1. Strafsenat | REWIS RS 1997, 439
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
G r ü n d e
Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 09.01.1997 in seiner und des Verteidigers Anwesenheit wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchtsgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100,00 DM verurteilt.
Aufgrund der Verfügung des Amtsrichters vom 10.01.1997 sind die Akten der Staatsanwaltschaft übersandt worden mit der Anfrage, ob auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet werde. Am 22. 01.1997 sind die Akten mit einer Rechtsmittelverzichtserklärung der Staatsanwaltschaft wieder beim Amtsgericht eingetroffen. Obwohl der Betroffene mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 10.01.1997, beim Amtsgericht eingetroffen am 11.01.1997, gegen das Urteil vom 09.01.1997 Zulassungsrechtsbeschwerde eingelegt hatte, traf die Geschäftsstellenverwalterin unter dem 23.01.1997 folgende Verfügung:
"1) Urteilsausfertigungen mit Rechtskraftvermerk fertigen
2) Urteilsausfertigung an Betroffenen und Verteidiger form-
los übersenden
3) U.m.A. der Staatsanwaltschaft in Köln zur Vollstreckung
übersandt".
Entsprechend dieser Verfügung erfolgte am 27.01.1997 die Übersendung der Urteilsausfertigungen. Den Ausfertigungen zufolge hat die Urschrift des Urteils folgende Bestandteile: Rubrum, Urteilsausfertigung, Unterschrift des Richters.
Mit Schriftsatz vom 30.01.1997, beim Gericht eingegangen am 01.02.1997, teilten die Verteidiger unter Hinweis auf ihre Rechtsmitteleinlegung u. a. mit, der auf der Urteilsausfertigung enthaltene Rechtskraftvermerk sei ihnen unverständlich; gleichzeitig begründeten sie die Rechtsbeschwerde mit der Sachrüge. Am 05.02.1997 brachte der Amtsrichter ein vollständig begründetes Urteil zu den Akten. Die - vom Amtsrichter angeordnete - Zustellung des vollständigen Urteils erfolgte am 13.02.1997. Mit am 27.02.1997 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 19.02.1997 haben die Verteidiger die Auffassung vertreten, die "nachträgliche" Anfertigung der Urteilsgründe sei unzulässig, deshalb sei das Urteil wegen des Fehlens von Gründen aufzuheben. Diese Auffassung vertritt auch die Generalstaatsanwaltschaft, die beantragt hat, die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, das Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Entgegen der Auffassung der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft würde das Fehlen von Entscheidungsgründen für sich allein ohnehin noch nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führen. Erforderlich ist vielmehr auch in einem solchen Fall die Prüfung, ob die Zulassungsvoraussetzungen des [ref=564cf7d9-5f44-47ce-a9e5-40f397822bc0]§ 80 OWiG[/ref] vorliegen (BGHSt 42, 187 = NJW 1996, 3157 = NStZ 1997, 39 = VRS 92, 135; SenE vom 01.04.1997 - Ss 500/96). Dieser Problematik braucht hier indes nicht weiter nachgegangen zu werden, weil - anders als Verteidigung und Generalstaatsanwaltschaft meinen - ein Fall fehlender Entscheidungsgründe nicht vorliegt. Die von der Generalstaatsanwaltschaft angeführte Fallgestaltung, daß der Zulassungsrechtsbeschwerde ein unzulässig abgekürztes sowie ein unzulässig nachträglich vollständig begründetes Urteil zugrunde liegt (vgl. dazu: KG NZV 1992, 332 = VRS 82, 135; SenE a.a.O.), ist vorliegend nicht eingetreten. Der Tatrichter hat sich zu keinem Zeitpunkt für ein abgekürztes Urteil entschieden.
Allerdings ist für eine solche Entscheidung in Bußgeldsachen nicht erforderlich, daß der Tatrichter ein abgekürztes Urteil unterzeichnet. Vielmehr reicht dazu schon ein Aktenvermerk des Richters, etwa des Inhalts aus, von einer schriftlichen Begründung des Urteils werde gem. § 77 b OWiG abgesehen (SenE a.a.O.). Mit einem solchen Aktenvermerk entscheidet sich der Tatrichter für ein Urteil in der Fassung des Protokolls. Ein (ordnungsgemäßes) Protokoll enthält die für das Urteilsrubrum erforderlichen Angaben sowie die Urteilsformel und beinhaltet damit sämtliche Elemente eines abgekürzten Urteils in Bußgeldsachen (vgl. KG a.a.O.; SenE a.a.O.; Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 77 b Rn. 8; Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 2. Aufl., § 77 b Bem.2). Wird nach einem solchem Vermerk eine Urteilsausfertigung hergestellt und aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben, ohne daß die Entscheidung des Richters für eine abgekürzte Urteilsfassung von der Regelung in § 77 b Abs. 1 OWiG gedeckt war, ist eine nachträgliche Veränderung des Urteils in der Protokollfassung unzulässig.
Vorliegend liegt der erfolgten Herstellung von Urteilsausfertigungen und deren Übersendung an den Betroffenen und den Verteidiger keine Entschließung des Richters für ein Urteil in abgekürzter Fassung, sondern ein auf unrichtigen Vorstellungen zur Rechtskraft des Urteils beruhender Willensakt der Geschäftsstellenverwalterin zugrunde, der den Tatrichter in seiner bis zu diesem Zeitpunkt in bezug auf die Urteilsfassung noch nicht getroffenen Wahl nicht binden konnte. Der Tatrichter hat, nachdem ihm die Akten mit der Rechtsmittelschrift der Verteidigung vom 10.01.1997 vorgelegt worden waren, (sogleich) ein Urteil in vollständiger Fassung zu den Akten gebracht. Nur in dieser Fassung liegt das schriftliche Urteil des Richters vor, nur sie ist maßgebend. Den in Rede stehenden Ausfertigungen eines Urteils ohne Gründe liegt - mangels Entschließung des Richters für ein solches Urteil (vgl. oben) - keine Urschrift zugrunde, sie sind daher unbeachtlich.
Die Überprüfung des - vollständigen, mit Gründen versehenen - Urteils aufgrund der mit der Rechtsbeschwerde erhobenen Sachrüge führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ([ref=b1396153-533c-4daf-9510-af76c8232127]§ 80 Abs. 1 OWiG[/ref]). Der Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen oder schwer erträglichen Unterschieden in der Rechtsprechung entgegenzuwirken (BGH VRS 40, 134, 137).
Es ist geklärt, daß Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessungen, die unter Verstoß gegen verwaltungsinterne Richtlinien, ansonsten aber korrekt gewonnen worden sind, keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen (OLG Oldenburg NZV 1996, 375 = VRS 91, 478; Jagusch/Hentschel, StVR, 34. Aufl., § 3 Rn. 57), die Nichtbeachtung der Richtlinien jedoch bei der Rechtsfolgenbemessung zugunsten des Betroffenen berücksichtigt werden kann (OLG Oldenburg a.a.O.).
Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil. Das Amtsgericht ist nicht von einem Regelfall der Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen, sondern hat es bei der für den Regelfall vorgesehenen Geldbuße nur deshalb bewenden lassen, weil der Betroffene verkehrsrechtlich vorbelastet ist.
Meta
16.05.1997
Oberlandesgericht Köln 1. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: False
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 16.05.1997, Az. Ss 210/97(Z) - 136 Z - (REWIS RS 1997, 439)
Papierfundstellen: REWIS RS 1997, 439
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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