Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2005, Az. III ZR 294/04

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5085

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04
Verkündet am: 10. Februar 2005 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 4

Der Auskunftspflicht nach § 4 Abs. 1 [X.] (bzw. den entsprechen-den Bestimmungen in den Pressegesetzen der anderen [X.]länder) [X.] auch Betriebe der kommunalen Daseinsvorsorge, die in Form von [X.]en mit beschränkter Haftung geführt werden, aber unter beherr-schendem Einfluß der öffentlichen Hand stehen.

[X.], Urteil vom 10. Februar 2005 - [X.]/04 - [X.] - 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2005 durch [X.] und die Richter [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision der [X.]n gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 18. Mai 2004 wird mit der [X.] zurückgewiesen, daß die durch die Anrufung des [X.] verursachten Mehrkosten, einschließlich derjenigen des [X.], den Klägern auferlegt werden.

Die [X.] hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger zu 1, der [X.] und [X.] e.V., ist Herausgeber der Zeitschrift "[X.] und [X.]", der Landesbeilage zur Mitgliederzeitschrift des [X.] "Der Steuerzahler". Die Landesbeilage erscheint alle zwei Monate in einer Auflage von 50.000 Exemplaren. Der Kläger zu 2 ist der verantwortliche Redakteur der Landesbeilage. Die Kläger sehen deren Aufgabe darin, sich [X.] 3 -

tisch mit Vorgängen der öffentlichen Finanzen und der öffentlichen Haushalts-wirtschaft auseinanderzusetzen.

Die [X.] ist eine GmbH, die Aufgaben der kommunalen [X.] wahrnimmt. An ihrem Stammkapital von insgesamt 6.805.700 • sind die [X.], deren alleinige [X.]erin die [X.] ist, mit einem [X.]italanteil von 3.575.300 •, die [X.] mit einem [X.]italanteil von 1.799.300 •, die [X.] ([X.]) mit einem [X.]italanteil von 1.087.400 • und die [X.] [X.] mit einem [X.]italanteil von 343.700 • beteiligt. Die [X.]italanteile der [X.]erin [X.] werden ihrerseits zu 50,65 % von der [X.] gehalten.

Nach Presseberichten über eine angebliche Vervierfachung der Sit-zungsgelder des Aufsichtsrats der [X.]n begehren die Kläger, gestützt auf § 4 des [X.] ([X.]), mit der [X.] Klage von der [X.]n Auskunft zu folgenden Fragen: 1. Ist es zutreffend, daß die Sitzungsgelder für die Mitglieder des Auf-sichtsrates der [X.]n zum 1. Januar 2002 angehoben worden sind? Wenn ja, auf welche Höhe?
2. Wie häufig tritt der Aufsichtsrat der [X.]n zusammen und wie ist der Aufsichtsrat im einzelnen besetzt (wie viele Mitglieder, Vorsitzen-der, Stellvertreter)? - 4 -

3. Auf welche Höhe belaufen sich insgesamt die jeweils bislang gezahl-ten Sitzungsgelder für die Mitglieder des Aufsichtsrates der [X.]? Welche zusätzlichen Belastungen entstehen durch eine etwaige Erhöhung der Sitzungsgelder ab dem 1. Januar 2002?

Das Amtsgericht, an welches der Rechtsstreit durch das ursprünglich angerufene [X.] verwiesen worden ist, hat die Klage abgewiesen; das [X.] hat die [X.] antragsgemäß zur [X.] verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Den Klägern steht nach § 4 Abs. 1 [X.] der mit der Klage gel-tend gemachte Auskunftsanspruch gegen die [X.] zu.

1. Nach dieser Vorschrift sind Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse, zu denen insbesondere (auch) Herausgeber und Redakteure gehören können ([X.]/[X.], Presserecht, 4. Aufl. 1997 § 4 [X.] Rn. 42, 43; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000 Rn. 4.10), die für die Erfüllung ihrer öffent-lichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Dieser Informationsanspruch soll der Presse die Wahrnehmung ihrer Aufgabe im Rahmen der demokrati-schen Meinungs- und Willensbildung dadurch ermöglichen, daß sie umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Inter-- 5 -

esse erhält und dadurch in die Lage versetzt wird, die Öffentlichkeit entspre-chend zu unterrichten (vgl. [X.], [X.], 837, 839; O[X.], [X.], 426, 427). Auf diese Weise kann der Staatsbürger zu-treffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und [X.], Mißstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihm sonst verbor-gen bleiben würden, die aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für seine Meinungsbildung essentiellen Fragen haben können. Erst diese für eine möglichst unverfälschte Erkenntnis notwendige Übersicht über Tatsachen und Meinungen, Absichten und Erklärungen ermöglicht eine eigene Willensbil-dung und damit die Teilnahme am [X.] Entscheidungsprozeß über-haupt (vgl. [X.] 20, 162, 174 f; 83, 238, 295 f; 97, 228, 257 f). Die Vor-schrift des § 4 [X.] weist daher enge Bezüge nicht nur zur Pressefrei-heit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern auch zur Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und zu Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG auf. Hieran müssen sich die Auslegung des Art. 4 Abs. 1 [X.] und insbesondere auch die Grundsätze zur Bestimmung des im konkreten Falle Auskunftsverpflichteten orientieren.

2. Unter diesem Gesichtspunkt ist den Landespressegesetzen ein eigen-ständiger Behördenbegriff zu eigen, der auch juristische Personen wie eine GmbH erfaßt, deren die öffentliche Hand sich zur Erfüllung öffentlicher Aufga-ben bedient (O[X.] aaO). Dabei ist nicht erforderlich, daß sich die GmbH vollständig - unmittelbar oder mittelbar - in öffentlicher (kommunaler) Hand befindet (so die Fallkonstellation bei [X.] und O[X.] aaO). Es reicht aus, daß die GmbH von der öffentlichen Hand beherrscht wird (im Ergebnis wohl ebenso [X.]/[X.] aaO Rn. 57; [X.]/[X.], Handbuch - 6 -

des Presserechts, 4. Aufl. 2000 [X.]. 19 Rn. 10; [X.], [X.] 1999, 196, 197; Endter, Der [X.] 1998, 780, 781).

a) Der Behördenbegriff des Presserechts ist nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-teleologisch zu begreifen. Sinn und Zweck des § 4 [X.] ist es, der Presse die ihr durch Art. 5 GG garan-tierte und in § 3 [X.] manifestierte Funktion im Rahmen der demokrati-schen Meinungs- und Willensbildung zu gewährleisten und es ihr so zu ermög-lichen, ihre Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse [X.] und wahrheitsgetreu zu erhalten. Die Berichterstattung der Presse über Vorgänge im staatlichen Bereich beschränkt sich nicht lediglich auf die staatliche Eingriffsverwaltung, die typische Form staatlichen Handelns. [X.] nimmt die Verwaltung eine Fülle sonstiger Aufgaben gerade im Bereich der Leistungsverwaltung wahr. Überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwen-dung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, wird auch ein Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung begründet. Auf dieses Bedürfnis hat es keinen Einfluß, ob sich die Exekutive zur Wahrneh-mung öffentlicher Aufgaben im Einzelfall einer privatrechtlichen Organisations-form bedient ([X.] aaO).

b) Als eine der Wasser- und Energieversorgung dienende [X.] erfüllt die [X.] Aufgaben der Daseinsvorsorge. Die Daseinsvorsorge ist Gegenstand der Leistungsverwaltung zur Schaffung und Unterhaltung öffentli-cher Einrichtungen und stellt einen Schwerpunkt der kommunalen Tätigkeit zum Wohle der [X.] dar, wobei die Gemeinden das Recht ha-ben, im örtlichen Bereich Aufgaben der Daseinsvorsorge eigenverantwortlich - 7 -

aufzunehmen und niederzulegen (Endter aaO S. 781; Waechter, [X.]. Rn. 104). Dieses kommunale Selbstverwaltungsrecht wird durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützt. Unter den Begriff der Daseinsvorsorge sind alle zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger erforderlichen Leistungen der Verwaltung zu fassen ([X.] aaO S. 196; [X.], BayVBl. 2001, 1, 6). [X.] gehören gerade die Strom-, Gas- und Wasserversorgung zu den [X.] (vgl. [X.], NJW 1990, 1783; [X.], Urteil vom 14. November 2003 - 2 [X.] = NJW 2004, 693; Senatsurteil [X.] 91, 84, 86; Senatsurteil vom 24. September 1987 - [X.] = NVwZ-RR 1989, 388 f).

c) Zwar ist die [X.] als GmbH mit eigener Rechtspersönlichkeit rechtlich, organisatorisch und rechnungsmäßig gegenüber den sie tragenden [X.] verselbständigt. Es handelt sich auch um eine [X.], an der nicht nur unmittelbar oder mittelbar Gemeinden beteiligt sind. Gleichwohl wird sie faktisch von der öffentlichen Hand beherrscht. Der Anteil der [X.], die zu 100 % in kommunaler Hand liegt, am [X.]sver-mögen der [X.]n beträgt 53 %, der der [X.] 26 %, der der [X.] 16 % und der der [X.] [X.] 5 %. Selbst wenn die privatrechtliche E.ON AG Mehrheitsgesellschafterin der [X.] ist, er-gibt sich, daß der Einfluß der öffentlichen Hand auf die [X.] insgesamt wenigstens bei über 70, wenn nicht sogar bei über 80 % liegt. Der [X.] Einfluß der öffentlichen Hand wird auch an der Zusammensetzung des 15-köpfigen Aufsichtsrats der [X.]n deutlich, dem laut [X.] umfassende Befugnisse zukommen. So sind die [X.] der Städte [X.], [X.]hagen und [X.] kraft Amtes Mitglied. Vier weitere Aufsichtsratsmitglieder werden vom Rat der [X.] [X.] und - 8 -

drei weitere vom Rat der [X.] [X.]hagen entsandt. Der Vorsitz im [X.] soll alternierend von Vertretern der Städte [X.] und [X.]hagen wahrgenommen werden.

d) Die hier einschlägige [X.] Gemeindeordnung - andere Gemeindeordnungen enthalten vergleichbare Regelungen - läßt eine wirt-schaftliche Betätigung der [X.] ohnehin nur zu, wenn sie durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt bzw. gefordert ist (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 [X.]). Dies gilt unabhängig davon, ob diese Betätigung in Form eines Eigenbetriebs (§ 108 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), in Form einer (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisierten) Eigengesellschaft (§ 108 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) - d.h. eines Unternehmens, dessen sämtlichen Anteile der [X.] gehören - oder aber, wie hier, dergestalt erfolgt, daß sich Gemeinden oder "kommunale" [X.]en mit beschränkter Haftung an einer (weiteren) GmbH beteiligen (vgl. § 109 Abs. 1 und 2 [X.]). Den Gemeinden steht inso-weit die - gerichtlich nur in beschränktem Maße überprüfbare - Einschät-zungsprärogative zu (BVerwGE 39, 329, 334). Ob die öffentliche Hand bzw. das von ihr beherrschte Unternehmen im Bereich der erbrachten Leistungen ein Monopol innehat oder auch rein private Unternehmen vergleichbare Lei-stungen erbringen und insoweit in Konkurrenz zu den öffentlichen oder öffent-lich beherrschten Einrichtungen stehen, ist dabei ohne entscheidende Bedeu-tung.

3. Die hier vorgenommene Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 1 [X.] verstößt weder gegen Art. 72 GG, noch führt sie zu einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Schlechterstellung der [X.]n ge-genüber konkurrierenden "privaten" [X.]en. - 9 -

a) Das [X.]srecht ist Teil der konkurrierenden Gesetzgebung des [X.] gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder in diesem Bereich die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der [X.] von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Ge-brauch gemacht hat. Das Gesetz betreffend die [X.]en mit beschränk-ter Haftung enthält keine Vorschriften, die sich mit der Beteiligung der öffentli-chen Hand an der [X.] befassen. Eine ausdrückliche Regelung einer Auskunftsverpflichtung findet sich nur in § 51a GmbHG. Weder diese, allein das Innenverhältnis zwischen [X.]ern und Geschäftsführern betreffen-de noch andere Bestimmungen des Gesetzes stehen einer Auskunftspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 [X.] entgegen.

b) Da die [X.] bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben unter richtungsweisendem Einfluß der öffentlichen Hand steht, ist sie nicht in jeder Hinsicht mit einem Unternehmen (völlig oder überwiegend) in privater Hand zu vergleichen. Deswegen ist es gerechtfertigt, die [X.] Auskunftspflichten zu unterwerfen, denen ihre etwaigen privat beherrschten Mitbewerber nicht unter-liegen. Soweit bei "gemischtwirtschaftlichen [X.]en", wie hier, auch "private (Minderheits-)[X.]er" von der Auskunftspflicht tangiert werden, haben deren private Interessen - vorbehaltlich eines Auskunftsverweigerungs-rechts (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 [X.]) - hinter den überwiegenden öffentlichen Interessen zurückzutreten.

c) Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Offenlegung der Sit-zungsgelder nicht in schützenswerte Interessen der Aufsichtsratsmitglieder der [X.]n eingreift, wird von der Revision nicht angegriffen. Auch im übrigen - 10 -

ist für das Vorliegen etwaiger Auskunftsverweigerungsgründe nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] nichts dargetan oder sonst ersichtlich.

4. Die vom Berufungsgericht unterlassene Entscheidung, die durch die Anrufung des [X.] entstandenen Mehrkosten, ein- - 11 -

schließlich derjenigen des [X.], den obsiegenden Klägern aufzuerlegen (§ 17b Abs. 2 Satz 2 G[X.]), war in der Revisionsinstanz von Amts wegen nachzuholen (§ 308 Abs. 2 ZPO).

[X.] [X.]

[X.]

Meta

III ZR 294/04

10.02.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2005, Az. III ZR 294/04 (REWIS RS 2005, 5085)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5085

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