Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.
PDF anzeigen[X.]:[X.]:[X.]:2016:160816BVIZB19.16.0
BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI [X.]
vom
16. August
2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 139 Abs. 1, § 236 (B)
Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben in einem Wiedereinset-zungsantrag, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, [X.] nach Fristablauf mit der Rechtsbeschwerde ergänzt werden ([X.] [X.], Beschluss vom 25. September 2013 -
XII [X.], Rn. 9).
[X.], Beschluss vom 16. August 2016 -
VI [X.] -
LG [X.]
[X.]
-
2
-
Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
26. August 2016 durch [X.], den
Richter Offenloch,
die Richterinnen Dr. [X.] und [X.] und [X.] Klein
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss der 6.
Zivilkammer des [X.] vom 17. Februar 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Der Gegenstandswert wird auf
Gründe:
I.
Der Kläger hat gegen das ihm am 22. Oktober 2015 zugestellte Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Durch Schriftsatz vom [X.] hat der Kläger die Berufung begründet. Der Schriftsatz ist im We-ge der Faxübermittlung am 23.
Dezember 2015 bei dem [X.]; der mit der Post übersandte [X.] hat das [X.] am 4.
Januar 2016 erreicht. Auf den ihm am 8. Januar 2016 zugegangenen [X.]
-
3
-
weis des Kammervorsitzenden über den verspäteten Eingang der [X.] hat der Kläger mit am 22. Januar 2016 bei dem [X.] einge-gangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die [X.] der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er -
unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der bei seinem Prozessbe-vollmächtigten angestellten
Rechtsanwaltsfachangestellten
W.
-
ausgeführt: Sein Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung im [X.] an ein letztes [X.] mit
ihm am 1. Dezember 2015 um 11 Uhr fer-tiggestellt
und nach Ausfertigung
unterschrieben. Am selben Tag habe Frau W.
den Schriftsatz zur Post gegeben und abgeschickt. Weil
die im [X.] falsch auf den 23. Dezember 2015 eingetragene Frist trotz Erledigung nicht ge-strichen worden sei, habe eine weitere Angestellte an diesem Tag zur Sicher-heit beim [X.] angerufen, ob der Schriftsatz eingegangen sei. Da dies nicht der Fall gewesen sei, habe man die Berufungsbegründung nochmals ab-geschickt.
Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung des [X.] als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbe-schwerde begehrt der Kläger die Aufhebung dieses Beschlusses und die Ge-währung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs.
1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zuläs-2
3
4
-
4
-
sig. Eine Entscheidung des [X.] ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Denn die angefochtene Entscheidung verletzt den Kläger in seinen
Verfahrens-grundrechten
auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip)
und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
Das Berufungsgericht hat gegen § 139 Abs. 1 ZPO verstoßen, in-dem es die Begründung des [X.] für unzureichend er-achtet hat, ohne den Kläger hierauf hinzuweisen.
a) [X.] darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im [X.] werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen ([X.], Beschluss vom
20. Mai 2009 -
IV ZB 2/08, [X.], 2379 Rn. 8 mwN). Wurde der Schriftsatz vom 1. Dezember 2015 an diesem Tag vor der Postleerung in den Briefkasten eingeworfen, durfte der Kläger auf einen fristgemäßen Eingang bei dem [X.] am 2. Dezember 2015 vertrauen.
b) [X.] muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß §
236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begrün-denden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen.
aa) Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen kon-kreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Alle Tatsachen, die für die [X.] von Bedeutung sein können, müssen grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (§
234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Er-kennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach §
139 ZPO geboten ist, dürfen jedoch nach Fristablauf erläutert oder vervoll-5
6
7
-
5
-
ständigt werden (st. Rspr., Senatsbeschluss vom 29. Januar 2002 -
VI
ZB 28/01, juris Rn. 4 mwN; [X.], Urteil
vom
7.
März 2002 -
IX ZR 235/01,
NJW 2002, 2107, 2108 mwN; Beschlüsse vom
13. Juni 2007 -
XII [X.], [X.], 3212
Rn. 8; vom
9. Februar 2010 -
XI [X.], [X.], 636 Rn. 9; vom 21. Oktober 2010 -
IX [X.], NJW 2011, 458 Rn. 17; vom [X.] 2013 -
XII [X.], NJW 2014, 77 Rn. 9).
bb) Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht dem Kläger
Gelegenheit zur Ergänzung seines
Vorbringens
zu den Umständen der Post-aufgabe
geben müssen
(§ 139 Abs. 1 ZPO).
Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hat ausgeführt, die [X.] sei von seiner Angestellten W.
zur Post gegeben und abgeschickt worden.
Die Rechtsanwaltsfachangestellte W.
hat an Eides statt versichert, den ausgefertigten und unterschriebenen Schriftsatz am 1. Dezember 2015 zur Post gegeben zu haben, bevor sie pünktlich um 13 Uhr habe gehen müssen.
[X.] dieser Darstellung und dem zeitlichen Puffer bis zum Ablauf der Beru-fungsbegründungsfrist am 22. Dezember 2015 durfte das [X.] nicht oh-ne ausdrücklichen Hinweis
von ungenügenden Angaben zu
den Umständen der
Postaufgabe ausgehen
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2010 -
XI [X.], [X.], 636 Rn. 11; vom 21. Oktober 2010 -
IX [X.], NJW 2011, 458 Rn. 18 ff.).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
ist ins-besondere keine Sachlage gegeben, nach der ein Hinweis nach § 139 Abs.
1 ZPO deshalb entbehrlich
wäre, weil es an einem konkreten Vortrag insgesamt gefehlt hätte (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 24. Januar 2012 -
II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 12; vom 26. November 2013 -
II ZB 13/12, [X.], 422 Rn. 12).
8
9
-
6
-
c) Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklä-rung -
wie hier -
nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, können nach Ablauf der Antragsfrist mit der Rechtsbeschwerde ergänzt werden ([X.], Beschlüsse
vom 18. Juli 2007
-
XII
ZB 32/07, [X.],
2778
Rn.
14; vom 25. September 2013 -
XII
[X.], NJW 2014, 77 Rn. 9). Die Rechtsanwaltsfachangestellte W.
hat nunmehr an Eides statt versichert, dass sie die vom [X.] des [X.] unterschriebene Berufungsbegründung am Vormittag des 1.
Dezember 2015 ordnungsgemäß einkuvertiert und frankiert und sodann [X.] in den [X.] gelegt habe. Mit Feierabend gegen 13 Uhr habe sie dann die gesamte Post einschließlich der Berufungsbegründung dem [X.] entnommen und in den Briefkasten vor dem Rathaus Seli-genstadt, der nur ca. 20 Meter von der Kanzlei entfernt sei, eingeworfen. Auf der Grundlage dieser
ergänzenden Behauptungen
hätte das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ablehnen dürfen, weil der
Klä-ger
danach mit einem rechtzeitigen Eingang seiner Berufungsbegründung bei dem [X.] rechnen durfte.
Auf die doppelt fehlerhafte Führung des Fris-tenkalenders kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist somit auch begründet.
III.
Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob es das im [X.] ergänzte [X.] für glaubhaft, den vorgetragenen Geschehensablauf also für überwiegend wahrscheinlich ([X.], Beschluss vom 9. Februar 1998 -
II ZB 15/97, NJW 1998, 1870; Beschluss vom 20. März 1996 -
VIII ZB 7/96, [X.], 1682
Rn. 15; Beschluss vom 3. März 1983 -
IX
ZB 10
11
12
-
7
-
4/83, [X.], 491) hält. Die Sache ist daher gemäß §
577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
[X.]
Offenloch
[X.]
[X.]
Klein
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.10.2015 -
1 C 294/15 (2) -
LG [X.], Entscheidung vom 17.02.2016 -
6 [X.] -
Meta
16.08.2016
Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.08.2016, Az. VI ZB 19/16 (REWIS RS 2016, 6715)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 6715
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
VI ZB 19/16 (Bundesgerichtshof)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Richterliche Hinweispflicht auf unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben
VIII ZB 65/20 (Bundesgerichtshof)
Wiedereinsetzungsantrag nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist: Ergänzung erkennbar unklarer oder ergänzungsbedürftiger Angaben; unterbliebene Darlegung zur ausreichenden …
VIII ZB 12/19 (Bundesgerichtshof)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Anforderungen an die Glaubhaftmachung bei behauptetem Verlust eines fristgebundenen Schriftsatzes …
VI ZB 33/17 (Bundesgerichtshof)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes bei Behauptung …
I ZB 51/17 (Bundesgerichtshof)
Keine Referenz gefunden.