Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.05.2020, Az. 7 ABR 42/18

7. Senat | REWIS RS 2020, 413

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Gegenstand

Betriebsratswahl - Anfechtung - Öffnung der Freiumschläge


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des [X.] vom 24. September 2018 - 16 [X.] - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer [X.].

2

Die Antragstellerin ist eine im Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin vertretene [X.]. Auf der Grundlage des Wahlausschreibens vom 13. April 2017 fand in dem Hotelbetrieb der Arbeitgeberin am 21. Juni 2017 eine [X.] statt. Aus dieser Wahl ging der zu 3. beteiligte Betriebsrat hervor.

3

Ausweislich des Wahlausschreibens fand die Wahl am Wahltag von 06:30 Uhr bis 18:30 Uhr statt. Die Auszählung der Stimmen sollte laut Wahlausschreiben am Wahltag ab 18:35 Uhr im Wahlraum erfolgen. Gegen 16:30 Uhr begann der Wahlvorstand mit der Öffnung der [X.] der Briefwähler, dem Vermerken der Stimmabgabe in der Wählerliste und dem Einwerfen der Wahlumschläge in die Wahlurne. Dieser Vorgang wurde gegen 17:30 Uhr abgeschlossen. Den Arbeitnehmern war der [X.]punkt der Öffnung der [X.] weder im Wahlausschreiben noch anderweitig mitgeteilt worden. Ausweislich der Wahlniederschrift des [X.] wurden insgesamt 211 Stimmen abgegeben, davon waren 207 gültig. 52 Stimmen entfielen auf die Vorschlagsliste 1, 155 Stimmen auf die Vorschlagsliste 2. Das Wahlergebnis wurde am 23. Juni 2017 bekannt gegeben.

4

Mit ihrer am 3. Juli 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin die Wahl angefochten. Zur Begründung hat sie in ihrer Antragsschrift angeführt, es liege ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] vor, da ein Teil der Rückumschläge der Briefwähler weder den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ noch die [X.] getragen habe und überdies auch nicht frankiert gewesen sei. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 26 Abs. 1 [X.] vor, da die Öffnung der [X.] nicht in öffentlicher Sitzung stattgefunden habe. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, den beabsichtigten [X.]punkt der Öffnung der [X.] zuvor gegenüber den Arbeitnehmern bekannt zu machen. Zudem habe die Öffnung der [X.] auch nicht „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ stattgefunden. Es seien 80 bis 100 [X.] zu öffnen gewesen, pro [X.] seien allenfalls 10 bis 15 Sekunden anzusetzen. Selbst unter Berücksichtigung eines „Sicherheitspuffers“ sei ein Beginn bereits um 16:30 Uhr nicht notwendig gewesen. In der Beschwerdeinstanz hat die Antragstellerin zudem behauptet, es seien nur 46 [X.] zu öffnen gewesen. Der Wahlvorstand habe mit seinem Vorgehen das Öffentlichkeitsprinzip verletzt.

5

Die Antragstellerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die [X.] vom 21. Juni 2017 in dem Betrieb der Beteiligten zu 2. für unwirksam zu erklären.

6

Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, die Durchführung der [X.] sei ordnungsgemäß erfolgt. Es sei auf eine Frankierung und entsprechende Beschriftung der [X.], wie in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] vorgesehen, nur in denjenigen Fällen verzichtet worden, in denen die Arbeitnehmer bei Abholung der Briefwahlunterlagen mitgeteilt hätten, sie würden sogleich im Betrieb wählen und die Briefwahlunterlagen sodann persönlich zurückbringen. In diesen Fällen sei eine Frankierung und Beschriftung der [X.] überflüssig gewesen.

7

Es liege auch kein Verstoß gegen § 26 [X.] vor, da diese Vorschrift nicht erfordere, dass der Wahlvorstand den [X.]punkt der Öffnung der [X.] vorher bekannt gebe. Hinsichtlich des [X.]punkts der Öffnung habe der Wahlvorstand eine Prognose zu treffen, die im Streitfall nicht zu beanstanden sei. Es seien ca. 90 [X.] zu öffnen gewesen. Der Wahlvorstand habe pro Umschlag einen [X.]aufwand von einer Minute einkalkuliert sowie 30 bis 60 Minuten Puffer wegen zu erwartender zwischenzeitlicher weiterer persönlicher Stimmabgaben. Die drei im Wahllokal anwesenden [X.]mitglieder hätten sich kurz vor 16:30 Uhr darauf geeinigt, in wenigen Minuten mit der Bearbeitung der Briefwahlunterlagen zu beginnen. Dies genüge den Formanforderungen an die Einberufung und Durchführung einer öffentlichen Sitzung.

8

Das Arbeitsgericht hat den - erstinstanzlich als Feststellungsantrag formulierten - [X.] abgewiesen. Das [X.] hat auf die Beschwerde der Antragstellerin dem zweitinstanzlich als Gestaltungsantrag formulierten [X.] stattgegeben; einen Tatbestandsberichtigungsantrag des Betriebsrats hat es zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter. Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

9

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das [X.] dem [X.] nicht stattgeben. Ob der zulässige [X.] begründet ist, kann der Senat auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen.

I. Der Antrag, die [X.] vom 21. Juni 2017 in dem Betrieb der Beteiligten zu 2. für unwirksam zu erklären, ist zulässig. Die Anfechtung einer [X.] ist nach § 19 Abs. 1 [X.] mit einem Gestaltungsantrag geltend zu machen. Soweit die Antragstellerin in erster Instanz zunächst dem Wortlaut nach einen Feststellungsantrag gestellt hatte, haben die Vorinstanzen diesen Antrag zu Recht als Gestaltungsantrag ausgelegt (vgl. etwa [X.] 21. März 2017 - 7 [X.] - Rn. 10 mwN, [X.]E 158, 256). Auch soweit in dem zweitinstanzlich formulierten Antrag von „dem Betrieb der Beteiligten zu 3.“ die Rede ist, hat das [X.] dies zutreffend auf den Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin bezogen.

II. Die Annahme des [X.]s, der [X.] sei begründet, ist nicht frei von [X.]. Die formellen Anfechtungsvoraussetzungen liegen zwar vor. Das [X.] hat jedoch mit unzutreffender Begründung einen Verstoß gegen § 26 Abs. 1 [X.] angenommen.

1. Nach § 19 Abs. 1 [X.] kann die Wahl des Betriebsrats beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Zur Anfechtung berechtigt sind nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene [X.] oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 [X.] binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

2. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass die formellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 2 [X.] erfüllt sind. Als eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene [X.] ist die Antragstellerin nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.] zur Wahlanfechtung berechtigt. Sie hat die [X.] nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 23. Juni 2017 mit ihrer am 3. Juli 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift, welche bereits die wesentlichen Anfechtungsgründe enthielt, fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 [X.] angefochten.

3. Das [X.] hat jedoch mit einer rechtsfehlerhaften Begründung angenommen, die Wahl sei nach § 19 Abs. 1 [X.] anfechtbar, weil der Wahlvorstand gegen § 26 Abs. 1 [X.] verstoßen habe.

a) Zu Unrecht hat das [X.] einen Verstoß gegen § 26 Abs. 1 [X.] darin gesehen, dass der [X.]punkt der Öffnung der [X.] nicht zuvor im Betrieb bekannt gemacht wurde.

aa) Nach § 26 Abs. 1 [X.] hat der Wahlvorstand unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung die bis zu diesem [X.]punkt eingegangenen [X.] zu öffnen und ihnen die Wahlumschläge sowie die vorgedruckten Erklärungen zu entnehmen; ist die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt, legt der Wahlvorstand den Wahlumschlag nach Vermerk der Stimmabgabe in der Wählerliste ungeöffnet in die Wahlurne.

bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt keine zur Anfechtung berechtigende Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl daraus, dass der Wahlvorstand [X.] und Ort der Öffnung der im Rahmen der Briefwahl eingegangenen [X.] nicht ausdrücklich mitgeteilt hatte. Angesichts der im Wahlausschreiben enthaltenen Angaben zu den Öffnungszeiten des einzigen Wahllokals zur persönlichen Stimmabgabe war dies nicht erforderlich (vgl. [X.] 16. Januar 2018 - 7 [X.] - Rn. 52). Da der Wahlvorstand die [X.] nach § 26 Abs. 1 [X.] „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ öffnet, besteht kein Zweifel, an welchem Ort und zu welcher [X.] dies zu geschehen hat. Auch aus der Entscheidung des Senats vom 10. Juli 2013 (- 7 [X.] -) ergibt sich entgegen der Auffassung des [X.]s nichts anderes. Diese betraf eine vom Wahlvorstand angeordnete ausschließlich schriftliche Stimmabgabe nach § 11 Abs. 2 SchwbV[X.]. Da es dort keine persönliche Stimmabgabe geben konnte, deren Ort, Tag und [X.] nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SchwbV[X.] im Wahlausschreiben mitzuteilen gewesen wäre, musste der Wahlvorstand Ort und [X.] der in § 12 Abs. 1 SchwbV[X.] geregelten Behandlung der schriftlich abgegebenen Stimmen bekannt geben, um dem Erfordernis der Öffentlichkeit zu genügen ([X.] 10. Juli 2013 - 7 [X.] - Rn. 20; vgl. auch [X.] 16. Januar 2018 - 7 [X.] - Rn. 52).

b) Auch die Annahme des [X.]s, der Wahlvorstand habe die eingegangenen [X.] nicht erst unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe iSd. § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] geöffnet, ist nicht frei von [X.].

aa) Bei der Prüfung, ob die Öffnung der eingegangenen [X.] „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ erfolgte, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann in der Rechtsbeschwerde nur beschränkt darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt, bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände außer [X.] gelassen worden sind (vgl. etwa [X.] 19. März 2019 - 3 [X.] - Rn. 55, [X.]E 166, 136; 16. Januar 2018 - 7 [X.] - Rn. 27, [X.]E 161, 276; 23. November 2016 - 7 [X.] - Rn. 35 mwN).

bb) Die Begründung des [X.]s hält diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand.

Das [X.] hat seine Annahme, der Wahlvorstand habe zu früh mit der Öffnung der [X.] begonnen, allein damit begründet, dass die Öffnung der [X.] und Entnahme der Wahlumschläge sowie der vorgedruckten Erklärungen, der Vermerk der Stimmabgabe in der Wählerliste sowie die Einlegung der ungeöffneten Wahlumschläge in die Wahlurne bereits gegen 17:30 Uhr - also eine Stunde vor Abschluss der Stimmabgabe - beendet gewesen sei. Damit hat das [X.] den Rechtsbegriff „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ verkannt.

§ 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] gewährt dem Wahlvorstand eine [X.] dazu, welchen [X.]raum er voraussichtlich für die nach § 26 Abs. 1 [X.] gebotenen Handlungen benötigen wird. Es ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber insoweit bewusst von einer starren [X.]vorgabe abgesehen hat und der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte durch die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs Rechnung tragen wollte. Ob sich der Beschluss des [X.], zu einem bestimmten [X.]punkt mit der Öffnung der [X.] zu beginnen, innerhalb der Grenzen seines [X.] hält, kann nicht allein danach beurteilt werden, um welche Uhrzeit der Wahlvorstand die Tätigkeit tatsächlich beendet hat. Vielmehr bedarf es einer ex-ante-Betrachtung. Es kommt darauf an, wieviel [X.] aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls einplanen durfte, um mit dem Öffnen der Wahlumschläge und den weiteren nach § 26 Abs. 1 [X.] erforderlichen Handlungen (Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der schriftlichen Stimmabgabe, Vermerk der Stimmabgabe in der Wählerliste, Einwurf des [X.] in die Wahlurne) rechtzeitig vor dem Abschluss der Stimmabgabe fertig zu sein. Der Wahlvorstand hat daher insoweit eine Prognose anzustellen, wobei ihm bei der Bewertung der Umstände ein Beurteilungsspielraum zukommt. Beendet der Wahlvorstand die Aufgaben nach § 26 Abs. 1 [X.] mit oder innerhalb weniger Minuten vor oder nach dem Ende der für die Stimmabgabe vorgesehenen [X.], bestätigt dies die Richtigkeit der Prognose des [X.]. Es besteht dann eine ausreichende Vermutung dafür, dass die Prognose hinreichend fundiert erstellt worden ist. In diesem Fall bedarf es keiner näheren Darlegung der ursprünglich angestellten Prognose. Liegt zwischen dem Ende der nach § 26 Abs. 1 [X.] vorzunehmenden Handlungen und dem Abschluss der Stimmabgabe ein längerer [X.]raum, so folgt daraus nicht ohne weiteres, dass die Prognose unzutreffend war. Vielmehr können im Verfahren um die Wahlanfechtung die Gründe dargelegt werden, aufgrund derer der Wahlvorstand davon ausgehen durfte, mit dem Öffnen der [X.] so frühzeitig beginnen zu müssen.

III. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

1. Der Senat kann nicht selbst beurteilen, ob der Wahlvorstand für die nach § 26 Abs. 1 [X.] erforderlichen Handlungen etwa zwei Stunden einplanen durfte. Das hängt ua. von der Anzahl der zu öffnenden [X.] ab. Hierzu hat das [X.] keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Diese wird es nachzuholen haben.

a) Soweit der angefochtene Beschluss Feststellungen zur Anzahl der zu öffnenden [X.] enthält, sind diese für den Senat nicht bindend. Die Bindungswirkung nach § 559 Abs. 2 ZPO entfällt, wenn die Feststellungen des [X.]s unklar, lückenhaft oder widersprüchlich sind. Solche Mängel sind bereits von Amts wegen zu berücksichtigen ([X.] 2. März 2017 - 2 [X.] - Rn. 15 mwN; 22. Mai 2012 - 1 [X.] - Rn. 23 mwN). So verhält es sich hier. Angaben zu der Anzahl der [X.] finden sich in der angefochtenen Entscheidung nur bei der Wiedergabe des Vorbringens der Beteiligten. So heißt es, die Antragstellerin habe die Ansicht vertreten, die Unwirksamkeit der [X.] ergebe sich daraus, „dass (unstreitig) etwa 2 Stunden vor Ende der Stimmabgabe, also gegen 16:30 Uhr, der vollständig versammelte Wahlvorstand im Wahlraum damit begann, die [X.] der 46 Briefwähler zu öffnen, die Stimmabgabe in der Wählerliste zu vermerken und die Wahlumschläge in die Urne zu werfen“. Hieraus lässt sich nicht eindeutig erkennen, ob das [X.] den Einschub „(unstreitig)“ nur auf den [X.]raum von zwei Stunden bezog oder auch auf die weiteren Angaben des Satzes. Wenn alle Tatsachen des Satzes unstreitig waren, hätte es nahegelegen, diese in den unstreitigen Teil der Sachverhaltswiedergabe aufzunehmen. Auf Seite 4 des Beschlusses bezieht sich der erneute Einschub „(unstreitig)“ jedenfalls nur darauf, dass „bereits gegen 16:30 Uhr mit der Öffnung der [X.] begonnen wurde“. Zu dem Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz hat das [X.] ausgeführt, es „seien 46 Umschläge zu öffnen gewesen“. Die Verortung dieser Aussage spricht dafür, dass es sich um [X.] Vorbringen der Antragstellerin gehandelt hat. Soweit das [X.] ergänzend auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen hat, sind auch diese nicht eindeutig. Das Arbeitsgericht hatte in seinem Beschluss 46 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer namentlich aufgezählt, die „Briefwahl … beantragt“ hatten. Nach § 24 Abs. 2 [X.] erhalten bestimmte Wahlberechtigte jedoch die Briefwahlunterlagen ohne Antrag. Die Anzahl derjenigen, die beim Wahlvorstand Briefwahlunterlagen beantragen, stimmt daher regelmäßig nicht mit der Anzahl der Briefwähler überein. Da sich dem Beschluss des [X.]s mithin keine klare Feststellung zur Anzahl der zu öffnenden [X.] entnehmen lässt, ist es unerheblich, dass das [X.] in seinem Berichtigungsbeschluss vom 29. November 2018 angenommen hat, die Anzahl von 46 Briefwählern sei zwischen den Beteiligten unstreitig gewesen.

b) Das [X.] wird daher Feststellungen dazu zu treffen haben, wie viele [X.] zu öffnen waren.

aa) Sollte es sich um 80 bis 100 bzw. um ca. 90 [X.] gehandelt haben, wie von der Antragstellerin in der Antragsschrift und vom Betriebsrat in der [X.] vorgetragen, hätte der Wahlvorstand nicht gegen § 26 Abs. 1 [X.] verstoßen. Der Betriebsrat hat den Beginn der Öffnung der [X.] um 16:30 Uhr damit begründet, dass der Vorgang bei sorgfältiger Durchführung im Durchschnitt etwa eine Minute pro Umschlag in Anspruch nehme. Zudem sei ein „Sicherheitspuffer“ von 30 bis 60 Minuten angemessen, weil der Vorgang immer wieder durch Wähler, die zur persönlichen Stimmabgabe erscheinen, unterbrochen werde. Wären 80 bis 100 bzw. ca. 90 [X.] zu öffnen gewesen, hätte der Vorgang nach dieser Kalkulation mindestens 80 Minuten gedauert. Dabei liegt es innerhalb des [X.] des [X.], im Durchschnitt von einer Dauer von einer Minute pro Freiumschlag auszugehen. Zum einen hat die Antragstellerin nicht näher begründet, warum sie meint, es würden auch 10 bis 15 Sekunden genügen. Zum anderen ist bei der Durchschnittsbetrachtung mit zu berücksichtigen, dass vom Wahlvorstand nicht nur die [X.] zu öffnen sind, sondern auch geklärt werden muss, ob die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt ist oder ob die Stimme als ungültig zu werten ist. Dies kann im Einzelfall längere [X.] in Anspruch nehmen. Bei einer prognostizierten Dauer von mindestens 80 Minuten wäre ein [X.]puffer von 40 Minuten wegen der persönlichen Abgabe von Stimmen durch Wahlberechtigte im Wahlraum berücksichtigt worden. Dies ist grundsätzlich durch den Beurteilungsspielraum des [X.] gedeckt.

bb) Sollte es sich um 46 zu öffnende [X.] gehandelt haben, hätte der Vorgang nach § 26 Abs. 1 [X.] auch nach der Prognose des [X.] insgesamt höchstens 106 Minuten dauern dürfen. Selbst unter Berücksichtigung des sehr großzügig bemessenen „Sicherheitspuffers“ von 60 Minuten, der im vorliegenden Fall ggf. noch angemessen gewesen sein dürfte, wenn - wie der Betriebsrat vorgetragen hat - viele Wähler ihre Stimme noch nicht abgegeben hatten, wäre denkbar gewesen, dass der Vorgang schon ca. eine Viertelstunde vor dem Abschluss der Stimmabgabe - und damit zu früh - abgeschlossen gewesen wäre. In diesem Fall hätte der Wahlvorstand seinen Beurteilungsspielraum überschritten. Dies würde zur Anfechtbarkeit der Wahl führen, da nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnte, dass das Wahlergebnis durch den Verstoß gegen § 26 Abs. 1 [X.] beeinflusst wurde. Nach § 26 Abs. 1 [X.] hat der Wahlvorstand die im Freiumschlag enthaltenen Unterlagen - Wahlumschläge und Erklärung über die persönliche Stimmabgabe - zu prüfen und - ähnlich wie bei der Stimmauszählung - Entscheidungen zu treffen. Deshalb hat die Betriebsöffentlichkeit ein Interesse daran, diesen Vorgang - ebenso wie die Stimmauszählung - verfolgen zu können. Beginnt der Wahlvorstand zu früh mit der Öffnung der [X.], ist die Anwesenheit der Betriebsöffentlichkeit gefährdet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Öffnung der [X.] zu Fehlern kommt, die bei Anwesenheit wahlberechtigter Arbeitnehmer nicht unterlaufen wären (vgl. zur Stimmauszählung [X.] 15. November 2000 - 7 [X.] - zu [X.] 4 der Gründe, [X.]E 96, 233).

2. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

a) Der Anfechtungsantrag ist nicht deshalb begründet, weil die eingegangenen [X.] nicht in öffentlicher Sitzung iSd. § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] durch den Wahlvorstand geöffnet worden wären. Die öffentliche Sitzung des [X.] wurde am Wahltag konkludent einberufen. Weder das [X.] noch die [X.] enthalten ausdrückliche Regelungen zur ordnungsgemäßen Einberufung von Sitzungen und zur Beschlussfassung des [X.]. § 1 Abs. 3 [X.] verlangt lediglich, dass der Wahlvorstand Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit fasst und eine Niederschrift über jede Sitzung anzufertigen ist, die von dem Vorsitzenden und einem weiteren stimmberechtigten Mitglied zu unterzeichnen ist. Da die Ladung der Mitglieder durch den Vorsitzenden des [X.] frist- und formlos möglich ist (vgl. [X.] 11. Aufl. § 1 [X.] Rn. 9; [X.]/[X.] [X.] 17. Aufl. § 1 [X.] Rn. 10), kann die Ladung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass alle Mitglieder Kenntnis von der Einladung erlangen und diese so rechtzeitig erfolgt, dass die Mitglieder ihre Teilnahme einrichten können (HaKo-[X.]/Sachadae 5. Aufl. § 1 [X.] Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.]. § 1 [X.] Rn. 11). Sind - wie im vorliegenden Fall - alle Mitglieder des [X.] im einzigen Wahlraum versammelt und beginnen sie gemeinsam mit der Öffnung der [X.], so geschieht dies regelmäßig im Rahmen einer konkludent einberufenen öffentlichen Sitzung des [X.]. Inhalt und Gegenstand der Sitzung ergeben sich ohne weiteres aus § 26 Abs. 1 [X.].

b) Zu den weiteren von der Antragstellerin geltend gemachten oder sonst im Laufe des Verfahrens sichtbar gewordenen (vgl. [X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.] - Rn. 22) [X.] hat das [X.] keine näheren Feststellungen getroffen. Dies wird es ggf. nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Dabei wird das [X.] folgende Gesichtspunkte zu beachten haben:

aa) Soweit es für die Begründetheit des Antrags auf die Rüge eines Verstoßes gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] ankommen sollte, wird das [X.] aufzuklären haben, ob - wie vom Betriebsrat und der Arbeitgeberin behauptet - nur solche Rückumschläge weder den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ noch die [X.] getragen haben und nicht frankiert waren, welche an Wahlberechtigte ausgegeben wurden, die ausdrücklich erklärt hatten, dass sie im Betrieb wählen und die Briefwahlunterlagen persönlich an den Wahlvorstand zurückgeben werden. In diesem Fall läge kein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] vor. Danach hat der Wahlvorstand Wahlberechtigten auf ihr Verlangen einen größeren Freiumschlag, der die Anschrift des [X.] und als Absender den Namen und die Anschrift der oder des Wahlberechtigten sowie den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ trägt, auszuhändigen oder zu übersenden. Erklärt ein Wahlberechtigter gegenüber dem Wahlvorstand, er werde im [X.]punkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb an der persönlichen Stimmabgabe verhindert sein, und bittet daher um die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe, so umfasst dieses Verlangen regelmäßig alle in den Nr. 1 bis Nr. 5 genannten Unterlagen. Erklärt der Wahlberechtigte jedoch, er werde die Briefwahlunterlagen im Betrieb ausfüllen und persönlich an den Wahlvorstand zurückreichen, so liegt hierin im Zweifel kein Verlangen nach einem frankierten und nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] beschrifteten Umschlag. Es genügt die Übergabe eines größeren Umschlags, um die schriftliche Stimmabgabe im Betrieb durchzuführen (aA wohl [X.] in [X.]/[X.]. § 24 [X.] Rn. 12). Ein solches Vorgehen dient der Vermeidung nicht erforderlicher Wahlkosten iSd. § 20 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Sollte das [X.] feststellen, dass alle Wahlberechtigten, die unfrankierte und ohne Anschrift und Vermerk ausgegebene Umschläge erhalten haben, die Wahlunterlagen tatsächlich persönlich wieder beim Wahlvorstand abgegeben haben und dieser die Rückumschläge zu den anderen [X.]n genommen hat, wäre das Vorgehen im Übrigen nicht geeignet gewesen, das Wahlergebnis iSd. § 19 Abs. 1 [X.] zu ändern oder zu beeinflussen.

bb) Sollte die neue Anhörung ergeben, dass weder ein Verstoß gegen § 26 Abs. 1 [X.] noch gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] die Anfechtbarkeit der Wahl begründen kann, wird das [X.] zu prüfen haben, ob der von den Beteiligten vorgetragene Sachverhalt Anhaltspunkte für das Vorliegen eines anderen Anfechtungsgrunds gibt. Da ein zulässiger Antrag vorliegt, muss das Gericht allen Anfechtungsgründen, die im Laufe des Verfahrens sichtbar werden, von Amts wegen nachgehen ([X.] 2. August 2017 - 7 [X.] - Rn. 19, [X.]E 160, 27; 18. Juli 2012 - 7 [X.] - Rn. 22 mwN).

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Klose    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Meißner    

                 

Meta

7 ABR 42/18

20.05.2020

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Frankfurt, 18. Januar 2018, Az: 3 BV 494/17, Beschluss

§ 19 Abs 1 BetrVG, § 24 Abs 1 S 1 Nr 5 BetrVGDV1WO, § 26 Abs 1 BetrVGDV1WO, § 20 Abs 3 S 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.05.2020, Az. 7 ABR 42/18 (REWIS RS 2020, 413)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 413

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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