Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2018, Az. IX ZB 10/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14224

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Gegenstand

Vollstreckbarerklärung eines ausländisches Urteils: Verfahrensaussetzung bei Rechtbehelfseinlegung im Ursprungsmitgliedstaat


Tenor

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2016 ([X.]) darf bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 11. Januar 2018 nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen.

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens der [X.] hinsichtlich des vorbezeichneten Urteils des [X.] vom 22. Dezember 2016 wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Durch Urteil des [X.] ([X.]) vom 22. Dezember 2016 ist die Antragsgegnerin zur Abgabe einer auf ihrer Internetseite zu veröffentlichenden Entschuldigung verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nach Darstellung der Antragsgegnerin hat das [X.] Oberste Gericht die von ihr, der Antragsgegnerin, eingelegte Kassationsbeschwerde zugelassen und zur Untersuchung in einer mündlichen Verhandlung überwiesen.

2

Der Antragsteller hat beantragt, das genannte Urteil des [X.] im Inland für vollstreckbar zu erklären. Das [X.] hat antragsgemäß entschieden. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist erfolglos geblieben. Das Beschwerdegericht hat die Zwangsvollstreckung bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde auf [X.] beschränkt. Eine Aussetzung des Verfahrens wegen der Kassationsbeschwerde hat das Beschwerdegericht abgelehnt. Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde will die Antragsgegnerin die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Abweisung des Antrags auf Vollstreckbarkeitserklärung erreichen. Sie beantragt vorab, das Verfahren der [X.] auszusetzen sowie anzuordnen, dass bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen darf.

II.

3

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens der Vollstreckbarkeitserklärung bleibt ohne Erfolg.

4

1. Grundlage der Entscheidung über den Aussetzungsantrag ist Art. 46 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 ([X.] aF). Die Klage des Antragstellers ist im Jahr 2014 eingereicht worden. Gemäß Art. 66 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ([X.]) gilt deshalb noch die Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000. Daneben sind die Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom 19. Februar 2001 in der Fassung vom 30. November 2015 ([X.] I S. 2146, [X.]) anzuwenden. Zwar verweist § 1 [X.] nicht mehr auf die [X.] aF. Die dadurch entstandene unbeabsichtigte Regelungslücke - es gibt keine Ausführungsvorschriften mehr für Verfahren alten Rechts - ist nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] durch eine analoge Anwendung der Vorschriften des [X.] zu schließen ([X.], Beschluss vom 17. Mai 2017 - [X.], [X.], 1261 Rn. 13; vom 31. Mai 2017 - [X.], [X.], 1422 Rn. 5; jeweils mwN).

5

2. Nach Art. 46 [X.] aF kann auf Antrag des Schuldners das Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung ausgesetzt werden, wenn gegen die Entscheidung im [X.] ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Antragsgegnerin hat gegen das Urteil des [X.] eine Kassationsbeschwerde erhoben. Der Senat hat nunmehr nach pflichtgemäßem Ermessen über den Aussetzungsantrag zu entscheiden. Der Umstand, dass ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist, rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Aussetzung des Verfahrens über die Vollstreckbarkeitserklärung; denn Art. 38 Abs. 1 [X.] aF lässt ebenso wie Art. 39 [X.] und wie früher Art. 31 des [X.] vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) eine Vollstreckbarkeitserklärung nicht rechtskräftiger Entscheidungen grundsätzlich zu ([X.], Urteil vom 4. Oktober 1991 - [X.] - 183/90, juris, Rn. 28 f zu Art. 38 EuGVÜ; vgl. auch [X.]/[X.], 5. Aufl., Art. 51 VO ([X.]) 1215/2012 Rn. 1). Eine Aussetzung kommt deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht, insbesondere dann, wenn der Rechtsbehelf im [X.] Aussicht auf Erfolg verspricht. Da die Entscheidung, die vollstreckt werden soll, vom Gericht des Vollstreckungsstaates aber keinesfalls in der Sache nachgeprüft werden darf (Art. 36 [X.] aF, Art. 52 [X.], Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ), kann die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs nicht mit Umständen begründet werden, die schon Gegenstand der Verhandlung vor dem Gericht des Ausgangsstaates waren ([X.], Urteil vom 4. Oktober 1991 - [X.] - 183/90, juris, Rn. 32 zu Art. 38 EuGVÜ; [X.], Beschluss vom 21. April 1994 - [X.], NJW 1994, 2156, 2157 zu Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ; Kropholler/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 46 [X.] Rn. 5; [X.]/Dörner, ZPO, 7. Aufl., Art. 51 [X.] Rn. 5; krit. [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 46 [X.] Rn. 18 ff; [X.], ZPO, 22. Aufl., Art. 46 [X.] Rn. 9). Neue, im bisherigen Rechtsstreit vor den [X.] Gerichten noch nicht vorgetragene Umstände, die nach [X.] Recht eine Aufhebung des Urteils des [X.] erwarten lassen, weist die Begründung der Rechtsbeschwerde und des [X.] nicht nach.

III.

6

Auf Antrag der Antragsgegnerin wird die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2016 bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gemäß § 22 Abs. 3 [X.] auf Maßregeln zur Sicherung beschränkt. Die Antragsgegnerin hat dargelegt, dass eine weitergehende Vollstreckung für sie einen nicht zu ersetzenden Nachteil mit sich bringen würde. Die Verurteilung ist auf die [X.] einer vorformulierten Entschuldigung gerichtet. Eine Vollstreckung würde bedeuten, dass die Antragsgegnerin diese Erklärung veröffentlichen müsste, bevor der Senat über die Frage der Vollstreckbarkeit im Inland entschieden hat. Die nach § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte sowie fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist nicht offensichtlich aussichtslos (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 17. Juni 2009 - [X.], [X.], 1402 Rn. 8 mwN).

Kayser     

      

Lohmann     

      

Pape   

      

Grupp     

      

Möhring     

      

Meta

IX ZB 10/18

08.02.2018

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Koblenz, 11. Januar 2018, Az: 2 U 138/17 AVAG

Art 36 EGV 44/2001 vom 22.12.2000, Art 38 Abs 1 EGV 44/2001 vom 22.12.2000, Art 39 EGV 44/2001 vom 22.12.2000, Art 46 EGV 44/2001 vom 22.12.2000, Art 31 VollstrZustÜbk vom 27.09.1968, Art 34 Abs 3 VollstrZustÜbk vom 27.09.1968

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2018, Az. IX ZB 10/18 (REWIS RS 2018, 14224)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1526-1527 WM2018,1658 REWIS RS 2018, 14224


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZB 10/18

Bundesgerichtshof, IX ZB 10/18, 19.07.2018.

Bundesgerichtshof, IX ZB 10/18, 08.02.2018.


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