Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 16.05.2013, Az. I ZR 46/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5778

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite als öffentliche Wiedergabe - Die Realität


Leitsatz

Die Realität

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem [X.] wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ([X.] L 167 vom [X.], S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?

Gründe

1

I. Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war - nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung - auf der Videoplattform „[X.]“ abrufbar.

2

Die beiden [X.] sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene [X.]seiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im [X.] 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer [X.]seiten, den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Film im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis („Link“) wurde der Film vom Server der Videoplattform „[X.]“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der [X.] erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.

3

Nach Ansicht der Klägerin haben die [X.] den Film damit unberechtigt im Sinne des § 19a [X.] öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat von den [X.] daher Unterlassung, Schadensersatz und die Freistellung von Abmahnkosten verlangt. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die [X.] haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt.

4

Das [X.] hat die [X.] antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin jeweils Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € zu zahlen und die Klägerin jeweils von Abmahnkosten in Höhe von je 555,60 € freizustellen; außerdem hat es den [X.] die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage auferlegt. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage hälftig zwischen den Parteien verteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die [X.] beantragen, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

5

II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des [X.]s und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (im Folgenden: Richtlinie 2001/29/[X.]) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

6

1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der in Rede stehende Film als Filmwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 [X.] urheberrechtlich geschützt ist. Die Klägerin verfügt - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - über die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Werk.

7

2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wiedergabe des in Rede stehenden Films auf der [X.]seite der [X.] im Wege des „Framing“ nach der Rechtsprechung des Senats kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a [X.] darstellt.

8

Die Vorschrift des § 19a [X.], die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] ins nationale Recht umsetzt, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der [X.] befindet (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2009 - [X.], [X.], 845 Rn. 27 = [X.], 1001 - [X.]-Videorecorder I; Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 239/06, [X.], 864 Rn. 16 = [X.], 1143 - CAD-Software; Urteil vom 29. April 2010 - [X.], [X.], 628 Rn. 19 = [X.], 916 - Vorschaubilder I; Urteil vom 29. April 2010 - [X.], [X.], 56 Rn. 23 = [X.], 88 - Session-ID).

9

Die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden [X.]seite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen [X.]seite im Wege des „Framing“ stellt danach grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen dar, weil allein der Inhaber der fremden [X.]seite darüber entscheidet, ob das auf seiner [X.]seite bereitgehaltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es insoweit nicht darauf an, ob die [X.] sich den Film durch Einbettung in ihre Webseiten zu eigen gemacht haben. Das Recht des öffentlichen Zugänglichmachens wird nicht verletzt, wenn der für einen [X.]auftritt Verantwortliche nur den - tatsächlich unzutreffenden - Eindruck erweckt, er halte selbst das Werk zum Abruf bereit. Der Tatbestand einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung wird allein durch die Vornahme der Nutzungshandlung erfüllt und nicht dadurch, dass deren Merkmale vorgetäuscht werden (vgl. [X.], [X.], 49 f.; v. Ungern-Sternberg in Schricker/[X.], [X.], 4. Aufl., § 19a [X.] Rn. 46; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 19a [X.] Rn. 29; [X.], ZUM 2004, 357, 363 f.; [X.]., [X.], 260, 263 f.; [X.]., ZUM 2008, 556, 559; [X.], CR 2013, 305, 314; vgl. auch [X.], [X.], 552; [X.], ZUM 2012, 327, 328; [X.], ZUM 2007, 224, 225 ff.; ZUM 2013, 230, 234 f.; [X.], ZUM 2011, 2, 10; [X.]/Remmertz, ZUM 2012, 216, 222 f. und 226; vgl. auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2010, Rn. 11.3.35).

3. Die Wiedergabe des Films auf der [X.]seite der [X.] im Wege des „Framing“ könnte jedoch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 [X.] ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe verletzen ([X.], Urheber- und wettbewerbsrechtliche Probleme von [X.] und Framing, 2004, [X.] ff.; [X.]., ZUM 2004, 357, 364; [X.]., [X.], 260, 264 f.; [X.]., ZUM 2008, 556, 560; [X.] Schricker/[X.] aaO § 15 [X.] Rn. 27; vgl. auch [X.] in Dreier/[X.], [X.], 4. Aufl., § 16 Rn. 14; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 16 [X.] Rn. 30; zur praktischen Relevanz des Problems siehe [X.], ZUM 2010, 853 ff.; zur Rechtslage im [X.] Recht vgl. [X.], 19 [X.] 1077 ff.).

a) Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Dieses Recht umfasst nach § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.] insbesondere das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 [X.]), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a [X.]), das Senderecht (§ 20 [X.]), das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 [X.]) sowie das Recht der Wiedergabe von [X.] und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 22 [X.]). Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 [X.] enthält keine abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte und lässt daher die Anerkennung unbenannter Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe zu (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2003 - [X.]/00, [X.]Z 156, 1, 13 = [X.], 958 - Paperboy; v. Ungern-Sternberg in Schricker/[X.] aaO § 19a [X.] Rn. 22).

b) Soweit es sich bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 [X.] um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 [X.] richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] das Recht der öffentlichen Wiedergabe vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. zum Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] [X.], Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03, [X.], 840 Rn. 19 f. = [X.], 1127 - [X.], mwN). Soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] weitergehende Rechte als die in § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.] benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe verlangt, ist daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 2 [X.] ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen.

c) Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

aa) Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] umfasst nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/[X.]). Es erfasst daher keine direkten Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit, die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet, die dieses Werk aufführt oder darbietet; solche direkten öffentlichen Aufführungen und Darbietungen sind vom Anwendungsbereich des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Rahmen der Richtlinie 2001/29/[X.] ausgeschlossen ([X.], Urteil vom 4. Oktober 2011 - [X.]/08 und [X.]/08, [X.], 156 Rn. 200 bis 202 = [X.], 434 - Football Association Premier League und [X.]; Urteil vom 24. November 2011 - [X.]/10, [X.]. 2012, 150 Rn. 35 f. - UCMR-ADA/[X.]). Bei der hier zu beurteilenden Wiedergabe des Films auf der [X.]seite der [X.] liegt eine Wiedergabe an eine Öffentlichkeit vor, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, so dass die Wiedergabe in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] fällt.

bb) Die Frage, ob ein Sachverhalt die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe erfüllt, erfordert nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine individuelle Beurteilung, bei der die nachfolgend unter (1) bis (4) aufgeführten unselbständigen und miteinander verflochtenen Kriterien einzeln und in ihrem Zusammenwirken miteinander zu berücksichtigen sind, da sie - je nach Einzelfall - in sehr unterschiedlichem Maße vorliegen können (vgl. zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der [X.]/[X.] zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem [X.] verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und nunmehr Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/[X.] zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem [X.] verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums [X.], Urteile vom 15. März 2012 - [X.]/10, [X.], 593 Rn. 78 f. = [X.], 689 - [X.]/[X.] und [X.]/10, [X.], 597 Rn. 29 f. - [X.]/[X.]).

(1) Eine öffentliche Wiedergabe setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten (vgl. [X.], Urteil vom 7. Dezember 2006 - [X.]/05, [X.]. 2006, [X.] = [X.], 225 Rn. 42 - [X.]/[X.]; [X.], [X.], 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und [X.]; [X.], 593 Rn. 82 - [X.]/Marco [X.]; [X.], 597 Rn. 31 - [X.]/[X.]). Sie setzt ferner voraus, dass das Publikum für diese Wiedergabe aufnahmebereit ist und nicht nur zufällig „erreicht“ wird (vgl. [X.], [X.], 593 Rn. 91 - [X.]/Marco [X.]; [X.], 597 Rn. 37 - [X.]/[X.]).

(2) Der Begriff der „Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen erfüllt (vgl. [X.], [X.], 593 Rn. 84 - [X.]/Marco [X.]; [X.], 597 Rn. 33 [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 7. März 2013 - [X.]/11, [X.], 500 Rn. 32 - [X.]/[X.]). Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören (vgl. [X.], Urteil vom 2. Juni 2005 - [X.]/04, [X.]. 2005, [X.] = ZUM 2005, 549 Rn. 30 - Mediakabel/[X.]; Urteil vom 14. Juli 2005 - [X.]/04, [X.]. 2005, [X.] = [X.], 50 Rn. 31 - [X.]/[X.] und [X.]; [X.], [X.], 225 Rn. 37 - [X.]/[X.]; [X.], 593 Rn. 85 - [X.]/Marco [X.]; [X.], 597 Rn. 34 [X.]/[X.]). Mit dem Kriterium der „ziemlich großen Zahl von Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. [X.], [X.], 225 Rn. 38 - [X.]/[X.]; [X.], 593 Rn. 86 f. - [X.]/Marco [X.]; [X.], 597 Rn. 35 - [X.]/[X.]; [X.], [X.], 500 Rn. 33 - [X.]/[X.]).

(3) Eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] kann unter Umständen voraussetzen, dass ein Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, das der Urheber des Werkes nicht berücksichtigt hat, als er dessen Nutzung im Wege der öffentlichen Wiedergabe erlaubt hat ([X.], [X.], 225 Rn. 40 f. - [X.]/[X.]; [X.], Beschluss vom 18. März 2010 - [X.]/09, [X.] 2010, 123 Rn. 38 - [X.]/Divani Akropolis; [X.], [X.], 156 Rn. 197 - Football Association Premier League und [X.]; [X.], 597 Rn. 49 - [X.]/[X.]; vgl. zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 2 der [X.]/[X.] zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung [X.], Urteil vom 13. Oktober 2011 - [X.]/09 und [X.]/09, [X.]. 2011, 1058 Rn. 72 - Airfield und [X.]). Diese Voraussetzung braucht allerdings nicht geprüft zu werden, wenn die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet; in solchen Fällen bedarf grundsätzlich jede Wiedergabe des Werkes der Erlaubnis des [X.] ([X.], [X.], 500 Rn. 39 und 24 bis 26 - [X.]/[X.]).

(4) Für die Beurteilung, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, ist es schließlich nicht unerheblich, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient (vgl. [X.], [X.], 225 Rn. 44 - [X.]/[X.]; [X.]. 2011, 1058 Rn. 80 - Airfield und [X.]; [X.], 156 Rn. 204 - Football Association Premier League und [X.]; [X.], 593 Rn. 88 - [X.]/Marco [X.]; [X.], 597 Rn. 36 - [X.]/[X.]). Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe (vgl. [X.], [X.], 225 Rn. 44 - [X.]/[X.]); er kann daher für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] unter Umständen auch unerheblich sein ([X.], [X.], 500 Rn. 42 f. - [X.]/[X.]).

cc) Es erscheint auch unter Berücksichtigung dieser Kriterien nicht hinreichend geklärt, ob bei der hier in Rede stehenden Einbettung eines fremden Werkes in eine eigene [X.]seite im Wege des „Framing“ eine öffentliche Wiedergabe vorliegt.

(1) Die [X.] werden bei der Einbindung des Films in ihre [X.]seiten zwar in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig, um den Nutzern ihrer [X.]seiten einen Zugang zu dem Film zu verschaffen, den sie ohne ihr Tätigwerden nicht hätten. Die Nutzer der [X.]seite der [X.] sind für die Wiedergabe des Films auch aufnahmebereit und werden nicht bloß zufällig „erreicht“, da sie sich durch Anklicken des elektronischen Verweises bewusst für die Wiedergabe des Films auf der [X.]seite der [X.] entscheiden. Die Wiedergabe ist ferner öffentlich, da die Nutzung der [X.]seite der [X.] sämtlichen [X.]nutzern und damit einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen offensteht. Die Wiedergabe des Films dient schließlich Erwerbszwecken, da sie den Absatz der von den [X.] vertriebenen Produkte fördern soll.

(2) Die [X.] geben den Film jedoch nicht für ein neues Publikum wieder. Der Film ist bereits durch das Einstellen auf der Videoplattform „[X.]“ für alle [X.]nutzer öffentlich zugänglich geworden. Durch die Verknüpfung des Films mit ihrer [X.]seite erweitern die [X.] den Kreis der potentiellen Adressaten nicht. Die Wiedergabe des Films über die [X.]seite der [X.] erfolgt auch nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet. Der Film wird bei einem Abruf über die [X.]seiten der [X.] technisch auf dieselbe Weise von der Plattform „[X.]“ an die Nutzer übermittelt, wie wenn diese Nutzer den Film über das Angebot von „[X.]“ abrufen würden.

dd) Es stellt sich daher die Frage, ob die Einbettung eines auf einer fremden [X.]seite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene [X.]seite unter Umständen, wie sie hier vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] darstellt, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet (vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen des [X.] [X.] in der Rechtssache [X.]/12, juris). Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu bejahen.

(1) Wer lediglich einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk setzt, greift nach der Rechtsprechung des Senats allerdings nicht in das Recht der öffentlichen Wiedergabe in Gestalt des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein. Wer einen solchen Link setzt, nimmt keine urheberrechtliche Nutzungshandlung vor, sondern verweist lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtert. Er hält das geschützte Werk weder selbst öffentlich zum Abruf bereit, noch übermittelt er es selbst auf Abruf an Dritte. Nicht er, sondern derjenige, der das Werk ins [X.] gestellt hat, entscheidet darüber, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Wird die Webseite mit dem geschützten Werk nach dem Setzen des Hyperlinks gelöscht, geht dieser ins Leere (vgl. [X.]Z 156, 1, 14 f. - Paperboy).

(2) An[X.] ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch das Setzen eines Hyperlink in der Form eines [X.] zu beurteilen, wenn dabei eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgangen wird. Bedient der Berechtigte sich technischer Schutzmaßnahmen, um den Zugang zu dem geschützten Werk beispielsweise nur bestimmten Nutzern zu eröffnen oder nur auf einem bestimmten Weg zu ermöglichen, macht er das Werk auch nur in dieser eingeschränkten Weise zugänglich. Wer einen Hyperlink setzt, der derartige Schutzmaßnahmen umgeht, eröffnet einen Zugang zum Werk, der ansonsten für diese Nutzer oder auf diesem Weg nicht bestünde. Er greift daher in das Recht der öffentlichen Wiedergabe in Gestalt des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein (vgl. [X.], [X.], 56 Rn. 25 bis 27 - Session-ID).

(3) Auch derjenige, der - wie im vorliegenden Fall - ein auf einer fremden [X.]seite öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen [X.]seite macht, erleichtert Nutzern seiner [X.]seite nicht nur den Zugang zu dem auf der ursprünglichen [X.]seite vorgehaltenen Werk. Vielmehr macht er sich das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene [X.]seite zu eigen. Er erspart sich damit das eigene Bereithalten des Werkes, für das er die Zustimmung des [X.] benötigte. Ein solches Verhalten ist nach Ansicht des Senats bei wertender Betrachtung als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] einzustufen, die einer gesonderten Erlaubnis des [X.] bedarf. Einem solchen Nutzer kommt - an[X.] als demjenigen, der lediglich einen Hyperlink setzt, und ebenso wie demjenigen, der einen [X.] setzt und dabei eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgeht - die vom Gerichtshof hervorgehobene zentrale Rolle bei der Werkvermittlung zu (vgl. [X.], [X.], 225 Rn. 42 - [X.]/[X.]; [X.], 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und [X.]; [X.], 593 Rn. 82 - [X.]/Marco [X.]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/[X.], ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit zu ermöglichen, für die Nutzung ihrer Werke unter anderem bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten, weit zu verstehen ist und daher unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren jede Übertragung geschützter Werke umfasst ([X.], [X.], 156 Rn. 186 und 193 - Football Association Premier League und [X.]; [X.], [X.], 500 Rn. 20 und 23 - [X.]/[X.]).

Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der Betrachter des [X.]angebots erkennt, dass der Betreiber der betrachteten Seite das geschützte Werk nicht selbst vorhält. Es ist wohl auch nicht ausschlaggebend, ob der Betreiber dieser Seite - wie im vorliegenden Fall - zu Erwerbszwecken handelt. Entscheidend ist vielmehr aus der Sicht des Senats, dass sich der Betreiber das geschützte Werk durch Einbetten in seine [X.]seite zu eigen macht. Es ist auch nicht von Bedeutung, ob das Werk auf der ursprünglichen [X.]seite mit Zustimmung des Berechtigten vorgehalten wird. Eine Zustimmung zu einer bestimmten Form einer öffentlichen Wiedergabe erschöpft nicht das Recht in Bezug auf davon zu unterscheidende selbständige Handlungen, die ebenfalls eine öffentliche Wiedergabe darstellen ([X.], [X.], 500 Rn. 23 - [X.]/[X.]).

Bornkamm                     Pokrant                     Schaffert

                     Koch                      Löffler

Meta

I ZR 46/12

16.05.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 16. Februar 2012, Az: 6 U 1092/11, Urteil

Art 3 Abs 1 EGRL 29/2001, § 2 Abs 1 Nr 6 UrhG, § 2 Abs 2 UrhG, § 15 Abs 2 UrhG, § 19a UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 16.05.2013, Az. I ZR 46/12 (REWIS RS 2013, 5778)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5778


Verfahrensgang

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Az. I ZR 46/12

Bundesgerichtshof, I ZR 46/12, 09.07.2015.

Bundesgerichtshof, I ZR 46/12, 10.04.2014.

Bundesgerichtshof, I ZR 46/12, 16.05.2013.


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