Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 2 StR 96/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 13841

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Gegenstand

Anfragebeschluss: Ausdehnung der deutschen Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter im Falle des unbefugten Vertriebs von Betäubungsmitteln


Tenor

1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Die Ausdehnung der [X.] Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter im Rahmen des § 6 Nr. 5 StGB bedarf zu ihrer Rechtfertigung eines hinreichenden Inlandsbezugs; die Auslieferung des im Ausland festgenommenen Beschuldigten und seine daran anschließende Festnahme im Inland vermögen einen solchen nicht zu begründen.

2. Er fragt deshalb beim 1. Strafsenat an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe

I.

1

1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s übergab der Angeklagte, ein [X.] Staatsangehöriger, im Auftrag eines [X.] Rauschgiftlieferanten bei zwei Gelegenheiten im Juni und im August 2011 an Treffpunkten in [X.] 40.000 bzw. 250.000 [X.] gegen Entgelt an den früheren Mitangeklagten [X.] . Dieser war nach dem Kenntnisstand des Angeklagten ein ([X.]) Kontaktmann des eigentlichen, wiederum [X.] Abnehmers. In Wirklichkeit handelte es sich bei den Übergaben um polizeilich angeschobene [X.]. Bei dem angeblichen Abnehmer handelte es sich um einen verdeckten Ermittler der [X.] Polizei. Der Angeklagte wurde unmittelbar nach der zweiten Übergabe auf Grund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen und am 17. Oktober 2011 an [X.] ausgeliefert.

3

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, der geltend macht, [X.] Strafrecht sei nicht anwendbar, sowie die Sachbeschwerde erhebt.

4

2. Der Senat hält die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts nicht für gegeben und erachtet die Revision insoweit für erfolgversprechend. Er ist in Übereinstimmung mit dem [X.] der Auffassung, dass sich nach den Feststellungen die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts nur aus § 6 Nr. 5 StGB begründen ließe (nachfolgend II.). Insoweit teilt der Senat aber die Bedenken der Revision gegen die Annahme des [X.]s, die Auslieferung des Angeklagten nach [X.] könne einen die Anwendung des § 6 Nr. 5 StGB legitimierenden Anknüpfungspunkt darstellen (nachfolgend III.).

II.

5

Die Anwendung [X.] Strafrechts lässt sich nach den Feststellungen nur nach § 6 Nr. 5 StGB begründen.

6

Inländische täterschaftliche [X.] des früheren Mitangeklagten B. könnten zwar, wie das [X.] in seinem im Urteil in Bezug genommenen und von der Revision mitgeteilten Beschluss vom 10. Mai 2012 richtig gesehen hatte, nach §§ 3, 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StGB zur Anwendung [X.] Strafrechts führen. Solche [X.] hat das [X.] aber im Urteil nicht festgestellt; im Rahmen der rechtlichen Würdigung wird lediglich ausgeführt, dass sich der Angeklagte den in [X.] erfolgten Tatbeitrag des früheren Mitangeklagten B. über § 9 Abs. 2 Satz 1 StGB zurechnen lassen müsse, ohne dass näher dargelegt wird, worin dieser bestehen soll. In der mitgeteilten Prozessgeschichte finden sich zwar Hinweise auf "vorherige Verhandlungen in [X.] "; diese Ausführungen erfolgten aber lediglich im Rahmen der Wiedergabe des Anklagevorwurfs und können daher ebenso wenig wie die ersichtlich vorläufigen Einschätzungen des [X.]s im Beschluss vom 10. Mai 2012 konkrete tatbestandsmäßige und täterschaftliche Handlungen des Mitangeklagten B. belegen. Da der Angeklagte [X.] Staatsangehöriger ist und nach [X.] ausgeliefert wurde, sind auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 StGB nicht erfüllt.

III.

7

Der Senat ist mit der bisherigen Rechtsprechung des [X.] der Auffassung, dass § 6 Nr. 5 StGB Ausdruck des Weltrechtsprinzips ist (nachfolgend 1.), es aber insoweit zur Ausdehnung der [X.] Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter eines legitimierenden Anknüpfungspunktes bedarf (nachfolgend 2.); die Auslieferung des Beschuldigten nach [X.] und seine daran anschließende Festnahme im Inland vermögen indes keinen solchen hinreichenden Inlandsbezug zu begründen (nachfolgend 3.).

8

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist § 6 Nr. 5 StGB Ausdruck des Weltrechtsprinzips (vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2011 - 2 StR 201/11, [X.], 335 mit Anmerkung von [X.]; [X.], Urteil vom 22. September 2009 - 3 [X.], [X.], 521; Beschluss vom 22. November 1999 - 5 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 37; Urteile vom 12. November 1991 - 1 StR 328/91, [X.]R StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2; vom 8. April 1987 - 3 StR 11/87, [X.]St 34, 334, 336; vom 22. Januar 1986 - 3 [X.], [X.]St 34, 1, 2, und vom 20. Oktober 1976 - 3 [X.], [X.]St 27, 30, 32).

9

Daran hält der Senat fest. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln grundsätzlich dem Weltrechtsprinzip zu unterwerfen, findet seine völkerrechtliche Rechtfertigung u. a. (zum [X.] vom 30. März 1961 über [X.] vgl. [X.], Urteil vom 20. Oktober 1976 - 3 [X.], [X.]St 27, 30, 33) im [X.] vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit [X.]n und psychotropen Stoffen (BGBl. [X.], S. 1136 ff.). Dieses betont die Erkenntnis, "dass die Ausmerzung des unerlaubten Verkehrs [mit [X.]n und psychotropen Stoffen] in die kollektive Verantwortung aller [X.] fällt". Dementsprechend wird in Art. 4 Abs. 3 des Übereinkommens die Ausübung einer über die dort einzeln aufgezählten - im [X.] Recht im Wesentlichen schon durch die §§ 3, 4 und 7 StGB umgesetzten - Jurisdiktionstitel hinausgehenden, nach innerstaatlichem Recht begründeten Strafbarkeit ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Dies lässt den Schluss auf die Geltung des Weltrechtsprinzips zu, dessen Funktion gerade darin besteht, eine Verfolgung von Straftaten gegen wichtige Rechtsgüter der internationalen [X.]gemeinschaft zu ermöglichen (vgl. [X.], NJW 2001, 1848, 1852; so im Ergebnis auch Böse in [X.], 4. Aufl., Vor § 3 Rn. 26, § 6 Rn. 13; [X.], StGB, 62. Aufl., § 6 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., [X.]. §§ 3-9 Rn. 19; [X.], BtMG, Vor §§ 29 ff. Rn. 121; [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 149; differenzierend MüKo-StGB/[X.], 2. Aufl., Vor §§ 3-7 Rn. 43, 49). Der im Schrifttum dagegen erhobenen Kritik (vgl. etwa [X.]/Jeßberger in [X.], 12. Aufl., § 6 Rn. 79; [X.], [X.] Strafrechtsimperialismus, 2014, [X.]) ist zuzugeben, dass die in § 6 Nr. 5 StGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung nicht zwingend war; sie ist aber angesichts des den [X.] insoweit eingeräumten weiten Ermessens (vgl. [X.], [X.] - [X.]", S. 18 ff.) nicht völkerrechtswidrig ([X.], Urteile vom 8. April 1987 - 3 StR 11/87, [X.]St 34, 334, 336 ff., und vom 20. Oktober 1976 - 3 [X.], [X.]St 27, 30, 32 f.).

2. Um im Fall des § 6 Nr. 5 StGB die Ausdehnung [X.] Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter zu rechtfertigen, müssen diese Taten über den Wortlaut der Vorschrift hinaus allerdings einen hinreichenden Inlandsbezug aufweisen.

a) Der [X.] hat bisher die Notwendigkeit eines [X.] im Rahmen des § 6 Nr. 5 StGB zumeist mit der Erwägung offengelassen, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt einen solchen aufweise, wobei alle Strafsenate, die sich mit dieser Problematik zu befassen hatten, eine Neigung zu diesem Erfordernis zu erkennen gegeben haben (vgl. [X.], Urteile vom 12. November 1991 - 1 StR 328/91, [X.]R StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2, vom 8. April 1987 - 3 StR 11/87, [X.]St 34, 334, 336, und vom 20. Oktober 1976 - 3 [X.], [X.]St 27, 30, 33; vgl. auch [X.], NJW 2001, 1848, 1853; [X.], Beschluss vom 15. September 2010 - 31 [X.], OLGSt StGB § 6 Nr. 3, insoweit in NStZ-RR 2011, 54 nicht abgedruckt). Entscheidungen des [X.], die die Notwendigkeit eines Inlandsbezugs in Frage stellen, sind demgegenüber nicht ersichtlich.

b) Nach Auffassung des Senats bedarf es - in Übereinstimmung mit weiten Teilen der Literatur (vgl. [X.], StGB, 62. Aufl., § 6 Rn. 5b; [X.]/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 6 Rn. 1; MüKo-StGB/[X.] aaO § 6 Rn. 4; [X.]., Internationales Strafrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 100; [X.] aaO Rn. 11; [X.], 7. Aufl., § 153c Rn. 2; vgl. auch [X.]/Jeßberger in [X.], 12. Aufl., § 6 Rn. 35) eines solchen [X.], aus dem sich ein inländisches Interesse an der Verfolgung im Ausland begangener Straftaten ergeben muss. Die dagegen im Schrifttum teilweise erhobene Kritik (vgl. [X.] in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 6 Rn. 1; SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 6 Rn. 3) greift nicht durch.

aa) Insoweit ist die Sachlage an[X.] als bei völkerrechtlichen Kernverbrechen, bei denen der Gesetzgeber im Hinblick auf die frühere Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 1999 - 3 [X.], [X.]St 45, 64, 66) die Notwendigkeit eines Inlandsbezugs ausdrücklich verneint hat (§ 1 [X.], vgl. BT-Drucks. 14/8524 S. 14). Für völkerrechtliche Kernverbrechen ist charakteristisch, dass das völkerrechtliche Vertrags- oder Gewohnheitsrecht eine weltrechtliche Verfolgung explizit und unbedingt vorschreibt (vgl. MüKo-StGB/[X.] aaO, Vor §§ 3-7 Rn. 43, § 6 Rn. 15; [X.]., Internationales Strafrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 94), was bei diesen Straftaten dem Erfordernis eines zusätzlichen [X.] entgegensteht (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2001 - 3 [X.], [X.]St 46, 292, 307 zu § 6 Nr. 9 StGB). Eine solche völkerrechtlich begründete, umfassende Verfolgungspflicht gilt für den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmittel aber gerade nicht: vielmehr räumt Art. 4 Abs. 3 des [X.] 1988 den Vertragsparteien nur eine weitergehende Verfolgungsmöglichkeit in dem Sinne ein, dass diese nach innerstaatlichem Recht ihre Strafgerichtsbarkeit über die im Übereinkommen explizit geregelten Jurisdiktionstitel hinaus ausdehnen können. Insoweit ist daher Raum für eine Begrenzung der inländischen Strafgewalt.

bb) Dass eine grundsätzliche Verfolgungspflicht sämtlicher im Ausland begangener Straftaten, die dem Anwendungsbereich des § 6 Nr. 5 StGB unterfallen, nicht in Betracht kommt, liegt schon mit Blick auf die begrenzten Ressourcen der [X.] Strafrechtspflege auf der Hand. Zudem wird regelmäßig eine Aufklärung und Verfolgung von Straftaten am Ort der Tatbegehung schneller und effektiver möglich sein. Dem hat der Gesetzgeber durch die Möglichkeit, gemäß § 153c Abs. 1 [X.] von der Strafverfolgung abzusehen, Rechnung getragen. Die Staatsanwaltschaft hat insoweit aber einen weiten Ermessensspielraum (vgl. [X.], 7. Aufl., § 153c Rn. 19), innerhalb dessen sie das öffentliche Interesse gegen wi[X.]treitende Interessen abwägt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 153c Rn. 1), ohne dass klare, die Ermessensausübung ausreichend vorhersehbar machende Kriterien erkennbar wären; solche lassen sich auch Nr. 94 Abs. 1 [X.] nicht entnehmen.

Das Erfordernis eines materiell-rechtlich verstandenen [X.] vermag demgegenüber eine gleichförmige, der revisionsrechtlichen Kontrolle zugängliche Rechtsausübung zu gewährleisten, was der Rechtssicherheit deutlich besser gerecht wird, als eine gerichtlich nicht überprüfbare Ermessensentscheidung; dies gilt umso mehr angesichts der Bedeutung, die dieser Entscheidung für den Betroffenen im Hinblick auf die Weite des § 6 Nr. 5 StGB zukäme, wollte man auf eine materiell-rechtliche Einschränkung des Tatbestandes verzichten. Insoweit findet die Notwendigkeit eines [X.] seine Grundlage letztlich im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört (vgl. [X.], NJW 2012, 669, 672 mwN sowie [X.]E 7, 89, 92; 13, 261, 271). Damit läuft die Vorschrift des § 153c Abs. 1 [X.] auch nicht leer: vielmehr kann die Staatsanwaltschaft im Rahmen der dortigen Ermessenentscheidung von der Verfolgung absehen, obwohl ein Inlandsbezug vorliegt und [X.] Strafrecht anwendbar ist, und hierbei insbesondere außenpolitische Zweckmäßigkeitserwägungen berücksichtigen (siehe § 153c Abs. 3 [X.] i.V.m. Nr. 94 Abs.1 Satz 2 [X.]).

cc) Dieses Ergebnis entspricht zudem einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung des § 6 Nr. 5 StGB. Eine solche ist wegen des auch in Art. 2 Abs. 2 und 3 des [X.] 1988 betonten völkerrechtlichen [X.]es geboten. Das Erfordernis eines [X.] führt insoweit zu einer sinnvollen Begrenzung des den [X.] in Art. 4 Abs. 3 dieses Übereinkommens eingeräumten Spielraums und kann daher schon auf [X.] des Tatbestandes Verstöße gegen den [X.] vermeiden (vgl. MüKo-StGB/[X.] aaO Vor §§ 3-7 Rn. 13 ff., § 6 Rn. 4).

c) Als legitimierende Anknüpfungspunkte im Sinne eines [X.] kommen nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] in Betracht: die spätere Einfuhr der im Ausland an einen Ausländer veräußerten Betäubungsmittel in das [X.] ([X.], Urteil vom 8. April 1987 - 3 StR 11/87, [X.]St 34, 334, 339), ein inländischer Sitz der die Betäubungsmittel produzierenden oder die dafür nötigen Rohstoffe liefernden Firma ([X.], Urteil vom 12. November 1991 - 1 StR 328/91, [X.]R StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2), die Festnahme des sich freiwillig im [X.] aufhaltenden Beschuldigten ([X.] aaO), die Begehung einer mit der Auslandstat eng verknüpften [X.] ([X.] aaO) sowie ein früherer Wohnsitz oder jedenfalls ein regelmäßiger oder längerer Aufenthalt des Beschuldigten im Inland ([X.], Urteil vom 21. Februar 2001 - 3 [X.], [X.]St 46, 292, 307; Urteil vom 30. April 1999 - 3 [X.], [X.]St 45, 64, 68; Senat, Beschluss vom 11. Dezember 1998 - 2 [X.], [X.], 236; [X.], Beschluss vom 18. August 1994 - AK 12/94, [X.]R StGB § 6 Nr. 1 Völkermord 1; Beschluss - Ermittlungsrichter - vom 13. Februar 1994 - 1 [X.] 100/94, [X.], 232, 233).

Kein ausreichender Inlandsbezug wurde dagegen im inländischen Aufenthalt des [X.] oder Anzeigeerstatters gesehen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. Februar 1999 - 2 [X.] und vom 11. Dezember 1998 - 2 [X.], [X.], 236).

Die Frage, ob die Festnahme des ausländischen Beschuldigten im Inland nach Auslieferung einen legitimierenden Anknüpfungspunkt zu begründen vermag, ist vom 3. Strafsenat offengelassen worden ([X.], Urteil vom 8. April 1987 - 3 StR 11/87, [X.]St 34, 334, 338). Der 1. Strafsenat hat in seiner Entscheidung vom 12. November 1991 - 1 StR 328/91 ([X.]R StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2) offengelassen, ob es eines legitimierenden Anknüpfungspunktes bedarf, in der rechtmäßigen Auslieferung eines ausländischen Beschuldigten durch seinen Heimatstaat aber einen solchen Anknüpfungspunkt erblickt. Mit Urteil vom 5. November 2014 - 1 [X.] hat der 1. Strafsenat entschieden, dass sich eine Inlandsberührung der Tat im Rahmen des § 6 Nr. 5 StGB ungeachtet der Bestimmungsorte der dort verfahrensgegenständlichen Rauschgiftlieferungen jedenfalls aus der Auslieferung des - in diesem Fall offenkundig [X.] -Angeklagten an [X.] ergeben kann. Die anderen Strafsenate haben sich - soweit ersichtlich - bislang nicht zu dieser Frage geäußert.

3. Nach Ansicht des Senats vermag die Festnahme des Beschuldigten nach seiner Auslieferung allein keinen hinreichenden Inlandsbezug zu begründen.

Zwar wird man dem Einverständnis des [X.] Staates mit der Auslieferung entnehmen können, dass jedenfalls dieser in der Strafverfolgung des Beschuldigten keinen Verstoß gegen den [X.] erblickt (so wohl auch der 1. Strafsenat in seinem Urteil vom 12. November 1991 - 1 StR 328/91, [X.]R StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2); die Frage, ob dies als Inlandsbezug ausreicht, könnte aber schon an[X.] zu beurteilen sein, wenn der ausliefernde Staat nicht mit dem Staat identisch ist, in dessen Staatsgebiet die Tat begangen wurde oder aus dem der Beschuldigte stammt. Ungeachtet dessen erschöpft sich die Funktion des Inlandsbezugs, wie dargelegt, nicht in der Vermeidung von Verstößen gegen den [X.]; vielmehr soll dadurch zugleich eine gleichförmige, vorhersehbare Rechtsanwendung gewährleistet werden, was insoweit zu einer materiell-rechtlichen Einschränkung des § 6 Nr. 5 StGB führt. Aus diesem Grund ist [X.] Strafrecht von vornherein nicht anwendbar, wenn ein Bezug zum Inland fehlt. Unter diesem Gesichtspunkt rügt die Revision zu Recht, dass ein Auslieferungsersuchen, auch auf Grund eines Europäischen Haftbefehls, die Strafbarkeit der Tat nach [X.] Recht und damit die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts gerade voraussetzt und sie daher nicht erst begründen kann (vgl. [X.] - Ermittlungsrichter -, Beschluss vom 2. Juli 2012 - 2 [X.] 152/12, [X.], 304, 306 zum Erlass eines Haftbefehls in einer vergleichbaren Konstellation). Die der Auslieferung nachfolgende Festnahme im Inland ist nur deren unmittelbare Folge und kann daher für sich ebenfalls keinen hinreichenden Inlandsbezug begründen. An[X.] läge der Fall dann, wenn vor dem Auslieferungsersuchen ein diesem zu Grunde liegender tragfähiger Inlandsbezug vorgelegen hätte, der auch nach Durchführung des Strafverfahrens noch anzunehmen wäre. Dies ist nach den insoweit unergiebigen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil hier nicht der Fall.

IV.

1. Der Senat beabsichtigt, das Urteil aufzuheben und die Sache zur Klärung der Frage, ob [X.] Strafrecht möglicherweise aus anderen Gründen anwendbar ist, an das [X.] zurückzuverweisen.

Nach den Urteilsgründen erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass sich mittäterschaftliche Tathandlungen des früheren Mitangeklagten B. feststellen lassen, die nach §§ 3, 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StGB zur Anwendung [X.] Strafrechts führen könnten. Selbst wenn diese Handlungen nur als Beihilfe zu werten wären und für den Angeklagten daher keinen inländischen Tatort begründen könnten (vgl. [X.]/Jeßberger in [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 16 mwN), würden sie jedenfalls einen die Anwendung des § 6 Nr. 5 StGB rechtfertigenden Inlandsbezug darstellen. In der bisherigen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bereits die Begehung einer mit der Auslandstat eng verknüpften [X.] die [X.] Strafverfolgungsbehörden zum Einschreiten berechtigt (s. o. III.2.c). Für inländische [X.] eines Gehilfen zu der im Ausland begangenen Haupttat kann nichts anderes gelten. Die Feststellung derartiger [X.] und ihres Umfangs ist aber mit den Mitteln des dem Revisionsgericht allein zur Verfügung stehenden [X.] nicht zuverlässig möglich, sondern erfordert eine Beweisaufnahme nach strengbeweislichen Grundsätzen. In dieser Konstellation ist es angezeigt, das Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen (vgl. Senat, Urteil vom 28. Februar 2001 - 2 StR 458/00, [X.]St 46, 307, 309 f. mwN).

2. Dieser beabsichtigten Entscheidung steht zwar nicht die Rechtsprechung des 3. Strafsenats entgegen, da dieser die Frage, ob die Festnahme des ausländischen Beschuldigten im Inland nach Auslieferung einen legitimierenden Anknüpfungspunkt zu begründen vermag, ausdrücklich offengelassen hat ([X.], Urteil vom 8. April 1987 - 3 StR 11/87, [X.]St 34, 334, 338). Auch das Urteil des 1. Strafsenats vom 5. November 2014 - 1 [X.] dürfte nicht entgegenstehen, da es die Auslieferung eines [X.] und damit eine andere Fallkonstellation betraf, wie schon die Wertung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB zeigt.

Entgegenstehen könnte aber die Entscheidung vom 12. November 1991 - 1 StR 328/91 ([X.]R StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2), in der der 1. Strafsenat die Auslieferung eines ausländischen Beschuldigten durch seinen Heimatstaat als ausreichenden Inlandsbezug angesehen hat. Der Senat hat erwogen, ob diese Rechtsansicht - die im vorliegenden Fall die Verwerfung der Revision zur Folge hätte - nicht tragend gewesen sein könnte, da in der Entscheidung weitere, auch vorgreifliche, Anknüpfungspunkte für die Anwendung [X.] Strafrechts (insbesondere der inländische Sitz der die Betäubungsmittel produzierenden oder die dafür nötigen Rohstoffe liefernden Firma) genannt werden (vgl. [X.] in [X.], 26. Aufl., § 132 [X.] Rn. 6). Um sicherzustellen, dass eine mögliche Divergenz nicht übersehen wird, fragt der Senat gleichwohl gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 [X.] beim 1. Strafsenat an, ob an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird (vgl. auch [X.] aaO Rn. 8).

[X.]                                                 [X.]

                               Eschelbach                                        [X.]

Meta

2 StR 96/14

18.03.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 21. August 2012, Az: 21 KLs 4/12

§ 6 Nr 5 StGB, § 132 Abs 3 S 1 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 2 StR 96/14 (REWIS RS 2015, 13841)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1043 REWIS RS 2015, 13841


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 StR 96/14

Bundesgerichtshof, 2 StR 96/14, 07.11.2016.

Bundesgerichtshof, 2 StR 96/14, 18.03.2015.


Az. 1 ARs 10/15

Bundesgerichtshof, 1 ARs 10/15, 16.12.2015.


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