Bundessozialgericht, Urteil vom 04.09.2013, Az. B 10 EG 4/12 R

10. Senat | REWIS RS 2013, 3033

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Anspruch auf Elterngeld - Strafgefangene - Justizvollzugsanstalt - Mutter-Kind-Einrichtung - Haushalt


Leitsatz

Eine Strafgefangene, die mit ihrem Kleinkind in einer Mutter-Kind-Einrichtung des geschlossenen Strafvollzugs lebt, hat grundsätzlich mangels Bestehens eines Haushalts keinen Anspruch auf Elterngeld.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Elterngeld.

2

Die 1979 geborene Klägerin befand sich ab März 2007 in Untersuchungshaft und ab September 2007 im [X.] in der Justizvollzugsanstalt ([X.]) [X.]. Dort gebar sie am 16.11.2007 ihren [X.], der danach mit ihr in einer sog [X.] der [X.] lebte. Vom [X.] bis zu ihrer Haftentlassung im Mai 2009 war die Klägerin in einem Arbeitsbetrieb dieser [X.] im Umfang von 34,15 Wochenstunden gegen Entgelt beschäftigt. Die Klägerin selbst wurde vollständig versorgt. Die Versorgung des Kindes erfolgte durch den vom Jugendamt unmittelbar an die [X.] entrichteten Tagessatz für Lebens- und Pflegemittel.

3

Ihren am 25.1.2008 gestellten Antrag auf Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des [X.] lehnte die beklagte [X.] - für das [X.] - mit Bescheid vom 22.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 ab, weil die Klägerin während des Strafvollzuges mit ihrem Kind nicht in einem Haushalt iS des § 1 Abs 1 [X.] Bundeselterngeld- und [X.] ([X.]) gelebt habe.

4

Klage und Berufung der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des [X.] - SG - vom [X.]; Urteil des [X.] - [X.] - vom 17.1.2012). Zur Begründung seiner Berufungsentscheidung hat das [X.] im Wesentlichen ausgeführt:

5

Zwar habe die Klägerin nach der Geburt des Kindes ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] gehabt und ihr Kind trotz dessen zeitweisen Aufenthalts in einem Hort selbst betreut und erzogen. Sie habe jedoch die gesetzliche Voraussetzung, mit ihrem Kind in einem Haushalt zu leben, nicht erfüllt, denn sie habe in der [X.] im sog [X.] keinen Haushalt begründet. Unter Haushalt verstehe man nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die häusliche, wohnungsmäßige, familienhafte Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewissen Dauer und nicht nur vorübergehend angelegten Hausgemeinschaft. Es komme auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft an, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstelle. Alle drei Kriterien stünden in enger Beziehung zueinander und könnten sich auch teilweise überschneiden; keines davon dürfe jedoch gänzlich fehlen. Auf die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Wohnung und Hausrat komme es dabei nicht nur an, sondern auch darauf, wer die Kosten der Haushaltsführung trage. Maßgeblich sei, dass der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trage, wobei entscheidend sei, ob dem Berechtigten noch eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich sei, er sich wirtschaftlich also selbst versorgen könne.

6

Gemessen an diesen Kriterien habe die Klägerin mit ihrem [X.] in der [X.] keinen Haushalt begründen können. Der Aufenthalt der Klägerin dort sei nicht aufgrund eines frei ausgehandelten und von ihr selbst finanziell getragenen Mietvertrages zustande gekommen, sondern beruhe auf der von ihr zwangsweise zu verbüßenden Haftstrafe. Im Rahmen des [X.]es sei die Klägerin vollständig versorgt worden. Die Versorgung ihres Kindes sei durch den vom Jugendamt entrichteten Tagessatz für Lebens- und Pflegemittel erfolgt. Das Zusammenleben in einer [X.] sei überwiegend und fast ausschließlich durch die Vorgaben der [X.] geprägt. Die Möglichkeit, auf die individuelle Tagesstruktur Einfluss zu nehmen, sei gering. Diese mangelnde Gestaltungsmöglichkeit schließe ein durch familienhaftes Zusammenleben geprägtes Miteinander aus. Insbesondere hätten auch Gefangene, die wie die Klägerin in einer [X.] untergebracht seien, keinen Einfluss auf die Regelung des zeitlichen und räumlichen Zusammenlebens mit ihrem Kind. Die von der Klägerin gegen diese rechtliche Beurteilung vorgebrachten Einwände einer Ungleichbehandlung mit anderen Personengruppen überzeugten nicht.

7

Schließlich entspreche die rechtliche Beurteilung des Begriffs "Haushalt" in § 1 Abs 1 [X.] auch dem Sinn und Zweck des Elterngeldes, nämlich dem Ziel, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen zu unterstützen, wenn sich die Eltern in der Frühphase der Elternschaft vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmerten. Das Elterngeld solle Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben. Dieses Ziel werde verfehlt, wenn eine solche freie Entscheidung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gar nicht möglich sei, wie etwa bei nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern, denen mangels entsprechender Aufenthaltserlaubnis die Berechtigung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit fehle. Dem [X.] sei insoweit ebenfalls die Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit verwehrt.

8

Letztlich sei die Frage, inwieweit sich die von der Klägerin in der [X.] ab dem 3. Lebensmonat ihres Kindes ausgeübte Tätigkeit nach § 1 Abs 1 [X.] und Abs 6 [X.] auf den Leistungsanspruch auswirke, nicht entscheidungserheblich. Allerdings gehe der Senat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG davon aus, dass es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit um eine Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 [X.] [X.] gehandelt habe.

9

Mit ihrer - vom [X.] zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1 Abs 1 [X.]. Entgegen der Auffassung des [X.] habe sie nach der Geburt ihres [X.] mit diesem in einem Haushalt gelebt. Bei einem "Haushalt" handele es sich um einen zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse geschaffenen privaten, räumlichen und gegenständlichen Lebensbereich. Dies sei gleichzusetzen mit der Existenz einer gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft zwischen Anspruchsberechtigtem und Kind. Erforderlich sei ein Zusammenleben nicht nur bezogen auf gemeinsame Räume, sondern auch auf die materielle Versorgung und immaterielle Zuwendung. Es müsse sich weder bei der anspruchsberechtigten Person um die letztlich wirtschaftlich verantwortliche Person handeln, sofern der Erziehende zusammen mit anderen Personen die materielle Sicherung des Kindes übernehme, noch komme es darauf an, aus welchen oder wie vielen Mitgliedern der Haushalt bestehe. [X.] könnten auch im Rahmen von Anstalten, Frauenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen gegeben sein. Diese Voraussetzungen lägen hier mit Blick auf die von ihr von ihrer Arbeitsvergütung und dem Kindergeld finanzierte Versorgung ihres [X.] (Beschaffung von Kleidung, Windeln, Hygieneartikeln und Obst) vor.

Entgegen der Auffassung des [X.] habe sie - die Klägerin - in der [X.] keine Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 [X.] [X.] ausgeübt. Erwerbstätigkeit sei allgemein eine auf Gewinn oder sonstige Erzielung von Einkommen gerichtete Tätigkeit, und zwar unabhängig davon, ob sie selbstständig oder unselbstständig ausgeübt werde. Aus dem Zweck des Elterngeldes, den umfassenden oder teilweisen Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit auszugleichen, habe das BSG im Rahmen einer Entscheidung vom [X.] geschlossen, es sei erforderlich, dass ein Antragsteller zumindest typischerweise und in aller Regel zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach freiem Willen berechtigt sei. Dieses Merkmal fehle hier, denn sie sei im Rahmen eines Vollzugsplanes nach § 7 [X.] und entsprechend ihrer Verpflichtung gemäß § "37" [X.] tätig geworden und habe keine Einwirkungsmöglichkeit auf den Umfang ihres Arbeitseinsatzes gehabt. Ihr Arbeitseinsatz sei einer Tätigkeit in öffentlich geförderten Arbeitsgelegenheiten (sog Eineurojobs) gleich. Eine nicht freiwillige Tätigkeit sei keine Arbeit iS des § 7 SGB IV.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 17. Januar 2012, das Urteil des [X.] vom 12. April 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2008 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat ihres am 16. November 2007 geborenen [X.] J. in Höhe von monatlich 300 Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an und tritt der Auffassung der Klägerin zum Bestehen eines Haushalts und zum Nichtvorliegen einer Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 [X.] ausdrücklich entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig, a[X.] nicht begründet.

[X.], SG und auch die Beklagte haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihres am 16.11.2007 geborenen [X.], mithin für die [X.] vom 16.11.2007 bis 15.11.2008, hat. Denn die Klägerin erfüllt nicht alle der in § 1 Abs 1 [X.] genannten Grundvoraussetzungen für den Anspruch auf Elterngeld. Insbesondere lebte sie im [X.] mit [X.] nicht in einem Haushalt iS des § 1 Abs 1 [X.] 2 [X.].

Der Begriff des Haushalts ist im [X.] weder in § 1 Abs 1 [X.] 2 noch in § 1 Abs 3 S 1 und auch nicht an anderer Stelle näher umschrieben. Er wurde schon in der unmittelbaren Vorläufervorschrift zu § 1 Abs 1 [X.], nämlich in § 1 Abs 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErz[X.]), seit dem Entwurf der Bundesregierung vom [X.] ([X.]) verwendet. Die Begründung des Gesetzentwurfs befasst sich zu § 1 Abs 1 [X.] 2 BErz[X.] ausdrücklich mit der dort als Anspruchsvoraussetzung vorgesehen Personensorge, nicht jedoch mit dem Begriff des Haushalts ([X.] 14).

Der Begriff des Haushalts wird schon im ersten Entwurf des [X.] verwendet, ohne in der dazu gegebenen Begründung erläutert zu werden (vgl BT-Drucks 16/1889 [X.]). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist er, anders als andere gesetzliche Merkmale, weder hinterfragt noch verändert worden. In den Richtlinien des [X.], Frauen und Jugend ([X.]) zum [X.] (Stand 7.2013) ist Haushalt als häusliche Gemeinschaft umschrieben, in der das Kind betreut wird. Diese häusliche Gemeinschaft setze nicht voraus, dass der Antragsteller einen eigenen Haushalt habe oder dass der Wohnsitz und der Haushalt, in dem das Kind betreut werde, identisch seien. Die häusliche Gemeinschaft könne zB auch im Haushalt der Großeltern, einer Einrichtung für Mutter und Kind oder in einem Frauenhaus bestehen. In einer [X.] oder einer Entziehungsanstalt könne ein Haushalt dagegen nicht begründet werden (Richtlinie 1.1.2.2). Diese vom [X.] für einen einheitlichen Verwaltungsvollzug erlassenen Richtlinien enthalten zwar keine als Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung erlassene, nach außen verbindliche Rechtsnormen und können daher kraft Gesetzes bestehende Ansprüche nicht ausschließen. Die darin enthaltenen Ausführungen zum Nichtvorliegen eines Haushalts in einer [X.] treffen indes jedenfalls für den sog geschlossenen Vollzug (Regelvollzug) grundsätzlich zu.

Mangels einer speziell elterngeldrechtlichen Umschreibung des Haushaltsbegriffs ist bei der Auslegung des § 1 Abs 1 [X.] 2 [X.] auf ein allgemeines sozialrechtliches Begriffsverständnis zurückzugreifen. Nach der teilweise älteren Rechtsprechung des [X.] ist unter Haushalt eine durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft zu verstehen. Diese verlangt eine häusliche, wohnungsmäßige und familienhafte Lebens- und Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer und nicht vorü[X.]gehend angelegten Hausgemeinschaft. Nicht erforderlich ist, dass nur der Anspruchsteller und das Kind die Hausgemeinschaft bilden. Möglich ist auch, dass Anspruchsteller und Kind in fremder Wohnung, zB der der Großeltern, zusammenleben. Nicht erforderlich ist ferner, dass der Anspruchsteller die Kosten der Haushaltsführung selbst erwirtschaftet, so dass auch ein Empfänger von Sozialhilfe einen Haushalt führen kann. Wesentlich ist dagegen, dass eine eigenständige und eigenverantwortliche Wirtschaftsführung vorliegt. Zusammenfassend ist Haushalt eine Familiengemeinschaft, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Fürsorge und Zuwendung) darstellt, wobei sich diese drei Merkmale ü[X.]schneiden können, keines davon jedoch gänzlich fehlen darf ([X.], 67, 69 ff = [X.] 2200 § 1262 RVO [X.] 11 [X.]8 ff; [X.] [X.] 2200 § 1262 RVO [X.] 14 S 40; [X.] [X.] 3-2600 § 48 [X.] 6 S 33 f; zuletzt [X.]E 110, 204 = [X.] 4-4200 § 9 [X.] 10, Rd[X.] 26; vgl dazu Irmen in [X.], Elterngeld/Elternzeit/Kindergeld, Stand 12/09, § 1 [X.] Rd[X.] 73 und 74 mwN; [X.]/[X.], Mutterschutzgesetz und [X.], 8. Aufl 2008, § 1 [X.] Rd[X.] 58 mwN; [X.], [X.], § 1 [X.] Rd[X.] 18 mwN; [X.], Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 2. Aufl 2010, § 1 [X.] Rd[X.] 6 mwN; [X.] in [X.]/[X.], Mutterschutzgesetz, Stand 7/13, [X.] § 1 Rd[X.] 20 mwN; zur erforderlichen Wirtschaftsführung s besonders [X.] [X.] 4-2500 § 37 [X.] 5 Rd[X.] 11 mwN).

Nach dem Sinn und Zweck des Elterngeldes ist eine spezielle Ausprägung des Haushaltsbegriffs im [X.] nicht geboten. Allgemeiner Zweck ist es, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung der Kinder kümmern (so die Gesetzesbegründung vgl BT-Drucks 16/1889 [X.], 15; BT-Drucks 16/2454 [X.]; [X.] Urteil vom [X.] EG 9/08 R - [X.] 4-7837 § 2 [X.] 3 Rd[X.] 28). Die besondere Zielrichtung des Elterngeldes erschließt sich aus § 1 Abs 1 [X.], der in seiner [X.] 2 das Leben mit dem Kind in einem Haushalt und in seiner [X.] 3 dessen Betreuung und Erziehung als gesonderte Anspruchsvoraussetzungen nennt. Das Gesetz sieht es damit als bedeutsam an, dass die Betreuung und Erziehung des Kindes durch den Anspruchsteller in einem häuslichen, familiären Bereich stattfindet. Diese Zielsetzung ist ersichtlich von der Annahme getragen, dass eine derartige Betreuung der Entwicklung des Kindes besonders förderlich ist. Eine wegen des allgemeinen und besonderen Zwecks des Elterngeldes abweichende Definition des Begriffs des Haushalts ist mithin nicht geboten.

Ebenso wenig ist eine Modifizierung des [X.] geboten, dass sich ein Anspruchsteller außerhalb eines privaten Wohnhauses oder einer privaten Wohnung in Einrichtungen aufhält, in denen sich auch familienfremde Personen befinden. So hat das [X.] in einer zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangenen Entscheidung, in der es um Leistungen der häuslichen Krankenpflege ging und der dortige Kläger sich in einem Wohnheim für psychisch kranke Menschen aufhielt, keinen Grund gesehen, den allgemeinen sozialrechtlichen Begriff des Haushalts zu modifizieren ([X.] Urteil vom [X.] - B 3 KR 19/04 R - [X.] 4-2500 § 37 [X.] 5). Auch im vorliegenden Fall des Aufenthalts in einer [X.] besteht insbesondere angesichts der in Rede stehenden besonderen familienpolitischen Leistung des Elterngeldes keine Veranlassung, von dem oben dargestellten Begriff des Haushalts abzuweichen.

Nach den danach maßgebenden Kriterien kann die [X.] selbst nicht als - für die Klägerin und ihren [X.] fremder - Haushalt angesehen werden, da ein familienhaftes Zusammenleben der dort lebenden und arbeitenden Menschen (Insassen, Wachpersonal) keineswegs stattfindet.

Auch das Zusammenleben der Klägerin mit ihrem [X.] innerhalb der [X.] der [X.] ist nicht als Haushalt zu qualifizieren. Zwar wohnte die Klägerin dort mit ihrem Kind zusammen und betreute dieses. Es lässt sich jedoch keine hinreichende eigene Wirtschaftsführung der Klägerin feststellen.

Grundlage des Strafvollzuges in [X.] ist das Gesetz ü[X.] den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung - Strafvollzugsgesetz ([X.]) vom 16.3.1976 ([X.] 581 [X.] 2088 und 1977 I 436). Es war als im Rahmen der sog konkurrierenden Gesetzgebung nach Art 74 Abs 1 [X.] 1 [X.] aF erlassenes [X.] in allen Bundesländern verbindlich. Nachdem im Rahmen der sog [X.] durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom [X.] ([X.] 2034) der Gegenstand des Strafvollzuges aus Art 74 Abs 1 [X.] 1 [X.] gestrichen worden ist, obliegt die Gesetzgebung zum Strafvollzug nach Art 30 und 70 Abs 1 [X.] den Ländern. Soweit diese von dieser ihnen ab 1.9.2006 zustehenden Gesetzgebungs-kompetenz noch keinen Gebrauch gemacht haben, gilt das [X.] gemäß Art 125a Abs 1 S 1 [X.] als Bundesrecht fort. Es kann nach Art 125a Abs 1 [X.] [X.] durch Landesrecht ersetzt werden, wobei eine vollständige Ersetzung nicht erforderlich ist. Sinnvolle Teile des [X.] können in dem Bundesland, das - durch Gesetz - ersetzende Regelungen schafft, als Bundesrecht gültig bleiben ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2012, Art 125a Rd[X.] 8 mwN).

Das Land Baden-Württem[X.]g hat am 10.11.2009 das Gesetzbuch ü[X.] den Justizvollzug in Baden-Württem[X.]g - [X.] ([X.]) - GBl 2009, 545 - erlassen. Nach § 1 Abs 1 [X.] 2 dieses Gesetzes regelt es den Vollzug der Freiheitsstrafe und des [X.]. Nach § 3 Abs 1 [X.] werden die Freiheitsstrafe und der [X.] in [X.] vollzogen. § 4 Abs 1 [X.] schreibt die Trennung von Männern und Frauen in besonderen [X.] vor. Wie schon § 80 [X.] bestimmt § 10 [X.], dass eine Gefangene mit ihrem Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben soll bzw noch nicht schulpflichtig sein soll, in eine [X.] in einer [X.] für weibliche Gefangene aufgenommen werden kann, wenn beide für die Unterbringung dort geeignet sind, ein Platz für Mutter und Kind zur Verfügung steht, dies dem Wohl des Kindes entspricht und die oder der Aufenthaltsbestimmungs[X.]echtigte zustimmt. Nähere gesetzliche Bestimmungen ü[X.] die Ausgestaltung von [X.] in der [X.] finden sich nicht, so dass letztlich die konkrete Ausgestaltung der [X.] dem zuständigen Land obliegt.

Trotz der Vorschriften des § 80 [X.], die, sofern keine landesgesetzlichen Regelungen erlassen sind, in allen Bundesländern weitergelten, sind offenbar nur in einigen Bundesländern [X.] vorhanden, nämlich in [X.], [X.], Baden-Württem[X.]g, [X.], [X.] und [X.] ([X.], [X.] im Strafvollzug, Eine bundesweite empirische Untersuchung zu den Rahmenbedingungen, Diss, [X.] 2010, [X.]88 ff); nach der Ü[X.]sicht von [X.] (in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl 2012, § 142 Rd[X.] 3) existieren auch in [X.], [X.] und Mecklenburg-Vorpommern [X.], wobei die Einrichtungen teilweise nur in geschlossenen, teilweise nur im offenen Strafvollzug und teilweise in beiden Vollzugsformen vorgehalten werden ([X.], aaO). In der [X.] wird die [X.] ausschließlich im geschlossenen Vollzug betrieben ([X.], aaO). Zudem ist der Strafvollzug in den vorhandenen [X.] unterschiedlich ausgestaltet (Junker, aaO, [X.] ff). Das gilt hinsichtlich einer mehr oder weniger strikten Anwendung der die Mütter gemäß § 41 [X.] (s Art 12 Abs 3 [X.]) treffenden Arbeitspflicht bis hin zu einer unterschiedlichen Handhabung der tatsächlichen Versorgung der Kleinstkinder mit Nahrung (Junker, aaO). Hinzu kommt, dass nach einer zu § 80 [X.] vertretenen Auffassung strafgefangene Mütter keinen Rechtsanspruch auf eine gemeinsame Unterbringung mit ihrem Kind haben ([X.], aaO, § 80 Rd[X.] 8 mwN; [X.], [X.], 3. Aufl 2011, § 142). Schließlich ist festzustellen, dass nur in [X.] kraft Landesgesetzes die Möglichkeit der Einrichtung einer [X.] besteht und tatsächlich nur in [X.] in einer [X.] im offenen Vollzug drei Haftplätze für männliche Inhaftierte zur Unterbringung mit jeweils bis zu zwei Kindern zur Verfügung stehen (Junker, aaO, [X.]; [X.], aaO, § 80 Rd[X.] 9) .

Der Tagesablauf von Strafgefangenen in der [X.] der [X.] (geschlossener Vollzug) ist streng reglementiert. Das [X.] hat hierzu festgestellt, dass das Zusammenleben in der [X.] fast ausschließlich durch deren Vorgaben geprägt ist. Die Möglichkeit, auf die individuelle Tagesstruktur Einfluss zu nehmen, ist für die Gefangenen gering. Die Klägerin selbst wurde in der [X.] vollständig versorgt. Die Versorgung ihres Kindes erfolgte durch den vom Jugendamt entrichteten Tagessatz für Lebens- und Pflegemittel, der vom Jugendamt unmittelbar an die [X.] entrichtet wurde.

Diese von der Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] sind für das Revisionsgericht gemäß § 163 S[X.] bindend. Sie sind im Übrigen bezüglich der Umstände der finanziellen Versorgung des Kindes durch das Jugendamt von der Klägerin gegenü[X.] dem Senat bestätigt worden. Darü[X.] hinaus stimmen sie insgesamt ü[X.]ein mit den Schilderungen in der Diplomarbeit von Hagmeier (Die [X.] in der [X.] Schwäbisch-Gmünd Möglichkeiten und Grenzen frühkindlicher Erziehung, Bildung und Betreuung, [X.], Januar 2006, [X.], 134).

Die Wirtschaftsführung war der Klägerin demnach im wesentlichen Umfang aus der Hand genommen. Demgegenü[X.] kommt der von ihr in den Vordergrund gerückten Antragstellung gegenü[X.] dem Jugendamt auf Leistungen der Jugendhilfe als einmaliger Handlung keine Bedeutung zu, zumal der Tagessatz von dort zur Deckung der dieser entstandenen Kosten unmittelbar an die [X.] entrichtet worden ist. Ebenso wenig vermag der von der Klägerin im Revisionsverfahren erneut betonte Umstand, dass sie ihren [X.] aus ihren geringen Arbeitseinkünften sowie dem ihr gezahlten Kindergeld mit Kleidung, Windeln, Hygieneartikeln und Obst versorgt hat, eine eigene familienhafte Wirtschaftsführung durch die Klägerin zu belegen. Es handelt sich lediglich um eine ergänzende Versorgung des Kindes, die für sich genommen die Voraussetzungen einer eigenständigen Wirtschaftsführung (Haushaltsführung) der Klägerin nicht erfüllt, zumal deren eigene Versorgung vollständig durch die [X.] erfolgt ist.

Ob in einem wie dem vom SG [X.] entschiedenen Fall (Urteil vom 21.10.2011 - [X.] EG 139/08 -) der Unterbringung der Mutter im offenen Strafvollzug nach § 10 Abs 1 [X.] oder im gelockerten Vollzug nach § 11 [X.] unter Berücksichtigung der dort herrschenden Bedingungen ein Haushalt iS des § 1 Abs 1 [X.] 2 [X.] anzunehmen wäre, ist hier nicht zu erörtern, weil sich die Klägerin im gesamten [X.] bei anderen Lebensverhältnissen im geschlossenen Strafvollzug befunden hat.

Die Kostenentscheidung [X.]uht auf § 193 S[X.].

Meta

B 10 EG 4/12 R

04.09.2013

Bundessozialgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: EG

vorgehend SG Ulm, 12. April 2010, Az: S 12 EG 4464/08, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 2 BEEG, § 80 StVollzG, § 10 JVollzVGB BW 2009

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 04.09.2013, Az. B 10 EG 4/12 R (REWIS RS 2013, 3033)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3033

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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