Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.08.2010, Az. 1 StR 393/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 3837

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 25. August 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 25. August 2010 beschlos-sen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. März 2010 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendi-gen Auslagen zu tragen. Gründe: Der Angeklagte wurde wegen heimtückischen Mordversuchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die [X.] Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). 1 1. [X.] hat Folgendes rechtsfehlerfrei festgestellt: 2 Kurz nach dem Erwerb verkaufte der Angeklagte einen einer Bank siche-rungsübereigneten Pkw, die auch den Kfz-Brief hatte. Im Vertrauen auf die An-gabe des Angeklagten, er sei Eigentümer, leistete der Käufer eine Anzahlung. Mit dem ebenso falschen Vorbringen, dort sei der Kfz-Brief, lockte ihn der Ange-klagte in seine Wohnung, wo er scheinbar den Kfz-Brief suchte. Der Käufer schaute selbst einen Ordner durch, in dem der Kfz-Brief angeblich sein könnte. Dabei versetzte der Angeklagte ihm, vorgefasster Absicht gemäß, in [X.] Messerstiche in den Bereich von Hals und Oberkörper, weil er weder den Pkw noch die Anzahlung herausgeben wollte. —Nicht ausschließbarfi wollte sich der voll schuldfähige Angeklagte daneben auch wegen seiner —Zukunftsängstefi des Käufers —entledigenfi, wenn sich dies auch sowenig wie ein etwaiges —Rang-3 - 3 - verhältnisfi dieser Motive feststellen ließ. Es kam zu einem Kampf, wobei der Käufer sich des Messers bemächtigen konnte und damit dem Angeklagten meh-rere Stiche in den Bereich der Beine versetzte; der Angeklagte seinerseits zer-schlug auf dem Kopf des Käufers eine Porzellanfigur. Zuletzt konnte der dank glücklicher Zufälle nicht lebensgefährlich verletzte Käufer fliehen. 2. Die Revision meint, das Mordmerkmal Heimtücke erfordere eine be-sonders verwerfliche, tückische Gesinnung, nicht nur die hier allein festgestellte Ausnutzung eines Überraschungseffekts. Der Senat teilt schon die tatsächliche Bewertung der Feststellungen nicht. Der Angeklagte hat nicht nur ausgenutzt, dass der Käufer ihm die Lüge glaubte, der Kfz-Brief könne in dem Ordner sein, sondern er hat den Käufer zunächst betrogen und dann planmäßig in [X.] in die Wohnung gelockt. Dies geht weit über bloßes Ausnutzen eines Ü-berraschungseffektes hinaus. Unabhängig von diesen Umständen des [X.] teilt der Senat aber auch den rechtlichen Ansatz der Revision nicht. Regel-mäßig erfordert Heimtücke nicht, dass sich im bewussten Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit noch eine besondere Tücke und Verschlagenheit, ein verwerf-licher Vertrauensbruch, zeigt (vgl. schon BGHSt 11, 13a, 144 f.; BGHSt 30, 105, 115 f.; vgl. auch eingehend [X.] in [X.] § 211 Rn. 152 ff., 159 [X.]). Von besonderen, hier offenbar nicht in Betracht kommenden Fallge-staltungen abgesehen, bei denen die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit nicht notwendig zur Annahme von Heimtücke führt (vgl. z.B. [X.], 105, 119; [X.], StGB, 57. Aufl. § 211 Rn. 48 jew. [X.]), kann daher schon allein die Ausnutzung eines Überraschungseffekts die Annahme von Heimtücke tragen (vgl. [X.], 10). 4 3. [X.] hat weder Habgier - möglicherweise wegen des nicht festzustellenden etwaigen Rangverhältnisses zwischen Bereicherungsabsicht und ebenfalls nicht konkret feststellbarer etwaiger Zukunftsängste - noch das 5 - 4 - nicht fern liegende weitere Mordmerkmal der [X.] geprüft. Der Schuldspruch wäre hiervon unberührt geblieben, hinsichtlich des Strafaus-spruchs kann sich dies nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben. 4. Auch im Übrigen ist der Strafausspruch ohne den Angeklagten benach-teiligende Rechtsfehler. 6 a) [X.] hält im Grundsatz einen minder schweren Fall des (hier: versuchten) Mordes nach Maßgabe des § 213 StGB nicht für ausgeschlos-sen, lehnt dies aber hier aus einzelfallbezogenen Gründen ab. Die hieran an-knüpfenden Erwägungen zur Tragfähigkeit der so begründeten Ablehnung eines minder schweren Falles gehen schon im Ansatz ins Leere. § 213 StGB ist bei Mord nicht anwendbar ([X.], 105, 118, 120; [X.], StGB, 57. Aufl. § 211 Rn. 99). 7 b) Der Angeklagte hat sich hinsichtlich des [X.] im [X.] unterschiedlich, im [X.] aber insoweit stets gleich bleibend damit vertei-digt, im Ausgangspunkt habe nicht er den Käufer mit einem Messer attackiert, sondern dieser ihn. Ohne diese Behauptung aufzugeben, ließ der Angeklagte gegen Ende der Hauptverhandlung Schadensersatz und Schmerzensgeld anbie-ten, allerdings zu Konditionen, die der Käufer, der zunächst nur 1.000 • ausbe-zahlt bekommen sollte, nachvollziehbar ablehnte. Auf dieser Grundlage ist [X.] berücksichtigt, dass der Angeklagte letztlich eine —Bereitschaft zur zivil-rechtlichen Verantwortungsübernahme – [X.] habe. Dieser Gesichts-punkt sei jedoch dadurch relativiert, dass der Angeklagte dem Käufer nach wie vor zu Unrecht die Rolle des Aggressors zuweise. Hiergegen wendet die [X.] ein, die Verteidigung des Angeklagten habe die Grenzen des Zulässigen nicht überschritten. Hieraus dürften ihm keine nachteiligen Konsequenzen erwachsen, auch nicht in Form der Relativierung einer strafmildernden Erwägung. 8 - 5 - Der Senat sieht keinen Rechtsfehler. 9 Grundsätzlich kann auch ein Versuch, mit dem Opfer zu einem Ausgleich zu gelangen, Rückschlüsse auf die innere Haltung des [X.] zulassen und sich strafmildernd auswirken (Theune in [X.]. § 46 Rn. 214), auch wenn er an fehlender Einigung über die [X.] gescheitert ist. Die [X.], bei der konkreten Gewichtung dieses Versuchs sei es aus [X.] bedeutungslos, ob der Angeklagte zugleich sein Fehlverhalten uneinge-schränkt einräumt oder ob er dem Geschädigten zu Unrecht die Schuld, zumin-dest ein erhebliches Mitverschulden, an dem Geschehen zuschiebt, trifft nicht zu. Dies folgt aus den Grundsätzen zum Täter-Opfer-Ausgleich. Auch § 46a StGB verlangt, dass der Angeklagte die Rolle des Geschädigten (insbesondere eines Sexual- oder, hier, Gewaltdelikts) als Opfer respektiert. Verteidigt er sich dage-gen mit dem (unzutreffenden) Hinweis auf Fehlverhalten des Geschädigten, kommt eine Strafmilderung im Blick auf einen Täter-Opfer-Ausgleich auch dann nicht in Betracht, wenn zugleich Zahlungen erfolgen oder angeboten werden (vgl. BGHSt 48, 134, 141 f.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es daher hier nicht zu beanstanden, dass die [X.] bei der Bewertung des Angebots des Angeklagten an den Geschädigten sein sonstiges Verteidigungsverhalten nicht aus dem Blick verloren hat. 10 - 6 - c) Auch sonst ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des [X.], die durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet sind. 11 [X.]Wahl Elf Jäger [X.]

Meta

1 StR 393/10

25.08.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.08.2010, Az. 1 StR 393/10 (REWIS RS 2010, 3837)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3837

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 77/20 (Bundesgerichtshof)

Mordmerkmal der Heimtücke: Arglosigkeit des Tatopfers trotz vorangegangener körperlicher Auseinandersetzung


1 StR 113/06 (Bundesgerichtshof)


1 StR 217/08 (Bundesgerichtshof)


3 StR 316/20 (Bundesgerichtshof)

Heimtückemord: Gesamtwürdigung gewichtiger Indizien; maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers


2 StR 605/13 (Bundesgerichtshof)

Heimtückischer Mord: Bewusstes Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit eines Opfers bei einem vereinbarten Faustkampf "Mann …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.