Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.02.2021, Az. 6 StR 453/20

6. Strafsenat | REWIS RS 2021, 8818

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Gegenstand

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Konkurrenzverhältnis bei mehreren Rauschgiftgeschäften


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. August 2020

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.1 der Urteilsgründe) sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier tateinheitlichen Fällen (Fälle II.2 und 3 der Urteilsgründe) verurteilt ist;

b) aufgehoben

aa) im Strafausspruch zu Fall II.2 der Urteilsgründe; dieser entfällt;

bb) im [X.] mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist;

c) im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass sich der Wert der Einziehung von [X.] auf 24.740 Euro beläuft.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Fall II.1 der Urteilsgründe), wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2) sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tateinheitlichen Fällen ([X.]) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 27.240 Euro angeordnet. Die auch auf eine Verfahrensrüge gestützte Revision ist mit der Sachrüge im Umfang der [X.] erfolgreich (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen handelten der Angeklagte und der [X.]        im Zeitraum November 2018 bis Dezember 2019 gemeinschaftlich mit [X.], Haschisch und Amphetamin, wobei es zu fünf Geschäften - überwiegend betreffend Drogen im [X.] - kam. Der Angeklagte bezog die Betäubungsmittel von einem unbekannten Lieferanten und veräußerte sie gewinnbringend an den [X.], der sie gemeinschaftlich mit einem gesondert Verurteilten an [X.] verkaufte. Am 10. Dezember 2019 wurden die Angeklagten bei einer Übergabe von Betäubungsmitteln festgenommen.

3

2. Während die Verfahrensrüge aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet ist, führt das [X.] mit der Sachrüge zu einer Änderung des Schuldspruchs.

4

a) Die Feststellungen beruhen auf einer [X.] Beweiswürdigung. Das [X.] hat sich seine Überzeugung von der Richtigkeit der den Angeklagten belastenden Einlassung des Mitangeklagten [X.]        aufgrund einer sorgfältigen und umfassenden Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme gebildet (vgl. [X.], Urteil vom 1. Februar 2017 - 2 StR 78/16, Rn. 23, [X.], 183, 184). Dass es dabei von der für die Würdigung von belastenden Zeugenaussagen in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen maßgeblichen Null-Hypothese ausgegangen ist, stellt keinen Rechtsfehler dar.

5

b) Jedoch erweist sich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle II.2 und 3 der Urteilsgründe als zwei tatmehrheitlich begangene Taten (§ 53 Abs. 1 StGB) des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (im [X.] in drei tateinheitlichen Fällen) als rechtsfehlerhaft. Aufgrund einer Teilidentität der Ausführungshandlungen stehen beide zueinander vielmehr in gleichartiger Tateinheit (§ 52 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Insoweit gilt:

6

aa) Eine für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erforderliche Verknüpfung der Tatbestände liegt in der Überlagerung der objektiven Ausführungshandlungen; dies gilt auch im Bereich der Betäubungsmittelstraftaten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Juli 2017 - [X.], [X.]St 63, 1, 8; vom 11. November 1976 - 4 StR 266/76, [X.]St 27, 66). Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG sind nicht nur Tätigkeiten, die unmittelbar der Beschaffung und der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, sondern auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge. Bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften liegt nach ständiger Rechtsprechung eine Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Juli 2017 - [X.], [X.]St 63, 1, 8; vom 24. Juli 2018 - 3 StR 88/17, NStZ-RR 2018, 351; vom 24. Juli 2018 - 3 [X.]; vom 10. Januar 2019 - 3 StR 448/18, NStZ-RR 2019, 250, 251).

7

bb) Diese Maßgaben hat das [X.] zwar bei der Bewertung der Anklagefälle 3 bis 5 als tateinheitlich begangen (Urteilsfall II.3) berücksichtigt. Indes steht nach den genannten Grundsätzen auch der Urteilsfall II.2 in Tateinheit mit diesen Fällen. Denn bei Bezahlung der [X.] aus dem zweiten Drogengeschäft im November 2018 (Fall II.2) verabredeten der Angeklagte und der Nichtrevident gleichzeitig die von [X.] der Urteilsgründe umfasste Lieferung eines weiteren Kilogramms [X.] ([X.]). Beide [X.] überlagerten sich demnach in ihren objektiven Ausführungshandlungen. Bereits die Vereinbarung der neuen Lieferung stellte eine Tathandlung des Handeltreibens im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG dar, für die es ausreicht, wenn der Täter eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit entfaltet (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 24).

8

cc) Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs entfällt die ihn betreffende Einzelstrafe im Fall II.2, was der Gesamtstrafe die Grundlage entzieht. Die Strafe zu [X.] bleibt nach Einbeziehung des bisherigen Falles II.2 bestehen. Ungeachtet des nunmehr höheren Schuldumfangs steht das Verschlechterungsverbot ihrer Erhöhung entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 21. Mai 1951 - 3 [X.], [X.]St 1, 252; Beschlüsse vom 4. September 1998 - 2 [X.], [X.] 1999, 419; vom 3. April 2013 - 3 StR 60/13, [X.] 2014, 466). Der Senat schließt jedoch aus, dass bei [X.] Bewertung des [X.] eine niedrigere Einzelstrafe verhängt worden wäre. Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1b StPO zu verfahren.

9

c) Der Senat erstreckt die Änderung des Schuldspruchs auch auf Fall II.1 der Urteilsgründe (Probegeschäft), in dem nach den Feststellungen der Grenzwert der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC überschritten wurde, der Angeklagte aber lediglich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht einer Verböserung des Schuldspruchs nicht entgegen (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 4. August 2020 - 3 [X.], Rn. 23 mwN).

d) Bei der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c Satz 1 StGB) hat das [X.] nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte auf die Rückgabe des beschlagnahmten, unmittelbar aus dem Betäubungsmittelgeschäft vom 10. Dezember 2019 herrührenden Geldbetrags von 2.500 Euro wirksam verzichtet hat ([X.]). Dieser ist bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen abzuziehen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. September 2018 - 5 StR 400/18, Rn. 13), sodass sich der Einziehungsbetrag lediglich auf 24.740 Euro beläuft. Der Senat hat die erforderliche Korrektur in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vorgenommen.

Sander     

        

Schneider     

        

König 

        

Fritsche     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 453/20

10.02.2021

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Coburg, 4. August 2020, Az: 108 Js 10252/19 - 3 KLs

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 1 BtMG, § 52 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.02.2021, Az. 6 StR 453/20 (REWIS RS 2021, 8818)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8818

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