Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.06.2016, Az. B 7 AY 2/16 B

7. Senat | REWIS RS 2016, 9492

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage - ständige Wiederholung gleichartiger Angriffe gegen eine gefestigte Rechtsprechung des BSG


Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2015 werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit sind höhere Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes ([X.]), insbesondere auf sog [X.] nach § 2 [X.] anstelle der erbrachten Grundleistungen nach § 3 [X.], im Rahmen von Zugunstenverfahren nach § 44 [X.] - ([X.]) für die [X.] vom 1.1.2005 bis [X.].

2

Der 1965 geborene Kläger zu 1 und die 1964 geborene Klägerin zu 2 sind miteinander verheiratet; die Kläger zu 3 (geboren 1998) und 4 (geboren 2001) sind ihre gemeinsamen Kinder. Die Kläger sind [X.] Staatsangehörige; die Kläger zu 1, zu 2 und zu 3 leben seit 1999 zunächst auf der Grundlage von Duldungen in [X.] und erhielten von Juni 1999 bis zum [X.] Leistungen nach § 3 [X.], der Kläger zu 4 seit seiner Geburt. Zum [X.] stellte die Beklagte diese Leistungen ein (Bescheid vom 16.7.2007), nachdem den Klägern [X.] nach § 23 Abs 1 [X.] erteilt worden waren. Im [X.] bezogen sie vom [X.] bis zum 31.10.2009 Leistungen nach dem [X.] ([X.]). Im Oktober 2009 nahm der Kläger zu 1 eine Vollzeittätigkeit auf. Die am 23.10.2009 gestellten Anträge auf Überprüfung der früheren [X.] nach dem [X.] und der Gewährung sog [X.] nach § 2 [X.] statt der erbrachten Grundleistungen lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.5.2011; Widerspruchsbescheid vom 1.7.2011).

3

Die Klagen blieben in beiden Instanzen ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des [X.] vom 13.8.2012; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Baden-Württemberg vom 17.12.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, eine durchgehende Bedürftigkeit der Kläger bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung habe nicht bestanden. Jedenfalls im Juli 2010 habe der Kläger zu 1 ein Einkommen erzielt, das zusammen mit dem ausgezahlten Kindergeld den nach Maßgabe der Regelungen im [X.] zu bemessenden Bedarf der Bedarfsgemeinschaft überstiegen habe. In ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ([X.]), dem der [X.] folge, stehe bereits dieser, zumindest zeitweise Wegfall der Bedürftigkeit der nachträglichen Erbringung höherer Leistungen entgegen. Dementsprechend bestehe auch kein Anspruch auf (teilweise) Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide.

4

Mit ihren Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz geltend. Sie formulieren die Rechtsfrage, ob bei rechtswidrig verweigerten Pauschalleistungen des [X.] (und der Sozialhilfe bzw der Grundsicherung) durch eine Bezugnahme auf Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts, hier des Asylbewerberleistungsrechts (bzw des Sozialhilferechts), der Nachgewährungsanspruch des § 44 [X.] in seinen dort vom Gesetzgeber festgelegten zeitlichen Grenzen für den Personenkreis ausgeschlossen werden könne, der in der [X.] nach der Beendigung des Leistungsbezugs gemäß § 3 [X.] bis ggf zu dem [X.]punkt der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz länger als einen Monat nicht sozialhilfebedürftig gewesen ist bzw für diesen [X.]raum seine durchgehende Sozialhilfebedürftigkeit nicht nachweise.

5

Zwar habe das [X.] in seinen Entscheidungen vom 20.12.2012 ([X.] [X.]) und vom [X.] ([X.] [X.]), die allerdings nur zur Zurückverweisung der Sache an das jeweilige [X.] geführt hätten, ausgeführt, dass der Anwendung des § 44 [X.] entgegenstehe, wenn Bedürftigkeit länger als einen Monat nicht bestanden habe. Allerdings stimme diese Rechtsprechung ("keine Sozialhilfe für die Vergangenheit") nicht mit dem Gesetz überein und verstoße gegen das Grundgesetz. Der Umstand, dass das [X.] Niedersachsen-Bremen - ua im Urteil vom [X.] AY 70/12 - eine dezidiert andere Auffassung zur Auslegung des [X.] für zutreffend erachtet habe, bestätige dies. Dem stehe nicht entgegen, dass das dagegen geführte Revisionsverfahren am [X.] durch Vergleich, nicht durch Aufhebung des Urteils, geendet und das [X.] in seiner Pressemitteilung mitgeteilt habe, es halte an seiner Rechtsprechung zur Auslegung des § 44 [X.] im [X.] fest.

6

Die Entscheidung des [X.] weiche zudem von dem Urteil des [X.] ([X.] AY 5/07 R) ab; darin habe das [X.] übergeordnete "Strukturprinzipien", also auch den Grundsatz "keine Sozialhilfe für die Vergangenheit", abgelehnt. Dazu verhalte sich das [X.] konträr, wenn es gestützt auf die Rechtsprechung des 7. [X.]s des [X.] (nicht des 8. [X.]s) die Auffassung vertrete, rückwirkend seien Leistungen nur zu erbringen, wenn sie ihren Zweck noch erfüllen könnten, was bei temporärer oder auf Dauer entfallener Bedürftigkeit nicht der Fall sei. Außerdem weiche auch ein Rechtssatz im Urteil des 8. [X.]s des [X.] ([X.] [X.] 26/07 R) von der Entscheidung im Urteil desselben [X.]s vom [X.] ([X.] AY 5/07 R) ab, und das [X.] habe die Entscheidung des [X.] ([X.]) vom 18.7.2012 ([X.]E 132, 134 ff) fehlerhaft angewandt.

7

II. [X.] sind unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 Sozialgerichtsgesetz ) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] 2 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der [X.] konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung [X.] nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

8

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur [X.]-1500 § 160a [X.] 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die ständige Wiederholung von gleichartigen Angriffen gegen eine gefestigte Rechtsprechung nicht nur des 7., sondern auch des 8. [X.]s des [X.], die sich bereits vollumfänglich mit der rechtlichen Problematik des § 44 [X.] im Rahmen des Asylbewerberleistungsrechts (und des Sozialhilferechts) auseinandergesetzt haben, genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit der formulierten Rechtsfragen.

9

Die Kläger hätten darlegen müssen, weshalb insoweit weiterer Klärungsbedarf bestehen sollte. Dass das [X.] Niedersachsen-Bremen zur Auslegung des § 44 [X.] im Asylbewerberleistungsrecht dieser Rechtsprechung nicht in vollem Umfang gefolgt ist, sondern abweichend von ihr als maßgeblichen [X.]punkt des anspruchsvernichtenden [X.] auf den [X.]punkt der Antragstellung abgestellt hat, macht diese Rechtsprechung nicht wieder klärungsbedürftig. Zudem berufen sich die Kläger gerade nicht auf die von der ständigen Rechtsprechung des [X.] abweichende Rechtsprechung des [X.] Niedersachsen-Bremen zum maßgeblichen [X.]punkt des [X.], sondern treten jeglicher Einschränkung der Reichweite des § 44 [X.] entgegen.

Soweit die Kläger eine Divergenz zu einer Entscheidung des [X.] behaupten, genügt ihr Vorbringen ebenso wenig den gesetzlichen Anforderungen. Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.] aufgestellt hätte; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das [X.] diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat ([X.] SozR 1500 § 160a [X.] 67). Ob die Kläger überhaupt einen tragenden abstrakten Rechtssatz dargelegt haben, den das [X.] abweichend von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.] aufgestellt hat, sei dahingestellt. Jedenfalls aber ist eine Abweichung nicht schlüssig dargelegt. Denn die Kläger betonen selbst in ihren Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, dass sich das [X.] der Rechtsprechung des [X.] zur Auslegung des § 44 [X.] im Asylbewerberleistungsrecht angeschlossen habe. Die zu Unrecht behaupteten Abweichungen zwischen Entscheidungen des für das Asylbewerberleistungsrecht zuständigen und des Sozialhilfesenats selbst könnten (siehe dazu [X.], Beschluss vom 27.10.2015 - [X.] [X.]/15 B) eine Divergenz ohnedies nicht begründen. Soweit die Kläger die behauptete Divergenz auf eine Abweichung der Entscheidung des [X.] von der des [X.] stützen, haben sie schon keinen tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.] mitgeteilt, geschweige einen des [X.], von dem abgewichen worden sei.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 7 AY 2/16 B

22.06.2016

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AY

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), Az: S 6 AY 4245/11

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 44 SGB 10, SGB 12, AsylbLG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.06.2016, Az. B 7 AY 2/16 B (REWIS RS 2016, 9492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9492

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 7 AY 2/20 R (Bundessozialgericht)

Asylbewerberleistungen - Überprüfungsverfahren - Nachzahlung von Leistungen für die Vergangenheit - Erforderlichkeit einer fortbestehenden Bedürftigkeit …


B 7 AY 3/12 R (Bundessozialgericht)

(Asylbewerberleistung - Zugunstenverfahren - keine Nachzahlung von Leistungen für die Vergangenheit bei Wegfall der Bedürftigkeit …


B 8 AY 1/10 R (Bundessozialgericht)

(Asylbewerberleistung - Zugunstenverfahren - Nachzahlung von Analogleistungen gem § 2 AsylbLG für die Vergangenheit - …


1 BvR 1263/11 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: PKH im sozialgerichtlichen Verfahren und Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit (Art 3 Abs 1 GG iVm …


B 7 AY 3/20 R (Bundessozialgericht)

Asylbewerberleistungen - Analogleistungen - Nichterfüllung der Vorbezugszeit - Ausnahme bei Ausübung der elterlichen Sorge über …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.