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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Hemmung des Laufs der Unterbrechungsfrist wegen Erkrankung des Angeklagten in Zeiten der Corona-Pandemie
1. Innerhalb eines Unterbrechungszeitraumes konnte § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO in der Fassung vom 27. März 2020 mehrfach greifen, ohne dass zwischen den Hemmungszeiträumen zur Sache verhandelt worden sein musste.
2. § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO trat als weiterer Hemmungstatbestand neben § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO, so dass beide Vorschriften kumulativ zur Anwendung kommen konnten.
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.]vom 2. Juni 2022 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Die Nachprüfung des Urteils ergibt aus den Gründen der Zuschrift des [X.]keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Rüge des Verstoßes gegen § 229 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 10 [X.](hier und im Folgenden: in der Fassung vom 27. März 2020) ist unabhängig davon, ob das [X.]den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, jedenfalls unbegründet.
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Hauptverhandlung in dem anfänglich gegen fünf Angeklagte geführten Verfahren, die am 13. November 2019 begonnen hatte, wurde – nach vorangegangenem Hauptverhandlungstermin vom 18. November 2021 – am 25. November 2021, dem 106. Hauptverhandlungstag, unterbrochen. Das gegen die Angeklagte gerichtete Verfahren wurde am selben Tage abgetrennt, weil die sachverständig beratene [X.]die Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten unter anderem wegen einer akuten schweren depressiven Erkrankung mit ungewissem Ausgang festgestellt hatte. Obwohl die Angeklagte am 13. Januar 2022 wieder verhandlungsfähig war, wurden die in der Folge für den 24. und 25. Januar 2022 bestimmten Hauptverhandlungstermine aufgehoben, da sich die Angeklagte vom 20. Januar 2022 bis zum 31. Januar 2022 aufgrund eines Kontakts mit Personen, die mit dem [X.]infiziert waren, in [X.]befand. Ein weiterer für den 9. Februar 2022 [X.]entfiel ebenfalls, weil ein Mitglied der [X.]in der [X.]vom 6. Februar 2022 bis zum 13. Februar 2022 wegen einer Infektion mit dem [X.]nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen konnte. Die Hauptverhandlung wurde sodann am 23. Februar 2022 fortgesetzt.
Das [X.]stellte am 4. März 2022 durch Beschluss fest, dass der Lauf der [X.]gemäß § 229 Abs. 1 StPO in der [X.]vom 18. November 2021 bis zum 13. Januar 2022 wegen der Erkrankung der Angeklagten gehemmt gewesen sei; zudem sei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]die Frist des § 229 Abs. 1 StPO in der [X.]vom 20. Januar 2022 bis zum 31. Januar 2022 und vom 6. Februar 2022 bis zum 13. Februar 2022 gehemmt gewesen, weil in diesen Zeiträumen eine Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der [X.]nicht habe stattfinden können.
Die Revision sieht einen Rechtsfehler darin, dass das [X.]neben dem [X.]des § 229 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO weitere Hemmungszeiträume auf § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]gestützt habe, da weder eine mehrfache Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]ohne dazwischen liegenden Verhandlungstag noch eine kumulative Anwendung beider Vorschriften in Betracht komme.
2. Ein Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO liegt nicht vor. Die Annahme des Landgerichts, der Lauf der [X.]sei in den vorbezeichneten Zeiträumen nach § 229 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO und § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]gehemmt gewesen, lässt [X.]nicht erkennen, so dass die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 23. Februar 2022 die [X.]des § 229 Abs. 1 StPO wahrte.
a) Entgegen der Auffassung der Revision, konnte § 10 Abs. 1 [X.]innerhalb eines Unterbrechungszeitraumes mehrfach greifen, ohne dass zwischen den Hemmungszeiträumen zur Sache verhandelt worden sein musste. § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]trat zudem als weiterer [X.]neben § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO, so dass beide Vorschriften kumulativ zur Anwendung kommen konnten.
aa) Dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 und 2 [X.]konnten die von der Revision geltend gemachten Beschränkungen des Anwendungsbereichs der Vorschrift nicht entnommen werden. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]war unabhängig von der Dauer der Hauptverhandlung der Lauf der in § 229 Abs. 1 und 2 [X.]genannten Unterbrechungsfristen gehemmt, solange die Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem [X.](COVID-19-Pandemie) nicht durchgeführt werden konnte, längstens jedoch für zwei Monate, wobei die Fristen frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung endeten. In Ermangelung einer entsprechenden Regelung folgte hieraus weder ein Verbot der wiederholten Hemmung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]noch die Notwendigkeit, in einem solchen Fall einen Fortsetzungstermin durchzuführen. Auch die Möglichkeit, die Hemmung bei Vorliegen einer anderen spezifischen Verfahrenslage auf einen weiteren [X.]zu stützen, wurde durch die in der Norm geregelte Beschränkung auf eine Höchstfrist von zwei Monaten (und zehn Tagen) nicht ausgeschlossen.
Etwaige Beschränkungen, die bei der Auslegung von § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]berücksichtigt werden mussten, waren auch § 10 Abs. 2 [X.]nicht zu entnehmen. Vielmehr erstreckte sich nach dieser Vorschrift der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 [X.]auch auf die in § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO genannte Frist zur Urteilsverkündung.
Danach waren wiederholte Hemmungen innerhalb der geregelten Höchstfrist vom Wortlaut der Vorschrift ebenso gedeckt wie eine kumulative Anwendung mit dem weiteren [X.]des § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO.
bb) Maßgeblich gegen die nach Auffassung der Revision vorzunehmenden Einschränkungen sprechen zudem die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, deren gesetzgeberische Konzeption sowie ihr Sinn und Zweck.
(1) § 10 [X.]wurde durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-[X.]im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 ([X.]I, S. 569) eingeführt. Angesichts der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus, die in der [X.]zu ganz erheblichen Einschränkungen in allen Bereichen des Privat- und des Wirtschaftslebens geführt hatte, sah sich der Gesetzgeber mit Blick auf das – auch in Ausnahmesituationen bestehende – Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung von Strafverfahren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. April 2005 ‒ 2 BvR 1027/02, [X.]113, 29, 54, und vom 27. Juni 2018 – 2 BvR 1405/17, Rn. 68) zu umgehender Reaktion veranlasst. Erklärtes Ziel war es, pandemiebedingte Aussetzungen von [X.]und deren Neubeginn zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 3 f., 32). Dabei waren die strukturellen Besonderheiten des Strafprozesses in den Blick zu nehmen, die die ununterbrochene Teilnahme der [X.](§ 226 Abs. 1 StPO) und grundsätzlich des Angeklagten (§ 230 Abs. 1, § 231 Abs. 1 Satz 1 StPO) verlangen und die – anders als etwa im Zivilprozess (vgl. § 128a ZPO) – ein Ausweichen auf eine Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung selbst in einfach gelagerten Fällen nicht gestatten, zugleich aber in besonderem Maße dem Beschleunigungsgrundsatz unterliegen.
Da sich insoweit die Regelungen zur Unterbrechung einer Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 1 und 2 [X.]und die Hemmungstatbestände des § 229 Abs. 3 StPO trotz der im [X.]vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2121) vorgenommenen Erweiterungen als nicht ausreichend erwiesen, war nach Auffassung des Gesetzgebers die Schaffung eines weiteren Hemmungstatbestands erforderlich (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 17).
(2) Die gesetzgeberische Konzeption des in der Folge zusätzlich zu den in § 229 Abs. 3 StPO geregelten Hemmungstatbeständen geschaffenen § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]legt einen weiten Anwendungsbereich dieser Vorschrift nahe (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. November 2020 – 4 StR 431/20, BGHR [X.]§ 10 Abs. 1 Satz 1 Schutzmaßnahmen 1, und vom 22. Juni 2021 – 5 StR 121/21; [X.]StPO/Gorf, 53. Ed., § 229 Rn. 12; MüKo-StPO/Arnoldi, 2. Aufl., § 229 Rn. 35; Saliger/Tsambiakis/Esser, Strafrecht der Medizin, 1. Aufl., § 20 Rn. 528; Wagner, ZIS 2020, 223, 225 f.; Spatschek/Feldle, [X.]2021, 354, 357; Grözinger, [X.]2021, 28, 29).
(a) Dies zeigt sich zunächst darin, dass der [X.]des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]– anders als § 229 Abs. 3 StPO – unabhängig von der Dauer einer bereits begonnenen Hauptverhandlung galt, wodurch der Gesetzgeber durch die maßgebliche Orientierung am Infektionsgeschehen dem [X.]herausragendes Gewicht beimaß (vgl. Saliger/Tsambiakis/Esser, Strafrecht der Medizin, 1. Aufl., § 20 Rn. 525; Wagner, ZIS 2020, 223, 227). Zudem stellte die Vorschrift nicht auf die Verhinderung eines Angeklagten oder auf eine zur Urteilsfindung berufene Person (vgl. § 229 Abs. 3 StPO) ab. Ausreichend war es, dass die Hauptverhandlung wegen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem [X.](COVID-19-Pandemie) nicht durchgeführt werden konnte, wodurch auch Beeinträchtigungen anderer Verfahrensbeteiligter berücksichtigt werden konnten (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 32). Der Gesetzgeber untersagte auch nicht – abweichend von dem Vorschlag der Anwaltschaft, innerhalb eines Unterbrechungszeitraumes nur eine einmalige Hemmung zuzulassen (vgl. DAV, Stellungnahme 21/2020, S. 5, abrufbar unter www.dav.de) – die mehrfache Anwendung des Hemmungstatbestands, indem er sich darauf beschränkte, eine Höchstdauer der Unterbrechung von zwei Monaten zu regeln (krit. Hiéramente, [X.]7/2020 Anm. 2, der ohne nähere Begründung davon ausgeht, dass „im Regelfall“ eine wiederholte Hemmung unter Berufung auf § 10 [X.]unzulässig sei).
(b) Gesetzessystematisch platzierte der Gesetzgeber § 10 [X.]nicht im Regelungsgefüge der §§ 228, 229 StPO. Dies verdeutlicht, dass ‒ anders als bei § 229 StPO ‒ nicht die Wahrung und Ausgestaltung der Konzentrationsmaxime im Vordergrund stand (vgl. zur Konzentrationsmaxime Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. § 229 Rn. 1; LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 229 StPO Rn. 1), sondern in der [X.]verfahrensökonomische Erwägungen bestimmend waren, um temporär eine flexible Reaktion auf das aktuelle Geschehen zu ermöglichen (krit. Grözinger, [X.]2021, 28, 29; Spatschek/Feldle, [X.]2021, 354, 358 f.). Der Ausnahmecharakter der Vorschrift zeigt sich auch darin, dass § 10 [X.]von vornherein mit einer zeitlichen Begrenzung versehen war. Die Vorschrift sollte zunächst am 27. März 2021 außer [X.]treten. Nach Verlängerung der Geltungsdauer durch Gesetz vom 23. März 2022 (BGBl. I, S. 482) bis zum 29. Juni 2022 und nach deren Wiedereinführung bei gleichzeitiger Herabsetzung der maximalen Hemmungsfrist auf einen Monat durch Gesetz vom 16. September 2022 (BGBl. I, S. 1454) galt diese bis zum 7. April 2023.
(3) Für die Möglichkeit einer mehrfachen, gegebenenfalls auch auf unterschiedliche Tatbestände ohne die Notwendigkeit eines zwischenzeitlichen Fortsetzungstermins gestützte Hemmung spricht schließlich der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers, mit Blick auf die Dynamik des Pandemiegeschehens § 10 [X.]einen weiten Anwendungsbereich zu eröffnen. Danach sollten sämtliche Gründe erfasst werden, die der ordnungsgemäßen Durchführung einer Hauptverhandlung aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen der Gerichte und Gesundheitsbehörden entgegenstanden (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 32). So bedurfte es nicht des Vorliegens einer Krankheit im Sinne des § 229 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO, vielmehr genügte der Verdacht, sich mit dem [X.]infiziert zu haben. Darüber hinaus konnte die Unmöglichkeit der Durchführung der Hauptverhandlung ebenso auf Anordnungen und Empfehlungen der [X.](vgl. etwa OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2021 – 1 Ss 235/20, [X.]2021, 387 zur Sperrung von [X.]durch die Gerichtsverwaltung) oder der Gesundheitsbehörden beruhen. Dabei mussten die vom Gericht angeordneten Schutzmaßnahmen nicht den gesundheitspolizeilich angeordneten oder empfohlenen Maßnahmen entsprechen; ausreichend war vielmehr, wenn sie nachvollziehbar – z.B. aufgrund ärztlicher Empfehlung (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – 4 StR 431/20, NJW 2021, 2025, 2026) – die Verbreitung des Erregers verhindern konnten (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 32). Schließlich sollte ein Hindernis für die Durchführung der Hauptverhandlung im Sinne des § 10 [X.]auch vorliegen, wenn es nur mittelbar auf gerichtlichen oder gesundheitsbehördlichen Schutzmaßnahmen beruhte (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 33; Deutscher, [X.]5/2022, 5, 13).
(4) Der kumulativen Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]und § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO steht nicht entgegen, dass in der Gesetzesbegründung ausgeführt ist, eine Hauptverhandlung könne „in den Fällen des § 10 [X.]für maximal drei Monate und zehn Tage unterbrochen werden“ (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 33). Damit wurde lediglich das Zusammenspiel von § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]und den Unterbrechungsfristen in § 229 Abs. 1 und 2 [X.]beschrieben. Eine Aussage zum Verhältnis der Hemmungstatbestände von § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]und § 229 Abs. 3 StPO wurde nicht getroffen. Dementsprechend ist diesem Teil der Gesetzesbegründung auch nicht die Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen, dass eine – jedenfalls innerhalb des hier gewahrten Zeitraums von drei Monaten und zehn Tagen – auf beide Vorschriften gestützte, aufeinander folgende Hemmung ausgeschlossen sein sollte (aA Hiéramente, jurisPR-StrafR 7/2020 Anm. 2).
Die Annahme eines derartigen Exklusivitätsverhältnisses beider Normen liefe – ebenso wie die Forderung nach einem Fortsetzungstermin nach Wegfall eines [X.]im Sinne des § 10 EGStPO – dem Ziel der Flexibilisierung des Strafverfahrens zuwider, das der Gesetzgeber mit der Schaffung des zusätzlichen, von besonderen Voraussetzungen abhängigen Hemmungstatbestandes zur Bewältigung des Pandemiegeschehens verfolgte. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die in § 229 Abs. 3 StPO geregelten [X.]durch die Einführung des § 10 [X.]nicht überflüssig geworden waren, sondern aufgrund des Ausbruchs der COVID-19-[X.]ein weiterer [X.]hinzugekommen war.
Eine parallele Wertung findet sich im Übrigen in anderen strafprozessualen Vorschriften. In Fällen, in denen die Verhandlung zunächst nach § 138c Abs. 4 Satz 2, § 231a Abs. 3 Satz 4 StPO oder § 34 Abs. 3 Nr. 6 EGGVG unterbrochen ist und diese Unterbrechung mit einer Erkrankung des Angeklagten oder eines Richters zusammentrifft, sind der Vorsitzende bzw. das Gericht nicht gehindert, bei Ablauf der jeweiligen Frist dieser Vorschriften die Hauptverhandlung nunmehr wegen der fortdauernden Erkrankung nach § 229 Abs. 1 oder 2 StPO mit der Wirkung zu unterbrechen, dass die Hemmung nach § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO bei Vorliegen der Voraussetzungen eintritt (vgl. LR-StPO/Becker, 27. Aufl. § 229 Rn. 26).
b) Nach alledem wurde die Frist des § 229 Abs. 1 StPO, bei der es sich nicht um eine Frist im Sinne des § 43 StPO handelt und in die weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung wiederaufgenommen wird, einzuberechnen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Mai 2020 – 5 StR 65/20, Rn. 3, und vom 28. Juli 2020 – 6 StR 114/20, NStZ 2020, 622), gewahrt. Denn die Hauptverhandlung war zwischen dem Termin vom 18. November 2021 und dem nachfolgenden Termin vom 23. Februar 2022 nicht länger als drei Wochen unterbrochen.
Die [X.]der Hemmung ist entsprechend § 209 BGB zu bestimmen. Sie beginnt mit dem Tag, an dem der [X.]eingetreten ist, und endet mit dem Tag seines Wegfalls. Beide Tage gehören zur [X.]und werden nicht in den [X.]eingerechnet (vgl. zu § 10 [X.]BGH, Beschluss vom 2. November 2023 ‒ 6 StR 316/23; außerdem BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 – XII ZR 114/06, BGHZ 179, 361, 373 [zu § 209 BGB]; MüKo-StPO/Arnoldi, 2. Aufl., § 229 Rn. 31; LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 229 Rn. 27; KK-StPO/Gmel/Peterson, 9. Aufl., § 229 Rn. 15).
Die Unterbrechung erstreckte sich somit auf die [X.]vom 14. Januar 2022 bis zum 19. Januar 2022, vom 1. Februar 2022 bis zum 5. Februar 2022 sowie vom 14. Februar bis zum 22. Februar 2022, mithin auf 20 Tage.
Menges Meyberg Grube
Schmidt Lutz
Meta
23.10.2024
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend BGH, 23. Oktober 2024, Az: 2 StR 471/23, Urteil
§ 10 Abs 1 S 1 StPOEG vom 27.03.2020, § 226 Abs 1 StPO, § 229 Abs 3 S 1 StPO, § 230 Abs 1 StPO, § 231 Abs 1 S 1 StPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2024, Az. 2 StR 471/23 (REWIS RS 2024, 11778)
Papierfundstellen: REWIS RS 2024, 11778
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
4 StR 431/20 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren: Hemmung der Fristen für die Unterbrechung der Hauptverhandlung wegen coronabedingten Infektionsschutzmaßnahmen
5 StR 121/21 (Bundesgerichtshof)
Revision im Strafverfahren: Beweisantragsrüge wegen Ablehnung einer missverständlich formulierten Beweisbehauptung
1 StR 458/20 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren: Hemmung der Fristen für die Unterbrechung der Hauptverhandlung wegen coronabedingten Infektionsschutzmaßnahmen
H 4 Ws 71/20 (Oberlandesgericht Stuttgart)
Pandemiebedingte Quarantäne eines Richters: Aussetzung der Hauptverhandlung und Fortdauer der Untersuchungshaft
1 StR 249/23 (Bundesgerichtshof)
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