Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. IX ZR 218/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2770

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 17. Juni 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] §§ 152a, 153 Abs. 1 Halbs. 1

Der Zwangsverwalter kann, falls die verwaltete Masse zur Deckung seines An-spruchs auf Vergütung und Auslagenersatz nicht ausreicht, den betreibenden Gläu-biger unabhängig davon in Anspruch nehmen, ob der Zwangsverwalter zuvor ent-sprechende Vorschüsse verlangt hatte.

[X.], Urteil vom 17. Juni 2004 - [X.] - OLG [X.]

LG Kiel - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2004 durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 12. September 2003 und der 13. Zivilkammer des [X.] vom 13. Februar 2003 aufgehoben.

Die Beklagte wird - unter Abweisung des weitergehenden Zinsan-spruchs - verurteilt, an den Kläger 11.642,51 • nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2002 (Zugang des Schreibens vom 18. Juli 2002) zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit [X.]uß vom 26. Juni 2000 wurde der Kläger auf Antrag der ver-klagten Gläubigerin zum Zwangsverwalter eines Grundstücks in [X.]- 3 - bestellt. Die Zwangsverwaltung, die zu keinen Ausschüttungen an die Beklagte führte, wurde nach Zwangsversteigerung des Grundstücks am 9. August 2001 aufgehoben.

Der Kläger entnahm mit Zustimmung des Gerichts der verwalteten Masse Vorschüsse auf Vergütung und Auslagen. Das Gericht setzte die Vergü-tung und Auslagen des Klägers unter Berücksichtigung der Entnahmen [X.] auf 7.052 DM = 3.605,63 • (für das [X.]) und 8.036,88 • (für die Jahre 2001/2002) fest. Die verwaltete Masse ist erschöpft.

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung der noch offen stehenden Be-träge von insgesamt 11.642,51 • (3.605,63 • und 8.036,88 •) nebst Zinsen in Anspruch genommen. In den Vorinstanzen hatte er damit keinen Erfolg. [X.] wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Re-vision.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat bis auf einen geringen Teil des [X.].

I.

Das Berufungsgericht (dessen Urteil in OLGR [X.] 2003, 494 ab-gedruckt ist) hat ausgeführt, eine Grundlage für den geltend gemachten [X.] - spruch sei nicht ersichtlich. Zwischen den Parteien bestehe kein vertragliches Verhältnis. Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag seien nicht gegeben. Das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwal-tung ([X.]) vom 24. März 1897 ([X.] - BGBl. III/[X.]-14) und die Verordnung über die Geschäftsführung und die Vergütung des Zwangsverwal-ters ([X.]) vom 16. Februar 1970 ([X.]) enthielten keine Bestim-mung, daß der betreibende Gläubiger die Vergütung zu zahlen habe. Allenfalls könne dem Zwangsverwalter entsprechend § 53 GKG nach Treu und Glauben ein Anspruch auf Vergütung derjenigen Tätigkeiten zustehen, die bis zur [X.], daß keine Einnahmen erwirtschaftet werden könnten, notwendig seien. Diese Vergütung habe der Kläger durch die Entnahmen aus der verwalteten Masse erhalten. Wegen der Vergütung der weiteren Tätigkeiten sei der Zwangsverwalter jedoch auf die Anforderung von Vorschüssen zu verweisen. Es sei ihm unbenommen, ohne Vorschuß untätig zu bleiben. Fordere er einen solchen nicht an, so handele er, was seine Vergütung angehe, auf eigene Ge-fahr.

[X.]

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Vergütungsanspruch aus §§ 152a, 153, 155 Abs. 1 und 3, § 161 Abs. 3 [X.].
- 5 - a) Die Urteile der Vorinstanzen widersprechen der seit langem in Recht-sprechung und Schrifttum - soweit ersichtlich - einhellig vertretenen [X.], daß der Zwangsverwalter den betreibenden Gläubiger in Anspruch [X.] kann, falls die verwaltete Masse zur Deckung seines Anspruchs auf Ver-gütung und Auslagenersatz nicht ausreicht ([X.], 62, 63; [X.] 1889, 532; [X.] 69 [1914], 299; [X.], Urt. v. 10. April 2003 - [X.] ZR 106/02, [X.], 1098, 1099, z.[X.]. in [X.] 154, 387; [X.] OLGE 22 [1911], 414; [X.] 1991, 358; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 153 Rn. 23; [X.]/Wutzke/[X.]/Hintzen, Handbuch zur Zwangsverwaltung 3. Aufl. [X.]. 3 Rn. 103; [X.]/Güthe, [X.] 7. Aufl. § 153 Rn. 2 [S. 708]; Mohrbutter/Drischler, [X.] und Zwangs-verwaltungspraxis 4. Aufl. [X.]; [X.]/[X.], Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung 9. Aufl. § 153 Rn. [X.]/Stöber, [X.] 17. Aufl. § 153 [X.]. 7.4 unter a). An dieser Ansicht ist festzuhalten.

b) Der Anspruch des [X.] folgt unmittelbar aus §§ 152a, 153 Abs. 1 Halbs. 1 [X.]. Diese Vorschriften setzen voraus, daß dem [X.] eine Vergütung zusteht. Allein deren Höhe ist durch die Verordnung, zu deren Erlaß § 152a [X.] ermächtigt, zu regeln und sodann vom Gericht festzusetzen ([X.] 152, 18, 22; [X.], [X.]. v. 27. Februar 2004 - [X.]a ZB 37/03, [X.], 971, 972).

c) Aus dem [X.] einer etwa neben der Zwangsverwal-tung betriebenen Zwangsversteigerung kann der Zwangsverwalter keine Be-friedigung erlangen, weil beide Verfahren grundsätzlich voneinander [X.] sind. Der Zwangsverwalter kann auch den Vollstreckungsschuldner nicht in Anspruch nehmen, weil § 788 ZPO nur dem Gläubiger einen Anspruch gegen - 6 - diesen gibt. Ebensowenig kann sich der Zwangsverwalter an die Staatskasse halten (RG [X.] 69 [1914], 299; zur fehlenden Haftung der Staatskasse ge-genüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter [X.], [X.]. v. 22. Januar 2004 - [X.] ZB 123/03, [X.], 336; zum [X.] vgl. [X.] [X.], 383).

d) Der Anspruch richtet sich vielmehr gegen den betreibenden [X.]. Dies ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aus § 155 Abs. 1 und 3, § 161 Abs. 3 [X.].

Nach § 155 Abs. 1 [X.] sind aus den Nutzungen des Grundstücks die Ausgaben der Verwaltung sowie die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der-jenigen, welche durch die Anordnung des Verfahrens oder den Beitritt eines Gläubigers entstehen, vorweg zu bestreiten. Falls die Nutzungen nicht ausrei-chen, um die Ansprüche sowohl des [X.] als auch des betrei-benden Gläubigers zu decken, mindert das Recht des [X.], aus den erwirtschafteten Einnahmen vorweg seine Vergütung zu entnehmen, den Betrag, den der betreibende Gläubiger aus der Zwangsvollstreckung erlangt. Wirtschaftlich geht die Vergütung des [X.] somit zu Lasten des betreibenden Gläubigers.

Zwar folgt daraus allein noch nicht eine Einstandspflicht des Gläubigers für den Anspruch des [X.], falls die erwirtschafteten Nutzungen nicht einmal diesen decken und für den Gläubiger nichts übrig bleibt. Indes setzt § 155 Abs. 3 [X.] voraus, daß der Zwangsverwalter für Aufwendungen, die aus dem aktuellen Bestand der verwalteten Masse nicht bestritten werden können, von dem betreibenden Gläubiger Vorschüsse verlangen kann. Diese - 7 - Vorschüsse leistet der Gläubiger auf eigenes Risiko: Falls kein Verwaltungs-überschuß verbleibt, erhält der Gläubiger keinen Ersatz [X.]/Stöber, aaO § 155 [X.]. 8). Wenn er den erforderlichen Geldbetrag nicht vorschießt, kann das Gericht gemäß § 161 Abs. 3 [X.] die Aufhebung des [X.]. Es kann nach seinem Ermessen auch davon absehen [X.]/Stöber, aaO § 161 [X.]. 4); die Leistung des Vorschusses ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine Verfahrensvoraussetzung.

e) Der Anspruch des [X.] auf Vergütung und Auslagener-satz ist nicht auf den Bestand der verwalteten Masse beschränkt.

Dies ergibt sich aus den bereits erwähnten Vorschriften der § 155 Abs. 3, § 161 Abs. 3 [X.] (dazu oben unter a) sowie aus § 24 Abs. 3 und 4 [X.]. Der Anspruch des Verwalters auf eine Mindestvergütung (zur Hö-he vgl. [X.] 152, 18 ff) besteht gerade dann, wenn die Zwangsverwaltung keine Nutzungen erbracht hat. Es liegt grundsätzlich im Risikobereich des betreibenden Gläubigers, ob die Zwangsvollstreckung zu einem die Kosten deckenden Erlös führt. Für die Zwangsverwaltung gilt insoweit nichts anderes als für die Zwangsvollstreckung in Forderungen oder in bewegliche Sachen. Wenn die gepfändete Forderung nicht werthaltig ist oder der Gerichtsvollzieher keine pfändbaren Sachen vorfindet, entbindet dies den Gläubiger nicht von der Pflicht zur Zahlung der Vollstreckungskosten.

Aus § 9 Abs. 4 [X.] folgt nichts Gegenteiliges. Danach ist der Zwangsverwalter zu einer Anzeige an das Gericht verpflichtet, wenn Ausgaben erforderlich werden, die aus den bereits vorhandenen Mitteln oder aus siche-ren Einnahmen des laufenden Miet-, Pacht- oder Wirtschaftsabschnitts nicht - 8 - erfüllt werden können. Nach Auffassung der Revisionserwiderung liefe diese Vorschrift leer, wenn der Gläubiger auch bei unzulänglichen Einnahmen den Anspruch des Verwalters zu erfüllen hätte. Diese Ansicht ist unzutreffend. [X.] weil der Gläubiger insoweit einstehen muß, trifft den Verwalter die Anzeigepflicht. Der Gläubiger kann es sich aufgrund der erstatteten Anzeige überlegen, ob er den Antrag auf Zwangsverwaltung zurücknimmt (§ 161 Abs. 4 i.V.m. § 29 [X.]) oder unter Ablehnung eines von dem Gericht angeforderten Vorschusses die [X.] beantragt (§ 161 Abs. 3 [X.]). Damit kann er seine Einstandspflicht für die Kosten des Verfahrens möglicherweise in Grenzen halten. Ganz ausschließen kann er sie aber, wie später noch zu [X.] sein wird (vgl. unten f), in keinem Falle.

f) Der Vergütungsanspruch hängt nicht davon ab, daß der [X.] von dem Gläubiger einen entsprechenden Vorschuß verlangt hat. Zum einen räumen § 155 Abs. 3, § 161 Abs. 3 [X.] und § 28 Satz 2 [X.] dem Zwangsverwalter lediglich das Recht ein, Vorschüsse zu verlangen; eine ent-sprechende Pflicht oder auch nur eine Obliegenheit wird ihm nicht auferlegt. Zum andern kann der betreibende Gläubiger durch die Ablehnung einer Vor-schußzahlung nur begrenzt Einfluß auf die Höhe der von ihm zu zahlenden Vergütung nehmen. Selbst wenn das Gericht daraufhin das Verfahren aufhebt, muß der Gläubiger die bisher angefallene Vergütung bezahlen.

g) Daß der Kläger die Anzeigepflicht aus § 9 Abs. 4 [X.] verletzt und deshalb die Entstehung des geltend gemachten Anspruchs zu verantwor-ten habe, ist nicht geltend gemacht.

2. Der Anspruch ist auch der Höhe nach begründet. - 9 -

a) Soweit die Revisionserwiderung die Ansicht vertritt, der Kläger könne keine Verfahrenskosten geltend machen, weil ein solcher Anspruch nur der Masse zustehe, damit vom Kläger in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes geltend zu machen gewesen wäre und nach Aufhebung des Verfahrens nicht mehr geltend gemacht werden könne, verkennt sie, daß es sich um Auslagen handelt, deren Erstattung das Vollstreckungsgericht bestandskräftig festgesetzt hat.

b) Im übrigen hat die Beklagte gegen die Höhe des Anspruchs keine Einwendungen erhoben. Solche sind auch nicht ersichtlich.

I[X.]

Die Urteile der Vorinstanzen sind somit aufzuheben (§ 562 ZPO). Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil diese zur Endentscheidung reif ist, und der Klage stattgeben.

[X.]

Ganter

[X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 218/03

17.06.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. IX ZR 218/03 (REWIS RS 2004, 2770)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2770

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