Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.06.2010, Az. III ZR 262/09

3. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5504

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Gegenstand

Prospekthaftung des Hintermanns oder Initiators


Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten zu 5 wird die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 7. Oktober 2009 - 7 U 176/05 - zugelassen.

Auf das Rechtsmittel der Beklagten zu 5 wird das genannte Urteil insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil und über die den Kläger zu 6 und die Beklagte zu 5 treffenden Kosten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsrechtszüge, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

[X.]: 102.258,38 Euro.

Gründe

I.

1

Der Kläger zu 6 zeichnete am 4. November 2000 - unter Einschaltung der [X.], der früheren [X.] zu 6, als Treuhänderin - eine Kommanditeinlage von 200.000 DM an dem [X.], der früheren [X.] zu 1 (im [X.]). Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der [X.], der Produktionsdienstleisterin der V.    und [X.], in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren. In der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Fondsgesellschaft vom 5. September 2002 stimmten die Gesellschafter für ein Vergleichsangebot des [X.] Versicherungsunternehmens R.    , das eine Freistellung des Versicherers von [X.] tatsächlich und möglicherweise bestehenden Ansprüchen gegen Zahlung von 6,171 Mio. Euro für vier verschiedene Fonds, darunter die Fondsgesellschaft, vorsah. Im Zuge der genannten Schwierigkeiten wurde in die Fondsgesellschaft anstelle der [X.] zu 2 eine neue Komplementärin, die [X.], aufgenommen.

2

Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrten in der ersten Instanz insgesamt 17 Kläger Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus ihrer Beteiligung Rückzahlung der von ihnen eingezahlten Beträge nebst Zinsen. Insoweit nahmen sie die Herausgeberin des Prospekts, die [X.] zu 7, die Fondsgesellschaft ([X.] zu 1), deren frühere Komplementärin ([X.] zu 2) und den [X.] zu 3 als Gründungskommanditisten der [X.] zu 1 und geschäftsführenden Gesellschafter der [X.] zu 2 in Anspruch. Sie hielten auch den [X.] zu 4, Geschäftsführer der Prospektherausgeberin, aufgrund seiner im Prospekt herausgestellten Sachkenntnis und die [X.] zu 5 - Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank - als ([X.]in und [X.] für prospektverantwortlich. Diese war von der Fondsgesellschaft mit der Beratung bei der Auswahl und Heranziehung potentieller Vertragspartner und der Optimierung des gesamten Vertragswerks sowie der gesamten Koordination des Eigenkapitalvertriebs und von der [X.] zu 7, der Herausgeberin des Prospekts, mit der Erstellung eines Prospektentwurfs beauftragt worden und nahm als Einzahlungstreuhänderin für die Fondsgesellschaft die Gelder der Anleger entgegen. Schließlich hielten die Kläger die [X.] zu 6 als Treuhandkommanditistin aufgrund eigener Prüfungspflicht für die Abläufe in der Fondsgesellschaft für verantwortlich.

3

Das [X.] hat die Klagen insgesamt abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben nur noch der Kläger zu 6 gegen die [X.] zu 2 bis 5 und 7 und der Kläger zu 8 gegen die [X.] zu 5 ihre Klagen weiterverfolgt. Das [X.] hat die Berufungen zurückgewiesen. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision des [X.] zu 6 durch Urteil vom 22. November 2007 ([X.]/06 - juris und BeckRS 2008, 00230) aufgehoben, soweit die Klage des [X.] zu 6 gegen die [X.] zu 2 bis 5 und 7 abgewiesen worden ist. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das [X.] der Klage des [X.] zu 6 (im Folgenden: Kläger) auf Zahlung von 102.258,38 Euro nebst Zinsen entsprochen. Mit ihrer Beschwerde begehrt die [X.] zu 5 (im Folgenden: [X.]) die Zulassung der Revision.

II.

4

Die Beschwerde der [X.] ist begründet. Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

5

1. Das Berufungsgericht, das gegenüber der [X.] nach Lage der Akten entschieden hat, ist der Auffassung, dass die [X.] als ([X.] beziehungsweise [X.] für den im laufenden Verfahren festgestellten Prospektfehler (vgl. Senatsurteil vom 22. November 2007 aaO Rn. 8; eingehend hierzu Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - [X.]/06 - [X.], 1503, 1504 f Rn. 14 f) verantwortlich sei. Zwar reichten die Prospektangaben für die Annahme einer solchen Haftung nicht aus. Sie ergebe sich aber aus weiteren Umständen, die der [X.] zuzurechnen seien. Der Kläger habe vorgetragen, vor seiner Beteiligung über seinen Steuerberater ein Anschreiben des [X.]    erhalten zu haben, in dem es bezogen auf den Filmproduktionsfonds heiße, das Konzept zeichne sich durch eine "hervorragende Bonität des Initiators (die I.    ist eine der weltweit führenden Banken- und [X.])" aus, und dem eine von der [X.] herrührende Kurzübersicht über die Beteiligung beigefügt gewesen sei. Angesichts der Schreiben der [X.] vom 29. Juni 2000 und 3. Juli 2000, in denen von dem "von uns aufgelegte(n) Filmfonds" die Rede sei, sei für die Entscheidung zugrunde zu legen, dass auch das Anschreiben des [X.]    mit Wissen und Wollen der [X.] geschehen sei. Nach allem habe sich die [X.] als "Initiator" des Fonds bezeichnet und Aktivitäten entfaltet, die ihre Prospektverantwortlichkeit begründeten. Der Kläger habe seine Anlageentscheidung getroffen, nachdem ihm zuvor die "hervorragende Bonität" der [X.] als "Initiator des Konzepts" zur Kenntnis gebracht worden sei. Dass die [X.] den Erhalt des Anschreibens des [X.]    mit Schriftsatz vom 30. Juni 2009 bestritten habe, sei nach §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen, da sie die ihr mit Beschluss vom 5. November 2008 gesetzte Frist nicht beachtet habe.

6

2. Diese Beurteilung hält den [X.] der Beschwerde nicht stand und verletzt in einem entscheidenden Punkt die Rechte der [X.] aus Art. 103 Abs. 1 GG.

7

a) In seinem ersten Revisionsurteil ([X.]/06 aaO Rn. 11) hat der Senat wegen der in den Vorinstanzen noch nicht behandelten Frage einer möglichen Prospektverantwortlichkeit der [X.] als ([X.] oder [X.] auf seine Urteile vom 14. Juni 2007 ([X.]/06 aaO S. 1505 f Rn. 17-22; [X.]/05 - NJW-RR 2007, 1479 f Rn. 9-13) Bezug genommen. In diesen und weiteren Urteilen hat der Senat zum einen befunden, dass die [X.] im Rahmen dieser Fondsbeteiligung mit verschiedenen Aufgaben betraut gewesen sei, die auf eine erhebliche Einwirkung in tatsächlicher Hinsicht hinwiesen, dass zum anderen aber aus der Schilderung der Einbindung der [X.] in das Projekt kein Vertrauen der Anleger begründet werde, sie stünde für die Richtigkeit aller oder auch nur bestimmter Prospektaussagen ein. Da es im Prospekt an eigenen Erklärungen der [X.] fehle, komme ihre Prospektverantwortlichkeit nur in Betracht, wenn sie in eigener Verantwortlichkeit wichtige Schlüsselfunktionen bei der Gestaltung des konkreten Projekts wahrgenommen habe (Urteile vom 28. Februar 2008 - [X.]/07 - juris und BeckRS 2008, 04773 Rn. 15 f; vom 6. März 2008 - [X.] - NJW-RR 2008, 1365, 1367 f Rn. 17, 19; [X.] - juris und BeckRS 2008, 05037 Rn. 15 f). In jüngeren Entscheidungen hat er es revisionsrechtlich gebilligt, wenn der Tatrichter den vom Senat für eine Stellung und Verantwortung als ([X.] erforderlich gehaltenen bestimmenden Einfluss auf die Initiierung des Projekts in einem maßgeblichen Einfluss auf die Erstellung des [X.] gesehen hat (vgl. Beschlüsse vom 19. Februar 2009 - [X.]/08 - juris und BeckRS 2009, 08039 Rn. 2; vom 20. Mai 2010 - [X.]/09 - juris und BeckRS 2010, 14038 Rn. 1, 6).

8

b) Das Berufungsgericht geht im [X.] an die Senatsurteile vom 14. Juni 2007 im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass den Prospektangaben für sich genommen keine Prospektverantwortlichkeit der [X.] zu entnehmen ist. Es ist daher der Auffassung, dass weitere Gesichtspunkte für eine solche Haftung hinzukommen müssen. Soweit es sich dabei auf eigene Erklärungen oder Aktivitäten der [X.] als ([X.] oder [X.] beziehungsweise auf Kenntnisse des Anlegers bezieht, sind seine Ausführungen jedoch von [X.] beeinflusst. Zudem setzt sich das Berufungsgericht bei seiner Würdigung über das Vorbringen der [X.] in einer deren Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzenden Weise hinweg.

9

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] haften als so genannte Hintermänner alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen. Dabei kommt es bei der sog. Prospekthaftung im engeren Sinne - um die es hier allein geht - nicht darauf an, ob sie in dieser Einflussnahme nach außen in Erscheinung getreten sind oder nicht. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist, da vertragliche oder persönliche vorvertragliche Beziehungen zur Anbahnung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anleger und diesem Personenkreis nicht zustande kommen, dessen Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - [X.]/06 - aaO S. 1505 Rn. 19 m.w.N.). Ebenso wenig kommt es, was das Berufungsgericht verkannt hat, darauf an, ob der Anleger um die Initiatoreneigenschaft der in Anspruch genommenen Person wusste und ob diese Initiatoreneigenschaft bei seiner Anlageentscheidung irgendeine Rolle spielte. Kausalitätserwägungen sind nur hinsichtlich der Frage anzustellen, ob der vorliegende Prospektfehler, für den der Initiator oder [X.] einzustehen hat, die Anlageentscheidung beeinflusst hat.

bb) Ungeachtet dessen ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass bei der Beurteilung, ob die [X.] Initiator des Fonds sei, dem Schreiben des [X.]    eine wesentliche Indizwirkung zukommen könnte. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht näher begründet, weshalb seiner Entscheidung "zugrunde zu legen" ist, dass die Versendung dieses Anschreibens mit Wissen und Wollen der [X.] geschehen sei. Soweit es sich dabei auf die Schreiben der [X.] vom 29. Juni 2000 und 3. Juli 2000 bezieht, ist ein Zusammenhang mit dem Anschreiben des [X.] nicht ersichtlich. Denn die Schreiben sind an den [X.] zu 4 als Geschäftsführer der [X.] und zugleich der [X.] zu 7, der eigentlichen Prospektherausgeberin, gerichtet und müssten daher zunächst einmal aus der Sicht des Adressaten interpretiert werden. Mit der vom [X.] zu 4 vertretenen [X.] zu 7 bestand aber gerade ein Vertragsverhältnis, nach welchem die [X.] nur einen Prospektentwurf zu erstellen hatte, so dass der Bedeutungsinhalt dieser Schreiben entsprechend zu relativieren wäre. Bezogen auf das Schreiben des [X.]    hatte die [X.] in erster und zweiter Instanz unter Beweisantritt vorgetragen, es sei ohne Kenntnis und Zustimmung der [X.] versandt worden und das [X.] sei nicht bevollmächtigt gewesen, Erklärungen für die [X.] abzugeben. Dieses Vorbringen und den damit verbundenen - bloß vorsorglichen, weil die Beweislast für Umstände, aus denen sich eine Prospekthaftung der [X.] ergeben soll, der Kläger trägt - Beweisantritt hat das Berufungsgericht ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen.

c) Zur Aktenlageentscheidung rügt die Beschwerde mit Recht, dass das Berufungsgericht auf den rechtzeitig gestellten Antrag der [X.] vom 22. September 2009 verpflichtet war, nach § 251a Abs. 2 Satz 4 ZPO einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen. Denn der Prozessbevollmächtigte der [X.] hat durch seine anwaltliche Versicherung, die das Berufungsgericht gänzlich unerwähnt lässt, glaubhaft gemacht, dass er den am 1. Juli 2009 anberaumten Termin wegen einer Überbuchung des Flugzeugs und eines Fieberanfalls auf dem [X.], der ihn außer Stande setzte, eine Flugmöglichkeit bei einer anderen Fluggesellschaft zu buchen, ohne sein Verschulden nicht wahrnehmen konnte. Die Beschwerde rügt weiter mit Recht, dass das Vorbringen der [X.] nicht nach § 530 in Verbindung mit § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden durfte. Das Berufungsgericht hatte zwar mit Beschluss vom 5. November 2008 Gelegenheit gegeben, zu dem neuen Vorbringen des [X.] bis zum 5. Dezember 2008 Stellung zu nehmen, dieser mit [X.] zugestellte Beschluss ist der [X.] jedoch nicht zugegangen, so dass es an einer wirksamen Fristsetzung im Sinne des § 521 Abs. 2 ZPO fehlt. Vielmehr sind die Prozessbevollmächtigten mehrerer Parteien, die am Verfahren nicht mehr beteiligt waren, nicht aber der Prozessbevollmächtigte der [X.] von diesem Beschluss in Kenntnis gesetzt worden.

Ob in dieser prozessordnungswidrigen Verfahrensweise ein (weiterer) entscheidungserheblicher Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu sehen ist, kann offen bleiben, da das Berufungsgericht bereits dadurch das Recht der [X.] auf rechtliches Gehör verletzt hat, dass es das unter b, bb angeführte Vorbringen unberücksichtigt gelassen hat.

d) Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, mit der Zulassung der Revision zugleich das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).

Schlick                                Dörr                      Wöstmann

                               Seiters                    [X.]

Meta

III ZR 262/09

24.06.2010

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 7. Oktober 2009, Az: 7 U 176/05, Urteil

§ 276 BGB, § 280 BGB, § 328 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.06.2010, Az. III ZR 262/09 (REWIS RS 2010, 5504)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5504

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

III ZR 262/09

34 U 265/12

34 U 169/13

34 U 213/12

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