Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2010, Az. II ZR 54/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9609

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Gegenstand

Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache; Haftung von Vereinsvorständen für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins


Leitsatz

1. Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kommt einer Rechtssache bezüglich einer vom Bundesgerichtshof bislang noch nicht entschiedenen, in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte jedoch einhellig beantworteten Rechtsfrage nicht zu, wenn die hierzu in der Literatur vertretenen abweichenden Meinungen vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind .

2. Vereinsvorstände haften mangels gesetzlicher Grundlage nicht für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins. § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB umfasst eine solche Haftung nicht. Eine Haftung in Analogie zu §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG scheidet bereits deshalb aus, weil es in § 42 Abs. 2 BGB an der für eine Analogie erforderlichen "planwidrigen Regelungslücke" fehlt .

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. Februar 2009 durch Beschluss gemäß § 552 a ZPO zurückzuweisen.

Streitwert: 12.760,00 €

Gründe

1

Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Revision des [X.] hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

2

1. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts geboten.

3

a) aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (siehe grundlegend hierzu [X.], 221, 223 f.; 154, 288, 291 ff.). [X.] ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom [X.] bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (s. [X.]/[X.] 3. Aufl. § 543 Rdn. 7; Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl. § 543 Rdn. 5 a, [X.]. m.w.Nachw.). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (s. nur [X.], NJW-RR 2009, 1026 [X.]. 14).

4

bb) Danach hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob Vereinsvorstände analog §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 3 [X.], 99 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3 Nr. 4 [X.] für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des [X.], ist - jedenfalls jetzt - nicht mehr klärungsbedürftig, sondern nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten.

5

Die vereinzelt in der Literatur ([X.], [X.], 176; [X.]. [X.] 2008, 605; [X.], [X.] 2005, 230; ihnen regelmäßig ohne eigene Begründung folgend [X.]/[X.] 5. Aufl. § 64 Rdn. 17; ebenso [X.], [X.] 2009, 366, 369 f.; [X.]/[X.], [X.] 2009, 173, 179 f.; Hirte, FS [X.], 222, 228 - letztere alle für Stiftungsvorstände) reklamierte "planwidrige" Regelungslücke in § 42 Abs. 2 BGB besteht de lege [X.] offensichtlich nicht. Ihr angebliches Vorhandensein war auf der Grundlage des geltenden Rechts vom Gesetzgeber selbst spätestens schon widerlegt worden, als dieser - mit entsprechender Begründung (BT-Drucks. 16/6140 [X.]) - § 42 Abs. 2 BGB unverändert ließ, als § 15 a [X.] geschaffen wurde (s. hierzu auch [X.] in Beuthin/[X.], MünchHdB [X.] Bd. 5, 3. Aufl. § 60 Rdn. 41); erst Recht ist die These von der "planwidrigen" Regelungslücke unvertretbar geworden, als der Gesetzgeber seine gegenteiligen Vorstellungen durch das "Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereins- und Stiftungsvorständen" vom 28. September 2009 ([X.], 3161) zum Ausdruck gebracht hat: Der Gesetzgeber hält die ehrenamtliche Tätigkeit der Bevölkerung für das Gemeinwesen für unabdingbar, er will sie fördern und hat zu diesem Zweck als Reaktion auf die negativen Folgen der Haftungsrisiken ehrenamtlich tätiger Vereinsvorstände für die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in [X.] mit diesem [X.] geschaffen mit dem Ziel, die Haftungsrisiken der Vorstände auf ein zumutbares Maß zu begrenzen (BT-Drucks. 16/10120, [X.], 6; BT-Drucks. 16/13537, [X.]). Auch wenn der durch das genannte Gesetz mit Wirkung ab 3. Oktober 2009 eingefügte § 31 a BGB die hier zugrunde liegende [X.] nicht unmittelbar betrifft, so spricht doch der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers eine eindeutige Sprache gegen eine Ausdehnung der Haftung von Vereinsvorständen (ebenso [X.], BB 2009, 690; [X.], EWiR 2009, 699; [X.], jurisPR-Ha[X.] 8/2009 [X.]). Denn damit stünde die gesetzlich nicht fundierte Haftung für Masseschmälerungen - sie passt ohnehin schwerlich zur Struktur eines Vereins, der an[X.] als GmbH oder Aktiengesellschaft keine Kapitalschutzregeln kennt - in einen unauflösbaren Wertungswi[X.]pruch. Mit Recht wird deswegen de lege [X.] eine Massesicherungspflicht von Vereinsvorständen und eine Haftung für Masseschmälerungen im Schrifttum abgelehnt (vgl. [X.], [X.] 2008, 98; [X.], EWiR 2009, 331; [X.], [X.], 10; [X.] aaO; [X.] aaO; [X.] aaO; eine Analogie ebenfalls ablehnend [X.]/[X.], [X.]. § 42 Rdn. 6; [X.]/Schöpflin in [X.]/[X.], [X.] § 42 Rdn. [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 42 Rdn. 4; [X.] in Beuthin/[X.] aaO).

6

Diese klarstellende Wertentscheidung des Gesetzgebers konnte das Berufungsgericht bei seiner Zulassungsentscheidung, die vor dem 28. September 2009 ergangen ist, noch nicht berücksichtigen.

7

Ob de lege ferenda eine Haftung für masseschmälernde Zahlungen nach Insolvenzreife, die allenfalls für sog. "großwirtschaftliche Vereine" und Stiftungen ernsthaft diskutiert werden könnte, sinnvoll sein kann, hat der [X.] nicht zu entscheiden.

8

b) Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts scheidet schon deswegen aus, weil die Bejahung einer Analogie zu den gesetzlich geregelten, auf ganz andere Verhältnisse zugeschnittenen Fällen auf eine Rechtsfortbildung contra legem hinausliefe.

9

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt auch der Frage, auf welchen Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung hinsichtlich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden bei dem Schadensersatzanspruch gemäß § 42 Abs. 2 BGB abzustellen ist, mangels [X.]keit keine grundsätzliche Bedeutung zu: Es entspricht seit BGHZ 29, 100, 102 ff. ständiger Rechtsprechung und der einhelligen Ansicht in der Literatur (s. insoweit nur [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 64 Rdn. 132;MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl. § 92 Rdn. 47 [X.]. m.w.Nachw.), dass der Quotenschaden des Gläubigers danach zu berechnen ist, was er im Vergleich zu der tatsächlich erhaltenen Quote erhalten hätte, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt worden wäre.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Mangels Anspruchsgrundlage kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Haftung der Beklagten für masseschmälernde Zahlungen nicht in Betracht.

b) Soweit - was durchaus zweifelhaft erscheint - der Vortrag des [X.] sich überhaupt dahin auslegen lässt, dass er (auch) den Quotenschaden der Gläubiger gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 92 Satz 1 [X.] geltend gemacht hat, hat das Berufungsgericht auch diesen Anspruch mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, dass der Kläger einen Quotenschaden in Höhe der Klageforderung schon nicht ansatzweise ordnungsgemäß dargelegt hat (s. dazu nur [X.], 211, 221).

Goette                                 Caliebe                               Drescher

                   Löffler                                Bender

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

II ZR 54/09

08.02.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 5. Februar 2009, Az: 6 U 216/07, Urteil

§ 42 Abs 2 S 2 BGB, § 543 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 64 S 1 GmbHG, § 64 Abs 2 GmbHG vom 05.10.1994, § 92 Abs 3 AktG, § 93 Abs 3 Nr 6 AktG, § 34 Abs 3 Nr 4 GenG, § 99 Abs 2 GenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2010, Az. II ZR 54/09 (REWIS RS 2010, 9609)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9609

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