Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2020, Az. VI ZR 544/19

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11186

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:150920BVIZR544.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR
544/19
vom

15. September 2020

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 233 Fb,
§ 234 B

Wird ein Beschluss über die Gewährung von Prozesskostenhilfe dem [X.] gemäß § 174 Abs. 1 ZPO gegen Empfangsbe-kenntnis zugestellt, so hat der Prozessbevollmächtigte bei Unterzeichnung des [X.]ses
anhand der Handakte zu überprüfen, ob eine durch [X.] dieses Beschlusses in Lauf gesetzte Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ordnungsgemäß notiert ist. Unterlässt er dies, so liegt bereits hierin ein Verschulden im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO; unterbleibt infolge des [X.] die rechtzeitige Stellung des Wiedereinsetzungsantrags, so scheidet eine Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] aus (Fortführung Senatsbeschlüsse vom 2. Februar 2010 -
VI [X.], NJW 2010, 1080 Rn. 6; vom 12. Januar 2010 -
VI [X.], NJW-RR 2010, 417 Rn. 9; vom 5. November 2002 -
VI [X.], [X.], 435, 436, juris Rn. 9; [X.], Beschluss vom 12. September 2019 -
IX ZB 13/19, [X.], 1397 Rn. 13 mwN).

[X.], Beschluss vom 15. September 2020 -
VI [X.] -
OLG [X.]

[X.]

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-

Der VI.
Zivilsenat des [X.]s hat am
15. September 2020
durch den Vorsitzenden [X.] Seiters,
die [X.]in von [X.],
den [X.] Offen-loch
und
die [X.]innen Dr. Roloff und Müller
beschlossen:
Der Antrag des Beklagten, ihm hinsichtlich der versäumten Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
hin-sichtlich der versäumten [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts [X.] vom 28. Februar 2019 wird auf Kosten des [X.] als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis zu 22festgesetzt.

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten in Zusammenhang mit dem Erwerb [X.] auf Schadensersatz in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des
Klägers hat das [X.] die Entscheidung des [X.]s teilweise -
unter Zurückweisung der weiterge-henden Berufung
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abgeändenebst Zinsen an den Kläger verurteilt und festgestellt, dass die [X.]
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satzpflicht des Beklagten auf einer vorsätzlich begangenen deliktischen Hand-lung beruht. Die Revision hat das Berufungsgericht zugelassen.
Das Berufungsurteil wurde den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtig-ten des Beklagten
am 15. März 2019 zugestellt. Mit beim [X.] am 26.
März 2019 eingegangenem
Schriftsatz beantragte der beim Bundesge-richtshof zugelassene Rechtsanwalt X. als Prozessbevollmächtiger des
[X.], diesem Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren zu gewähren und dem Beklagten ihn, den Prozessbevollmächtigten, gemäß § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen. Mit in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten
am 18. November 2019 eingegangenem und von ihm mit
[X.] unter dem 19.
November 2019 als zugestellt anerkanntem Beschluss vom 12. November 2019
hat der erkennende Senat diesen Anträgen entsprochen. Auf telefonische Mitteilung der Rechtspflegerin an die
Kanzlei
des Prozessbevollmächtigten
vom 18. Dezember 2019, dass bislang kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den [X.] Stand eingegangen sei, hat
der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit am 20. Dezember 2019 eingegangenem Schriftsatz
beantragt, dem [X.] Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Wiedereinsetzung in die ver-säumte [X.]
und Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] zu gewähren, und zugleich für den Beklagten Revision eingelegt.
Zur Begründung seines
Antrags hat er -
unter anwaltlicher Versicherung und Beifügung einer eidesstattlichen Versicherung seiner Kanzleiangestellten -
im Wesentlichen ausgeführt, seine Kanzlei sei mit einer Rechtsanwaltsfachge-hilfin und einer Rechtsfachwirtin, [X.], besetzt. Die eingehende Post werde abwechselnd
von der einen oder von der anderen bearbeitet. Beide Mitarbeite-rinnen seien darüber informiert, dass im Falle der Gewährung von [X.] für einen
Rechtsmittelführer, bei dem im Hinblick auf den rechtzeitig gestellten [X.] die Rechtsmittel-
und Rechtsmittelbegründungsfrist ver-2
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säumt worden seien, innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung beantragt werden müsse und diese Frist mit dem Zu-gang des Beschlusses über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu laufen beginne. Die Mitarbeiterinnen seien angewiesen, diese Frist mit dem Eingang der PKH-Bewilli-gungsentscheidung im [X.] und im elektroni-schen Fristenkalender sowie in der Handakte einzutragen. Am Tag des [X.] des Beschlusses des erkennenden Senats über die Gewährung von Prozesskostenhilfe und seine Beiordnung vom 12. November 2019, nämlich dem 18. November 2019, habe die Rechtsfachwirtin, [X.], die eingehende [X.]-Post bearbeitet. Sie sei in der Kanzlei seit dem [X.] angestellt und habe die ihr obliegende Aufgabe der Fristenerfassung und -notierung stets äu-ßerst zuverlässig bewältigt, wovon er, der Prozessbevollmächtigte,
sich durch stichprobenweise Kontrolle der Eintragungen im [X.] und in der Handakte regelmäßig vergewissere. Im Streitfall habe [X.] aus ihr selbst und dem Prozessbevollmächtigten unerklärlichen Gründen die Fristennotierung komplett versäumt. Deshalb sei die [X.] -
anders als die im Hinblick auf den [X.] versäumte und wegen dieses [X.] als "erledigt"
vermerkte
Revisions-
und [X.], die in den Fristenkalendern eingetragen gewesen seien
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nicht erfasst und notiert worden. Erst durch den Anruf vom 18. Dezember 2019 sei das Versäumnis bemerkt worden.

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II.
1. Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist für den Antrag auf
Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] hat keinen Erfolg.
a) Nach § 234 Abs. 1 ZPO muss die Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; die Frist be-ginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Besteht das Hindernis für die Einlegung eines Rechtsmittels darin, dass die betreffende [X.] die für die Einlegung des Rechtsmittels erforderlichen Mittel nicht aufzubringen [X.], so entfällt das Hindernis mit Bekanntgabe des Beschlusses über die [X.], so dass der Lauf der [X.] zu diesem Zeitpunkt beginnt
(vgl. nur [X.], Beschluss vom 19. Juni 2007 -
XI [X.], [X.]Z 173, 14 Rn.
10 mwN). Nachdem der [X.] dem Pro-zessbevollmächtigten des Beklagten am 18. November 2019 zugegangen und der Empfang von ihm unter dem 19. November 2019 gemäß § 174 ZPO bestä-tigt wurde, war die Frist
zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten [X.] bei Eingang des diesbezüglichen Antrags am 20. Dezember 2019 bereits abgelaufen.
b) Die Versäumung dieser Frist erfolgte nicht ohne
ein -
dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes -
Verschulden seines [X.].
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für den Fall der Zustellung eines Urteils an einen Rechtsanwalt gegen [X.] gemäß § 174
ZPO anerkannt, dass ein die Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittel-frist ausschließendes Verschulden regelmäßig bereits darin liegt, dass der Pro-4
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zessbevollmächtigte das [X.] ohne Überprüfung auch nur der Handakte
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durch die das Versäumnis im Streitfall bereits aufgefallen wäre -
unterzeichnet
und zurückreicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Februar 2010 -
VI
[X.], NJW 2010, 1080 Rn. 6; vom 12. Januar 2010 -
VI [X.], NJW-RR 2010, 417 Rn. 9; vom 5. November 2002 -
VI [X.], [X.], 435, 436, juris Rn. 9; [X.], Beschluss vom 12. September 2019 -
IX ZB 13/19, [X.], 1397 Rn. 13 mwN).
Für die im Streitfall maßgebliche Sachverhalts-konstellation der Zustellung eines Prozesskostenhilfe gewährenden Beschlus-ses, durch den die [X.] des § 234 Abs. 1 ZPO in Bezug auf eine versäumte Rechtsmittelfrist zu laufen beginnt, kann nichts anderes gelten. Zwar ist eine förmliche Zustellung des [X.]es in diesem Fall -
an-ders als die förmliche Zustellung eines Urteils für den Lauf der Rechtsmittelfrist -
keine für den Lauf der Frist notwendige Voraussetzung (vgl.
[X.], Beschluss vom 5. November 1984 -
II ZB 3/84, [X.], 68, 69, juris Rn. 5
mwN). [X.] aber eine solche Zustellung, so lässt der das [X.] unter-zeichnende Prozessbevollmächtigte auch hier ihm ohne weiteres zur Verfügung stehende und zumutbare Kontrollmöglichkeiten außer [X.], wenn er das [X.] unterzeichnet, ohne sich in der
Handakte zu vergewissern, dass die nunmehr in Lauf gesetzte [X.] des § 234 Abs. 1 ZPO für den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist und Rechtsmitteleinlegung (vgl. § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ordnungsgemäß notiert ist.
Auf die von der Revisionserwiderung verneinte Frage, ob die vom Pro-zessbevollmächtigten für einen solchen Fall allgemein getroffenen organisatori-schen Vorkehrungen den diesbezüglichen Anforderungen genügen, kommt es vor diesem Hintergrund im Streitfall nicht mehr an.
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2. Scheidet eine Wiedereinsetzung des Beklagten in den vorigen Stand in Bezug auf die [X.] aus,
so ist die Revision des Beklagten als unzu-lässig zu verwerfen. Denn die nach § 548 ZPO einmonatige [X.] ist bereits am 15. April 2019 und damit vor Eingang der [X.] am 20. Dezember 2019 abgelaufen.
Seiters

von [X.]

Offenloch

Roloff
Müller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.12.2017 -
4 O 2/16 -

OLG [X.], Entscheidung vom 28.02.2019 -
11 U 23/18 -

9

Meta

VI ZR 544/19

15.09.2020

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2020, Az. VI ZR 544/19 (REWIS RS 2020, 11186)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11186

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(Berufungs- und Berufungsbegründungsfristversäumung nach Prozesskostenhilfegesuch: Notwendigkeit eines rechtzeitigen Fristverlängerungsantrags; Höchstfrist für Wiedereinsetzungsantrag)


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VI ZB 58/09

VI ZB 64/09

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VI ZR 544/19

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