Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2006, Az. IX ZB 60/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 68

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[X.][X.]/06 vom 21. Dezember 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1, § 526 Abs. 1 a) Ein Ablehnungsgrund ist gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, wenn [X.] eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Ob der geltend gemachte Grund angesichts gegenteiliger Darstellung des abgelehnten [X.]s und übri-ger [X.] glaubhaft gemacht ist, unterliegt der freien Würdigung durch das entscheidende Gericht. b) Über ein Ablehnungsgesuch gegen den nach § 526 Abs. 1 ZPO zuständigen Einzelrichter hat das Berufungsgericht in der Besetzung mit drei Mitgliedern ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.]s zu entscheiden. [X.], [X.]uss vom 21. Dezember 2006 - [X.]/06 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden [X.] Dr. [X.] und die [X.] [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] am 21. Dezember 2006 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der [X.]uss des 21. Zivilsenats des [X.] vom 9. März 2006 aufgeho-ben. Das Verfahren über das Ablehnungsgesuch wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdever-fahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Der [X.] wird auf 7.004,01 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Kläger, der für die Beklagte Steuerberaterleistungen erbracht hat, nimmt diese auf Zahlung restlicher Vergütung in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den gemäß § 526 Abs. 1 ZPO zuständigen Einzelrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das 1 - 3 - [X.] hat der Berufungssenat in voller Besetzung als unbe-gründet zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Rechts-beschwerde beantragt die Beklagte, das Ablehnungsgesuch unter Aufhebung des angefochtenen [X.]usses für begründet zu erklären. I[X.] Das [X.] meint, über das Ablehnungsgesuch habe nicht der Vertreter des abgelehnten Einzelrichters zu entscheiden, sondern der Senat in voller Besetzung ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.]s. Dies folge aus dem Wortlaut des § 45 ZPO n.F. sowie der Einzelbegründung des [X.] zur Novellierung der angeführten Bestimmung. In der Sache sei das Ab-lehnungsgesuch nicht begründet. Die geltend gemachte persönliche Beziehung zwischen dem abgelehnten [X.] und dem Prozessbevollmächtigten des [X.] rechtfertige auf dem Hintergrund des früheren Kontakts des [X.]s als damaliger Stationsreferendar des Anwalts bei vernünftiger und besonnener Be-trachtung nicht die Annahme einer freundschaftlichen Beziehung. Auch die von der Beklagten behauptete und in Wortwahl und Ton beanstandete Äußerung des abgelehnten [X.]s: "Sie werden sowieso fressen müssen, was ich ent-scheide. Und dann bleiben Sie auf allem sitzen", begründe angesichts der ver-fahrensrelevanten Besonderheiten keine Besorgnis der Befangenheit. Die [X.] sei derart angespannt gewesen, dass die Androhung einer Vertagung erforderlich gewesen sei. Könne sich der [X.] von dieser Lage nicht vollständig abgrenzen und bediene sich mit erhobener Stimme einer saloppen Formulierung, so werde eine [X.] bei vernünftiger Betrachtung nicht von einer Voreingenommenheit ausgehen. 2 - 4 - II[X.] Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung im [X.]uss des Be-rufungsgerichtes statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und im Übrigen auch zulässig. 3 In der Sache führt sie zur Aufhebung und Zurückverweisung. 4 1. Nach Erlass des angefochtenen [X.]usses hat der [X.] entschieden, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über das [X.] gegen einen Einzelrichter an einem Kollegialgericht auch nach der Neuregelung der Zuständigkeit des Einzelrichters in §§ 348, 348a ZPO [X.] durch § 45 Abs. 1 ZPO bestimmt wird und danach die Kammer unter Aus-schluss des abgelehnten [X.]s zuständig ist ([X.], [X.]. v. 6. April 2006 - [X.] 194/05, [X.], 2492, 2493). Für die Zuständigkeit des [X.] spricht bereits der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO. Einer Zuständigkeit des Einzelrichters steht der letzte Satzteil "ohne dessen Mitwirkung" entgegen, weil ein Einzelrichter nicht an der Entscheidung mitwirkt, sondern diese trifft und der abgelehnte Einzelrichter über ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch nicht selbst entscheiden darf. 5 Auch aus der Entstehungsgeschichte des [X.] lässt sich kein gegenteiliges Ergebnis herleiten. Mit dem [X.] wurde der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO dahin geändert, dass der nicht zur Zuständigkeit des Einzelrichters passende Nachsatz "ohne dessen Mitwirkung" eingefügt wurde. Die Begründung dazu lässt erkennen, dass insoweit eine Klar-stellung entsprechend der bisherigen Rechtsprechung gewollt war und die [X.] damit § 27 StPO angepasst werden sollte (BT-Drucks. 14/3750, [X.]). 6 - 5 - Eine Absicht des Gesetzgebers dahin, nunmehr entsprechend den für die Hauptsache geltenden Anordnungen in §§ 348, 348a ZPO eine Zuständigkeit des Vertreters des Einzelrichters auch für die Entscheidung über ein [X.] zu bestimmen, lässt sich hieraus nicht entnehmen ([X.], [X.]. v. 6. April 2006 aaO). Diese Grundsätze finden auf den hier gegebenen Fall der Ablehnung des nach § 526 Abs. 1 ZPO zuständigen Einzelrichters im [X.] gleichermaßen Anwendung. 2. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines [X.]s wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines [X.]s zu rechtfertigen. [X.] der Befangenheit ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtig-te Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des [X.]s aufkommen lassen. Als Umstände in diesem Sinne kommen dabei nur objektive Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des [X.] aus bei vernünftiger Betrach-tung die Befürchtung wecken können, der [X.] stehe der Sache nicht [X.] und damit unparteiisch gegenüber ([X.], [X.]. v. 14. März 2003 - [X.]a ZB 27/03, [X.], 892; [X.]. v. 31. Januar 2005 - [X.], [X.]-Report 2005, 1350). 7 a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde vermag der - vom [X.] unterstellte - Umstand, dass sich der abgelehnte [X.] und der Prozessbevollmächtigte der [X.]eite vor Beginn der mündlichen Ver-handlung geduzt haben, nicht die Besorgnis zu rechtfertigen, zwischen dem [X.] und dem Anwalt der Gegenseite bestünde eine nahe persönliche Be-ziehung. Zutreffend wurde im angefochtenen [X.]uss darauf hingewiesen, dass die vertrauliche Anrede im Hinblick auf das mehr als 15 Jahre [X.] - 6 - gende Ausbildungsverhältnis nicht geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des abgelehnten [X.]s zu begründen. b) Anders liegt es dagegen bei der - wiederum unterstellten - [X.] "Sie werden sowieso fressen müssen, was ich entscheide. Und dann blei-ben Sie auf allem sitzen". Auch die vom [X.] hervorgehobenen be-sonderen Umstände sind nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit hin-sichtlich des zweiten Satzes auszuschließen. Zutreffend hat das Gericht in die-sem Zusammenhang ausgeführt, dass die behauptete Ausdrucksweise und Stimmstärke in einer ruhigen Verhandlungssituation unangebracht ist und die Annahme einer Voreingenommenheit rechtfertigen kann. Dies gilt aber auch dann, wenn die Verhandlungsatmosphäre derart angespannt ist, dass die [X.] einer Vertagung notwendig wird, was das [X.] in seinen von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen hervorgehoben hat. Selbst wenn die unangemessene Wortwahl rein situationsbedingt ausgelöst worden sein sollte, konnte für die hierdurch angesprochene Prozesspartei der Eindruck entstehen, der [X.] sei in seiner Ansicht abschließend festgelegt und sei nicht mehr bereit, die zur Entscheidung stehenden Fragen im Lichte der ihm unterbreiteten Argumente unvoreingenommen und kritisch zu prüfen. Die angeführte Äußerung stellt demnach einen Befangenheitsgrund dar. 9 3. Das [X.] hat bislang nicht geprüft, ob die Beklagte die von ihr geltend gemachte Äußerung gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat. Um dies nachzuholen, ist das Verfahren an das [X.] zurückzu-verweisen. 10 Die Frage, ob ein geltend gemachter Ablehnungsgrund glaubhaft [X.] ist, ist nach den zu § 294 ZPO entwickelten Grundsätzen zu beurteilen. 11 - 7 - Danach genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung; die Behauptung ist glaubhaft gemacht, sofern eine überwiegende Wahrscheinlich-keit dafür besteht, dass sie zutrifft ([X.] 156, 139, 141 f; [X.], [X.]. v. 5. Mai 1976 - I[X.] 49/75, [X.], 928; v. 15. Juni 1994 - I[X.] 6/94, NJW 1994, 2898). In diesen Fällen tritt an die Stelle des [X.] eine [X.] ([X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 294 Rn. 1). Die [X.] unterliegt ebenfalls dem Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens ([X.]/[X.] aaO Rn. 6). Die Beurteilung, ob die [X.] das Vorbringen hinsichtlich des geltend gemachten [X.] angesichts gegenteiliger Darstellungen des abgelehnten [X.]s und gegebenenfalls der übrigen Prozessbeteiligten glaubhaft gemacht hat, ist ein Akt wertender richterlicher Erkenntnis ([X.], [X.]. v. 13. Januar 2003 - [X.], [X.], 848, 849). Das [X.] hat daher im Einzelnen zu prüfen, ob für die seitens der Beklagten geltend gemachte Äuße-rung des [X.]s im Hinblick auf die gegenteiligen Ausführungen in der dienst-lichen Erklärung des abgelehnten [X.]s sowie in den Stellungnahmen des [X.] eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. 12 - 8 - 4. Der [X.] entspricht dem Wert der Hauptsache (vgl. [X.], [X.]. v. 17. Januar 1968 - I[X.] 3/68, NJW 1968, 796; [X.]. v. 6. April 2006 aaO, insoweit in [X.], 2492 f nicht wiedergegeben). 13 Dr. [X.] [X.] [X.] [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 07.12.2004 - 15 O 620/03 - [X.], Entscheidung vom 09.03.2006 - 21 U 4/05 -

Meta

IX ZB 60/06

21.12.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2006, Az. IX ZB 60/06 (REWIS RS 2006, 68)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 68

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