Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.09.2022, Az. VIII ZR 319/20

8. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6016

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) BELEIDIGUNG MEINUNGSFREIHEIT INTERNET EBAY

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Gegenstand

Auslegung einer Klausel in den Geschäftsbedingungen von eBay; Äußerung zur Angemessenheit der Versandkosten


Leitsatz

§ 8 Nr. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, wonach die von Nutzern abgegebenen Bewertungen sachlich gehalten sein müssen und Schmähkritik nicht enthalten dürfen, enthält keine vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren von Nutzern, die über die deliktsrechtlichen Grenzen wertender Äußerungen hinausgehen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] - 2. Zivilkammer - vom 28. Oktober 2020 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] in der [X.] vom 22. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform [X.] vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 € brutto. Davon entfielen 4,90 € auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten. Der Verkauf erfolgte auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von [X.], denen die Parteien vor der Teilnahme an dem Geschäft zugestimmt hatten. Dort heißt es auszugsweise:

ʺ§ 8 Bewertungen

1. […]

2. Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten.

3. […]ʺ

2

Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft in dem von [X.] zur Verfügung gestellten Bewertungsprofil der Klägerin wie folgt:

ʺWare gut, Versandkosten Wucher!!ʺ

3

Die auf Entfernung dieser Bewertung und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht keinen Erfolg gehabt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Bezeichnung der Versandkosten als "Wucher" stelle ein Werturteil dar und sei als solches nur dann unzulässig, wenn es sich um eine Schmähkritik handele. Eine solche liege hier jedoch nicht vor. Die Bewertung weise einen Sachbezug auf, weil sie in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt sei.

4

Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten antragsgemäß zur Entfernung der Bewertung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der [X.] habe mit der Bewertung "Ware gut, Versandkosten Wucher!!" eine vertragliche Nebenpflicht verletzt (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs 2 BGB). Die vorbezeichnete Bewertung verstoße gegen das [X.] aus § 8 Nr. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von [X.], weil sie eine sachliche Auseinandersetzung mit der Leistung der Klägerin vermissen lasse.

8

Zwar dürften an die Begründung einer Bewertung zu hohe Anforderungen nicht gestellt werden. Jedoch sei für einen objektiven Leser nicht erkennbar, warum sich die Versandkosten als [X.] darstellten. Es bleibe offen, ob sie intransparent gewesen, von der Klägerin falsch abgerechnet beziehungsweise veranschlagt worden oder dem [X.]n in sonstiger unlauterer Weise (massiv) überhöht auferlegt worden seien. Aus der Sicht des insoweit maßgeblichen objektiven [X.]-Nutzers bleibe Raum für vielfältige negative Interpretationsmöglichkeiten, da eine sachliche und bezugnehmende Auseinandersetzung mit der Leistung der Klägerin fehle. Folglich liege eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug vor, die durch das dem Geschäft zugrundeliegende Verhalten nicht gerechtfertigt sei.

9

Aus dem [X.] ergebe sich ein über die Abwehr von Schmähkritik und unwahrer Tatsachenbehauptungen hinausgehender Schutz, da das Gebot zugunsten anderer Nutzer wirke beziehungsweise die gegenseitigen vertraglichen Rücksichtnahmepflichten der Nutzer gemäß § 241 Abs. 2 BGB konkretisiere.

Der Klägerin sei ein Schaden entstanden, weil sich die negative Bewertung ungünstig auf ihre Möglichkeit auswirke, zukünftig Geschäfte über [X.] abzuschließen. Der [X.], der die Pflichtverletzung zu vertreten habe, schulde daher die Entfernung des für die Klägerin nachteiligen Kommentars im Wege des Schadensersatzes.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin gegen den [X.]n ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer durch § 8 Abs. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von [X.] (nachfolgend: [X.]-AGB) konkretisierten nachvertraglichen Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB) nicht zu.

Dabei kann hier auf sich beruhen, ob der geltend gemachte Anspruch - wie von der Klägerin beantragt - unmittelbar die Entfernung der Bewertung durch den [X.]n zum Gegenstand hat oder ob der Klageantrag dahingehend auszulegen ist, dass er sich auf die Zustimmung des [X.]n zur Löschung des [X.] durch [X.] richtet (vgl. jurisPK-Internetrecht/[X.], 7. Aufl., Stand: 6. September 2022, [X.]. 4.4 Rn. 332; Bräutigam/[X.]/[X.], [X.], 2017, 4. Teil F Rn. 15; [X.]/[X.], ZUM 2007, 30, 38). Denn der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch besteht in beiden Fällen nicht.

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht gemeint, die Regelung des § 8 Nr. 2 Satz 2 der [X.]-AGB gewähre durch das dort erwähnte [X.] einen über die Abwehr von Schmähkritik und unwahrer Tatsachenbehauptungen hinausgehenden Schutz des Verkäufers und die streitgegenständliche Äußerung des [X.]n "Versandkosten Wucher!!" sei mit diesen Vorgaben nicht vereinbar, weil nicht erkennbar sei, warum sich die Versandkosten als "Wucher" darstellten, so dass ein Sachbezug fehle.

1. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht allerdings im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit des streitgegenständlichen [X.] nicht allein unter deliktsrechtlichen, sondern auch unter vertraglichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Die Regelung des § 8 Nr. 2 Satz 2 der [X.]-AGB sieht vor, dass die von den Nutzern abgegebenen Bewertungen sachlich gehalten sein müssen und eine Schmähkritik nicht enthalten dürfen. Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB habe der [X.] die darauf gerichteten (nach-)vertraglichen Anforderungen nicht beachten müssen, weil sie in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung aufgestellt worden seien, die nicht von der Klägerin gegenüber dem [X.]n, sondern allein von [X.] gegenüber den jeweiligen Nutzern gestellt worden sei. Dabei lässt die Revision die Rechtsprechung des [X.]s zur Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der auf den Abschluss eines Kaufvertrags über die Plattform [X.] gerichteten Willenserklärungen von Käufer und Verkäufer außer Acht.

a) Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach der Legaldefinition in § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB allein diejenige Vertragspartei, die der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrags vorformulierte Vertragsbedingungen "stellt". Danach ist zwar - wie die Revision zu Recht geltend macht - die Klägerin nicht Verwenderin der [X.]-AGB, denn diese werden nur zwischen [X.] und dem Inhaber eines Mitgliedskontos vereinbart. Eine unmittelbare Geltung kommt den [X.]-AGB daher im Verhältnis zwischen Anbieter und Kaufinteressent nicht zu ([X.]surteil vom 15. Februar 2017 - [X.], [X.], 1660 Rn. 13).

Gleichwohl sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von [X.] auch im Verhältnis zwischen den Parteien eines über die Plattform [X.] abgeschlossenen Kaufvertrags zu beachten. Denn der gemäß §§ 133, 157 BGB maßgebliche Erklärungsgehalt ihrer zum Vertragsabschluss führenden Willenserklärungen richtet sich nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.]s grundsätzlich auch nach den Bestimmungen in den [X.]-AGB, denen die Parteien vor der Teilnahme an der Verkaufsaktion zugestimmt haben (vgl. [X.]surteile vom 8. Juni 2011 - [X.], [X.], 2146 Rn. 15; vom 28. März 2012 - [X.], [X.], 2299 Rn. 29; vom 24. August 2016 - [X.], [X.], 331 Rn. 19; vom 15. Februar 2017 - [X.], [X.], 1660 Rn. 12; siehe auch [X.]surteil vom 22. November 2017 - [X.], [X.], 33 Rn. 31 [zu [X.]]). Deren Aussagegehalt ist, sofern die Erklärungen der Teilnehmer an der Verkaufsaktion aus sich heraus nicht verständlich oder lückenhaft sind und der Auslegung bedürfen, entsprechend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen der Kaufvertragsparteien einzubeziehen ([X.]surteile vom 7. November 2001 - [X.], [X.], 129, 135 f.; vom 11. Mai 2011 - [X.], [X.], 346 Rn. 21; vom 10. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 1009 Rn. 19; vom 15. Februar 2017 - [X.], aaO).

Danach ist der Aussagegehalt des § 8 Nr. 2 Satz 2 der [X.]-AGB auch zur Bestimmung der (nach-)vertraglichen Rechte und Pflichten der hiesigen Kaufvertragsparteien zu beachten, weil sie besondere Vereinbarungen über die vertragliche Zulässigkeit von (nachträglichen) Bewertungen der gewerblichen Leistung der Klägerin durch den [X.]n nicht getroffen haben.

b) Vergeblich macht die Revision geltend, diesen Anforderungen habe der [X.] hier nicht genügen müssen, weil er von den Regelungen in den [X.]-AGB abgerückt sei, indem er die streitgegenständliche Äußerung in das Bewertungsprofil der Klägerin eingestellt habe. Der [X.] hat zwar entschieden, dass die Heranziehung der [X.]-AGB zur Bestimmung des [X.] nicht in Betracht kommt, wenn einer der Teilnehmer der Transaktion erkennbar von diesen Regelungen in bestimmter Hinsicht abrückt; vielmehr ist dann im Verhältnis der Kaufvertragsparteien das individuell Vereinbarte maßgeblich ([X.]surteil vom 15. Februar 2017 - [X.], [X.], 1660 Rn. 13 mwN). Dabei kommt es jedoch grundsätzlich auf den für die Willensbildung maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen an (vgl. [X.]surteil vom 15. Februar 2017 - [X.], aaO Rn. 14). Etwaige Feststellungen, dass der [X.] zu diesem Zeitpunkt erkennbar von den Regelungen der [X.]-AGB abgerückt ist, hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen; übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision nicht auf.

c) Da sich somit der Erklärungsgehalt der von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen neben den aus §§ 133, 157 BGB folgenden Auslegungsregeln auch nach den Bestimmungen der [X.]-AGB richtet, denen die Parteien vor dem Kaufgeschäft zugestimmt haben (vgl. [X.]surteile vom 15. Februar 2017 - [X.], aaO Rn. 12; vom 24. August 2016 - [X.], [X.], 331 Rn. 19; jeweils mwN), unterlag der [X.] - was das Berufungsgericht noch zutreffend gesehen hat - bei der Abgabe seiner Äußerung im Bewertungsprofil der Klägerin den durch § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB geregelten Vorgaben.

2. Das Berufungsgericht hat indes den Inhalt der in § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB getroffenen Regelung unzutreffend ausgelegt und infolgedessen überhöhte Anforderungen an die Zulässigkeit des vom [X.]n in dem streitgegenständlichen Bewertungskommentar abgegebenen Werturteils gestellt. Anders als das Berufungsgericht meint, hat [X.] in der genannten Bestimmung keine Anforderungen aufgestellt, die von den Maßstäben für den Umfang und die Grenzen des allgemeinen (deliktischen) Äußerungsrechts abweichen.

a) Das Berufungsgericht hat § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB, wonach die von Nutzern abgegebenen Bewertungen sachlich gehalten sein müssen und keine Schmähkritik enthalten dürfen, dahin ausgelegt, dass dieses neben der bei Werturteilen allgemein (deliktsrechtlich) geltenden Grenze der Schmähkritik zusätzlich eine eigenständige und strengere Beschränkung für wertende Äußerungen in Form eines [X.]s aufstelle. Der so verstandenen Allgemeinen Geschäftsbedingung hat es im Rahmen der Bestimmung des Inhalts des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags sodann der Sache nach entnommen, dass damit die allgemeinen (nach-)vertraglichen Rücksichtnahmepflichten eines Käufers aus § 241 Abs. 2 BGB konkretisiert werden.

b) Diese Auslegung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB enthält nach zutreffender Auslegung keine über die deliktsrechtlichen Anforderungen hinausgehenden Vorgaben für die von Nutzern abgegebenen Bewertungen.

aa) Der Umstand, dass die [X.]-AGB bei der Auslegung des Inhalts des abgeschlossenen Kaufvertrags neben den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zur Bestimmung des Inhalts der abgegebenen Individualerklärungen der Vertragsparteien heranzuziehen sind, verändert nicht - sofern sie nicht durch individuelle Vereinbarungen ersetzt wurden - ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Da eine entsprechende Individualvereinbarung weder vom Berufungsgericht festgestellt noch im Revisionsverfahren unter Verweis auf Tatsachenvortrag aufgezeigt worden ist, kann der [X.] die Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB selbst auslegen (vgl. [X.]surteile vom 8. September 2021 - [X.], [X.], 1384 Rn. 17 mwN; vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 395 Rn. 15).

bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die [X.] eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.]surteil vom 8. September 2021 - [X.], aaO Rn. 18 mwN). Ansatzpunkt für die bei einer [X.] gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut (st. Rspr.; vgl. etwa [X.]surteile vom 8. September 2021 - [X.], aaO Rn. 21; vom 27. Mai 2020 - [X.], [X.], 352 Rn. 119; vom 7. April 2021 - [X.], NJW 2021, 2281 Rn. 96; jeweils mwN). Ist der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie die Klausel aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. [X.]surteile vom 8. September 2021 - [X.], aaO Rn. 22; vom 10. Juni 2020 - [X.], [X.], 1840 Rn. 29).

cc) Gemessen daran stellt die Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB nicht zwei selbständige, voneinander unabhängige Grenzen der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit eines Käufers (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) bei der Abgabe von Bewertungen über die getätigten [X.] auf.

(1) Der Wortlaut der Klausel ist - anders als das Berufungsgericht unausgesprochen annimmt - nicht eindeutig. Er lässt sowohl die Deutung, dass ein Nutzer bei seiner Bewertung eine Schmähkritik zu vermeiden hat und zugleich einem weitergehenden [X.] unterliegt, als auch die Auslegung zu, dass er lediglich das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Konturen versehene Verbot der Schmähkritik (vgl. etwa [X.], Urteil vom 24. Juli 2018 - [X.], [X.], 243 Rn. 38 f.) zu beachten hat und die daneben ausgesprochene Aufforderung, Bewertungen sachlich zu halten, lediglich dazu dienen soll sicherzustellen, dass der [X.]-Nutzer bei seinen Äußerungen nicht Gefahr läuft, sich dem Vorwurf der Schmähkritik auszusetzen, deren Grenzen nicht immer leicht zu ziehen sein werden (vgl. zum letztgenannten Gesichtspunkt [X.], Urteil vom 24. Juli 2018 - [X.], aaO Rn. 38). Allein die Verwendung des Wortes "und" steht damit - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - der zuletzt genannten [X.] nicht entgegen.

(2) Folglich hat sich die Auslegung der Klausel in § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB an den [X.] der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise auszurichten. Dies ist neben den [X.]-Nutzern auch [X.] selbst, die durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Nutzung der Plattform regelt.

(a) Für das Verständnis, dem [X.] solle kein eigenständiges Gewicht zukommen, spricht bereits der Umstand, dass hier genaue Definitionen zu dem unbestimmten Rechtsbegriff "sachlich" in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen fehlen. Es liegt in diesem Fall im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, die Zulässigkeit von grundrechtsrelevanten (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG [beim Verkäufer], Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG [beim Käufer]) Bewertungen eines getätigten Geschäfts an den gefestigten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten und hierdurch für die Nutzer und [X.] selbst möglichst greifbar und verlässlich zu konturieren. Dabei ist auch zu beachten, dass Privatpersonen - anders als der Staat - nicht generell einem [X.] unterliegen (vgl. [X.], 337, 345 mwN).

(b) Zudem hätte es der Erwähnung der Schmähkritikgrenze, die im Falle einer Meinungsäußerung erst dann überschritten ist, wenn zu einer überzogenen oder ausfälligen Äußerung eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung tritt (vgl. [X.], Urteile vom 24. Juli 2018 - [X.], [X.], 243 Rn. 39; vom 16. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 773 Rn. 18; jeweils mwN), nicht bedurft, wenn dem Nutzer durch die Vorgabe, Bewertungen sachlich zu halten, eine deutlich schärfere Einschränkung dahin hätte auferlegt werden sollen, dass die Meinungsäußerung nicht in polemische oder herabsetzende Worte gekleidet werden darf und einen (erkennbaren) sachlichen Bezug aufweisen muss.

(c) Außerdem würden gefestigte äußerungsrechtliche Grundsätze unterlaufen, wenn man - mit dem Berufungsgericht - der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB entnähme, dass eine unsachliche, also herabsetzende oder nicht (erkennbar) durch sachliche Erwägungen gedeckte Äußerung stets unzulässig sei und damit einen (nach-)vertraglichen Anspruch des Verkäufers gegenüber dem Käufer auf Löschung beziehungsweise auf Zustimmung zur Löschung begründete. Denn wollte man eine Meinungsäußerung bereits dann als unzulässig einstufen, wenn sie herabsetzend formuliert ist und/oder nicht (vollständig oder überwiegend) auf sachlichen Erwägungen beruht, würde man der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit des Bewertenden (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) von vornherein ein geringeres Gewicht beimessen als dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verkäufers (Art. 2 Abs. 1 GG) oder dessen Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen (Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 19 Abs. 3 GG) beziehungsweise dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 12 GG iVm Art. 19 Abs. 3 GG).

Zwar schützen die genannten Grundrechte einen Verkäufer davor, durch Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, in seiner wirtschaftlichen Stellung geschwächt zu werden (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 773 Rn. 12 f. mwN). Im [X.]-Handel ist dabei von besonderer Bedeutung, dass der Ruf eines [X.]-Mitglieds und damit sein Verkaufserfolg zu einem nicht unerheblichen Teil von seinem Bewertungsprofil abhängt (vgl. jurisPK-Internetrecht/[X.], 7. Aufl., Stand: 6. September 2022, [X.]. 4.4 Rn. 33, 321; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., [X.]. 4 Rn. 4.58). Jedoch ist ein Eingriff in den Schutzbereich dieser Grundrechte nach den gefestigten Grundsätzen des allgemeinen Äußerungsrechts nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt ([X.], Urteile vom 16. Dezember 2014 - [X.], aaO Rn. 16; vom 24. Juli 2018 - [X.], [X.], 243 Rn. 38; jeweils mwN). Dabei lässt sich regelmäßig erst aufgrund einer Abwägung der gegenläufigen Interessen beurteilen, ob eine abgegebene Meinungsäußerung rechtswidrig ist oder nicht. Eine solche Abwägung ist nur dann nicht geboten, wenn die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 773 Rn. 17 ff.). Die vom Berufungsgericht vorgenommene, grundrechtliche Wertungen nicht hinreichend berücksichtigende Auslegung entspricht damit nicht dem an den Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Verständnis redlicher und verständiger Vertragsparteien.

Die Bestimmung in § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB enthält nach alledem keine Vorgaben an Bewertungskommentare bei [X.], die über die Anforderungen des Deliktsrechts hinausgehen (so auch [X.], Urteil vom 10. Juni 2009 - 28 S 4/09, juris Rn. 17; jurisPK-Internetrecht/[X.], 7. Aufl., [X.]. 4.4, Stand: 6. September 2022, Rn. 333; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., [X.]. 4 Rn. 4.63; aA [X.]/[X.], ZUM 2007, 30, 40).

Anders als die Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] gemeint hat, steht der beschriebenen Auslegung nicht entgegen, dass der Klausel über die allgemeinen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinaus keine eigenständige Bedeutung zukäme. Denn die Bestimmung dient letztlich dazu, den Nutzern von [X.] die allgemeinen - häufig nicht bekannten - Grenzen der Zulässigkeit von Werturteilen aufzuzeigen.

3. Die von dem [X.]n getätigte Äußerung hält den deliktsrechtlichen Anforderungen an ein zulässiges Werturteil stand.

a) Das Berufungsgericht hat die angegriffene Äußerung "Versandkosten Wucher!!" rechtsfehlerfrei als eine - von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte - wertende Meinungsäußerung angesehen. Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert werden, sind Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 2018 - [X.], [X.], 492 Rn. 35 mwN). Der vom [X.]n getätigten Äußerung kommt ein ins Gewicht fallender Tatsachenkern nicht zu, denn das schlagwortartig zusammengefasste Anliegen des [X.]n ist durch das Element der Stellungnahme und des [X.] geprägt (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 16. Januar 2018 - [X.], aaO Rn. 36).

Auch wenn die verlautbarte Meinungsäußerung auf einem tatsächlich vorliegenden Umstand beruhen sollte, änderte dies nichts daran, dass es sich um eine rein wertende Äußerung handelte. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Feststellungen ist streitig, ob die Klägerin die Ware als DHL-Paket für 4,90 € oder - wie der [X.] behauptet hat - in einem einfachen Briefumschlag zu dem üblichen [X.] von 1,55 € versandt hat. Die vom [X.]n behaupteten [X.]kosten deutlich unter den ihm in Rechnung gestellten 4,90 € mögen der maßgebliche [X.] gewesen sein, der - seine Richtigkeit unterstellt - Auslöser der Äußerung war.

Dieser [X.] wäre bei der Festlegung des Inhalts der Äußerung des [X.]n aber nur dann zu berücksichtigen, soweit er für den Rezipienten erkennbar wäre (st. Rspr.; [X.] 93, 266, 295; [X.], NJW 2014, 764 Rn. 19; [X.], 1537 Rn. 21; Beschluss vom 17. März 2021 - 2 BvR 194/20, juris Rn. 46; [X.], Urteile vom 2. Juli 2019 - [X.], juris Rn. 24; vom 14. Januar 2020 - [X.], NJW 2020, 1587 Rn. 28; vom 26. Januar 2021- VI ZR 437/19, juris Rn. 11; jeweils mwN). Für das Publikum ist jedoch - wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat - nicht erkennbar, welche Umstände den [X.]n zur Abgabe der streitgegenständlichen Äußerung bewogen haben.

b) Die getätigte Meinungsäußerung "Versandkosten Wucher!!" überschreitet - wovon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei, wenn auch unausgesprochen ausgegangen ist - die Grenze zur Schmähkritik nicht.

aa) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) beschränkt den Käufer nicht auf eine ausgewogene Darstellung (vgl. [X.], Urteile vom 11. März 2008 - [X.], [X.], 2110 Rn. 31; vom 17. April 1984 - [X.], [X.]Z 91, 117, 121). Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist (vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2020 - VI ZR 497/18, juris Rn. 50). Denn jeder soll frei sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt (vgl. [X.] 61, 1, 7; 42, 163, 171; [X.], Urteil vom 14. Januar 2020 - VI ZR 497/18, aaO). Dass der [X.] seine Bewertung - wovon das Berufungsgericht sich hat leiten lassen - durch Mitteilung näherer tatsächlicher Umstände hätte verdeutlichen oder sachlicher formulieren können, nimmt seine Äußerung nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit aus. Das gilt auch dann, wenn nicht das Verhalten von individuellen Personen, sondern - wie hier - von Unternehmen angegriffen wird (vgl. [X.]K 11, 409, 417; 3, 337, 345).

bb) Wegen seiner das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkenden Wirkung ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (vgl. etwa [X.], Urteile vom 29. Januar 2002 - [X.], [X.], 1192 unter [X.]; vom 16. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 773 Rn. 18; vom 24. Juli 2018 - [X.], [X.], 243 Rn. 39; vom 7. Mai 2020 - [X.], juris Rn. 17; siehe auch [X.], NJW 2020, 2622 Rn. 19; NJW 2022, 680 Rn. 29; Beschluss vom 21. März 2022 - 1 BvR 2650/19, juris Rn. 15; jeweils mwN).

cc) Nach diesen Grundsätzen kann eine Schmähkritik im gegebenen Fall nicht angenommen werden. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" steht eine Diffamierung der Klägerin nicht im Vordergrund. Denn der [X.] setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Klägerin auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Damit weist die Bewertung "Versandkosten Wucher!!" einen hinreichenden tatsächlichen Bezug zu der Transaktion der Parteien auf, mag sie auch polemisch überspitzt sein. Dass der [X.] den Grund, warum er die Versandkosten als (drastisch) überhöht bewertet hat, nicht mitgeteilt hat und es anderen [X.] deshalb nicht möglich ist, die Angemessenheit der Versandkosten selbst nachzuvollziehen, verleiht der Äußerung des [X.]n nicht den Charakter einer Schmähkritik.

4. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin - wie bereits das Amtsgericht zutreffend entschieden hat und wovon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen ist - auch nach Maßgabe des Rechts der unerlaubten Handlungen gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 (analog), § 823 Abs. 1 BGB nicht zu. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die allgemeinen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB eine über § 8 Abs. 2 Satz 2 der [X.]-AGB hinausgehende Verpflichtung zur Abgabe ausschließlich sachlich gehaltener Kommentare und damit einen hierauf gegründeten Anspruch der Klägerin nach § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB begründeten.

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung.

[X.]     

      

Kosziol     

      

Dr. Liebert

      

Wiegand     

      

Dr. Matussek     

      

Meta

VIII ZR 319/20

28.09.2022

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Weiden, 28. Oktober 2020, Az: 22 S 17/20

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 249 Abs 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.09.2022, Az. VIII ZR 319/20 (REWIS RS 2022, 6016)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6016 MDR 2022, 1533-1534 REWIS RS 2022, 6016 NJW 2023, 881 REWIS RS 2022, 6016

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Verkaufsaktion auf der eBay-Internetplattform: Auslegung der Erklärung der Teilnehmer; Vorliegen einer Anfechtungserklärung


VIII ZR 90/14 (Bundesgerichtshof)

Vertragsschluss via eBay: Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versteigerungsplattform zur vorzeitigen Angebotsbeendigung; Anwendbarkeit des Rechts …


VIII ZR 18/19 (Bundesgerichtshof)

Wiederbegründung der Kaufpreisforderung nach Inanspruchnahme der Amazon-Marketplace-Garantie - Amazon A-bis-z Garantie


I ZR 94/13 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsrecht: Konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Betreiber eines Hotels und dem mit einem Hotelbewertungsportal verknüpften Anbieter …


VI ZR 495/18 (Bundesgerichtshof)

Bewertungsdarstellung auf Internetplattform: Beeinträchtigung durch Bezeichnung von Beiträgen als "empfohlen" oder "nicht empfohlen"


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