Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.11.2015, Az. 1 StR 386/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1669

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Gegenstand

Strafverfahren: Anhörungsrüge nach Verwerfung der Revision im Beschlussverfahren wegen mangelnder Information weiterer in das Revisionsverfahren eintretender Verteidiger


Tenor

Die Anhörungsrüge des Verurteilten      [X.]     vom 8. Oktober 2015 gegen den Beschluss des Senats vom 29. September 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

1

Der Senat hat die Revision des Verurteilten      [X.]     gegen das Urteil des [X.] vom 23. März 2015 mit Beschluss vom 29. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 [X.] verworfen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Anhörungsrüge (§ 356a [X.]) des Verurteilten ist zurückzuweisen.

2

Die zulässig durch Rechtsanwalt          S.     erhobene Anhörungsrüge erweist sich als unbegründet. Der Senat hat über die Revision des Verurteilten unter Berücksichtigung des Inhalts des als "Revisionsergänzungsschriftsatz" bezeichneten Schriftsatzes vom 14. August 2015 durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 [X.] entschieden. Er hat bei dieser Entscheidung weder in einer Art. 103 Abs. 1 [X.] widersprechenden Weise Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.

3

1. Der genannte Schriftsatz ist zunächst am 14. August 2015 in einer durch den Rechtsbeistand So.    unterzeichneten Version per Fax an das [X.] gesandt worden und nach Weiterleitung am 28. August 2015 bei dem [X.] eingegangen. Eine zweite, inhaltlich mit der ersten identische Version des Schriftsatzes, nunmehr aber durch Rechtsanwalt          S.     unterzeichnet, ist auf dem Postwege am 19. August 2015 bei der [X.] der Justizbehörden in [X.] eingegangen. Den [X.] hat – wiederum nach Weiterleitung durch die Justizbehörden – diese Version am 3. September 2015 erreicht. Beide waren Gegenstand der Beratungen des Senats am 29. September 2015.

4

2. Soweit der Verurteilte eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör darin sehen will, dass ihm bzw. seinen neuen Verteidigern der auf Verwerfung der Revision als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 [X.] gerichtete Antrag des [X.] nicht mitgeteilt worden ist (§ 349 Abs. 3 Satz 1 [X.]), dringt er damit nicht durch. Zwar umfasst die Garantie des Art. 103 Abs. 1 [X.] auch das Recht des Betroffenen auf Information über entscheidungsrelevante Tatsachen (vgl. [X.] 89, 28, 35; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., Art. 103 Rn. 8). Der Gewährleistung dieses Rechts dient im Verfahren gemäß § 349 Abs. 2 [X.] auch die durch § 349 Abs. 3 Satz 1 [X.] zwingend vorgesehene Übermittlung der mit Gründen versehenen Antragsschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht (siehe [X.], Beschluss vom 20. Juni 2007 – 2 BvR 746/07, in [X.] 2007, 370 teilweise abgedruckt; [X.], Beschlüsse vom 3. September 2013 – 1 [X.], [X.], 385 (nur [X.]) und vom 12. November 2013 – 3 [X.], [X.] 2014, 121).

5

Diesem in Art. 103 Abs. 1 [X.] enthaltenen Informationsanspruch ist jedoch genügt worden. Die den Verurteilten      [X.]     betreffende Antragsschrift des [X.] ist dem im Revisionsverfahren bis dahin aufgetretenen Verteidiger, Rechtsanwalt [X.]     , der die Revision am 24. März 2015 eingelegt und am 12. Juni 2015 mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat, am 13. August 2015 zugestellt worden. Bei einem verteidigten Angeklagten erfolgt die Mitteilung gemäß § 349 Abs. 3 Satz 1 [X.] nach allgemeiner Auffassung im Hinblick auf § 145a Abs. 1 [X.] allein gegenüber dem Verteidiger (siehe nur [X.] in [X.], 4. Aufl., [X.], § 349 Rn. 29 mwN), bei mehreren Verteidigern gegenüber demjenigen, der sich bisher im Revisionsverfahren beteiligt hat ([X.] aaO; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 58. Aufl., § 349 Rn. 15; [X.] in KK-[X.], 7. Aufl., § 349 Rn. 19; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 349 Rn. 22). Wie der [X.] bereits entschieden hat, verlangt § 349 Abs. 3 Satz 1 [X.] eine Mitteilung auch gegenüber dem Verteidiger nicht, dessen Vollmacht zwar bereits zu den Akten gelangt war, der sich aber nicht am Revisionsverfahren beteiligt hat ([X.], Beschluss vom 12. Januar 1988 – 5 [X.], [X.] Nr. 5 zu § 349 [X.]).

6

Da hier bereits die Mitteilung gemäß § 349 Abs. 3 Satz 1 [X.] gegenüber dem bis dahin sich im Revisionsverfahren ausschließlich beteiligenden Rechtsanwalt [X.]     erfolgt war, bedurfte es keiner weiteren Mittteilung gegenüber den neu in das Revisionsverfahren eintretenden Verteidigern. Sie war hier auch von [X.] wegen im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 [X.] nicht geboten. Dem Verurteilten wie seinen neu mandatierten Verteidigern war die Einlegung und Begründung der Revision durch Rechtsanwalt [X.]     bekannt. Der genannte "Revisionsergänzungsschriftsatz" nimmt ausdrücklich darauf Bezug und soll auch ausweislich seines Inhalts, im Übrigen die bereits begründete Revision ergänzende, rechtliche Ausführungen enthalten. Die Beendigung des Mandatsverhältnisses zu Rechtsanwalt [X.]      ist gegenüber dem [X.] erstmals am 14. August 2015 und damit nach der dem Gesetz entsprechenden Zustellung der Antragsschrift an den bisherigen Verteidiger angezeigt worden. Es war daher Aufgabe des Verurteilten und seiner Verteidigung nach dem [X.] dafür Sorge zu tragen, dass der Inhalt des dem bisherigen Verteidiger wirksam bekannt gemachten Antrags auf Verwerfung gemäß § 349 Abs. 2 [X.] dem Verurteilten und seiner neuen Verteidigung zur Kenntnis gelangt. Angesichts der durch das Gesetz in § 349 Abs. 3 [X.] geregelten Abläufe des einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 [X.] vorausgehenden Verfahrens bestand auch Anlass, nach dem Wechsel der Verteidigung den Stand des Revisionsverfahrens bei dem bislang mandatierten Verteidiger in Erfahrung zu bringen. Insoweit gilt nichts anderes als bei unzureichenden Vorkehrungen des Revisionsführers dafür, dass ihn Mitteilungen der Justizbehörden überhaupt erreichen (vgl. dazu LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 349 Rn. 19).

7

3. Der Beschluss des 4. Strafsenats des [X.]s vom 3. November 1992 (4 [X.]) steht nicht entgegen. In dem dort zugrundeliegenden Revisionsverfahren war auch einem zweiten Verteidiger die Antragsschrift mitgeteilt worden. Da der Senat die Revision des Angeklagten verworfen hatte, bevor die Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 [X.] nach Zustellung an den zweiten Verteidiger verstrichen war, hat er eine mögliche Gehörsverletzung angenommen und eine Anhörung des Beschwerdeführers nachgeholt ([X.] aaO). Eine solche Konstellation ist vorliegend nicht gegeben, weil sich zum Zeitpunkt der Mitteilung lediglich Rechtsanwalt [X.]     als Verteidiger des Verurteilten      [X.]     am Revisionsverfahren beteiligt hatte.

8

4. Der Umstand, dass der Senat der Rechtsauffassung der Revision auch unter Einbeziehung deren Ausführungen im Schriftsatz vom 14. August 2015 nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. Mai 2012 – 1 [X.], [X.], 314; vom 3. September 2013 – 1 [X.]). Ebenso wenig bedarf es bei der Entscheidung des [X.] gemäß § 349 Abs. 2 [X.] einer Begründung des [X.]. Das Grundgesetz gebietet bei letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidungen regelmäßig keine Begründung (siehe nur [X.] [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564 mwN). Auch die Gewährleistungen der [X.] verlangen eine Begründung der Entscheidung des [X.] nicht ([X.], Entscheidung vom 13. Februar 2007 – 15073/03, [X.], 274, 276; siehe auch [X.], Beschluss vom 12. November 2013 – 3 [X.], [X.] 2014, 121). Aus dem Umstand, dass die auf die Sachrüge gestützte Revision des Verurteilten erstmals mit Schriftsatz vom 14. August 2015 detaillierter begründet worden ist, folgt nichts anderes ([X.], Beschluss vom 4. Juni 2002 – 3 [X.], [X.], 103 Rn. 3).

Graf                         [X.]                      Cirener

              [X.]                       Bär

Meta

1 StR 386/15

26.11.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 29. September 2015, Az: 1 StR 386/15

§ 349 Abs 3 S 1 StPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.11.2015, Az. 1 StR 386/15 (REWIS RS 2015, 1669)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1669


Verfahrensgang

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Az. 1 StR 386/15

Bundesgerichtshof, 1 StR 386/15, 26.11.2015.


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