Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2017, Az. 30 W (pat) 2/16

30. Senat | REWIS RS 2017, 8831

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „hansedeal24" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 001 979.2

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 22. März 2013 angemeldete Wortmarke

2

[X.]

3

soll für die Dienstleistungen

4

„Klasse 35:

5

Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das [X.] betreffend Bekleidung, Modeartikel und -accessoires; Werbung; Marketing; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentations- und Verkaufszwecken; Präsentation von Waren in [X.], für den Einzelhandel; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über den An- und Verkauf von Waren; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das [X.]; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von E-Commerce; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Verbraucherberatung; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke; Publikation von Versandhauskatalogen“

6

eingetragen werden.

7

Die Markenstelle für Klasse 35 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 19. September 2013 und 23. Januar 2014, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, da einer Eintragung der angemeldeten Bezeichnung die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] entgegenstünden.

8

[X.] sei eine sprachüblich gebildete Kombination der allgemein bekannten Worte „[X.]" (= Hinweis auf [X.]städte) und „deal“ (= Abmachung, Vereinbarung; Handel, Geschäft) mit der Zahl „24“ (= rund um die Uhr), welche auch in ihrer Gesamtheit lediglich als beschreibender Hinweis darauf verstanden werde, dass die so offerierten Einzelhandels-, Werbe- und Publikationsdienstleistungen von einem Büro in einer [X.]stadt erbracht und angeboten würden und 24 Stunden zur Verfügung stünden. Die Ausgestaltung in Kleinschreibung ohne Zwischenraum zwischen den einzelnen Wörtern und der Zahl „24“ sei werbeüblich und verändere den beschreibenden und bewerbenden Aussagehalt der angemeldeten Bezeichnung nicht.

9

Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt, zu der er jedoch weder einen Antrag gestellt noch eine Begründung eingereicht hat.

Anlage 1), einen am 14. Februar 2012 unter https://www.deutsche-startups.de/2012/02/14/stoppt-den-deal-wahnsinn/ veröffentlichen Artikel (Anlage 2), [X.] und [X.]auszüge zu [X.] mit dem Wort „deal“ (Anlage 3) sowie als Anlage 4 einen [X.]Auszug nebst einem Auszug der [X.]seite „schwabendeal.de“ übersandt. Die übersandte Recherche wurde auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Die Beschwerde ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] zulässig. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist ein konkreter Antrag nicht erforderlich. Fehlt ein Antrag, muss von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang ausgegangen werden (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 11. Aufl., § 66 Rdnr. 41).

[X.] in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. [X.] [X.] 2012, 610 (Nr. 42) - [X.]; [X.] 2008, 608, 611 (Nr. 66) - [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - [X.]; [X.] 2008, 608, 611 (Nr. 66) - [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; [X.] 2009, 952, 953, Nr. 10 - [X.]; [X.] 2006, 850, 854, Nr. 19 - [X.]; [X.] 2005, 417, 418 - [X.]; [X.] 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] 2006, 850, 854, Nr. 19 - [X.]; [X.] 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.] 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2010, 1100, Nr. 23 - [X.]!; [X.] 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - [X.]).

2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angemeldete Marke [X.] in Bezug auf die zu Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf.

[X.] erkennbar aus den Begriffen „hanse“ und „deal“ mit der Zahl „24“ zusammensetzt.

Bei dem Begriff [X.]“ handelt es sich nicht nur um die Bezeichnung eines historischen Städtebundes. Vielmehr ist dieser Begriff noch heute als geographische Angabe üblich und bezeichnet insoweit die norddeutschen [X.]städte [X.], [X.], [X.] und [X.], die den Begriff „[X.]stadt“ in ihren amtlichen Bezeichnungen führen. Zwar geht es vorliegend nicht um den Begriff „[X.]stadt“ (gegebenenfalls mit einem konkretisierenden Zusatz), sondern um „[X.]“ bzw. [X.]“ in Alleinstellung. Das ändert jedoch nichts daran, dass „[X.]“ zumindest die Funktion einer mittelbaren geographischen Bezeichnung, nämlich einer Sammelbezeichnung für die genannten Städte, zu erfüllen vermag (vgl. [X.] W (pat) 110/05 v. 19. November 2007 - [X.] Back/[X.] EXPRESS).

Anlage 1 belegt - im inländischen Sprachgebrauch auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung allgemein als werblich anpreisender Hinweis auf ein günstiges, vorteilhaftes Geschäft bzw. auf besonders vorteilhafte Angebote, Rabatte („Schnäppchen“) verwendet, insbesondere auch in Zusammenhang mit Online- (Handels)Portalen wie z. B. „[X.]“, „[X.]“ (vgl. Anlage 3). Ein entsprechender Sprachgebrauch wird dabei durch den am 14. Februar 2012 unter https://www.deutsche-startups.de/2012/02/14/stoppt-den-deal-wahnsinn/ veröffentlichten und dem Anmelder als Anlage 2 auszugsweise übersandten Artikel mit der Überschrift „Stoppt den Deal-Wahnsinn“ belegt:

Anlage 3 der übersandten Recherche) , sondern auch mit geographischen Angaben kombiniert, welche den regionalen Tätigkeitsbereich des Unternehmens bezeichnen wie z. B. „[X.]“, „[X.]“ etc., wie Anlage 4 der übersandten Recherche verdeutlicht.

In Zusammenhang mit den vom Anmelder beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35, welche ebenfalls über solche Online-Handelsportale erbracht werden bzw. diese zum Gegenstand haben können, lag daher für den Verkehr auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung ein Verständnis von „deal“ als Hinweis auf einen solchen „Schnäppchendienst“ bzw. eine „Rabattplattform“ mit preisgünstigen Angeboten oder auch Rabatt- und Gutscheinaktionen nahe.

Die der Begriffskombination [X.]deal“ angefügte Zahl „24“ wird in unterschiedlichen Wortzusammenstellungen im Bereich des täglichen Lebens als Kürzel und Synonym für „und um die Uhr“ bzw. „24 Stunden“ verwendet (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 11. Aufl., § 8 Rdnr. 469 m. w. Nachw.), insbesondere in Zusammenhang mit online verfügbaren Angebots- und/oder Vergleichsportalen. Sie wird vom Verkehr als Hinweis auf eine ständige Verfügbarkeit des entsprechenden Service verstanden.

[X.] dann aber in einem schlagwortartigen Hinweis darauf, dass diese Dienstleistungen über eine rund um die Uhr abrufbare und in einer [X.]stadt angesiedelte Online- bzw. [X.]plattform mit (preis)günstigen Kauf- und/oder Vermittlungsangeboten („Schnäppchen“) angeboten und erbracht werden. Was die weiterhin beanspruchten Dienstleistungen [X.] insoweit lediglich eine Bestimmungs- und/oder Inhaltsangabe entnehmen wird.

Um sich diese Bedeutung zu erschließen, bedarf es keiner vertieften Analyse. Vielmehr drängt sie sich dem Verkehr in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ohne weiteres Nachdenken auf.

[X.] geht dabei auch in seiner Gesamtheit weder hinsichtlich der sprachlichen Form noch hinsichtlich seines begrifflichen Inhalts über die bloße Summe der Sachangaben hinaus (vgl. [X.] [X.] 2004, 680, 681 Nr. 39-41 - [X.]; [X.] 2006, 229, 230 [X.] Nr. 34-37 - BioID), sondern weist die angesprochenen Verkehrskreise in verkehrsüblicher Sprachform lediglich auf den Gegenstand und Inhalt der betreffenden Dienstleistungen bzw. der Art und Weise ihrer Erbringung hin, ohne einen darüber hinausreichenden individuell - herkunftshinweisenden Gesamteindruck zu vermitteln.

Dies gilt auch für die Aneinanderreihung der Begriffskombination [X.]deal“ mit der Zahl „24“. An eine solche Zusammenschreibung von Markenbestandteilen ist der Verkehr gewöhnt, denn sie wird in der beschreibenden Werbesprache und insbesondere bei der Eingabe von Suchbegriffen im [X.] oder in [X.] häufig verwendet, ohne dass der beschreibende Begriffsinhalt dadurch in den Hintergrund tritt (vgl. [X.] W (pat) 192/01, - Travelagain).

3. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

4. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 2/16

29.06.2017

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2017, Az. 30 W (pat) 2/16 (REWIS RS 2017, 8831)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8831

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

30 W (pat) 46/16 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "rheuma-online.de" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


30 W (pat) 544/16 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "KAGURA (IR-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


30 W (pat) 38/16 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Softfeel" – keine Unterscheidungskraft


30 W (pat) 526/15 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Lash Lifting" – keine Unterscheidungskraft


30 W (pat) 547/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Physioup" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.