Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2006, Az. IX ZR 84/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4200

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] [X.] Verkündet am: 30. März 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 134 Abs. 1 a) Eine Leistung, die der spätere Insolvenzschuldner zur Tilgung einer Forderung des Leistungsempfängers gegen einen [X.] erbringt, ist unentgeltlich, wenn der Empfänger keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat. b) Für die Frage, ob der künftige Insolvenzschuldner eine unentgeltliche Leistung erbracht hat, sind eine entsprechende Leistungsverpflichtung gegenüber einem [X.] oder gegenüber einem [X.] verfolgte wirtschaftliche Interessen oder Vorteile unerheblich. c) Die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen einen [X.] gerichtete Forderung bezahlt wird, liegt in der Regel darin, dass er eine werthaltige Forde-rung gegen seinen Schuldner verliert. - 2 - d) Die Leistung, die der spätere Insolvenzschuldner zur Tilgung einer nicht wert-haltigen Forderung des Empfängers gegen einen [X.] erbringt, ist nicht des-halb entgeltlich, weil der Empfänger zu einem früheren Zeitpunkt seinerseits Leistungen an den [X.] erbracht hat, die eine Gegenleistung zu der nun er-füllten Forderung darstellten. (Fortführung der Rechtsprechung zu § 32 Nr. 1 KO für § 134 Abs. 1 [X.]) [X.], [X.] vom 30. März 2006 - [X.] - [X.]
[X.] - 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2006 durch [X.] Ganter, [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 15. März 2005 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Das [X.]eil ist vorläufig vollstreckbar. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem am 9. Mai 2003 auf Eigenantrag vom 26. März 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H.

GmbH (im folgenden: Schuldnerin). Er begehrt im Wege der Insolvenzanfechtung von der Beklagten Rückzahlung des Sozialversicherungs-beitrages für den Monat November 2002, den die Schuldnerin am 28. Januar 2003 für die [X.]GmbH & Co. KG bezahlt hat. Zwischen der Schuldnerin und der [X.]GmbH & Co. KG bestand eine gesellschaftsrechtliche Verbindung dergestalt, dass die [X.]

GmbH alleinige [X.] - 4 - terin der beiden und die [X.]GmbH & Co. KG (im folgenden auch: [X.]) nahezu alleinige Lieferantin der Schuldnerin war. Der Kläger behauptet, die [X.] sei zum Zeitpunkt der Zahlung der Schuldnerin an die Beklagte zahlungsunfähig gewesen. Deshalb sei die Zahlung der Schuldnerin als unentgeltliche Leistung nach § 134 [X.] anfechtbar. 2 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen [X.] in vollem Umfang weiter. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. 4 1. Da die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ord-nungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu [X.]. Das [X.]eil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer um-fassenden Sachprüfung ([X.] 37, 79, 82). 5 2. Das Berufungsgericht meint, ein Anspruch auf Rückzahlung gemäß §§ 143, 134 [X.] bestehe schon deshalb nicht, weil die Leistung der [X.] nicht unentgeltlich erfolgt sei. Die Beklagte habe zum Zahlungszeitpunkt als Gegenleistung bereits den Sozialversicherungsschutz erbracht gehabt. Dass ihre Leistung nicht an die Schuldnerin, sondern an die [X.] - erfolgt sei, ändere nichts an der Entgeltlichkeit. Die Beklagte sei schutzbedürf-tig, weil für sie nicht erkennbar gewesen sei, ob die Leistung im Verhältnis der Schuldnerin zu ihrer [X.] mit oder ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Davon unabhängig sei der Anspruch auch deshalb unbegründet, weil der darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt habe, dass die Schuldnerin mit der Zahlung keine eigenen wirt-schaftlichen Interessen oder Vorteile verfolgt habe. 3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. 7 a) Die Beklagte ist als Einzugsstelle (§§ 28h, 28i [X.]) des Gesamt-sozialversicherungsbetrages passiv legitimiert für eine Anfechtung auf Rück-zahlung der an sie gezahlten Sozialversicherungsbeiträge, auch soweit die [X.] im Innenverhältnis anderen Versicherungsträgern zustehen ([X.], [X.]. v. 12. Februar 2004 - [X.] ZR 70/03, [X.], 862, 863; v. 21. Oktober 2004 - [X.] ZR 71/02, [X.], 38 f). 8 b) Der Umstand, dass die Beklagte den Beschäftigten der [X.] gewährt hat, lässt die Unentgeltlichkeit der Leistung der Schuldnerin nicht entfallen. 9 Wird eine dritte Person in einen Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es für die Frage der Unentgeltlichkeit einer Leistung des Schuldners nicht darauf an, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für seine Leistung [X.] hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegen-leistung zu erbringen hat. Es entspricht der Wertung des § 134 [X.], dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er [X.] ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat ([X.] 41, 298, 302; 141, 10 - 6 - 96, 99 f; [X.], [X.]. v. 3. März 2005 - [X.] ZR 441/00, [X.], 767, 768, z.[X.]. in [X.] 162, 276). Die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen einen [X.] gerichtete Forderung bezahlt wird, liegt in der Regel darin, dass er eine werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliert. In diesem Fall ist nicht der Leistungsempfänger, sondern dessen Schuldner der richtige Beklagte für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung ([X.] 41, 298, 302; [X.], [X.]. v. 15. Dezember 1982 - [X.], [X.], 32; v. 5. Februar 2004 - [X.] ZR 473/00, [X.], 917, 918; v. 3. März 2005, aaO) oder für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung ([X.] 70, 389, 396 f). Ist die Forderung des Zuwendungsempfängers gegen seinen Schuldner dagegen wertlos, ist die Zuwendung unentgeltlich. Dabei ist es unerheblich, ob der Leistungsempfänger seinem Schuldner zu einem früheren Zeitpunkt eine Leistung erbracht hat. Maßgeblich für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist vielmehr der Zeitpunkt der Vollendung des [X.], also des Erhalts der Zahlung ([X.] 41, 17, 19; [X.], [X.]. v. 3. März 2005, aaO). Hat der [X.] eine Leistung bereits erbracht, kann die Entgeltlichkeit der Zuwendung nur nach dem Wert seiner Forderung bemessen werden. Ist diese im Zeitpunkt der Leistung nicht werthaltig, liegt eine unentgeltliche Zuwendung vor. Der Leistungsempfänger, der lediglich eine nicht werthaltige Forderung ge-gen seinen Schuldner verliert, ist gegenüber den [X.] des Schuldners nicht schutzwürdig, denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können ([X.], [X.]. v. 3. März 2005, aaO). 11 Ob die Beklagte gegebenenfalls die Wertlosigkeit ihrer Forderung gegen die [X.] kannte, ist unerheblich (vgl. im Einzelnen [X.], [X.]. v. 3. März 2005, aaO). 12 - 7 - c) Die Klageabweisung lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Kläger nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt hat, die [X.] habe mit der Zahlung keine eigenen wirtschaftlichen Interessen oder Vorteile verfolgt. 13 Hierauf kommt es nicht an. Maßgeblich ist allein das Rechtsverhältnis zwischen dem verfügenden Schuldner und dem Zuwendungsempfänger; nur in diesem Verhältnis kann ausgehend von dem Schutzzweck des § 134 [X.] die Unentgeltlichkeit beurteilt werden ([X.] 141, 96, 101; [X.], [X.]. v. 3. März 2005, aaO). Selbst wenn die Schuldnerin im Verhältnis zu der [X.] zur Leistung verpflichtet war oder mit der Leistung eigene wirtschaftliche Interessen verfolgte oder Vorteile erzielte, macht dies den Leistungsempfänger gegenüber den [X.] der Schuldnerin nicht schutzwürdig und lässt die Unentgeltlichkeit der Leistung im Verhältnis zum Empfänger nicht ent-fallen ([X.], [X.]. v. 3. März 2005, aaO). Die Schuldnerin war zur Zahlung ge-genüber der Beklagten nicht verpflichtet. Zwischen beiden bestanden unstreitig - von der Zahlung abgesehen - keine Rechtsbeziehungen. 14 4. Das Berufungsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob die Forderung der Beklagten gegen die [X.] auf Zahlung der [X.] am 28. Januar 2003 werthaltig war. Die Be-weislast für die fehlende Werthaltigkeit dieser Forderung im Zeitpunkt der [X.] durch die Schuldnerin hat der Kläger; er hat Beweis dafür angetreten, dass die [X.] bereits damals zahlungsunfähig gewesen sei. 15 - 8 - War die Forderung nicht werthaltig, greift die Anfechtung nach § 134 [X.] durch. War sie dagegen werthaltig, scheidet eine Anfechtung nach dieser Vorschrift aus. Auch eine Anfechtung nach anderen Vorschriften ist in diesem Fall nicht gegeben. §§ 130, 131 [X.] scheiden aus, weil die Beklagte nicht In-solvenzgläubigerin der Schuldnerin war. Die Vorschrift des § 132 Nr. 1 [X.] ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht anwendbar, weil der Kläger nicht vorgetragen hat, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig war und die Beklagte dies wusste. Schließlich kommt eine Anfechtung nach § 133 [X.] nicht in [X.]. Die vorliegende inkongruente Deckung ergibt kein Indiz für die Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin, weil für die [X.] nach dem Vortrag des [X.] kein Anlass bestand, an der Liquidität der Schuldnerin zu zweifeln (vgl. [X.] 157, 242, 251; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 133 Rn. 24). 16 Ganter [X.] [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.05.2004 - 74 C 662/04 - [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

IX ZR 84/05

30.03.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2006, Az. IX ZR 84/05 (REWIS RS 2006, 4200)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4200

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