Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.03.2017, Az. XII ZB 570/15

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13220

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Gegenstand

Vergütungsfestsetzung für den Berufsbetreuer: Vermittlung besonderer Fachkenntnisse durch Studienabschluss als Staatswissenschaftler in der ehemaligen DDR


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 11. November 2015 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Wert: 306 €

Gründe

1

Die Rechtsbeschwerde, mit der die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuerin) für die [X.] vom 1. November 2012 bis zum 31. Juli 2013 die Festsetzung der Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € statt der vom Beschwerdegericht zuerkannten 27 € erstrebt, ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden.

2

1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, der von der Betreuerin im Jahr 1985 an der [X.]" in [X.] erworbene Studienabschluss als Staatswissenschaftlerin, der die Betreuerin auch berechtigt, die staatliche Bezeichnung "Diplom-Verwaltungswirtin (FH)" zu führen, sowie die Qualifizierung zur "Personal- und Bildungsreferentin" rechtfertigten gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] den höchsten Stundensatz von 44 €.

3

a) Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen für eine erhöhte Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] erfüllt, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und angewandt hat (Senatsbeschluss vom 25. März 2015 - [X.] 558/14 - BtPrax 2015, 155 Rn. 3).

4

b) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des [X.] stand, wonach das von der Betreuerin absolvierte Studium nicht derart von der Vermittlung besonderer, für die Führung der Betreuung nutzbarer Kenntnisse mitgeprägt ist, dass es in seinem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet war. Durch die Fortbildung der Betreuerin zur Personal- und Bildungsreferentin werden ebenfalls nicht die Voraussetzungen für einen erhöhten Stundensatz erfüllt.

5

aa) Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] ist ein erhöhter Stundensatz nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschluss vom 25. März 2015 - [X.] 558/14 - BtPrax 2015, 155 Rn. 4).

6

bb) Das Beschwerdegericht hat hierzu festgestellt, dass die Betreuerin Abschlussprüfungen in den Fächern Grundlagen des Marxismus/Leninismus, Theorie des Staates und des Rechts, Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Wirtschaftspolitik/Volkswirtschaftsplanung, Territorialplanung, Ausgewählte Probleme des Wirtschafts- und Arbeitsrechts, Pädagogisch-psychologische Grundfragen der staatlichen Leitung, [X.] der staatlichen Leitung, [X.]/Kulturpolitik und [X.] ableistete. Die Lehrinhalte der meisten Fächer hätten keine für die Führung einer rechtlichen Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt, andere Fächer seien in ihrem Kernbereich jedenfalls nicht auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet gewesen.

7

Die Weiterbildung der Betreuerin zur Personal- und Bildungsreferentin sei weder mit einem Hochschulstudium noch mit einer Lehre vergleichbar.

8

cc) Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe sich kein Gesamtbild aus der Ausbildung (Studium der Staatswissenschaft), der Fortbildung (Personal- und Bildungsreferentin) sowie der beruflichen Praxis und Erfahrung der Betreuerin (Tätigkeit im Bereich Gesundheit und Sozialwesen einer Stadtverwaltung) gemacht. Denn eine Gesamtbetrachtung aller Ausbildungen ist nicht vorzunehmen. Dies sieht § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] nicht vor (Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - [X.] 349/12 - FamRZ 2013, 1029 Rn. 19). Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Würdigung des [X.], dass die Weiterbildung der Betreuerin weder mit einem Hochschulstudium noch mit einer Lehre vergleichbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - [X.] 188/15 - juris Rn. 6, 13 f.).

9

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Betreuungsgericht schließlich auch nicht nach [X.] und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verpflichtet, an dem in früheren Festsetzungsbeschlüssen der Betreuerin zugebilligten Stundensatz von 44 € für die Zukunft festzuhalten. Es musste vielmehr auf den neu gestellten [X.] hin erneut das Vorliegen der Voraussetzungen für die Höhe der Vergütung prüfen. Nachdem es dabei abweichend von seiner früheren Wertung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Betreuerin die Voraussetzung für eine Erhöhung des Stundensatzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] nicht erfüllt, war es seine Aufgabe, diese gewonnene bessere Erkenntnis umzusetzen (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2012 - [X.] 231/11 - juris Rn. 14 f. mwN; vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - [X.] 188/15 - juris Rn. 16). Das Beschwerdegericht hat somit zu Recht ein schützenswertes Vertrauen der Betreuerin in eine gleichbleibende Festsetzung für künftige [X.]abschnitte verneint.

2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

       

Klinkhammer     

       

Schilling

       

Nedden-Boeger     

       

Guhling     

       

Meta

XII ZB 570/15

29.03.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Dresden, 11. November 2015, Az: 2 T 789/13

§ 4 Abs 1 S 2 Nr 2 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.03.2017, Az. XII ZB 570/15 (REWIS RS 2017, 13220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13220

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