Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2016, Az. 5 StR 152/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 9380

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:230616B5STR152.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 152/16

vom
23. Juni 2016
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 23. Juni 2016 beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-richts
Frankfurt (Oder) vom 25.
November 2015 aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist, wobei die Feststellungen zum äußeren Geschehen vor, bei und nach der Tat Bestand haben,
b)
im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie
c)
im [X.].
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird nach §
349 Abs.
2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen Stö-rung der Totenruhe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem
psychiatrischen Kranken-haus angeordnet. Die gegen die Verurteilung wegen Mordes gerichtete [X.] des Angeklagten führt mit der Sachbeschwerde zu dem aus der Beschluss-formel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach §
349 Abs.
2 StPO.
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1. Der [X.] hat in seiner Antragsschrift vom 9.
Mai
2016 Folgendes ausgeführt:

Die rechtliche Würdigung zum Vorliegen eines nur bedingten Tö-tungsvorsatzes bei gleichzeitiger Annahme von Verdeckungsab-sicht kann rechtlicher Prüfung nicht standhalten.

Zwar kommt die Annahme von [X.] im Sinne von §
211 Abs. 2 StGB nach der Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Tod des Opfers nicht mit direktem Vorsatz angestrebt, sondern lediglich bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wird (vgl. [X.], Urteil vom 23. No-vember 1995

1 StR 475/95, [X.]St 41, 358, 360; Senat, Urteil vom 30. März 2004

5 [X.], [X.], 495, 496). Das ist nach den zitierten Entscheidungen aber nur dann der Fall, wenn der Täter von der getöteten Person keine Straftataufdeckung zu be-fürchten hat.

Die vorliegende Sachverhaltskonstellation entspricht dem nicht. Die im Rahmen der rechtlichen Würdigung hierzu aufgestellte Behaup-tung des Schwurgerichts, der Angeklagte hätte erkannt, dass sich der Geschädigte auch durch weitere Schläge oder verbale Bedro-hungen und damit anders als durch die Tötung von einer Anzeige hätte abbringen lassen ([X.]), vermag die Annahme einer der-artigen Fallgestaltung nicht zu rechtfertigen. Dieser Gedanke ist un-ter anderem schon deshalb kaum nachvollziehbar, weil sich alle [X.] gut kannten, häufig Umgang miteinander hatten und sich deshalb der Glaube an die sichere Beseitigung der Gefahr durch eine Strafanzeige lediglich durch weitere Bedrohungen des Opfers nicht von selbst erklärt, mag der Angeklagte dem Opfer auch geistig überlegen gewesen sein ([X.]).

Wesentlicher ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass sich die Annahme nur bedingten Tötungsvorsatzes mit den Feststellungen auf Seite
14 des Urteils, die auf den für glaubhaft erachteten Anga-ben des Angeklagten zu seiner Motivation zur Tat beruhen, nicht in Übereinstimmung bringen lässt. Gleiches gilt hinsichtlich der bereits angeführten Behauptung auf Seite 35 des Urteils in Bezug auf die festgestellten Persönlichkeitsbesonderheiten des Angeklagten. Im Einzelnen:
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Das Schwurgericht hat die Angaben des Angeklagten zu den Be-weggründen seiner Tatbegehung, die er anlässlich seiner polizeili-chen Vernehmung geschildert hatte, den Feststellungen ([X.] unten) rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Denn diese waren durch die Aussagen der Mitangeklagten ([X.]) bestätigt worden: Danach wollte der Angeklagte mit der Tötung verhindern, dass der Geschädigte dem ehemaligen Lebensgefährten der Mitangeklagten von deren vorangegangener Körperverletzung berichten würde. Denn er befürchtete, dass jener deswegen Strafanzeige erstatten würde, wie er es bereits mehrfach getan hatte. Dieser den Ange-klagten bei der Tötung leitende Wille ist mit der Annahme nur be-dingten Tötungsvorsatzes ([X.]) indessen nicht kongruent, das Urteil deshalb rechtsfehlerhaft.

Die behauptete Erkenntnis des Angeklagten ([X.]) lässt sich zudem nicht mit den Feststellungen zu den Auswirkungen seiner hirnorganischen Persönlichkeitsstörung ([X.] f.) in Überein-stimmung bringen: Danach sind kognitive [X.] nur eingeschränkt vorhanden ([X.]). Der Angeklagte ist zudem nur eingeschränkt in der Lage, wahrscheinliche Konsequenzen [X.] eigenen Handelns vorauszusehen und in konfliktbeladenen Si-tuationen Problemlösungsstrategien zu entwerfen ([X.]). Es ist deshalb ohne erläuternde Begründung nicht nachvollziehbar, wie der erheblich alkoholisierte Angeklagte in einer konfliktbeladenen Situation und der sich hieran sehr schnell anschließenden Spontan-tötung zu differenzierten Überlegungen über anderweitige Beseiti-gungsmöglichkeiten der Gefahr einer Strafanzeige in der Lage ge-wesen sein sollte. Nachvollziehbare Erklärungen hierzu lassen sich dem Urteil auch im Gesamtzusammenhang nicht entnehmen.

Die festgestellten Tatumstände lassen es gleichwohl als möglich erscheinen, dass die Annahme direkten Tötungsvorsatzes in [X.] mit [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt wer-den könnte. Denn angesichts des gezielten Wurfes des Angeklag-ten mit [X.] in Richtung des Kopfes des Opfers, der bei einem Treffer offensichtlich dessen Tod zur Folge haben musste, und des durch den Angeklagten geschilderten [X.] ist der Schluss auf einen direkten Tötungsvorsatz in Verbindung mit [X.] auch eingedenk der [X.], der Alkoholisierung des Angeklagten und seiner Persönlichkeitsbesonderheiten, die zur Annahme des § 21 StGB führten, nicht nur [X.] möglich. Eine (erneute) -
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Verurteilung wegen [X.] kann deshalb derzeit nicht ausgeschlossen werden.

Weil die geschilderten Rechtsfehler bei den Feststellungen zum Vorsatz und zur [X.] zum Wegfall der subjektiven Tatseite führen, hat dies zur Folge, dass auch die Verurteilung we-gen Mordes aus Heimtücke (vorerst) entfallen muss. Insoweit er-schiene es im Übrigen wünschenswert, wenn das Mordmerkmal der Heimtücke -
sollte es erneut zu einer diesbezüglichen Verurteilung kommen -
vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankung des Angeklagten ebenfalls eingehender als bisher begründet werden würde, auch wenn es naheliegt, dass der Angeklagte trotz seiner Persönlichkeitsbesonderheiten in der Lage war, die Arg-
und Wehr-losigkeit des [X.] zu erkennen und sie zur Beseitigung der Gefahr vor Erstattung einer Strafanzeige bewusst auszunutzen (vgl. hierzu auch MüKo/[X.], StGB, 2. Aufl., § 211 Rn. 182/183 ff.).

Dem tritt der Senat bei und bemerkt

auch hier in Übereinstimmung mit den Ausführungen des [X.]s

ergänzend, dass eine Ableh-nung des Tötungsvorsatzes nach den gegebenen Umständen auch eingedenk der organischen Persönlichkeitsstörung sowie der Alkoholisierung des Ange-klagten zur Tatzeit entgegen der Auffassung
der Revision fernliegt.

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Mordes entzieht der inso-weit verhängten [X.] von elf Jahren ohne Weiteres die [X.]. Zudem waren der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und die Maß-regelentscheidung aufzuheben. Die Feststellungen zum äußeren Geschehen sind hingegen rechtsfehlerfrei getroffen und können aufrechterhalten werden. Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie den bestehenden nicht wi-dersprechen.

3. Die Verurteilung wegen Störung der Totenruhe weist keinen Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Gleiche gilt für den insoweit ge-troffenen Einzelstrafausspruch.
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4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass ge-gebenenfalls die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§
63 StGB) sorgfältiger zu begründen wäre, als dies im [X.] Urteil geschehen ist. Namentlich bedürften die Art der Krankheit des Angeklagten und die damit verbundenen Auswirkungen ebenso näherer Erläu-terung wie dessen Vorverurteilungen wegen Gewalttaten, die das angefochtene Urteil für die Annahme der Gefährlichkeit des Angeklagten gerade aufgrund der organischen Persönlichkeitsstörung ohne nähere Erläuterungen heranzieht. Insoweit kann auch die nicht hi-
und fremdaggressives Agieren in Überforderungssituationen sei bei dem Angeklag-

41), den Anforderungen nicht genügen.

Sander
[X.]
Dölp

König
Feilcke

6

Meta

5 StR 152/16

23.06.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2016, Az. 5 StR 152/16 (REWIS RS 2016, 9380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9380

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