entscheidung beteiligten [X.] beruht oder aktenkundig ist und wozu die Parteien sich erklären konn-ten (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2016 -
XI [X.], [X.]Z 212, 286 Rn.
28 mwN). Bei der Verwertung einer durch den beauftragten [X.] durch-geführten Anhörung in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt nichts anderes (vgl. [X.] 1956, 300, 303).

(4) Hier hat das
Beschwerdegericht
in seiner
Entscheidung nur solche Umstände berücksichtigt, die sich aus dem Protokoll der Anhörung durch den Vorsitzenden [X.] P.

ergeben haben. Eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme lässt sich damit nicht feststellen.

b)
Soweit die Rechtsbeschwerde als weiteren Verfahrensfehler einen Verstoß gegen den
Anspruch des Betroffenen auf den gesetzlichen [X.] (Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG) geltend macht, weil der
Vorsitzende [X.] an der Beschwerdeentscheidung nicht mitgewirkt habe, obwohl aus den Gerichtsakten die Feststellung eines Vertretungsfalles nicht zu entnehmen sei, ist die Rüge bereits nicht ordnungsgemäß erhoben.

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aa)
Gemäß § 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG darf die angefochtene Entschei-dung auf Verfahrensfehler, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 FamFG gerügt worden sind. Hierzu ist gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 2 b) FamFG die [X.], die den Verfahrensmangel ergeben. Zur Be-gründung einer Verfahrensrüge nach § 72 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 547 Nr. 1 ZPO (nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts) ist die Angabe der [X.] nötig, aus denen sich der Fehler, im vorliegenden Fall also die angeblich fehlende Verhinderung
des Vorsitzenden, ergibt. Wenn es sich dabei um gerichtsinterne Vorgänge handelt, muss die Rechtsbeschwerde zumindest darlegen, dass sie zweckentsprechende Aufklärung gesucht hat;
die Rüge darf nicht auf bloßen Verdacht erhoben werden (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juni 1991 -
VII ZR 11/91, [X.], 512 zu der gleichgelagerten Frage der Anforderun-gen einer Verfahrensrüge gemäß § 551 Nr. 1 ZPO aF (=
§ 547 Nr. 1 ZPO nF) im Revisionsverfahren).

[X.]) [X.] ist eine solche auf Verdacht. Zwar entscheiden die Kammern eines [X.]s regelmäßig in der Besetzung von einem Vorsitzenden und zwei [X.]n (§
72 Abs.
1 Satz
2, §
75 [X.]). Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz jedoch das vom Präsidium bestimmte Mitglied der Kammer und bei dessen Verhinderung das jeweils dienstälteste Mitglied (§
21 f
Abs.
2 [X.]). Warum der Vorsitzende hier nicht verhindert gewesen sein soll, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine zweckentsprechende Aufklärung wenigstens [X.] worden ist.

2. Erfolg hat die Rechtsbeschwerde nur insoweit, als das Beschwerdege-richt im Rahmen seiner Kostenentscheidung nicht von der Erhebung von Dol-13
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metscherkosten abgesehen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010

V
ZB 222/09, [X.]Z 184, 323, Rn. 21; Beschluss vom 20. Juli 2017

V
ZB
155/16, juris Rn. 1).

3. Im Übrigen wird gemäß §
74 Abs.
7 FamFG von einer Begründung abgesehen.

[X.]

Weinland Kazele

Göbel Hamdorf

Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 30.06.2017 -
5 [X.] jug -

LG Ingolstadt, Entscheidung vom 05.09.2017 -
23 [X.] -

16

Meta

V ZB 191/17

25.01.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. V ZB 191/17 (REWIS RS 2018, 15053)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15053

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 191/17

XI ZR 145/14

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